Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 Sa 231/11

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.03.2011, Az.: 3 Ca 2515/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 26.10.2010 zum 31.12.2010.

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Die am … 1967 geborene, geschiedene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 01.02.2004 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin zunächst in Teilzeit als Assistentin tätig. Später wurde das Aufgabengebiet der Klägerin auf die Bereiche Rechnungswesen, Sekretariat und Vertriebsunterstützung erweitert. Arbeitsvertraglich war zuletzt eine wöchentliche Arbeitszeit von 18 bzw. 20 Stunden vereinbart. Ob die Klägerin tatsächlich nur in diesem zeitlichen Umfang oder aber regelmäßig 30 Wochenstunden gearbeitet hat, ist zwischen den Parteien streitig.

3

Mit Schreiben vom 26.10.2010 kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2010.

4

Zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin beschäftigte die Beklagte neben der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3, Satz 4 KSchG 6,5 Arbeitnehmer. In den Jahren 2008 und 2009 beschäftigte die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer. Nach Behauptung der Klägerin handelte es sich im Jahre 2008 um 30 Arbeitnehmer und bis Ende des Jahres 2009 um 14,75 Arbeitnehmer. Nach Darstellung der Beklagten wurden im Jahr 2008 nicht mehr als 15,25 und im Jahr 2009 letztmalig im Monat November mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

5

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 3.3.2011 -3 Ca 2515/10- (Bl. 69 ff. d.A.).

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Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die auf Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die genannte Kündigung gerichtete Feststellungsklage abgewiesen.

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Zur Begründung hat das Arbeitsgericht –zusammengefasst- ausgeführt:

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Bei gebotenem Rückblick und Vorschau ergebe sich, dass für den Betrieb der Beklagten keine über 9,75 hinausgehende Beschäftigtenzahl kennzeichnend sei. Neben den unstreitig vorhandenen Arbeitnehmern könne dabei die Klägerin mit 0,75 berücksichtigt werden und ferner berücksichtigt werden, dass es unter Berücksichtigung der Personalplanung der Beklagten noch zu Einstellungen von 2 studentischen Aushilfen (jeweils 0,5), einem Vertriebsmitarbeiter als Ersatz für einen ausscheidenden Mitarbeiter (1) und einer neuen Mitarbeiterin (0,5) gekommen sei bzw. kommen werde. Es sei nicht feststellbar, dass die Beklagte eine Erhöhung der Beschäftigtenzahl auf mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG zukünftig beabsichtige. Dem unsubstantiiertem Sachvortrag der Klägerin, nach der Wirtschaftskrise werde sich die Beschäftigtenzahl wieder erhöhen, sei die Beklagte unter Darlegung ihrer Planung zur zukünftigen Personalstärke ihrerseits substantiiert entgegengetreten.

9

Die Klägerin habe auch nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, welche eine Treuwidrigkeit der Kündigung indizierten. Hierzu reiche der Vortrag, sie habe anlässlich eines persönlichen Gesprächs wegen ihres Zeugnisses eine früher bei der Beklagten beschäftigte Mitarbeiterin angetroffen, die administrative Tätigkeiten ausgeübt habe, die vorher die Klägerin hätte erledigen müssen, ebenso wenig aus, wie die weitere Behauptung, ein Wegfall ihrer Tätigkeitsfelder sei nicht vorstellbar. Auch Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Kündigung bestünden nicht.

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Das genannte Urteil ist der Klägerin am 21.3.2011 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 21.4.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 24.5.2011 bis zum 21.6.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 21.6.2011, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

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Mit dem genannten Schriftsatz, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 110 ff. d.A.), macht die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:

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Das Arbeitsgericht habe ihren Sachvortrag nicht hinreichend gewürdigt, insbesondere sich nicht mit der noch im Jahre 2008 vorhandenen Anzahl der Beschäftigten von über 30 auseinandergesetzt, sondern es bei der Behauptung der Beklagten belassen, ein weiterer Personalaufbau werde nicht erfolgen, obwohl klägerseits darauf verwiesen worden sei, nach Überwindung der Wirtschaftskrise sei mit weiteren Einstellungen zu rechnen. Dies gelte umso mehr, als noch bis Ende 2009 mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt worden seien und das Arbeitsgericht selbst von 9,75 Arbeitnehmern ausgehe, so dass allein die Einstellung einer weiteren teilzeitbeschäftigten Arbeitskraft im Umfang von 0,5 dazu führe, dass wieder mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt würden. Ebenso habe das Arbeitsgericht die Behauptung unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte bis September/Oktober 2010 regelmäßig insgesamt 4 studentische Hilfskräfte beschäftigt habe. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht eine Ladung des von der Klägerin benannten Zeugen Z. nicht in Betracht gezogen, obwohl dieser als ehemaliger Geschäftsführer Auskünfte zur früheren Anzahl der Beschäftigten, dem Umfang der Geschäftstätigkeit und den Gründen für den Abbau der Beschäftigten hätte geben können.

13

Die Kündigung sei auch sitten- bzw. treuwidrig. Es liege insoweit ein ausreichender, die Treuwidrigkeit indizierender Sachvortrag vor. Für die Kündigung habe es keinerlei Begründung und keinen von der Klägerin zu vertretenden Anlass gegeben. Anlässlich eines Besuchs in den Geschäftsräumen wegen einer Zeugnisangelegenheit habe sie die Mitarbeiterin D. angetroffen, die ihren vormaligen Arbeitsplatz besetzt und dort jene administrativen Tätigkeiten ausgeübt habe, die zuvor ihr oblegen hätten.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.03.2011, Az:. 3 Ca 2515/10, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.10.2010 zum 31.12.2010 nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte beantragt

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrer Berufungserwiderung gem. Schriftsatz vom 8.7.2011, auf den Bezug genommen wird (Bl. 121 ff. d.A.), als zutreffend.

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Auch nach Zugang der Kündigung habe sie ausweislich der Aufstellung im genannten Schriftsatz nicht mehr als maximal 8 Arbeitnehmer beschäftigt. In den Vorjahren sei die Mitarbeiterzahl von 14,75 im Juni 2008 auf 11,75 im Oktober 2009 gesunken, um sich dann ab November 2009 dauerhaft auf unter 10 zu reduzieren. Diese Reduzierung entspreche der zukünftigen organisatorischen Ausrichtung der Beklagten. Eine Treuwidrigkeit der Kündigung liege nicht vor, insbesondere habe die Mitarbeiterin D./W. nicht die Tätigkeiten der Klägerin übernommen.

20

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechend- begründet.

II.

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In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung nicht unwirksam ist.

23

1. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1KSchG rechtsunwirksam. Das Kündigungsschutzgesetzt findet keine Anwendung, da die Beklagte dessen Geltungsbereich nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht unterfällt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer.

24

a) Für die Feststellung der Zahl der in der Regel Beschäftigten kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht hingegen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Da § 23 Abs.1 KSchG für die Ermittlung der Betriebsgröße auf die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, ist die Beschäftigungslage maßgebend, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Eine zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ist unbeachtlich. Deshalb bedarf es zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl grundsätzlich eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung, wobei Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls nicht zu berücksichtigen sind (BAG 24.02.2005 -2 AZR 373/03- EzA § 23 KSchG Nr. 28 mwN).

25

Soweit es um die Einschätzung der zukunftsbezogenen Entwicklung geht, kann die tatsächlich eingetretene Entwicklung Berücksichtigung finden (vgl. BAG 31.01.1991 -2 AZR 356/90- EzA § 23 KSchG Nr 11).

26

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist die Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte beschäftige in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs.1 KSchG nicht zu beanstanden.

27

Ausgangspunkt ist zunächst die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Kündigungszugangs, die sich -auch wenn die Behauptung der Klägerin, sie habe mehr als 20 Stunden gearbeitet als wahr unterstellt wird- auf 7,25 belief. Der Rückblick auf die bisherige personelle Stärke und ihre Entwicklung spricht im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht mit überwiegendem Gewicht dafür, dass es sich bei dieser Anzahl zu berücksichtigender Arbeitnehmer um eine zufällige Beschäftigtenzahl handelte, die für den Betrieb im allgemeinen nicht kennzeichnend ist.

28

Auch nach eigenem Sachvortrag der Klägerin, aber auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten nunmehr vorgelegten Mitarbeiterstatistik 06/2008 bis 12/2009 hat sich die Mitarbeiteranzahl im genannten Zeitraum tendenziell verringert und lag seit Ende 2009 konstant unter 10 Arbeitnehmern. Bis zum Zugang der Kündigung arbeitete der Betrieb also bereits 10 Monate als sog. Kleinbetrieb, obwohl die von der Klägerin angeführte sog. Wirtschaftskrise Ende 2009 vorübergehend beendet war und die Wirtschaft deutliche Zuwächse verzeichnen konnte. Dies spricht zudem dafür, dass die von der Beklagten erstinstanzlich vorgetragene Planung des zukünftigen personellen Bestands (Schriftsatz vom 28.1.2011) nicht nur vorgeschoben war, sondern auch umgesetzt wurde.

29

Die im Rahmen dieser Planung ggf. noch beabsichtigten Einstellungen hat das Arbeitsgericht bei Ermittlung der zukünftigen Entwicklung zugunsten der Klägerin berücksichtigt, indem es von der beabsichtigten Einstellung von 2 studentischen Hilfskräften (je 0,5), ein Mitarbeiter Vertrieb (1) sowie der Mitarbeiterin W. (0,5) ausging. Dieser Befund wird weiter bestätigt durch die der Kündigung nachfolgende tatsächliche Entwicklung, so wie sie sich aus der Aufstellung der Beklagten in ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz ergibt: Danach schwankte die Beschäftigtenzahl im Zeitraum November 2010 bis Juli 2011 zwischen 6 und 8 und belief sich im Juli 2011 auf 7,5, ohne dass im genannten Zeitraum jemals mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Auch dies spricht dafür, dass die Planung der Beklagten zur zukünftigen Belegschaftsstärke nicht nur vorgeschoben wurde, sondern nunmehr über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren auch umgesetzt und beibehalten wurde.

30

Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dann, wenn eine umgesetzte unternehmerische Entscheidung zur nicht nur vorübergehenden Personalreduzierung zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs vorliegt, es nicht mehr entscheidend auf einen höheren Beschäftigtenstand in der Vergangenheit ankommt (vgl. LAG Niedersachsen 28.02.2000 -5 Sa 2558/98- LAGE § 23 KSchG Nr 18; BAG 22.01.2004 -2 AZR 237/03- EzA § 23 KSchG Nr 26). So verhält es sich hier: Die Beklagte hat sich nicht darauf berufen, dass infolge einer entsprechenden Festlegung der Personalstärke sich erst zukünftig eine verringerte Anzahl Beschäftigter ergeben werde, sondern bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war diese reduzierte Belegschaftsstärke bereits erreicht. Die Beklagte hat dargelegt, dass dies auch zukünftig ihrer Planung entspricht. Dies ist sodann durch die nachfolgende Entwicklung bestätigt worden.

31

Auch die von der Klägerin vorgelegten Stellengesuche der Beklagten sprechen nicht gegen die Beurteilung. Das Arbeitsgericht hat diese Stellengesuche berücksichtigt. Diese gehen auch nicht über den personellen Umfang hinaus, den die Beklagte nach der von ihr vorgetragenen Personalplanung beabsichtigte. Soweit die Klägerin die Frage aufwirft, ob die Beklagte nicht tatsächlich mehr als 2 studentische Hilfskräfte und einen Vertriebsmitarbeiter suche, handelt es sich um eine Mutmaßung, die durch die tatsächliche Entwicklung nicht gestützt wurde.

32

2. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

33

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung vorliegend sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB wäre, bestehen nicht. Sittenwidrigkeit einer Kündigung setzt voraus, dass diese auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht oder aus einem anderen Grund dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Der schwere Vorwurf der Sittenwidrigkeit kommt nur in krassen Fällen in Betracht. Die Darlegungslast hierfür trägt der Arbeitnehmer (vgl. nur KR-KSchG-Friedrich, 9. Aufl. § 13 KSchG Rz. 131, 135 mwN.). Die Klägerin zeigt keine Tatsachen auf, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen könnten.

34

b) Die Kündigung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes sind die grundrechtlichen Schutzpflichten und ihre Bedeutung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Arbeitnehmer auch außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes über die zivilrechtlichen Generalklauseln vor treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt werden. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist der objektive Gehalt der Grundrechte, hier vor allem Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz darf allerdings auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu führen, dass außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes dem Arbeitgeber praktisch die dem Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden. In sachlicher Hinsicht geht es darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 -; BAG 28.08.2008 -2 AZR 101/07 -, juris).

35

Eine willkürliche Kündigung liegt aber nicht vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung besteht. Für das Vorliegen von solchen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergeben soll, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Dabei wird dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Arbeitnehmers durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast Rechnung getragen. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, soweit er die Überlegung des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt hat, nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muss sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG 28.8.2008 aaO.).

36

Die Beklagte hat vorliegend darauf verwiesen, dass sie ihre Organisation wie im Schriftsatz vom 28.1.2011 dargestellt, mit der Folge einer Personalreduzierung geändert hat. Hierbei handelt es sich um einen einleuchtenden Grund für die Kündigung. Ob diese Entscheidung vernünftig und wirtschaftlich sinnvoll ist, ist unerheblich. Die Klägerin ihrerseits hat keine Tatsachen dargelegt, die die Treuwidrigkeit der Kündigung indizieren. Ihr Verweis auf die frühere Zahl der Arbeitnehmer indiziert dies nicht. Wie ausgeführt liegen Tatsachen vor, die belegen, dass die Beklagte die behauptete Organisationsentscheidung nicht nur vorgeschoben hat.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, ein Wegfall ihrer zuvor wahrgenommenen, sich aus dem Arbeitszeugnis ergebenden Aufgaben administrativer Art sei nicht vorstellbar, indiziert dies eine Treuwidrigkeit ebenfalls nicht. Der Fortbestand von Aufgaben besagt noch nichts darüber, von welchen Arbeitnehmern diese zukünftig ausgeübt werden. Dafür, dass die Wahrnehmung der Aufgaben durch die anderen Arbeitnehmer bzw. die Geschäftsführung mit übernommen werden konnten, spricht indiziell die Tatsache, dass die Beklagte -wie ausgeführt- ihren Personalbestand auch nach tatsächlichem Ausscheiden der Klägerin nicht über den Umfang ihrer Planungen hinaus erhöht hat.

38

Soweit die Klägerin schließlich auf Frau D. (vormals: W.) verweist und behauptet, diese übe jene Tätigkeiten aus, die zuvor von der Klägerin wahrgenommen worden wären, ist ihr Sachvortrag zur Darlegung einer indiziellen Treuwidrigkeit nicht schlüssig. Die Klägerin stützt ihre Behauptung lediglich darauf, dass Frau D. ihren Arbeitsplatz besetzt habe und bei einer Vorsprache in den Räumen der Beklagten wegen einer kleinen Änderung des Arbeitszeugnisses die schriftliche Umsetzung der mit der Geschäftsführung abgestimmten Zeugnisänderung übernommen habe. Dass die Klägerin Frau D. an ihrem vormaligen Arbeitsplatz angetroffen hat, besagt nichts über die Frau D. obliegenden Arbeitsaufgaben. Ebenso wenig lässt die einmalige Übernahme einer Schreibarbeit den Schluss auf die vollständige Übernahme der Aufgaben der Klägerin durch die genannte Mitarbeiterin zu,

III.

39

Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne es § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

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