Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (10. Kammer) - 10 Sa 164/11
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10. November 2010, Az.: 3 Ca 2836/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
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Die Klägerin (geb. am … 1970) ist seit dem 01.07.1997 bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) als Sachbearbeiterin teilzeitbeschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Am 25.02.2009 schloss die Beklagte mit dem Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung zum Stellenbewertungs- und Vergütungssystem, die rückwirkend zum 01.01.2009 in Kraft getreten ist. § 3 dieser Dienstvereinbarung enthält folgende Regelung:
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Alle Stellen der KV RLP werden anhand der Stellenbeschreibungen und der Bewertungsfaktoren gem. Anlage 2.1. bewertet. Basis für die Stellenbewertung ist die aktuelle Stellenbeschreibung im Sinne eines Anforderungsprofils für die jeweils in Rede stehende konkrete Stelle. … Verantwortlich für die Aktualität der Stellenbeschreibung ist die direkt vorgesetzte Führungskraft in Abstimmung mit der Personalabteilung. Spätestens im jährlichen Mitarbeitergespräch wird die Aktualität der Stellenbeschreibung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter abgeglichen. Bei dauerhaften und gravierenden Veränderungen des Aufgabenzuschnitts und/oder der für die Tätigkeit benötigten Qualifikation und/oder des erforderlichen Fachwissens ist eine Neubewertung erforderlich. …
Sämtliche zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Dienstvereinbarung in der Dienststelle bestehenden Stellen sind bereits einvernehmlich durch den Gesamtpersonalrat und die Dienststellenleitung abschließend und verbindlich bewertet.
…“
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Die Stelle der Klägerin - Sachbearbeiterin DTA, Typ 2 - ist von Gesamtpersonalrat und Dienststellenleitung einvernehmlich mit 164 Punkten bewertet worden. Diese Gesamtpunktzahl (135-164 Punkte) führt gemäß Anlage 1 der Dienstvereinbarung zu einer Vergütung nach Entgeltgruppe 3. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei ab 01.01.2009 verpflichtet, ihr eine Vergütung nach Entgeltgruppe 4 zu zahlen. Die Differenz beträgt monatlich ca. € 185,00 brutto.
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Die Beklagte legte der Klägerin mit Datum vom 06.05.2009 ein Arbeitsvertragsänderungsangebot mit Wirkung ab 01.01.2009 vor (Bl. 38-39 d.A.), dass die Klägerin am 07.10.2009 mit dem Zusatz (Bl. 374 d.A.) angenommen hat, sie sei mit der Eingruppierung in Entgeltgruppe 3 nicht einverstanden, beantrage deshalb eine Neubewertung der Stelle und behalte sich eine gerichtliche Überprüfung vor. Der Änderungsvertrag lautet - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt:
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Frau A. wird nach der Entgeltgruppe 3 Stufe 3 wie folgt vergütet:
Tabellenentgelt (zurzeit) 2.615,58 €/ Monat
Diese neue Vergütung sowie die zugrunde liegende Eingruppierung von Frau A. basieren auf der Dienstvereinbarung mit dem Gesamtpersonalrat zum Stellenbewertungs- und Entgeltsystem vom 25.02.2009 und der daraus abgeleiteten Stellenbeschreibung, welche nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist.“
…
Die wöchentliche Arbeitszeit von Frau A. beträgt 36,36 Stunden.
…“
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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.11.2010 (dort Seite 2-7= Bl. 474-479 d. A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 01.01.2009 Vergütung nach Entgeltgruppe 4 Stufe 3 und auf die jeweiligen Differenzbeträge Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und sodann ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin werde zutreffend nach Entgeltgruppe 3 vergütet. Weil die Urheber der Vergütungsordnung selbst (Gesamtpersonalrat und Dienststellenleitung) die betreffende Stelle (Sachbearbeiterin DTA, Typ 2) mit bindender Wirkung für die Beklagte in ihr abstraktes Vergütungssystem eingereiht haben, sei die Einreihung auch für die betroffene Klägerin bindend. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8 bis 11 des erstinstanzlichen Urteils vom 10.11.2010 (Bl. 480-483 d.A.) Bezug genommen.
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Das genannte Urteil ist der Klägerin am 22.02.2011 zugestellt worden. Sie hat mit am 15.03.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 26.04.2011 (Dienstag nach Ostern) eingegangenem Schriftsatz vom 25.04.2011 begründet.
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Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Vertragstext der Arbeitsvertragsänderung vom 06.05.2009 maßgeblich sei. Die Stellenbeschreibung sei nach dem klaren Wortlaut des Vertragstextes nicht zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemacht worden. Das bedeute, dass aus der Dienstvereinbarung vom 25.02.2009 zwar eine Stellenbeschreibung abgeleitet, diese aber gerade nicht zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemacht worden sei. Es komme deshalb darauf an, ob sie entsprechend den Bewertungskriterien nach der Anlage 2.1. der Dienstvereinbarung richtig bewertet worden sei. Ihre Einordnung im Vertragstext in Entgeltgruppe 3 sei nur deklaratorischer Natur. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 25.04.2011 (Bl. 514-528 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.11.2010, Az.: 3 Ca 2836/09, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 01.01.2009 Vergütung nach Entgeltgruppe 4 Stufe 3 und auf die jeweiligen Differenzbeträge Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und sodann ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 27.06.2011 (Bl. 548- 554 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Der Vertragstext der Änderungsvereinbarung sei nicht entscheidend. Die Klägerin übersehe die normative Wirkung der Dienstvereinbarung vom 25.02.2009. Aufgrund der Allzuständigkeit der Personalvertretung sowie der Regelung in § 80 Abs. 1 Nr. 8 LPersVG Rheinland-Pfalz sei die Dienstvereinbarung rechtswirksam abgeschlossen worden.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 64 ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und auch inhaltlich ausreichend begründet.
II.
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In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 4 der Dienstvereinbarung zum Stellenbewertungs- und Vergütungssystem vom 25.02.2009. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und in der Begründung des angefochtenen Urteils zutreffend erkannt.
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Die Klägerin kann nach dieser Dienstvereinbarung eine Vergütung nach Entgeltgruppe 3 (Stufe 3) beanspruchen, die ihr die Beklagte zahlt. Eine höhere Vergütung steht ihr weder nach den Regelungen der Dienstvereinbarung noch nach dem schriftlichen Änderungsvertrag vom 06.05./07.10.2009 zu.
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Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass es aufgrund der Allzuständigkeit der Personalvertretung sowie der Regelung in § 80 Abs. 1 Nr. 8 LPersVG Rheinland-Pfalz der Beklagten und ihrem Gesamtpersonalrat rechtlich möglich war, die in Rede stehende Dienstvereinbarung rechtswirksam abzuschließen. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 8 LPersVG Rheinland-Pfalz bestimmt der Personalrat mit bei Fragen der Gestaltung des Arbeitsentgelts in der Dienststelle einschließlich der Entgeltsysteme, Aufstellung von Entgeltgrundsätzen, Einführung und Anwendung von Entgeltmethoden sowie deren Änderung. Das Mitbestimmungsrecht wird nicht durch den Tarifvorbehalt des § 73 Abs. 1 LPersVG Rheinland-Pfalz verdrängt. Die für das Eingreifen des Tarifvorbehalts erforderliche, aber auch ausreichende Tarifbindung der Beklagten liegt nicht vor. Beide Parteien sind unstreitig nicht tarifgebunden. Die Klägerin muss sich deshalb die normative Wirkung der Dienstvereinbarung vom 25.02.2009, deren persönlichen Geltungsbereich sie unterfällt, entgegenhalten lassen.
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Die konkrete Stelle, die die Klägerin bei der Beklagten innehat - Sachbearbeiterin DTA, Typ 2 - ist von Gesamtpersonalrat und Dienststellenleitung einvernehmlich mit 164 Punkten bewertet worden, was zu einer Eingruppierung nach Entgeltgruppe 3 führt. Diese Bewertung ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 2 der Dienstvereinbarung „abschließend und verbindlich“. Da die Urheber der Vergütungsordnung selbst (Gesamtpersonalrat und Dienststellenleitung) die betreffende Stelle (Sachbearbeiterin DTA, Typ 2) mit bindender Wirkung für die Beklagte in ihr abstraktes Vergütungssystem eingestuft haben, ist die Einstufung für die betroffene Klägerin selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde (vgl. BAG Urteil vom 03.05.2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 27 - NZA 2007, 47, m.w.N.). Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung, der auch die Berufungskammer folgt, hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt. Ebenso wie mit der Angabe konkreter Tätigkeitsbeispiele für abstrakte Tätigkeitsmerkmale legen die Urheber der Vergütungsordnung auf diese Weise eigenständig und mit bindender Wirkung für alle Betroffenen fest, dass die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der betreffenden Entgeltgruppe durch den Inhaber der Stelle erfüllt sind. Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, dass sie unter Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 2.2. zur Dienstvereinbarung vom 25.02.2009 zu einer höheren Punktzahl kommt, als die Dienststellenleitung und der Gesamtpersonalrat in ihrer gemäß § 3 Abs. 2 abschließenden und verbindlichen Bewertung.
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Die Klägerin kann aus der Formulierung im Änderungsvertrag vom 06.05./ 07.10.2009, dass die neue Vergütung (nach Entgeltgruppe 3 Stufe 3) sowie die zugrunde liegende Eingruppierung auf der Dienstvereinbarung mit dem Gesamtpersonalrat zum Stellenbewertungs- und Entgeltsystem vom 25.02.2009 und der daraus abgeleiteten Stellenbeschreibung basieren, welche „nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages“ ist, nicht herleiten, dass die Stellenbewertung mit 164 Punkten nicht abschließend und verbindlich sei. Der Wortlaut, der Gesamtzusammenhang und der sich daraus ergebende Regelungszweck der Vertragsklausel sprechen gegen die Auslegung der Klägerin. Die Stelle der Klägerin ist auf Basis der am 01.01.2009 aktuellen Stellenbeschreibung abschließend und verbindlich mit Entgeltgruppe 3 bewertet worden. Die Stellenbeschreibung selbst sollte nicht statisch zum Inhalt des geänderten Arbeitsvertrages werden, weil ihre Aktualität gemäß § 3 Abs. 1 der Dienstvereinbarung jährlich zwischen Führungskraft und Klägerin abgeglichen werden soll. Bei dauerhaften und gravierenden Veränderungen ist nach § 3 Abs. 1 der Dienstvereinbarung eine Neubewertung erforderlich. Dadurch, dass die Stellenbeschreibung nicht Bestandteil des mit Wirkung ab 01.01.2009 geänderten Arbeitsvertrages sein soll, wird zum Ausdruck gebracht, dass die aktuellen Verhältnisse nicht auf Dauer festgeschrieben („zementiert“) werden.
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Eine Stellenbeschreibung legt die Funktion einer bestimmten Stelle innerhalb des betrieblichen Geschehens fest. Sie definiert die Aufgabe und die Kompetenz dieser Stelle und beschreibt, welche Tätigkeiten im Einzelnen zur Erfüllung dieser Aufgabe verrichtet werden müssen. Sie ist lediglich die Grundlage für die Beantwortung der Frage, welche Anforderungen an den Inhaber dieser Stelle zu stellen sind. Erst wenn feststeht, welche Aufgaben an dieser Stelle zu erledigen und welche Tätigkeiten dafür zu verrichten sind, kann gesagt werden, welche Kenntnisse, Erfahrungen und Eigenschaften der jeweilige Stelleninhaber aufweisen muss, um diese Tätigkeit verrichten zu können. Stellenbeschreibungen sind damit die Grundlage für die Erstellung von Anforderungsprofilen (vgl. BAG Beschluss vom 31.01.1984 - 1 ABR 63/81 - Rn. 31/32 - AP Nr. 3 zu § 95 BetrVG 1972).
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Da die Stellenbeschreibung nach der vorliegenden Vertragsklausel nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, sind zukünftige Veränderungen der Arbeitsbedingungen der Klägerin möglich, die ggf. eine Neubewertung der Stelle erforderlich machen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aus der Vertragsklausel nicht zu folgern, dass die abschließende und verbindliche Bewertung ihrer Stelle als Sachbearbeiterin DTA, Typ 2, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung am 25.02.2009 bestand, für sie nicht maßgeblich und bindend sei.
III.
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Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
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Referenzen
- § 73 Abs. 1 LPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 69 Urteil 2x
- 1 ABR 2/05 1x (nicht zugeordnet)
- § 80 Abs. 1 Nr. 8 LPersVG 3x (nicht zugeordnet)
- 3 Ca 2836/09 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- 1 ABR 63/81 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 2x
- ZPO § 517 Berufungsfrist 1x
- BetrVG § 95 Auswahlrichtlinien 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x