Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Berufungskammer) - 2 Sa 100/19
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 13.02.2019 zum Aktenzeichen 4 Ca 1631/17 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Höhe einer Sozialplanabfindung.
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Die Beklagte führt ein Unternehmen der Pharma-Branche mit circa 770 Vollzeitstellen im Sommer 2017.
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Die im Dezember 1967 geborene, verheiratete Klägerin war ab dem 01.07.2005 bei der Beklagten als Key-Account-Managerin im Außendienst in der Abteilung „Pain“ (Schmerzmittel) zuletzt mit einem Grundgehalt von 5.046,00 € brutto nebst 13. Monatsgehalt und Provisionen beschäftigt. Zuständig für die Gebiete Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erbrachte sie ihre Tätigkeit ausgehend vom Homeoffice an ihrem Wohnsitz in Ostseebad A-Stadt.
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Mit Schreiben vom 21.03.2017 (Bl. 231 ff. d. A.) informierte die Beklagte den Wirtschaftsausschuss, den Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung über geplante Restrukturierungsmaßnahmen, insbesondere auch über die Notwendigkeit, den Außendienst bereits zum 01.10.2017 an das künftig zur Verfügung stehende Produktportfolio anzupassen. Die Klägerin wurde hierüber per Telefonkonferenz unterrichtet.
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Nachdem feststand, dass Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan nicht ohne Einschaltung einer Einigungsstelle zum Ergebnis führen können, trafen die Beklagte und der Betriebsrat unter dem 13.06.2017 eine Verfahrensvereinbarung (Bl. 296 ff. d. A.) zur Festlegung eines Zeitplanes für das weitere Beteiligungsverfahren. Die erste Sitzung der Einigungsstelle fand am 03.08.2017 statt. Am 28.09.2017 wurden Interessenausgleich (Bl. 245 ff. d. A.), Sozialplan (Bl. 41 ff. d. A.) sowie eine Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinie“ (Bl. 299 ff. d. A.) geschlossen. Letztere verweist unter II. 4. auf seine Anlage 2 zum Verfahren der Stellenbesetzung im Außendienst. Unter III. sind Sonderregelungen für den Außendienst vorgesehen, insbesondere zur Vergleichsgruppenbildung und zum Verfahren der Sozialauswahl.
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Im Sozialplan und Transfersozialplan heißt es auszugsweise:
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„I.
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Geltungsbereich
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Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer, die von den im Interessenausgleich vom heutigen Tag geregelten Betriebsänderungen betroffen sind und am 1. August 2017 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, soweit sich aus diesem Sozialplan nicht ausdrücklich Abweichendes ergibt. Er gilt nicht für Leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, Auszubildende, Praktikanten, Trainees und Werkstudenten sowie Mitarbeiter im dualen Studiengang.
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…
IV.
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Abfindungen
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1. Anspruchsberechtigte
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Unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis in Umsetzung der im Interessenausgleich beschriebenen Betriebsänderung nach Abschluss dieses Sozialplans und Transfersozialplans betriebsbedingt gekündigt wird oder die das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft annehmen oder die nach Abschluss dieses Sozialplans und Transfersozialplans einen vom Unternehmen veranlassten betriebsbedingten Aufhebungsvertrag abschließen oder eine unternehmensseitig veranlasste Eigenkündigung aussprechen, erhalten eine Abfindung nach Maßgabe der folgenden Regelungen.
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Keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung haben Arbeitnehmer, die aufgrund einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages ausscheiden, soweit diese nicht unternehmensseitig veranlasst sind oder Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aus einem in ihrer Person oder in ihrem Verhalten liegenden Grunde fristgemäß oder fristlos (§ 626 BGB) gekündigt wird.
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Es besteht Einvernehmen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur dann als unternehmensseitig veranlasst im Sinne dieses Sozialplans gilt, wenn der Aufhebungsvertrag oder dreiseitige Vertrag im Rahmen der Phase 0 oder der Stufe 1 oder 2 nach der Anlage Stellenbesetzungsverfahren und allgemeine Regelungen zur Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien abgeschlossen wird oder bezogen auf den Arbeitnehmer das Anhörungsverfahren zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung gegenüber dem Betriebsrat (§102 Abs. 1 BetrVG) eingeleitet wurde. Ein Aufhebungsvertrag oder ein dreiseitiger Vertrag gilt auch dann als unternehmensseitig veranlasst, wenn das Interesse des jeweiligen Unternehmens an der vorzeitigen Beendigung in dem Aufhebungsvertrag bestätigt wird.
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Eine Eigenkündigung gilt als unternehmensseitig veranlasst, wenn dem Arbeitnehmer zuvor ein Aufhebungsvertrag oder ein dreiseitiger Vertrag angeboten wurde oder das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG in Bezug auf seine Person eingeleitet wurde.
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2. Berechnung der Abfindung
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…
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f) Sonderregelungen für vorzeitige Eigenkündigungen
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Arbeitnehmer, die im Zeitraum zwischen dem 21. März 2017 und dem 31. Juli 2017 ihr Arbeitsverhältnis vor dem Hintergrund der von den Unternehmen am 21. März 2017 verkündeten Betriebsstilllegung gekündigt haben, erhalten eine einmalige pauschale Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG und als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 4.000 € brutto.“
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Aufgrund der im März 2017 erfolgten Informationen entschloss sich die Klägerin auch aufgrund des Umstandes, dass ihr Ehemann seit November 2016 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, nachdem sie eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte, das Arbeitsverhältnis zu der Beklagten mit Schreiben vom 15.05.2017 zum 30.09.2017 zu kündigen. Ihrer Bitte entsprechend wurde sie ab dem 01.07.2017 durch die Beklagte von ihrer Leistungspflicht freigestellt, um die neue Tätigkeit aufnehmen zu können. Die Klägerin erhielt eine Abfindung gemäß IV., 2. f) des Sozialplan in Höhe von 4.000,00 € brutto.
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Die neue Struktur des Außendienstes wurde nach IV, 2. des Interessenausgleichs mit 88 FTE zum 01.10.2017 wirksam.
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Mit der Beklagten am 05.01.2018 zugestellten Klage erhebt die Klägerin eine weitere Forderung auf Sozialplanabfindung in Höhe von 96.446,94 € brutto.
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Zur Begründung hat die Klägerin angeführt, sie müsse eine Sozialplanabfindung nach IV., 2. a) des Sozialplanes in Höhe von 100.446,94 € brutto erhalten. Abzüglich geleisteter 4.000,00 € stehe noch eine Zahlung in Höhe von 96.446,94€ brutto aus.
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Die Klägerin hat vertreten, die unter I. des Sozialplans enthaltene Stichtagsregelung zum Anwendungsbereich bzw. die unter IV. des Sozialplans festgelegte Stichtagsregelung stellten eine nicht sachgerechte Differenzierung dar. Sie habe für sich aufgrund der Mitteilung der Beklagten zum Abbau von mehr als 78 % der Arbeitsplätze und der vollständigen Schließung ihrer Abteilung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr gesehen und sich zur Eigenkündigung gezwungen gefühlt. Damit sei sie durch die Beklagte zur Eigenkündigung veranlasst worden. Obgleich sie einen neuen Arbeitsplatz gefunden habe, hätte sie ganz erhebliche wirtschaftliche Nachteile, nämlich den Verlust ihres über 12-jährigen, gesicherten Arbeitsverhältnisses hinnehmen müssen. Ihre Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans verstoße damit gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
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Vorliegend sei die erfolgte Betriebsänderung nicht Ergebnis einer ungewissen langfristigen Entwicklung, sondern es handle sich um eine ganz konkrete, bereits feststehende Betriebsänderung, die innerhalb weniger Monate gegriffen, die Anzahl der Arbeitsplätze drastisch reduziert, zur Schließung ihrer Abteilung und zu einem sicheren Wegfall ihres Arbeitsplatzes geführt habe. All dies habe bereits bei Ausspruch ihrer Eigenkündigung festgestanden. Sie habe mit Wirkung exakt zu dem Zeitpunkt gekündigt, zu dem ihre Betriebsabteilung geschlossen werden sollte und ihr Arbeitsplatz aufgrund dessen sicher entfallen wäre. Ihr wären – und seien – also auch die daraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteile entstanden.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 96.446,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2017 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat der klägerischen Forderung entgegen gehalten, der Klägerin stehe allein die geleistete Sozialplanabfindung nach IV., 2. f) des Sozialplanes zu. Ein darüberhinausgehender Anspruch sei nicht gegeben. Gemäß I. des Sozialplanes sei die Klägerin nicht vom Geltungsbereich erfasst, weil dieser nur Arbeitnehmer betreffe, die am 01.08.2017 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis standen, diese Voraussetzung für die Klägerin aufgrund ihrer Eigenkündigung vom 15.05.2017 nicht zu treffe. Eine Abfindung gemäß IV. 1. des Sozialplanes könne die Klägerin infolge Ausspruchs der Eigenkündigung vor Abschluss des Sozialplanes nicht beanspruchen. Die Festlegung eines Stichtages verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Den Betriebsparteien stehe es grundsätzlich frei, im Rahmen einer Stichtagsregelung und dem materiellen Auflösungsgrund zu differenzieren. Maßgeblich dafür sei der Zweck des Sozialplanes, der nicht darin bestehe, eine Entschädigung für geleistete Dienste zu gewähren, sondern konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile auszugleichen. Um Rechtsunsicherheiten entgegen zu wirken, habe es sich in der Praxis etabliert, bestimmte Stichtage in Sozialplänen zu vereinbaren. Insbesondere sei es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als zulässig anerkannt, das Datum des Abschlusses eines Interessenausgleichs oder des Sozialplans als Stichtag festzulegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Motiv für die Eigenkündigung oder für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages die angekündigte Betriebsänderung gewesen sei. Die unter IV.,1. des Sozialplanes vorgenommene Gruppenbildung sei sachlich gerechtfertigt. Sie richte sich insbesondere am Sinn und Zweck des Sozialplans aus und sei nicht willkürlich.
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Die Eigenkündigung der Klägerin sei auf „eigene Gefahr“ erfolgt. Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung habe ihr kein Arbeitsplatzverlust gedroht. Sie – die Beklagte – habe in der Kommunikation bis zum 28.09.2017 konsequent und wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass keine bindenden Entscheidungen zu den Betriebsänderungen getroffen gewesen seien und, dass die Umsetzung von dem Abschluss des betriebsverfassungsrechtlichen Interessenausgleichsverfahrens und des kündigungsschutzrechtlichen Konsultationsverfahrens abhänge. Dass dies tatsächlich so gewesen sei, werde dadurch belegt, dass sie im Laufe der Verhandlungen anstelle beabsichtigter Maßnahmen auf Alternativvorschläge des Betriebsrates eingegangen sei und das Ende Juni 2017 vom Betriebsrat vorgestellte Alternativkonzept für den Außendienst intensiv auch noch vor der Einigungsstelle beraten habe. Im Zeitpunkt der Eigenkündigung vom 15.05.2017 sei daher vollständig offen gewesen, ob und wenn ja, in welchem Umfang es zu Betriebsänderungen und daraus folgenden Entlassungen kommen würde. Erst mit Abschluss des Interessenausgleichs habe festgestanden, in welcher Form und in welchem Umfang die Betriebsänderungen tatsächlich durchgeführt würden. Nach dem in der Anlage 2 zur Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinie“ vorgesehenen komplexen Stellenbesetzungsverfahren für den Außendienst wäre die Klägerin als Außendienstmitarbeiterin für eine Besetzung in den anderen Bereichen des Außendienstes in Betracht gekommen. Es habe auch die Möglichkeit eines Ringtausches bestanden. Die Außendienstmitarbeiterin Frau G. R., habe nach einem Ringtauschpartner im Wohngebiet der Klägerin gesucht. Noch im Februar 2019 seien die Vertriebsgebiete nicht vollständig besetzt gewesen.
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Mit Urteil vom 13.02.2019 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, die Klägerin verfüge nicht über einen Abfindungsanspruch nach I. i. V. m. IV. 1. des Sozialplanes, weil sie die dafür festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses sei nicht Folge der Umsetzung des Interessenausgleichs. Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung habe noch nicht festgestanden, ob das klägerische Arbeitsverhältnis in seinem Bestand bedroht sei. Nach dem Beklagtenvorbringen sei sogar davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis gar nicht beendet worden wäre. Soweit die Klägerin den diesbezüglichen Beklagtenvortrag im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestritten habe, sei dieses Bestreiten als verspätet zurückzuweisen.
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Zudem verfüge die Klägerin über keinen Abfindungsanspruch, weil keine arbeitgeberseitig veranlasste Eigenkündigung vorliege. Die im März 2017 erfolgte Information bilde eine derartige Veranlassung nicht. Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung habe selbst die Beklagte noch nicht endgültige Kenntnis davon gehabt, ob auch die Klägerin von der Betriebsänderung betroffen sein würde. Soweit die Betriebsparteien für derartige Sachverhalte die pauschale Abfindung in Höhe von 4.000,00 € vorgesehen haben, obliege eine derartige Regelung allein ihnen und stehe in ihrer freien Entscheidung.
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Gegen das ihr am 20.03.2019 zugestellte erstinstanzliche Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 10.04.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.07.2019 (einem Sonnabend) am 22.07.2019 begründeten Berufung.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, das erstinstanzliche Urteil basiere auf Verfahrensfehlern, nämlich der fehlerhaften Zurückweisung ihres Vortrages als verspätet, der Verletzung rechtlichen Gehörs sowie falscher Sachverhalts- und Beweiswürdigung.
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Sie habe bereits in der Klageschrift dezidiert dargelegt, dass ihr ein konkreter Arbeitsplatzverlust gedroht habe. Bei dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.01.2018, dass ihr kein Arbeitsplatzverlust gedroht habe, handle es sich um ein Bestreiten ihres Vortrages aus der Klageschrift. Dieses enthalte keine einlassungsfähigen Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich Vermutungen und habe als verspätetet zurückgewiesen werden müssen. Ohne entsprechenden gerichtlichen Hinweis habe das Gericht seine Entscheidung nicht hierauf stützen dürfen. Eine Zurückweisung wegen Verspätung habe auch deshalb nicht erfolgen können, weil es an der erforderlichen entsprechenden konkreten gerichtlichen Auflage fehle. Durch die unterbliebene Gewährung des beantragten Schriftsatznachlasses sei ihr rechtliches Gehör verweigert.
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Die Klägerin behauptet, die Betriebsänderung einschließlich der Schließung der Abteilung „Pain“ habe am 21.03.2017 festgestanden. Die Verhandlungen seien nicht ergebnisoffen geführt worden. Die Maßnahmen seien eins zu eins so beschlossen und durchgeführt, wie sie von der Beklagten am 21.03.2017 angekündigt gewesen seien. Daran ändere nichts, dass eine formale Einigung zwischen den Betriebsparteien erst in der Einigungsstelle gefunden worden sei. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits im Unterrichtungsschreiben an den Betriebsrat vom 21.03.2017 ausdrücklich mitgeteilt habe, dass „unabhängig von den ggf. weiter anstehenden Betriebsänderungen“ … „die erforderlichen Anpassungen im Außendienst und im Vertrieb insgesamt“ (fest) „stehen“. Damit sei klar gewesen, dass die Arbeitsplätze des Außendienstmitarbeiterbereichs „Pain“ entfallen und sie eine Kündigung erhalten würde. In der Telefonkonferenz im März 2017 sei ausdrücklich mitgeteilt worden, dass alle Außendienstmitarbeiter des Bereichs „Pain“ entlassen werden. Die erst deutlich später geplante Möglichkeit zum sogenannten „Ringtausch“ dürfte daher unerheblich sein.
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Die Klägerin bestreitet das Vorbringen der Beklagten zum Stellenbesetzungsverfahren im Außendienst mit Nichtwissen, ausdrücklich den Vortrag, dass im Außendienst 88 Vollzeitkräfte verblieben seien. Sie meint, sie habe keinesfalls davon ausgehen können, dass sie eventuell im Rahmen eines freiwilligen Ringtausches später widererwartend doch noch einen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen könnte. Allein in der Abteilung „Pain“ seien sämtliche Arbeitsplätze der Key-Account-Manager entfallen. Diesen hätten lediglich 15 verbliebene Arbeitsplätze für Key-Account-Manager in der verbliebenen Außendienstabteilung gegenüber gestanden. Die dort beschäftigten Mitarbeiter verfügten ihrer Kenntnis nach jedoch über deutlich längere Betriebszugehörigkeitszeiten als sie, nämlich größtenteils von mehr als 25 Jahren. Sie wäre auch danach zur Kündigung auszuwählen gewesen. Die Klägerin bestreitet, dass sie per Ringtausch in ihrem Wohngebiet habe weiterarbeiten können und, dass die Vertriebsgebiete noch im Februar 2019 nicht vollständig besetzt gewesen seien. Sie meint, der behauptete Ringtausch mit Frau R. sei gar nicht möglich gewesen, weil Frau R. keinen Arbeitsplatz als Key-Account-Managerin inne gehabt habe. Zudem sei sie ebenfalls in der Abteilung „Pain“ beschäftigt gewesen und ihr Arbeitsplatz somit weggefallen. Für einen Ringtausch hätte es mindestens noch eines weiteren freien Arbeitsplatzes bedurft. Hierzu habe die Beklagte nichts vorgetragen.
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Im Übrigen habe sie sehr wohl den Nachweis geführt, dass sie von der Betriebsänderung betroffen gewesen sei. Dieses ergebe sich bereits aus dem Interessenausgleich. Zum Zeitpunkt der Eigenkündigung habe längst festgestanden, dass die Betriebsänderung die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bedingen würde bzw. sie habe jedenfalls davon ausgehen müssen, weil die Beklagte diese berechtigte Annahme in ihr hervorgerufen habe. Damit sei die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst im Sinne der Rechtsprechung. Der Interessenausgleich finde für alle Arbeitnehmer Anwendung, die am 1. August 2017 in einem Arbeitsverhältnis zu einem der Trägerunternehmen standen. Da diese Voraussetzungen bei ihr unstreitig vorlagen, unterfalle sie dem Geltungsbereich des Interessenausgleichs und sei somit entgegen der unzutreffenden Schlussfolgerung des Erstgerichts auch von der Betriebsänderung betroffen gewesen. Lediglich der Sozialplan nehme sie zum Teil von seinem Geltungsbereich aus, indem dort ohne sachlichen Grund und in Abweichung vom Interessenausgleich danach differenziert werde, ob das Arbeitsverhältnis am 1. August 2017 ungekündigt gewesen sei. Diese Differenzierung sei jedoch unsachgemäß und benachteiligend. Dessen seien sich die Betriebsparteien offenkundig auch bewusst gewesen, indem sie Arbeitnehmer, die im Zeitraum zwischen dem 21.03.2017 und dem 31.07.2017 ihr Arbeitsverhältnis vor dem Hintergrund der von den Unternehmen am 21.03.2017 verkündeten Betriebsstilllegung gekündigt haben, durch die Regelung unter IV., 2., f) wieder insoweit in den Geltungsbereich des Sozialplans einbeziehen, als ihnen eine Abfindung in Höhe von € 4.000,00 brutto zusteht. Mit Zahlung dieser Abfindung habe die Beklagte anerkannt, dass die klägerische Eigenkündigung auf der von der Beklagten angekündigten Betriebsstilllegung beruhe und sie somit allein arbeitgeberseitig veranlasst worden sei. Die weitere Differenzierung bezüglich des Zeitpunktes der Eigenkündigung erscheine dementsprechend willkürlich und nicht sachgerecht.
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Die Klägerin beantragt:
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1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 13. Februar 2019, zum Aktenzeichen 4 Ca 1631/17, abgeändert.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 96.446,49 brutto nebst Zinsen p. a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2017 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, verweist darauf, dass der Klägerin ein Schriftsatznachlass zu Recht nicht gewährt worden sei, eine Verletzung rechtlichen Gehörs damit nicht vorliege und das Arbeitsgericht den Sachverhalt zutreffend gewürdigt habe.
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Die Beklagte wiederholt, dass zum Zeitpunkt der klägerischen Eigenkündigung am 15.05.2017 weder für sie noch für die Klägerin absehbar gewesen sei, ob der Arbeitsplatz der Klägerin tatsächlich entfallen werde. Tatsächlich sei die Klägerin als Außendienstmitarbeiterin für eine Besetzung nach der Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinie“ vom 28.09.2017 in den anderen Einsatzbereichen des Außendienstes in Betracht gekommen. Ferner habe die Möglichkeit des Ringtausches mit der vergleichbaren Arbeitnehmerin G. R. bestanden. Die Klägerin habe nach einem Ringtausch in ihrem wohnortsgebiet weiterhin als Außendienstmitarbeiterin arbeiten können. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes seien die Vertriebsgebiete Großraum D. sowie Großraum M. noch unbesetzt gewesen. Die Klägerin habe in diese Vertriebsgebiete versetzt werden können. Unter dem dafür im Sozialplan vorgesehenen Ausgleich von sozialen Nachteilen. Aufgrund der wegen der Ankündigung der Betriebsänderungen am 21.03.2017 und des Freiwilligenprogramms erfolgten zahlreichen Eigenkündigungen von Außendienstmitarbeitern habe sich die Klägerin allein deswegen schon nicht sicher sein können, dass genau ihr Arbeitsplatz endgültig entfalle.
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Der pauschale und unsubstanziierte Vortrag der Klägerin, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat seien nicht ergebnisoffen geführt worden, sei unzutreffend. Die klägerische Behauptung, im Rahmen einer Telefonkonferenz im März 2017 sei den Mitarbeitern im Bereich „Pain“ mitgeteilt worden, dass sie alle entlassen werden würden, sei absolut falsch. Eine derartige Mitteilung habe es nicht gegeben.
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Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschriften erster und zweiter Instanz, das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 50
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Klägerin steht weder nach dem Sozialplan noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz/Gleichheitssatz ein weiterer Abfindungsanspruch zu.
I.
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Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt, innerhalb der verlängerten Frist begründet worden und auch im Übrigen zulässig.
II.
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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch steht der Klägerin unter keinem Gesichtspunkt zu.
1.
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Es ergibt sich kein Zahlungsanspruch auf eine Abfindung für die Klägerin nach IV., 1. des Sozialplans, weil diese Regelung nach I. des Sozialplanes nicht gilt, denn aufgrund der Eigenkündigung vom 15.05.2017 stand die Klägerin nicht, wie gemäß I. des Sozialplanes gefordert, am 01.08.2017 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Zudem ist die in IV., 1. genannte Voraussetzung, dass eine unternehmensseitig veranlasste Eigenkündigung nach Abschluss des Sozialplanes ausgesprochen wird, nicht erfüllt. Der Sozialplan ist am 28.09.2017 geschlossen, die klägerische Eigenkündigung stammt vom 15.05.2017. Sie ist also vor Abschluss des Sozialplanes ausgesprochen worden.
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Es kommt damit lediglich die gesonderte Regelung gemäß IV., 2. f) zur Anwendung. Die danach zu leistende Abfindung in Höhe von 4.000,00 € hat die Klägerin erhalten.
2.
- 55
Die Festlegungen des Sozialplanes, insbesondere zur Zahlung eines Pauschalbetrages von 4.000,00 € an die Klägerin sind wirksam.
- 56
Es ergibt sich kein weitergehender Zahlungsanspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist weder durch die Festlegung einer Stichtagsregelung für Eigenkündigungen noch durch die unterschiedliche Abfindungshöhe bei unternehmensseitig veranlassten Eigenkündigungen einerseits und nicht unternehmensseitig veranlassten Eigenkündigungen bzw. arbeitgeberseitigen Kündigungen andererseits verletzt.
a)
- 57
Die in Abschnitten I und IV., 1. gewählten Stichtagsregelungen verstoßen nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG).
- 58
Sind für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Rechtsfolgen – insbesondere unterschiedliche Leistungen – vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Unterschiedlichkeit sachlich gerechtfertigt ist. Dabei verstößt eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung erst dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichheitsbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Übergänge zwischen sachverhaltsbezogenen und personenbezogenen Differenzierungen sind bisweilen fließend. Insbesondere kann eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken.
- 59
Maßgeblich für das Vorliegen eines hinreichenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Unter dessen Berücksichtigung müssen die Merkmale, an welche die Gruppenbildung anknüpft, die Differenzierung bei den Rechtsfolgen rechtfertigen. Stichtagsregelungen, die häufig mit Härten verbunden sind, müssen sich am jeweiligen Sachverhalt orientieren. Im Übrigen haben die Betriebsparteien ebenso wie andere Normgeber einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regeln (BAG, Urteil vom 22.03.2005 – 1 AZR 49/04 –, Rn 18, 19, juris).
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Die Betriebsparteien verfügen bei der Aufstellung eines Sozialplans über einen weiten Spielraum für die Beurteilung des Ausmaßes der mit einer Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer und die Festlegung eines angemessenen Nachteilsausgleichs. Sie können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die entstandenen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen. Sie können im Rahmen ihres Ermessens nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen. Die Betriebsparteien haben allerdings die Grenzen von Recht und Billigkeit nach § 75 Abs. 1 BetrVG und die Funktion eines Sozialplans nach § 112 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Recht und Billigkeit verlangen insbesondere die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen bei vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Diesem Zweck dient nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch eine im Sozialplan vorgesehene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Sie stellt kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste dar, sondern soll künftige wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder doch mildern (BAG, Urteil vom 30.09.2008 – 1 AZR 684/07 –, Rn 32, 33, juris). Bei der Einschätzung der zu erwartenden Nachteile haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungsspielraum. Dieser umfasst auch die typisierende Beurteilung, dass Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten selbst kündigen, ohne hierzu vom Arbeitgeber veranlasst zu sein, durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die den mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstand nicht freiwillig aufgeben, sondern eine Kündigung durch den Arbeitgeber abwarten. Vor allem im Zusammenhang mit Eigenkündigungen dürfen die Betriebsparteien bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß einer sie betreffende Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran anknüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar ist, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden. Die Betriebsparteien können zur Herstellung von Rechtssicherheit ein Verfahren oder einen Stichtag bestimmen und auf diese Weise festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Dazu kann die Ausgleichspflicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem die Art und Weise der durchzuführenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststeht. Stichtagsregelungen, die sich auf Eigenkündigungen beziehen, können daher sachlich gerechtfertigt sein, wenn in ihnen auf den Zeitpunkt der Abschlusses oder des endgültigen Scheiterns der Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auch – wenn besondere Umstände dazu kommen – des Abschlusses des Sozialplans Bezug genommen wird (BAG, Urteil vom 17.11.2015 – 1 AZR 881/13 –, Rn 20, juris).
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Vorliegend haben die Betriebsparteien des Sozialplanes vom 28.09.2017 durch Stichtagsregelungen eine Gruppenbildung vorgenommen, welche die Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes eröffnet. Sie haben unter I. des Sozialplans seinen Geltungsbereich für diejenigen Arbeitnehmer festgelegt, die am 01.08.2017 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen, soweit der Sozialplan nicht Abweichungen vorsieht. Die Nennung des 01.08 2017 als Zeitpunkt des Bestands eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses ist als Stichtag nicht zu beanstanden. Er knüpft an den Zeitpunkt an, zu dem fest stand, dass die Interessenausgleichsverhandlungen gescheitert sind und die Einigungsstelle ihre Verhandlungen im August 2017 aufnahm. Unter IV., 1. des Sozialplans ist für diejenigen Arbeitnehmer, welche nach Abschluss des Sozialplans und Transfersozialplans eine unternehmensseitig veranlasste Eigenkündigung aussprechen, eine höhere Abfindung vorgesehen als gemäß IV., 2. f) des Sozialplanes die Arbeitnehmer erhalten, welche im Zeitraum zwischen dem 21.03.2017 und dem 31.07.2017 ihr Arbeitsverhältnis vor dem Hintergrund der von dem Unternehmer am 21.03.2017 verkündeten Betriebsstilllegung gekündigt haben. Letztere erhalten eine einmalige pauschale Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG und als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 4.000,00 € brutto gemäß I., IV., 2. f) des Sozialplanes. Mitarbeiter hingegen, welche am 1. August 2017 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und deren Arbeitsverhältnis in Umsetzung der im Interessenausgleich beschriebenen Betriebsänderungen nach Abschluss des Sozialplans und Transfersozialplanes betriebsbedingt gekündigt wird bzw. die unter diesen Voraussetzungen eine Eigenkündigung ausgesprochen haben, erhalten eine Abfindung, die sich nach differenzierten Regelungen berechnet. Damit haben sie diejenigen Mitarbeiter anders behandelt, die vor dem Abschluss der Sozialplanverhandlungen ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben. Eine derartige Gruppenbildung nach einem Stichtag ist sachlich gerechtfertigt. Sie ist am Zweck des Sozialplans ausgerichtet, der keine Entschädigung für geleistete Dienste gewähren, sondern konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile ausgleichen soll. Die Unterschiede zwischen den Gruppen sind derart, dass sie unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
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Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dürfen die Betriebsparteien in einem solchen Fall davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß einer sie treffenden Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran knüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar ist, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden (BAG, Urteil vom 12.04.2011 – 1 AZR 505/09 –, Rn 17, juris) und keinen oder nur einen geringen Ausgleichsbedarf haben (BAG, Urteil vom – 1 AZR 417/09 –, Rn 22, juris).
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Der in IV., 1. des Sozialplans bestimmte Stichtag ist danach nicht zu beanstanden. Interessenausgleich und Sozialplan wurden am 28.09.2017 geschlossen. Ein sachlicher Grund für eine niedrigere Abfindungsleistung an die Klägerin gemäß Sozialplan besteht deshalb berechtigt, weil die Klägerin am 15.05.2017 gekündigt hat, bevor die Verhandlungen über einen Interessenausgleich abgeschlossen waren. Vor dem Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans standen für die betroffenen Arbeitnehmer Zeitpunkt und Umfang der betriebsändernden Maßnahmen jedoch noch nicht fest. Dies war erst nach Abschluss des Interessenausgleichs vom 28.09.2017 der Fall. Die Beklagte war bis zum Abschluss der mit den Betriebsräten über einen Interessenausgleich geführten Verhandlungen betriebsverfassungsrechtlich nicht berechtigt, eine geplante betriebsändernde Maßnahme umzusetzen. Es ist deshalb letztlich unerheblich, welche konkreten Informationen der Klägerin im März 2017 erteilt wurden. Diese sind nämlich nicht geeignet, die vor dem Stichtag ausgesprochenen Eigenkündigungen als durch die Betriebsänderung veranlasst anzusehen. Die Beklagte war nicht berechtigt, eigenmächtig Betriebsänderungen durchzuführen. Solange die Verhandlungen über einen Interessenausgleich nicht abgeschlossen sind, kann der Arbeitnehmer nicht wissen, ob er überhaupt von der Betriebsänderung betroffen sein wird, da erst ein zustande gekommener Interessenausgleich die Art und Weise der Durchführung einer Betriebsänderung regelt. Vor dem Zustandekommen des Interessenausgleiches stand nicht konkret fest, was mit dem Außendienst „Pain“ geschehen würde. In den im August 2017 aufgenommenen Sitzungen der Einigungsstelle wurde noch ein Alternativkonzept für den Außendienst aus Juni 2017 beraten. Es ist zudem gleichzeitig am 28.09.2017 die BV Auswahlrichtlinie geschlossen worden, welche insbesondere Verfahren zur Stellenbesetzung im verbliebenen Außendienst und zur Durchführung einer Sozialauswahl vorsieht. Erst sie ermöglicht abzuschätzen, ob ein konkretes Arbeitsverhältnis betroffen sein wird oder nicht. Diese Unterschiede rechtfertigen eine Gruppenbildung nach Zeitpunkten, wie dies im Sozialplan vorgesehen ist.
b)
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Im Übrigen ist vorliegend auch der Ausschlusstatbestand gemäß IV., 1. des Sozialplanes gegeben, nach dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung haben, die aufgrund einer Eigenkündigung ausscheiden, soweit diese nicht unternehmensseitig veranlasst sind. Als unternehmensseitig veranlasst gilt nach der Sozialplanregelung eine Eigenkündigung, wenn dem Arbeitnehmer zuvor ein Aufhebungsvertrag oder ein dreiseitiger Vertrag angeboten oder das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG in Bezug auf seine Person eingeleitet wurde (IV., 1. Absatz 2 und 4 des Sozialplanes). Unstreitig ist die Klägerin aufgrund der Eigenkündigung vom 15.05.2017 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Eigenkündigung gilt damit im Sinne des Sozialplanes nicht als unternehmensseitig veranlasst. Denn der Klägerin war zuvor weder ein Aufhebungsvertrag noch ein dreiseitiger Vertrag angeboten noch war das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG in Bezug auf ihre Person eingeleitet worden. Nach der Definition des Sozialplans liegt damit keine unternehmensseitig veranlasste Eigenkündigung der Klägerin vor.
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Arbeitnehmer, deren Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist, sind allerdings wiederum gleich zu behandeln mit den vom Arbeitgeber gekündigten. Vom Arbeitgeber veranlasst ist eine Eigenkündigung, wenn dieser bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers nur zuvor. Die Berechtigung einer solchen Annahme kann in einem Sozialplan insbesondere bei ungewissen, langfristigen Entwicklungen durch Stichtagsregelungen oder eine entsprechend zurückhaltende Beurteilung dieser Entwicklung verhindert werden (BAG, Urteil vom 10.02.2009 - 1 AZR 767/07 -, Rn 32, juris). Die Betriebsparteien haben allerdings bei Beurteilung dieser Konstellation in Sozialplänen – wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen – den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt hier ebenso wie bei der Frage der Stichtagsregelung darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist auch hier vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG, Urteil vom 06.11.2007 – 1 AZR 960/06 –, Rn 12, juris).
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Die Betriebspartner können davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst beenden, schon einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, der Verlust des Arbeitsplatzes im Betrieb sie also nicht so schwer trifft wie gekündigte Arbeitnehmer. Allerdings können auch diese Arbeitnehmer noch einen – wenn auch geringeren – wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Die Betriebspartner sind dann frei in ihrer Entscheidung, ob diese Arbeitnehmer dafür einen geringeren oder auch gar keinen Ausgleich erhalten sollen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings dann, wenn die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet in einem solchen Falle den Betriebspartnern, gekündigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die aufgrund einer Eigenkündigung ausgeschieden sind, gleich zu behandeln. Es sind die Arbeitnehmer, die aufgrund einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung Ausscheiden, mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird. Ursache für das Ausscheiden muss jedoch die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung sein. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers zuvor. Ob das geschehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht, um eine Veranlassung in diesem Sinne anzunehmen (BAG, Urteil vom 19.07.1995 – 10 AZR 885/94 –, Rn 38, 40, juris).
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Die Klägerin konnte nicht schon aufgrund der geplanten Betriebsänderung als solcher und den zu ihr ergangenen Verlautbarungen im März 2017 davon ausgehen, ihr Arbeitsverhältnis werde nach Schließung der Abteilung „Pain“ aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung enden. Deshalb waren etwaige Ankündigungen aus März 2017 lediglich als solche zu verstehen, nicht als die Bekanntgabe feststehender Änderungen. Sie sind somit nicht geeignet, die ausgesprochene Eigenkündigung als durch die Betriebsänderung veranlasst anzusehen. Vorliegend behauptet die Klägerin zwar, zum Zeitpunkt ihrer Eigenkündigung am 15.05.2017 habe aufgrund der ihr erteilten Informationen vom 21.03.2017 festgestanden, dass ihr Arbeitsplatz aufgrund einer Betriebsänderung entfallen würde, sie trägt jedoch keinerlei Tatsachen vor, welche diese Schlussfolgerung rechtfertigen. Soweit sie auf das Informationsschreiben an den Wirtschaftsausschuss verweist, dass eine Betriebsänderung für die Außendienstmitarbeiter zum 30.09.2017 feststehe, übersieht sie, dass allein der Hinweis auf notwendig werdende Betriebsänderungen und die nicht auszuschließende Möglichkeit des Arbeitsplatzverlustes nicht genügen, um in diesem Sinne einen vom Arbeitgeber gesetzten Anlass anzunehmen. Wenn die Klägerin vorträgt, ihr sei am 21.03.2017 mitgeteilt worden, sie werde auf jeden Fall eine Kündigung erhalten, ist der Beklagten zuzugestehen, dass dieses Vorbringen pauschal ist. Die Klägerin hat nicht im Einzelnen dargelegt, wer ihr gegenüber eine derartige Information erteilt haben soll. Zudem hat die Beklagte diese Behauptung bestritten. Ein erforderlicher Beweisantritt ist durch die Klägerin jedoch nicht erfolgt. Die Klägerin erläutert nicht, aufgrund welcher Umstände sie von einem sicheren Wegfall ihres Arbeitsplatzes ausgegangen ist. Soweit eine im März 2017 durch die Beklagte beabsichtigte Betriebsänderung letztlich durch den Interessenausgleich vom 28.09.2017 auch derart festgelegt ist, bedeutet dies nicht, dass die Betriebsänderung in dieser Form bereits im März 2017 festgelegt war. Es war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenkündigung am 15.05.2017 noch völlig offen, ob die Klägerin von einem Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen sein würde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich nicht abgeschlossen. Vor Abschluss eines Interessenausgleichs ist jedoch völlig unklar, ob bzw. in welchem Umfang und auf welche Weise ein von der Beklagten ggf. geplanter Personalabbau tatsächlich durchgeführt werden würde. Erst recht war nicht klar, welche Arbeitnehmer betroffen sein würden. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf das vorgesehene Freiwilligenprogramm und das in der Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien vom 28.09.2017 vorgesehene Stellenbesetzungsverfahren „Außendienst“. Bevor nicht klar war, welche Arbeitnehmer infolge des Freiwilligenprogramms aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und welche Arbeitnehmer nach dem Stellenbesetzungsverfahren „Außendienst“ ein Vertriebsgebiet zugeteilt erhalten würden, stand nicht fest, welche konkreten Arbeitsplätze im Außendienst veranlasst durch die Betriebsänderung gekündigt werden müssten. Ob der klägerische Arbeitsplatz betroffen sein würde, konnte erst nach Abschluss des Stellenbesetzungsverfahrens „Außendienst“ beurteilt werden. Dies war am 15.05.2017 noch nicht der Fall. Die Klägerin ist folglich mit ihrer Eigenkündigung nicht einer als sicher zu erwartenden Kündigung der Beklagten zuvor gekommen.
III.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG
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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da die hierfür gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
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Referenzen
- §§ 9, 10 KSchG 4x (nicht zugeordnet)
- BGB § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund 1x
- BetrVG § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen 3x
- BetrVG § 5 Arbeitnehmer 1x
- ArbGG § 64 Grundsatz 2x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- BetrVG § 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen 3x
- BetrVG § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan 2x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 4 Ca 1631/17 2x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 49/04 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 684/07 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 881/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 505/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 417/09 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 767/07 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 960/06 1x (nicht zugeordnet)
- 10 AZR 885/94 1x (nicht zugeordnet)