Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 297/11

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von ihrem ehemaligen Arbeitgeber Schadensersatz wegen Alters- und Geschlechtsdiskriminierung in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages, mit dem die Zahlung von Vorruhestandsgeld durch ihren ehemaligen Arbeitgeber verbunden war.

2

Die im Februar 1950 geborene Klägerin war seit 1973 im Schuldienst als Lehrerin tätig. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist mit der Landesgründung im Oktober 1990 entstanden. Die Klägerin war beim beklagten Land weiterhin als Lehrerin im Schuldienst, zuletzt in der Position einer Schulleiterin, beschäftigt.

3

Unter dem 14. Juni 2005 haben die Parteien einen Aufhebungsvertrag auf Basis des Lehrerpersonalkonzepts Mecklenburg-Vorpommern (LPK) geschlossen (Kopie des Textes als Anlage K 2 überreicht, hier Blatt 8 ff). Nach diesem Vertrag sollte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Januar 2006 enden. Anschließend sollte die Klägerin Vorruhestandsgeld I nach Maßgabe der Anlage 2 zum LPK beziehen. Das Vorruhestandsgeld I wird nach der Anlage 2 zum LPK gezahlt in Höhe von 80 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Der Arbeitnehmer muss sich das Arbeitslosengeld oder das Einkommen aus einer von der Bundesagentur zugewiesenen Arbeit auf die Zahlung anrechnen lassen. Nach § 4 des Aufhebungsvertrages wird das Vorruhestandsgeld nur bis zum Zeitpunkt des gesetzlich frühestmöglichen Bezuges einer Altersrente gewährt. Dazu soll nach dem Vertragstext auch die vorgezogene Altersrente für Frauen gehören. Im Aufhebungsvertrag hat die Klägerin durch ihre Unterschrift bestätigt, dass sie sich rentenrechtlich hat beraten lassen über die für sie früheste Möglichkeit der Altersrente im Sinne des Aufhebungsvertrages.

4

Die Klägerin ist dann wie im Aufhebungsvertrag vorgesehen Ende Januar 2006 aus dem Landesdienst ausgeschieden und sie hat anschließend seit Februar 2006 Vorruhestandsgeld, zuletzt in Höhe von rund 2.200,00 Euro monatlich bezogen.

5

Da die Klägerin dem Geburtsjahrgang 1950 angehört, konnte sie nach der Regelung in § 237a Absatz 2 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) und der dortigen Anlage 20 bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres Rente beantragen. Wie im Aufhebungsvertrag vorgesehen, hat die Klägerin auch den Rentenantrag gestellt und sie bezieht nach dem Bescheid vom 6. Mai 2010 rückwirkend seit dem 1. März 2010 Rente. Die Rente ist um rund 18 Prozent niedriger als die Rente, die sie bezogen hätte, wenn sie erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres nach § 237 SGB VI Rente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen hätte. Die tatsächliche Rente der Klägerin hat im Jahr 2010 monatlich 1.131,42 Euro betragen. Bevor die Klägerin den Rentenbescheid hat rechtskräftig werden lassen, hat sie mehrfach das beklagte Land schriftlich aufgefordert, ihr weiterhin Vorruhestandsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres zu gewähren, was vom beklagten Land abgelehnt wurde.

6

Die Parteien haben den Aufhebungsvertrag zu einer Zeit abgeschlossen, zu der das beklagte Land auch mit vielen Kolleginnen und Kollegen der Klägerin in ähnlicher Lage ähnliche Aufhebungsverträge abgeschlossen hatte. Diese großzügige Bewilligungspraxis hat das beklagte Land erst Ende 2009 aufgegeben. Aus den Rechtsstreitigkeiten, die daraus entstanden sind, dass einzelne Lehrkräfte dann keine Aufhebungsverträge mehr bekommen haben (vgl. nur beispielsweise LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. August 2011 - 5 Sa 321/10 - mit weiteren Nachweisen der Gerichtsrechtsprechung), hat das Gericht Kenntnis davon, dass das beklagte Land die Anträge auf die begehrten Aufhebungsverträge bis zuletzt so abgeschlossen hat, dass nie mehr als 48 Monate Vorruhestandsgeld zu zahlen war. Dieses Wissen hat das Gericht den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung mitgeteilt. Weiter hat das Gericht mitgeteilt, dass es davon ausgehen wird, dass diese auf 48 Monate begrenzte Bewilligungspraxis schon seinerzeit, als der Vertrag mit der Klägerin geschlossen wurde, gegolten hatte. Auch die Klägerin geht in ihren Schriftsätzen davon aus, dass das Vorruhestandsgeld I seinerzeit nur bzw. allenfalls 48 Monate lang gezahlt wurde.

7

Die Klägerin verlangt nunmehr – nachdem das beklagte Land die weitere Gewährung von Vorruhestandsgeld über den Februar 2010 hinaus abgelehnt hat – Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen ihrer Altersrente und dem Vorruhestandsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (Klageanträge zu 1 und 2) und weitergehend Schadensersatz wegen der Rentenminderung bis zu ihrem Lebensende in Höhe der Differenz zu der Rente, die sie erzielen würde, wenn sie den Rentenantrag erst zum Ablauf des 63. Lebensjahres gestellt hätte (Klageantrag zu 3). Hilfsweise verlangt sie die Weitergewährung von Vorruhestandsgeld bis zum Erreichen des 63. Lebensjahres (Klageantrag zu 4). Ihre Klage ist im März 2010 beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen.

8

Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Klage mit Urteil vom 13. September 2011 (2 Ca 133/10) als unbegründet abgewiesen und den Streitwert auf rund 45.000,00 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

9

Mit der Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt die Klägerin ihr Klageziel uneingeschränkt weiter.

10

Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht richtig gewürdigt. Ihr stehe der begehrte Schadensersatz zu, da sie wegen ihres Alters und wegen ihres Geschlechts durch den Aufhebungsvertrag diskriminiert werde.

11

Dazu behauptet die Klägerin, mit Kolleginnen und Kollegen der Geburtsjahrgänge 1953 und jünger habe das beklagte Land Aufhebungsverträge mit bis zu 7jähriger Bezugsdauer von Vorruhestandsgeld abgeschlossen. Dies treffe insbesondere auf Frau E. aus P. zu (klägerischer Schriftsatz vom 1. März 2011 Seite9, hier Blatt 109). Die Klägerin stellt auch die Behauptung auf, dass männliche Kollegen ihres Geburtsjahrgangs zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens Aufhebungsverträge mit einer längeren Bezugsdauer von Vorruhestandsgeld erhalten hätten, da man diese nicht hätte zwingen könne, bereits mit 60 vorzeitig in Rente zu gehen.

12

Die Klägerin beantragt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils,

1.

13

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 19.595,08 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf

14

5.443,54 Euro seit dem 01.07.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.08.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.09.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.10.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.11.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.12.2010,
1.088,58 Euro seit dem 01.01.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.02.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.03.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.04.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.05.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.06.2011,
1.088,58 Euro seit dem 01.07.2011 sowie
1.088,58 Euro seit dem 01.08.2011

15

zu zahlen,

2.

16

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Zahlung i.H.v. 1.088,58 Euro ab dem 01.08.2010 jeweils zum 1. eines jeden Monats im Voraus bis einschließlich dem 01.03.2013 zu zahlen,

3.

17

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Zahlung i.H.v. 135,62 Euro zum 1. eines jeden Monats im Voraus ab dem 01.03.2013 bis an ihr Lebensende zu zahlen,

4.

18

hilfsweise im Falle des Unterliegens mit den Anträgen zu 1 bis 3 das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.03.2010 bis einschließlich dem 01.03.2013 Vorruhestandsgeld zu zahlen.

19

Das beklage Land beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Das beklagte Land verteidigt das ergangene Urteil.

22

Das beklagte Land betont, dass die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, den Vorruhestandsvertrag abzuschließen. Sie habe sich rentenrechtlich beraten lassen und sei bei Vertragsabschluss daher der Meinung gewesen, dass der Vertrag für sie vorteilhaft sei. Daher müsse sie jetzt auch zu dem Vertrag stehen und könne nicht hinterher eine Nachbesserung verlangen. Letztlich sei die Klage auch rechtsmissbräuchlich, weil die Klägerin mit der Geltendmachung ihrer behaupteten Ansprüche bis zu ihrer Verrentung gewartet habe. Sie habe damit jahrelang ihr Einverständnis mit der Vorruhestandsregelung suggeriert; heute gebe es aber keine Möglichkeit mehr, den Aufhebungsvertrag zurück abzuwickeln.

23

Außerdem diene das Vorruhestandsgeld einem sozialpolitischen Überbrückungszweck im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (Bezug auf BAG 15.02.2011 – 9 AZR 750/09 – NZA 2011, 740), was es ermögliche, auf den frühesten möglichen Renteneintritt abzustellen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das beklagte Land hat seine Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag vom 14. Juni 2005 vollständig erfüllt. Weitere Zahlungen stehen der Klägerin weder aus dem Aufhebungsvertrag noch als Schadensersatz zu.

I.

26

Die Klageanträge zu 1 und 2 sind nicht begründet. Das beklagte Land ist der Klägerin gegenüber nicht zum Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen der derzeitigen Rente der Klägerin und dem Vorruhestandsgeld für die Zeit bis Ende Februar 2013 verpflichtet. Weder bei Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der Regelung zur Zahlung von Vorruhestandsgeld noch bei der Durchführung des Vertrages durch die Zahlung von Vorruhestandsgeld ist die Klägerin wegen ihres Alters oder wegen ihres Geschlechts schlechter behandelt worden als andere vergleichbare Beschäftigte.

1.

27

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages im Juni 2005 und auch zu Beginn des Vorruhestandsgeldbezuges im Februar 2006 war das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch nicht in Kraft getreten. Dieses stammt vom 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897) und ist erst am 18. August 2006 in Kraft getreten. Gleichwohl war es auch schon in der Zeit vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verboten, Arbeitnehmer wegen ihres Geschlechts zu benachteiligen (§ 612 Absatz 3 BGB a.F.). Ob dies in gleicher Weise seinerzeit für die Frage der Benachteiligung wegen des Alters gegolten hat, kann hier dahinstehen, denn es kann hier im Ergebnis keine Altersdiskriminierung zu Lasten der Klägerin festgestellt werden.

2.

28

Eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts lässt sich nicht feststellen.

29

Nach § 612 Absatz 3 BGB a.F. war es verboten, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vorzunehmen. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend aus den europäischen Rechtsquellen abgeleitet hat, ist der Vergütungsbegriff weit zu verstehen. Auch ein Vorruhestandsgeld, das in Anschluss an die aktive Durchführung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, fällt noch unter den Vergütungsbegriff aus § 612 Absatz 3 BGB a.F.

30

Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Klägerin weniger Vorruhestandsgeld bezogen hat, als vergleichbare männliche Kollegen. Wegen der Höhe des monatlichen Bezugs liegt keine Schlechterstellung vor und sie wird insoweit von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Es kann aber auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin wegen ihres Geschlechts für einen kürzeren Zeitraum Vorruhestandsgeld bezogen hat, als vergleichbare männliche Kollegen.

31

Denn alle Beschäftigte, die einen Antrag auf einen Aufhebungsvertrag mit Vorruhestandsgeld I nach der Anlage 2 zum Lehrerpersonalkonzept Mecklenburg-Vorpommern (LPK) gestellt haben, mussten auf den Aufhebungsvertrag so lange warten, bis die daraus erwachsenden Leistungen allenfalls noch 48 Monate zu zahlen waren. Das beklagte Land hat sich bei Anträgen, die auf ein früheres Ausscheiden gerichtet waren, schlicht geweigert, einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Diese Praxis wurde von vielen Lehrkräften als ungerecht empfunden und sie führte zu einer Reihe von Klageverfahren derjenigen Lehrkräfte, die bereits 2008 oder Anfang 2009 ihren Antrag gestellt hatten, jedoch nach der Praxis des beklagten Landes erst 2010 hätten ausscheiden können, denn das beklagte Land hat gegen Ende 2009 mit seiner bisherigen sehr großzügigen Bewilligungspraxis gebrochen. Aus diesen Klageverfahren ist die Bewilligungspraxis dem Berufungsgericht bekannt und es hat in der mündlichen Verhandlung auf diese Kenntnis hingewiesen. Diese Bewilligungspraxis ist letztlich auch der Klägerin bekannt gewesen, denn sie selbst kritisiert die 48-Monats-Grenze für das Vorruhestandsgeld selber mehrfach.

32

Die Klägerin hat ebenfalls 48 Monate lang – genau genommen sogar 49 Monate lang – Vorruhestandsgeld bezogen, also hat sie nicht weniger Vorruhestandsgeld bezogen als alle anderen auf diese Weise ausgeschiedenen Kollegen und Kolleginnen. Ihre vage gebliebene Behauptung, andere Kollegen hätten bis zu sieben Jahren Vorruhestandsgeld bezogen, kann der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, denn der Klägerin ist es nicht gelungen, ihren diesbezüglichen Vortrag weiter zu konkretisieren. Dieser Aspekt ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wollte dazu in einem nachgelassenen Schriftsatz noch weiter vortragen. Ein weiterer Schriftsatz ist dann aber weder innerhalb der gesetzten Frist noch bis zur Verkündung des Urteils eingegangen.

33

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass männliche Kollegen des Geburtsjahrgangs der Klägerin zum selben Zeitpunkt mit Anspruch auf Vorruhestandsgeld ausscheiden konnten wie die Klägerin. Der gängigen Praxis hat es vielmehr entsprochen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin erst dann einen Aufhebungsvertrag angeboten bekommen haben, wenn danach auch für sie allenfalls für 48 Monate Vorruhestandsgeld zu zahlen war. Ein vergleichbarer männlicher Kollege des Geburtsjahrgangs der Klägerin konnte daher erst mit Vollendung des 59. Lebensjahrs 2009 mit Vorruhestandsgeld ausscheiden, während die Klägerin dies bereits mit Vollendung des 56. Lebensjahres konnte.

34

Letztlich ist noch anzumerken, dass sich auch die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen für den Bezug vorzeitiger Altersrente für die Klägerin in der Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages im Juni 2005 und dem Erreichen des 60. Lebensjahres nicht verändert haben. Bereits seinerzeit stand fest, dass die Klägerin nach § 237a Absatz 2 SGB VI und der dort in Bezug genommenen Anlage 20 zu dem Gesetz mit Ablauf des 60. Lebensjahres Anspruch auf vorzeitige Altersrente hat. Diese Rechtslage war im Juni 2005 Entscheidungsgrundlage der Klägerin und des beklagten Landes für den Abschluss des Aufhebungsvertrages und insoweit hat sich bis heute nichts geändert. Die Klägerin konnte wie geplant die vollen 48 bzw. 49 Monate das versprochene Vorruhestandsgeld in Anspruch nehmen.

3.

35

Auch eine Diskriminierung wegen des Alters lässt sich nicht feststellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass vergleichbare Beschäftigte jüngerer Geburtenjahrgänge günstigere Aufhebungsverträge mit dem Recht auf Vorruhestandsgeld I nach der Anlage 2 zum LPK angeboten bekommen haben.

36

Auch insoweit ist der Vortrag der Klägerin sehr vage geblieben. Die Kollegin E. aus P. ist bereits nach dem klägerischen Vortrag erst in einem späteren Kalenderjahr durch Aufhebungsvertrag aus dem aktiven Arbeitsleben ausgeschieden. Insoweit mag bereits zweifelhaft sein, ob die Kollegin überhaupt mit der Klägerin vergleichbar ist. Das kann aber offen bleiben. Denn es ließ sich trotz intensiver Aufklärungsbemühungen des Gerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung bei Anwesenheit der Klägerin nicht weiter aufklären, wann und zu welchen Bedingungen diese Kollegin mit Aufhebungsvertrag ausgeschieden ist. Auch im Rahmen des nachgelassenen Schriftsatzes ist dazu nichts mehr weiter vorgetragen worden, ein solcher Schriftsatz ist hier nicht eingegangen.

4.

37

Da die Klage mit den Anträgen zu 1 und 2 nicht begründet ist, konnte das Gericht die Frage offen lassen, ob nicht mit diesen Klageanträgen teilweise das Gleiche verlangt wird. Ausweislich der Schriftsätze und in Übereinstimmung mit den geforderten Zinszahlungen bezieht sich der Klageantrag zu 1 auf die Differenz zwischen Vorruhestandsgeld und Rente für die Zeit von März 2010 bis einschließlich Juli 2011. Aber auch mit dem Klageantrag zu 2 verlangt die Klägerin die Zahlung dieser Differenz und zwar ab dem Monat August 2010. Richtig müsste es hier wohl heißen ab August 2011.

II.

38

Auch der Klageantrag zu 3, mit dem die Klägerin Schadensersatz in Form monatlicher Zahlungen bis an ihr Lebensende wegen ihrer wegen der Geschlechtsdiskriminierung rechtswidrig geminderten Rente verlangt, ist nicht begründet.

39

Ob die Klägerin dadurch mittelbar wegen ihres Geschlechts diskriminiert wurde, dass sie nach der Konzeption des Vorruhestandsgeldes I im LPK gezwungen war, bereits mit 60 Rente zu beantragen, während vergleichbare männliche Kollegen erst mit 63 Lebensjahren einen solchen Antrag stellen müssen, kann dahinstehen, denn das beklagte Land wäre insoweit jedenfalls nicht zum Ersatz des von der Klägerin gesehenen Schadens verpflichtet.

1.

40

Es spricht viel dafür anzunehmen, dass die Konzeption des Vorruhestandesgeldes I im LPK, Frauen, die noch nach den Übergangsregelungen aus § 237a Absatz 2 SGB VI vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen konnten, mittelbar diskriminiert.

41

Denn sie bekommen zwar wie ihre männlichen Kollegen für 48 Monate Vorruhestandsgeld gezahlt, jedoch sind die sozialrechtlichen Nachteile, die sich aus dieser Entscheidung für den Aufhebungsvertrag ergeben, für Frauen ungleich härter als für Männer. Denn dadurch, dass die Frauen, die sich auf dieses Paket einlassen, schon mit 60 ausscheiden, ist ihre Altersrente um rund 18 Prozent niedriger als die der männlichen Kollegen, die erst mit 63 Jahren gezwungen werden, Rente in Anspruch zu nehmen. In einer rein wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung, die das arbeitsvertragliche Vorruhestandsgeld und die sozialrechtliche Rente umfasst, ist das Angebot des Ausscheidens mit Vorruhestandsgeld I für Frauen daher deutlich unattraktiver als für vergleichbare Männer.

42

Diesen Webfehler des Vorruhestandsgeldes I aus dem LPK kann man aus einem etwas anderen Blickwinkel vielleicht noch deutlicher sehen. Denn der Klägerin war es verwehrt, wie ein männlicher Kollege ihres Geburtsjahrgangs bis zum Ablauf des 59. Lebensjahres aktiv als Lehrkraft Dienst zu versehen und dann noch 48 Monate Vorruhestandsgeld I zu beziehen. Denn auch dann, wenn die Klägerin bis zum Ablauf des 59. Lebensjahres gearbeitet hätte, hätte sie trotzdem nur einen Aufhebungsvertrag angeboten bekommen, der sie gezwungen hätte, bereits mit Ablauf des 60. Lebensjahres in Rente zu gehen.

2.

43

Wenn die Klägerin entsprechend dem zuletzt eingenommenen Betrachtungswinkel tatsächlich bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres gearbeitet hätte und erst dann – oder einige Monate vorher – den Antrag auf einen Aufhebungsvertrag mit dem Bezug von Vorruhestandsgeld für 48 Monate gestellt hätte, hätte man ihr diesen Aufhebungsvertrag wohl zubilligen müssen, da sie ansonsten allein wegen ihres Geschlechts schlechter behandelt worden wäre als vergleichbare männliche Kollegen.

44

Im Einzelnen würde das von den Zielen abhängen, die das beklagte Land mit dem Vorruhestandsgeld I zum LPK verfolgt. Entscheidend ist, ob zwischen der vom Arbeitgeber geschuldeten Leistung und dem in Bezug genommenen Renteneintrittsalter ein sachlicher Zusammenhang besteht (BAG 15. Februar 2011 – 9 AZR 750/09 – NZA 2011, 740 = NJW 2011, 2535 = AP Nr. 3 zu § 7 AGG). Ist es das Ziel der Maßnahme, Versorgungslücken (vollständig) zu überbrücken, müssen männliche und weibliche Beschäftigte – um im Bild zu bleiben – das rentenrechtliche Ufer an derselben Stelle erreichen können. Ist aber ohnehin klar, dass die versprochene Leistung für die Aufhebung des Arbeitsvertrages allenfalls einen Beitrag zur Milderung der Probleme darstellen kann, die bis zum Erreichen des Rentenalters entstehen werden ("Überbrückungsbeihilfe"), kann es gerechtfertigt sein, an das frühestmögliche Renteneintrittsalter anzuknüpfen (so ausdrücklich BAG aaO Randnummer 34 einerseits und Randnummer 36 andererseits, dort unter zustimmender Bezugnahme auf BAG 18. Mai 2006 – 6 AZR 631/05 – BAGE 118, 196 = AP Nr. 1 zu § 8 TV-SozSich = NZA 2007, 103).

45

Im Sinne dieser Unterscheidung müsste man das Vorruhestandsgeld I nach dem LPK wohl als eine vollständige Schließung der Versorgungslücke begreifen, die durch das vorzeitige Ausscheiden entsteht, denn diese Leistung baut auf der Annahme auf, dass es der ausscheidenden Lehrkraft nicht wieder gelingen wird, in den Jahren bis zur Rente ein vergleichbares Einkommen wie zuvor erzielen zu können. Allein der Umstand, dass die Leistung wegen der schwachen Finanzkraft des Landes auf 48 Monate begrenzt ist, deutet darauf hin, dass das Land nicht über die finanziellen Mittel für eine volle Überbrückung verfügt, sondern allenfalls bereit ist, für die letzten vier Jahre vor der Rente eine Überbrückung im Sinne einer Überbrückungsbeihilfe zu finanzieren. Das Gericht kann aber diese Frage, die sich mit dem begrifflichen Instrumentarium aus der Entscheidung des BAG vom 11. Februar 2011 (aaO) unter Umständen gar nicht lösen lässt, hier offen lassen.

46

Denn die Klägerin hat sich gerade nicht für den Weg entschieden, bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres im Dienst zu bleiben, und sie hat im gesamten Rechtsstreit auch nicht einmal die Behauptung aufgestellt, dass sie lieber erst mit Vollendung des 59. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst als Lehrerin ausgeschieden wäre. Insbesondere hat die Klägerin die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass sie auch noch weiter im Schuldienst hätte arbeiten können, im Berufungsrechtszug nicht angegriffen. Da die Entscheidung für das vorzeitige Ausscheiden mit Vorruhestandsgeld und die vorzeitige Inanspruchnahme von (geminderter) Rente auf einer Gemengelage von wirtschaftlichen Überlegungen und einer Abwägung der sonstigen Vor- und Nachteile dieses Weges beruht, muss das Gericht davon ausgehen, dass sich die Klägerin mit dem Aufhebungsvertrag aus dem Jahre 2005 bewusst gegen eine weitere Beschäftigung über das 56. Lebensjahr hinaus entschieden hat. Sie ist aufgrund dieser Entscheidung diskriminierungsrechtlich nicht mehr vergleichbar mit Kollegen und Kolleginnen, die sich dafür entschieden haben, wenigstens bis Vollendung des 59. Lebensjahres weiter als Lehrkräfte tätig sein zu wollen.

3.

47

Aber selbst dann, wenn man sich hilfsweise auf den Standpunkt stellt, die Klägerin sei wegen des aufgezeigten Webfehlers des Vorruhestandsgeldes I nach LPK durch das beklagte Land mittelbar wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden, ergibt sich daraus nicht die von der Klägerin hier verlangte Schadensersatzzahlung. Denn die Klägerin hätte ihr Klagerecht verwirkt.

48

Von einer Verwirkung eines Rechts spricht man, wenn der Berechtigte – hier die Klägerin – mit der Geltendmachung seines Rechts oder Anspruchs längere Zeit zugewartet hat (Zeitmoment) und der Schuldner – hier das beklagte Land – deswegen annehmen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, er sich hierauf eingerichtet hat und ihm die gegenwärtige Erfüllung des Rechts oder Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist (Umstandsmoment – vgl. nur BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124 = AP Nr. 8 zu § 10 AÜG = DB 1991, 2342; BAG 27. November 1987 - 7 AZR 314/87 - RzK I 9a Nr. 29; BAG 17. Februar 1988 – 5 AZR 638/86 – BAGE 57, 329 = DB 1988, 1071 = AP Nr. 17 zu § 630 BGB).

49

Das ist hier der Fall. Die Klägerin hat im Juni 2005 den Aufhebungsvertrag abgeschlossen und ist im Februar 2006 aus dem Dienst ausgeschieden und hat fortan Vorruhestandsgeld bezogen. Sie wusste, dass die Anspruchsdauer auf 48 Monate begrenzt ist. Die Begrenzung der Leistung auf diesen Zeitraum ist diskriminierungsfrei und nicht zu beanstanden. Wenn die Klägerin also wegen der doch sehr einschneidenden Rentenabschläge in dem Aufhebungsvertrag eine Diskriminierung erblickt, hätte man möglichst früh nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst darüber reden müssen, damit man zu einer Vereinbarung kommt, die die weitere Arbeit der Klägerin bis Vollendung des 59. Lebensjahres vorsieht. Da die Klägerin nichts in dieser Richtung unternommen hat, hat sich das beklagte Land auf das Ausscheiden der Klägerin eingerichtet. Ihm ist es jetzt, nach Ablauf der 48 Monate mit Bezug von Vorruhestandsgeld, nicht zuzumuten, die – hier im Rahmen der Hilfsüberlegung als gegeben unterstellte – Diskriminierung durch Zahlungen über weitere 36 Monate auszugleichen. Damit würde die Klägerin mehr Vorruhestandsgeld beziehen, als jeder vergleichbare Kollege und jede vergleichbare Kollegin der Klägerin.

50

Im Übrigen hätte die Klägerin, nachdem das beklagte Land die weitere Zahlung von Vorruhestandsgeld Anfang 2010 abgelehnt hatte, auch ihre Arbeitskraft anbieten können. Denn die hier als gegeben unterstellte Diskriminierung könnte man auch dadurch ausgleichen, dass die Klägerin noch für weitere drei Jahre in den aktiven Schuldienst zurückkehrt, weil sich dadurch ihre Rentenansprüche denjenigen der männlichen Kollegen, die auch drei Jahre länger gearbeitet haben, angleichen lassen würden.

III.

51

Auch der Hilfsantrag ist nicht begründet. Mit dem Hilfsantrag verfolgt die Klägerin das Ziel der weiteren Gewährung von Vorruhestandsgeld bis zur Vollendung ihres 63. Lebensjahres.

1.

52

Das Gericht hat oben bei der Behandlung des Klageantrages zu 3 in der Hauptbegründung angenommen, dass kein Fall der Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliege, da sich die Klägerin freiwillig für ein Ausscheiden mit Vollendung des 56. Lebensjahres entschieden habe und sie daher nicht mit Kollegen vergleichbar sei, die noch bis Vollendung des 59. Lebensjahres gearbeitet haben. Legt man diese Begründung zu Grunde, ist auch der Hilfsantrag nicht begründet, da die Klägerin bei Abschluss und Durchführung des Vorruhestandsvertrages nicht benachteiligt wurde.

2.

53

Aber selbst dann, wenn man in der vorliegenden Fallgestaltung eine Diskriminierung sehen will, was das Berufungsgericht in seiner Hilfserwägung oben zum Klageantrag zu 3 als gegeben unterstellt hat, wäre der Hilfsantrag nicht begründet.

54

Eine mögliche Diskriminierung kann hier allein darin gesehen werden, dass man die Klägerin mit sanftem Druck dazu gezwungen hat, ihr Arbeitsverhältnis drei Jahre vor vergleichbaren männlichen Kollegen des selben Geburtsjahrgangs aufzugeben, mit der Folge, dass sie wesentlich härtere Rentenabzüge hinnehmen musste, als ihre männlichen Kollegen.

55

Diese Diskriminierung könnte man aber nur dadurch punktgenau beheben, dass man der Klägerin für weitere drei Jahre eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Lehrerin beim beklagten Land ermöglicht. Denn nur dadurch würde sie nachträglich rentenrechtlich ihren männlichen Kollegen aus demselben Geburtsjahrgang gleichgestellt werden können.

56

Eine solche weitere Beschäftigung hat die Klägerin aber nicht verlangt. Der von ihr stattdessen verlangte Schadensersatz beruht aber nicht kausal der hier als gegeben unterstellten Diskriminierung wegen des Geschlechts. Er schießt vielmehr über das Ziel hinaus und würde der Klägerin über den Ausgleich der Diskriminierung hinaus Vorteile verschaffen, die keine andere Lehrkraft, die mit Vorruhestandsgeld ausgeschieden ist, erhalten hat.

IV.

57

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

58

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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