Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 16/10
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten noch um restliche Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
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Der Kläger war bei der Beklagten auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 13. August 2008 ab dem 15. August 2008 als Dachdecker-Vorarbeiter zu einem Stundenlohn in Höhe von 15,42 EUR brutto beschäftigt.
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Vom 16. September 2008 bis zum 14. November 2008 war der Kläger für die Beklagte auf einer Baustelle in K. tätig. In diesem Zeitraum hat er über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus 166 Überstunden geleistet.
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Im Dezember 2008 hat der Kläger noch eine Woche gearbeitet und wurde dann unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Mangels Arbeit hätte der Kläger in dieser Zeit auch nicht sinnvoll für die Beklagte arbeiten können. Im Januar und Februar 2009 hat der Kläger ebenfalls Entgelt von der Beklagten bezogen, hat aber keine Arbeitsleistungen erbracht, da keine Arbeit anfiel.
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Die Beklagte hat sodann das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13. Februar 2009 zu Ende Februar 2009 gekündigt (Kopie Blatt 6, es wird Bezug genommen). Diese Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.
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Mit seiner im April 2009 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Bezahlung der 166 Überstunden, die er von September bis November 2008 erbracht hat, in Höhe von 2.559,72 EUR brutto sowie Abgeltung von 15 nicht genommenen Urlaubstagen in Höhe von 1.850,40 EUR brutto.
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Da zum Verhandlungstermin beim Arbeitsgericht Schwerin am 12. August 2009 für die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen ist, ist auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen worden, das in der Hauptsache wie folgt lautet:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 2.559,72 EUR brutto zu zahlen.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.850,40 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen.
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Nach Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 30. November 2009 das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
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Dieses Urteil ist der Beklagten am 18. Dezember 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vom 14. Januar 2010 ist hier per Fax am 15. Januar 2010 eingegangen. Die Berufung ist sodann mit Schriftsatz vom 17. Februar 2010, Gerichtseingang per Fax am 18. Februar 2010, begründet worden.
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Die Beklagte begehrt auch im Berufungsrechtszug die vollständige Abweisung der Klage.
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Die Beklagte behauptet im Berufungsrechtszug erstmals, mit dem Kläger sei bei dem Vertragsgespräch im August 2008 vor seiner Einstellung vereinbart worden, dass die Parteien ein Stundenkonto führen und eventuell in der Saison anfallende Überstunden in den Wintermonaten abgebummelt werden. Damit sei der Kläger einverstanden gewesen. Der Überstundenanspruch des Klägers sei daher durch die bezahlte Freistellung im Dezember 2008 sowie im Januar und Februar 2009 erloschen.
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Zur Urlaubsabgeltung behauptet die Beklagte, der dem Kläger zustehende Urlaub sei in vollem Umfang in den Monaten Dezember 2008, Januar und Februar 2009 gewährt worden.
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Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 12.08.2009 aufzuheben sowie das arbeitsgerichtliche Urteil vom 30.11.2009 (beide zum Aktenzeichen 2 Ca 782/09) abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger bestreitet, dass anlässlich der Vertragsverhandlungen überhaupt von einem Stundenkonto die Rede gewesen sei. Zur Urlaubsabgeltung behauptet der Kläger, der Geschäftsführer der Beklagten hätte ihm und seinen Kollegen im Dezember mitgeteilt, es sei keine Arbeit da, sie könnten nach Hause gehen. Urlaub habe er für diese Zeit weder beantragt noch gewährt bekommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden. Dem Kläger steht die begehrte Überstundenvergütung und die Abgeltung von Urlaubstagen zu (§§ 611 BGB, 7 Abs. 4 BUrlG).
I.
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Der Anspruch des Klägers auf Bezahlung von 166 geleisteten Überstunden (Montage in K.) ist unstreitig entstanden. Der Anspruch ist auch nicht durch die bezahlte Freistellung des Klägers im Dezember 2009 und im Januar und Februar 2009 erloschen.
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Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers ist die Arbeitszeit in Wochenabschnitten bemessen (40 Wochenstunden im Sommer und 37,5 Wochenstunden im Winter). Mit der Ableistung dieser Arbeit hat der Kläger sein vertragliches Entgelt (15,42 EUR pro Stunde) verdient. Während der Montage in K. hat er zusätzliche 166 Arbeitsstunden geleistet. Mangels anderer Abrede der Parteien muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger diese Stunden vergütet bekommen sollte.
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Der Beklagten ist es nicht gelungen, schlüssig den Abschluss einer Verrechnungsabrede zwischen Überstunden und bezahlter Freistellung wegen Arbeitsmangel (Stundenkonto) darzulegen. Der Arbeitsvertrag sieht eine derartige Regelung nicht vor.
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Der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Dachdeckergewerbe sieht zwar unter bestimmten Bedingungen die Einführung eines Stundenkontos vor, dieser Tarifvertrag ist aber auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar, denn die Beklagte betreibt kein Dachdeckergewerbe. Sie hatte den Kläger und zwei weitere Dachdecker-Kollegen lediglich vorübergehend beschäftigt. Eine eigene Betriebsabteilung Dachdeckerei ist bei der Beklagten aber nicht erkennbar geworden.
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Die Beklagte hat dementsprechend auch berichtet, dass sie vergeblich versucht habe, den Kläger und die anderen beiden Dachdecker bei den tariflichen Sozialkassen des Dachdeckergewerbes (SOKA) anzumelden.
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Das Landesarbeitsgericht kann auch nicht feststellen, dass es aus Anlass der Vertragsunterzeichnung der Parteien zu einer zusätzlichen mündlichen Absprache über die Einführung eines Stundenkontos gekommen ist. Die Beklagte hat erstmals im Berufungsrechtszug - nachdem das Gericht auf die Notwendigkeit einer vertraglichen Absprache hingewiesen hatte - entsprechend vorgetragen und der Kläger hat bestritten, dass es anlässlich der Vertragsunterzeichnung oder in zeitlichem Zusammenhang dazu zu weiteren rechtsgeschäftlichen Absprachen gekommen sei. In dieser prozessualen Situation hätte die Beklagte näher zu dem Inhalt und dem Verlauf des Vertragsgesprächs vortragen müssen, um den Kläger zu zwingen, sich genauer zu erklären, was er von dem Lebenssachverhalt nun bestreiten wolle.
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Das ist nicht geschehen. Die Beklagte hat weder vorgetragen, aus welchem Anlass es zu zusätzlichen Absprachen neben dem Text des Arbeitsvertrages gekommen sein soll, noch wer die zusätzliche Regelung wollte. Auch ist nicht klar, mit welchen Worten das rechtsgeschäftliche Angebot dazu abgegeben wurde und aus welcher klägerischen Reaktion die Beklagte berechtigt schließen durfte, dass der Kläger mit der zusätzlichen mündlichen Vertragsabrede neben dem Arbeitsvertrag einverstanden gewesen war. Dies ist vom Gericht auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht betont worden, ohne dass der Wunsch zu weiterem Sachvortrag geäußert wurde.
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Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Führung eines Stundenkontos nicht gesondert vereinbart zu werden brauchte, da eine solche Regelung branchen- oder jedenfalls in der hiesigen Region verkehrsüblich wäre. Mit der Einführung eines Stundenkontos weichen die Arbeitsvertragsparteien von § 615 BGB ab. Denn nach dieser Regelung gehört es zum Risiko des Arbeitgebers, dass er seine unter Vertrag stehenden Arbeitnehmer nicht sinnvoll beschäftigen kann. Er hat dennoch das Entgelt zu bezahlen.
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Diese Regelung verkörpert eine bestimmte gesetzliche Wertvorstellung über die gerechte Verteilung der Risiken im Arbeitsverhältnis. Daher bedarf es, wenn die Parteien etwas anderes vereinbaren wollen, einer klaren Regelung. Soweit Stundenkonten in der Dachdeckerbranche häufig vorkommen, beruht dies erkennbar auf den entsprechenden Regelungen in dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag, der hier allerdings nicht anwendbar ist. Eine Verkehrsüblichkeit, die über den Anwendungsbereich des Tarifvertrages hinausgeht, ist damit noch nicht dargelegt.
II.
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Die Berufung ist auch unbegründet, soweit sich die Beklagte dagegen wehrt, dass sie zur Zahlung von Urlaubsabgeltung verurteilt wurde.
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Der klägerische Urlaubsanspruch war im Umfange von 15 Urlaubstagen aufgrund der Dauer der Zusammenarbeit entstanden. Das steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Der Beklagten ist der Nachweis nicht gelungen, dass sie den entstandenen Urlaubsanspruch durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht hat.
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Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Die erklärte Arbeitsbefreiung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub erfolgen soll; sonst kann nicht festgestellt werden, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirken will (§ 362 Abs. 1 BGB), als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichtet (§ 615 S. 1 BGB) oder er dem Arbeitnehmer nach § 397 Abs. 1 BGB anbietet, die Arbeitspflicht vertraglich zu erlassen (vgl. nur BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07).
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Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte den Kläger für ihn erkennbar zum Zwecke der Urlaubsgewährung von der Pflicht zur Arbeitsleistung freistellen wollte. Schon der Parteivortrag dazu unterliegt unerklärlichen Schwankungen. Während der Geschäftsführer der Beklagten in der Güteverhandlung noch erklärt hat, dass der Urlaub im November 2008 gewährt wurde, heißt es in späteren Schriftsätzen, er sei im Dezember und im Februar gewährt worden, wobei die Wortwahl zwischen "vereinbart" und "angewiesen" schwankt.
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Ob allein diese Umstände den Parteivortrag der Beklagten schon als unschlüssig erscheinen lassen, kann dahinstehen, denn der Kläger hat vorgetragen, er und seine Kollegen seien ausschließlich wegen Mangel an Arbeit nach Hause geschickt worden. Damit hat er den pauschalen Vortrag der Beklagten zur Urlaubsgewährung bestritten, und es wäre nun an der Beklagten gewesen, die Details zum Vorgang der Anordnung oder Vereinbarung der Urlaubsgewährung vorzutragen. Das ist nicht geschehen. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass der Beklagte den klägerischen Urlaubsanspruch erfüllt habe.
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Da der Urlaubsanspruch nicht durch Erfüllung untergegangen ist, ist er von der Beklagten abzugelten.
III.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) sind nicht gegeben.
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Referenzen
- BGB § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko 2x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 2 Ca 782/09 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 611 BGB, 7 Abs. 4 BUrlG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 397 Erlassvertrag, negatives Schuldanerkenntnis 1x
- 9 AZR 650/07 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x