Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Kammer) - 3 Sa 240/11

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 22.06.2011 – 5 Ca 470/11 – abgeändert.

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.435,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

b) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Lohndifferenzansprüche in Höhe von 1,00 Euro je Arbeitsstunde für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2010 zur unstreitigen Höhe in Höhe von 1.435,00 Euro brutto.

2

Der Kläger ist seit dem 01.01.2010 auf der Grundlage eines rechtskräftig festgestellten Betriebsüberganges nach § 613 a BGB (Urteil Arbeitsgericht Schwerin vom 21.04.2010 – Aktenzeichen 5 Ca 509/10 -) bei der Beklagten beschäftigt.

3

Nach dem bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrag (Blatt 24 bis 29 d. A.) ist in § 3 ein Stundenlohn in Höhe von 9,00 Euro festgeschrieben.

4

In § 12 heißt es wie folgt:

5

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von 2 Monaten nach ihrer jeweiligen Fälligkeit schriftlich und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von weiteren 2 Monaten gerichtlich geltend zu machen.“

6

In § 13 Satz 2 heißt es:

7

„Sämtliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“

8

In der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an den Kläger einen Stundenlohn in Höhe von 10,00 Euro.

9

Anlässlich eines vorhergehenden Rechtsstreites zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung schlossen die dort beteiligten Parteien ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis, welches am 30.04.2010 endete. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte das Prozessrechtsarbeitsverhältnis im streitgegenständlichen Zeitraum mit 9,00 Euro je Arbeitsstunde abgerechnet. Das Arbeitsgericht Schwerin verurteilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die mündliche Verhandlung vom 16.02.2011 mit dem am 04.04.2011 verkündeten Schluss-Urteil antragsgemäß zur Zahlung des Gehaltes auf der Basis eines Stundenlohnes von 10,00 Euro brutto (Aktenzeichen 5 Ca 909/10; rkr.), wobei es im Tatbestand – soweit hier von Bedeutung – wie folgt heißt:

10

„ Die Beklagte hat dem Kläger für Februar, März und April Bezügeabrechnungen - fälschlicherweise unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes in Höhe von 9,00 €, statt zuletzt vereinbarter 10,00 € - erteilt.“

11

In den Entscheidungsgründen lautet es – soweit hier von Bedeutung -:

12

„Der Anspruch ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Es geht vorliegend allein darum, ob dieser nach der einzelvertraglichen Verfallfrist verfallen sein könnte.“

13

In dem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten zur Frage des Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB hat das Arbeitsgericht Schwerin in Ziffer 2. der Entscheidung vom 21.04.2010 (5 Ca 509/10) antragsgemäß wie folgt tenoriert:

14

„Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 09.12.2005 als Monteur/Tischler zu einem Stundenbruttolohn von 9,00 € bei einer wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden ab dem 01.01.2010 zu beschäftigen.“

15

Der Kläger hat beantragt:

16

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.435,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Das Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage mit Urteil vom 22.06.2011 (5 Ca 470/11) abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe einerseits eine vertragliche Vereinbarung eines Stundenlohnes von 10,00 Euro brutto mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht schlüssig dargetan. Andererseits könne sich der Kläger zur Begründung des Anspruches auch nicht auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung stützen. Dieser Umstand folge bereits daraus, dass der Kläger insoweit lediglich die tatsächliche Zahlung eines entsprechenden Stundenlohnes für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 dargelegt habe. Dieser Vortrag allein reiche jedoch zur Bejahung einer betrieblichen Übung nicht aus.

20

Gegen diese am 27.07.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung nebst Begründung des Klägers vom 23. August 2011 (eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 24.08.2011).

21

Der Kläger bleibt bei seinem erstinstanzlichen Vortrag, wonach zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ende November 2006 ein Gespräch über die Erhöhung des Stundenlohnes für den Kläger stattgefunden habe, in dessen Zuge sich der dortige Geschäftsführer mit einer Lohnerhöhung um 1,00 Euro einverstanden erklärt habe. Diese Vereinbarung habe er auf einem Zettel notiert und diese Notiz mit der Stundenlohnerhöhung, gültig ab dem 01.01.2007, an die damalige Sekretärin, Frau G. E., übergeben mit der Anweisung, die verabredete Lohnerhöhung umzusetzen.

22

Jedenfalls erfülle die kommentarlose Umstellung auf einen Stundenlohn von 10,00 Euro brutto ab dem 01.01.2007 durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Institut der betrieblichen Übung. Der Kläger habe diese Vorgehensweise nur im Sinne einer gewährten Lohnerhöhung verstehen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes seien damit die Voraussetzungen der betrieblichen Übung erfüllt.

23

Der Kläger beantragt:

24

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 22.06.2011, 5 Ca 470/11, abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.435,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

25

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem Berufungskläger aufzuerlegen.

28

Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 21.04.2010 zum Aktenzeichen 5 Ca 509/10 sei in Rechtskraft erwachsen. Dort sei die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf der Basis eines Stundenlohnes von 9,00 Euro verurteilt worden. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen.

29

Im Übrigen sei dem Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten versehentlich seit dem 01.01.2007 ein zu hoher Stundenlohn gezahlt worden. Dieser Fehler sei erst im Zusammenhang mit der Beendigung des Prozessarbeitsverhältnisses und der unmittelbar danach neu angestrengten Klage des Klägers in Rücksprache mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten offenbar geworden. Dieser Fehler der Rechtsvorgängerin sei nach Mitteilung des dortigen Geschäftsführers auch insoweit erklärlich, als die vormals dort beschäftigten Monteure/Tischler und Poliere abhängig von ihnen erworbenen Qualifikationen und ihren Tätigkeiten unterschiedlich hoch vergütet worden seien, so dass die Überzahlung nicht aufgefallen sei. Dies umso weniger, als die Löhne der dort beschäftigten Arbeitnehmer oft über mehrere Jahre konstant gewesen seien und sich der Lohnfaktor nicht geändert habe. Nur wenn es Stundenlohnerhöhungen gegeben habe und entsprechende Arbeitsvertragsänderungen schriftlich vorgenommen worden seien, sei dass beauftragte Lohnbüro angewiesen worden, zu einem bestimmten Stichtag den höheren Stundenlohn in die Gehaltsabrechnung einzupflegen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Falscheingabe des Stundenlohnfaktors bei der DATEV-Lohnabrechnung auch über Monate oder wie im Fall des Klägers sogar über Jahre hinweg unentdeckt geblieben sei, wenn es keine Änderungsmitteilungen an das Lohnrechnungsbüro gegeben habe. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei es nicht möglich gewesen, Monat für Monat sämtliche Lohnabrechnungen der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer daraufhin zu überprüfen, ob diese korrekt erfolgt seien, da sie für die Erstellung der Lohnabrechnungen ein externes Büro beauftragt habe und davon ausgegangen sei, dass dieses als Fachunternehmen die einzelnen Lohnabrechnungen auch richtig erstelle.

30

Der Kläger könne sich schließlich auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung nicht berufen, da es an einem konkreten Verpflichtungswillen der Rechtsvorgängerin der Beklagten gefehlt habe. Es habe bei dem vorgenannten Unternehmen keinen anderen Arbeitnehmer gegeben, mit dem irgendwelche mündliche Vertragsergänzungen oder Änderungen vereinbart worden seien.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

Die zulässige Klage ist auch begründet.

I.

33

Der Kläger verfügt gegenüber der Beklagten über einen Anspruch auf Zahlung eines Bruttostundenlohnes in Höhe von 10,00 Euro und mithin über ein Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe.

1.

34

Der Anspruch des Klägers ist gemäß § 613 a Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB begründet.

a)

35

Gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist derjenige, welcher Dienst zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

36

Gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein. In diesem Zusammenhang ist auch der Betriebserwerber an eine im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehende betriebliche Übung gebunden (zutreffend BAG vom 03.11.2004 - 5 AZR 73/04 -; juris).

37

Gemessen an den benannten Voraussetzungen verfügt der Kläger gegenüber der Beklagten über den hier geltend gemachten Anspruch. Denn bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat der Kläger jedenfalls über das Institut der betrieblichen Übung einen verbindlichen Anspruch auf Zahlung eines Stundenlohnes in Höhe von 10,00 Euro brutto erworben. Daran ist auch die Beklagte gebunden.

38

Eine betriebliche Übung ist im Falle sich regelmäßig wiederholender bestimmter Verhaltensweisen eines Arbeitgebers zu verstehen, aus denen ein Arbeitnehmer schließen darf, ihm solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein solches als Vertragsangebot zu wertendes Verhalten des Arbeitgebers wird von dem Arbeitnehmer durch widerspruchslose Inanspruchnahme der Leistung angenommen. Der Zugang der Annahmeerklärung ist gemäß § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen und sind für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruches ist jedoch nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte (BAG vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07 -; juris Rn. 12). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch ohne Erklärungsbewusstsein eine entsprechende Willenserklärung des Arbeitgebers anzunehmen, wenn der Empfänger sie nach Treu und Glauben als solche verstehen durfte und der Erklärende dieses hätte erkennen und vermeiden können (BAG vom 30.10.1984 – 3 AZR 236/82 -; juris Rn. 16 unter Hinweis auf BGH vom 07.06.1984 – IX ZR 66/82).

39

Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend durch die Gewährung eines Stundenlohnes durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten in Höhe von 10,00 Euro in dem Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 erfüllt.

40

Der Kläger konnte und dufte diese tatsächliche Handhabung nur im Sinne einer Willenserklärung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Zahlung eines Stundenlohnes von 10,00 Euro verstehen. Die Kammer ist deshalb zu einem vom Arbeitsgericht Schwerin in der angefochtenen Entscheidung abweichenden Ergebnis gelangt, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger in dem benannten Zeitraum nicht lediglich einen Stundenlohn in Höhe von 10,00 Euro ausgezahlt hat, sondern darüber hinaus auch monatliche Abrechnungen erteilt hat, in welchen die jeweiligen Abrechnungsposten (z. B. Baustellentätigkeit/Urlaub/Fahrtätigkeit/Entgeltfortzahlung/Lagertätigkeit etc.) ausdrücklich mit einem Stundenlohnfaktor von 10,00 Euro ausgewiesen worden sind. Zudem ist in den Abrechnungen unter der Rubrik „statistische Werte“ durchgängig ein Stundenlohn von 10,00 Euro benannt worden. Angesichts dieser strengen Vorgehensweise der Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 musste bei dem Kläger der verfestigte Eindruck entstehen, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich mit dem 01.01.2007 zur Zahlung eines Stundenlohnes in Höhe von 10,00 Euro entschlossen, zumal unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind, weshalb der Kläger einen entsprechenden Verpflichtungswillen der Rechtsvorgängerin der Beklagten hätte erkennbar anzweifeln müssen.

41

Soweit die Beklagte dem entgegenhält, die Bezahlung des Klägers bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei auf einen Eingabefehler in der dortigen Lohnbuchhaltung bzw. bei dem beauftragten Steuerberatungsbüro zurückzuführen, so vermag dieser Vortrag ein anderes Ergebnis nach Auffassung der Kammer rechtlich nicht zu begründen.

42

Wenn man einen Eingabefehler in der Lohnbuchhaltung unterstellt, so läge der Fehler über mehrere Jahre unmittelbar in der Sphäre der Rechtsvorgängerin der Beklagten und wäre mithin ohne weiteres vermeidbar gewesen.

43

Geht man von einem Fehler eines beauftragten Steuerberatungsbüros aus, so stellt sich die Frage, weshalb eine solche fehlerhafte Bearbeitung über Jahre hinweg unaufgedeckt bleiben konnte. Spätestens bei den jeweils vorzunehmenden Auftragskalkulationen hätte ein vermeintlich fehlerhafter Stundenlohn des Klägers bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu irgend einem Zeitpunkt auffallen müssen. Auch bleibt unklar, weshalb die Rechtsvorgängerin der Beklagten, den Vortrag als richtig unterstellt – jedenfalls auf eine stichprobenartige Kontrolle der Arbeitsweise des angeblich beauftragten Steuerberatungsbüros verzichtet haben soll. Vor diesem Hintergrund muss in jedem Falle angesichts der durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten behaupteten fehlerhaften Eingabe des Stundenlohnes des Klägers von einem vermeidbaren Fehler im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ausgegangen werden.

44

Zudem ist der diesbezügliche Vortrag der Beklagten unsubstantiiert und in sich widersprüchlich.

45

Zum einen ist nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt und bei wem (Lohnbuchhaltung der Rechtsvorgängerin der Beklagten?; beauftragtes Steuerberatungsbüro?; Lohnberechnungsbüro?) sich eine fehlerhafte Eingabe des Stundenlohnes des Klägers eingeschlichen haben soll.

46

Zum anderen bleibt unerklärlich, weshalb die Höhe des Stundenlohnes (10,00 Euro) in dem Verfahren zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Aktenzeichen 5 Ca 909/10 (Arbeitsgericht Schwerin) unstreitig geblieben ist. Wenn es denn so ist – wie die Beklagte vorträgt -, dass es bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten niemals mündliche, sondern nur schriftliche Vertragsgrundlagen gegeben hat und vorhandene schriftliche Vertragsgrundlagen niemals mündlich abgeändert worden sind, dann hätte spätestens in dem benannten Verfahren dem Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten zwingend auffallen müssen, dass bei der schriftlichen arbeitsvertraglichen Fixierung eines Stundenlohnes von 9,00 Euro und den tatsächlich gezahlten 10,00 Euro ein fehlerhafter Stundenlohnansatz vorliegen muss. Dies gilt erst recht, wenn – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten und damalige Prozessbevollmächtigte der Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausdrücklich auf den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 09.12.2005 mit einem Stundenlohn von 9,00 Euro hingewiesen hat.

47

Nach alledem hatte der Kläger gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung einen Stundenlohnanspruch in Höhe von 10,00 Euro erworben, welcher gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Beklagten fortgilt.

b)

48

§ 13 des Arbeitsvertrages vom 09.12.2005 steht dem nicht entgegen. Eine – wie hier – einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht.

49

Das Bundesarbeitsgericht (vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07 -; juris Rn. 17) führt diesbezüglich wie folgt aus:

50

„Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jeder Zeit schlüssig und formlos aufheben (…). Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben. Ein vereinbartes Schriftformerfordernis kann deshalb auch durch eine formfreie betriebliche Übung abbedungen werden (…).“

51

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an.

c)

52

Die in § 12 Arbeitsvertrag festgelegten Verfallfristen hindern den klageweise geltend gemachten Anspruch nicht. Diesen Umstand hat bereits das Arbeitsgericht Schwerin mit Schluss-Urteil vom 04.04.2011 in einem Vorprozess zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten festgestellt und insoweit wie folgt ausgeführt:

53

„Ein Verfall des in Rede stehenden Annahmeverzugsanspruchs ist hier hingegen auf Grund der arbeitsvertraglichen Verfallklauseln nicht eingetreten, da die Bestimmung, bei der es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Die Frist ist nämlich mit zwei Monaten unangemessen kurz. Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist in allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die gerichtliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen und verstößt damit gegen Treu und Glauben (vgl. BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 5 AZR 572/04 – BAGE 115, 19, 26 f.). Sie ist nach der Rechtsprechung des BAG, der die erkennende Kammer folgt, mit den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertrages zweckgefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

54

Die Unwirksamkeit der Ausschlussklauseln führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall. Eine sogenannte geltungserhaltene Reduktion ist im Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen (BAGE 116, 66,76).“

55

Diesen Ausführungen aus der zu diesem Verfahren abgereichten Entscheidung des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 04.04.2011 (5 Ca 909/10) ist nach Ansicht der Kammer nichts hinzuzufügen.

d)

56

Ziffer 2. des Urteils des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 21.04.2010 – 5 Ca 509/10 – steht der Begründetheit des Klageanspruches ebenfalls nicht entgegen. Denn der Tenor zu Ziffer 2. der zitierten Entscheidung des Arbeitsgerichtes Schwerin dient lediglich der Durchsetzbarkeit des unter Ziffer 1. austenorierten Feststellungsantrages im Wege der Zwangsvollstreckung. Eine Abänderung der tatsächlich bestehenden materiellen Arbeitsbedingungen ist damit nicht verbunden, zumal diese per Gesetz gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB im Zeitpunkt des Betriebsüberganges und vor Verkündung der oben bezeichneten Entscheidung auf die Beklagte übergegangen sind. Auch eine Auslegung des entsprechenden Klageantrages des Klägers in dem Verfahren zum Aktenzeichen 5 Ca 509/10 im Sinne eines Anspruchsverzichts kommt nicht in Betracht. Diesbezügliche Umstände werden von den Parteien weder vorgetragen, noch ergeben sie sich unter Berücksichtigung des weiteren Sach- und Streitstandes.

2.

57

Der austenorierte Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB.

II.

58

Die Kostenentscheidung ist nach § 91 ZPO gerechtfertigt.

59

Revisionszulassungsgründe (§ 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht ersichtlich.

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