Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 332/12

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.06.2012 - 4 Ca 586/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Kündigung sein Ende gefunden hat, oder aber fortbesteht.

2

Die Klägerin wurde 1989 von der Beklagten als Küchenhilfe eingestellt. Seit dem März 2006 ist sie als Küchenleiterin der Mensa an der Fachhochschule A-Stadt tätig.

3

Ende 2011 untersuchte die Beklagte Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Essensmarken und deren Abrechnung. Dabei räumte der damalige Stellvertreter der Klägerin, Herr Th., ein, dass er bereits verwendete Essensmarken weisungswidrig nicht vernichtet, sondern an Studenten weiterverkauft hatte. Die Beklagte führte im Anschluss daran Mitte Januar 2012 eine Beendigung dieses Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag herbei. Die dadurch frei gewordene Stelle übernahm eine zuvor in einer anderen Küche der Beklagten in Z.-Stadt beschäftigte Köchin.

4

Im Rahmen der durch die Beklagte auch unter Beteiligung einer Wirtschaftsprüfergesellschaft geführten Untersuchung räumte auch die Klägerin sukzessiv Unregelmäßigkeiten ein. So hatte sie u. a. Cateringaufträge an Dritte intern über - vom Land X. subventionierte - Studierenden- statt Gästeessensmarken abgerechnet. Die Klägerin räumte drei derartige Vorfälle im November/Dezember 2011 im Januar 2012 ein. Streit besteht zwischen den Parteien insoweit, ob die Klägerin damals erklärt hatte, dass keine weiteren Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien.

5

Am 20.01.2012 hat die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin eine Abmahnung erteilt, die folgenden Wortlaut hatte:

6

"… wir haben festgestellt, dass Sie bei folgenden Caterings Abrechnungsfehler begangen haben:

7

19.11.2011 Außenwirtschaftstag

06.12.2011 Weihnachtsfeier Touristik

15.12.2011 Weihnachtsfeier FH

8

Die Summe, die Sie bar vom Auftraggeber für die Caterings erhalten haben, hätte gemäß Anweisung vollständig in Gästemarken umgerechnet werden müssen. Sie haben stattdessen nur einen Teil der Summe in Gästemarken und den anderen Teil in Studierendenmarken abgerechnet (siehe Ihre E-Mail vom 15.01.2012). Sie haben gegenüber … und mir am 12.01.2012 zugegeben, dass Sie die Umwandlung in Studierendenessenmarken vorgenommen haben, damit die Essenzahlen am Standort A-Stadt besser ausfallen.

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Dieses Fehlverhalten nehmen wir nicht hin. Hiermit mahnen wir Sie aufgrund Ihres Verhaltens ausdrücklich ab und bitten Sie dringend, sich an Ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag zu halten.

10

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir uns im Falle einer nochmaligen derartigen oder ähnlichen Pflichtverletzung gezwungen sehen, Ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen…"

11

Mit Schreiben vom 16.02.2012 hat die eingeschaltete Wirtschaftsprüfergesellschaft der Beklagten folgendes mitgeteilt:

12

"Nach schriftlicher Mitteilung von Frau G. vom 13.01.2012 haben in 2011 drei Catering-Veranstaltungen stattgefunden, die nicht nach den Vorgaben des B. abgerechnet wurden…

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Durch die nicht ordnungsgemäße Abrechnung der Catering-Veranstaltungen in 2011 wurde Umsatzsteuer in Höhe von ca. 165 € nicht erklärt und Landeszuschüsse für die Verpflegungsbetriebe in Höhe von 1.855 € zu Unrecht beansprucht. Diese beiden Vergehen wurden bereits im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten berichtigt.

14

Nach Aussage von Frau G. wurden auch in den Jahren vor 2011 diese o. g. drei Veranstaltungen nach gleichem Muster falsch abgerechnet. Nach den vorgelegten Unterlagen kann man davon ausgehen, dass zumindest für die Jahre 2007 bis 2010 die gleichen Summen verkürzt bzw. zu Unrecht abgerechnet wurden, so dass die von Frau G. zu verantwortende Steuerverkürzung und der Subventionsbetrug für diesen Zeitraum von 4 Jahren schätzungsweise mit 8.080 € beziffert werden kann.

15

Wir weisen darauf hin, dass sich die Schätzung lediglich auf die von Frau G. zugegebenen Catering-Veranstaltungen bezieht. Im Rahmen unserer Befragung wurden keine weiteren falsch abgerechneten Veranstaltungen genannt. Eine weitergehende Überprüfung der täglichen Einnahmen und Essenmarkenverkäufe haben wir nicht durchgeführt, da diese aufgrund der Tatsache, dass Barverkäufe an den W. nicht gesondert erfasst wurden und daher nicht von den Einnahmen aus Catering-Veranstaltungen abzugrenzen sind, nahezu unmöglich ist…

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Als Grund für ihr Vergehen gab Frau G. die Verbesserung der Essenszahlen am Standort A-Stadt an. Eine Bereicherung ihrerseits hätte nicht stattgefunden. Die Richtigkeit dieser Aussage können wir nicht abschließend beurteilen, da die Verpflegungsabrechnungen durch die fiktive Erfassung von Studentenessensmarken nicht ordnungsgemäß geführt wurden und damit eine Kontrolle, ob eventuell Einnahmen verkürzt oder Waren entnommen wurden, nicht nachträglich erfolgen kann.

17

Im Ergebnis bleibt eine Unsicherheit in Bezug auf die Anzahl der falsch abgerechneten Catering-Veranstaltungen in der Vergangenheit sowie aus einer zumindest möglichen Bereicherung von Frau G.."

18

In einem Gespräch am 20.02.2012 erklärte die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin, dass das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werde, wenn die Klägerin nicht einen Aufhebungsvertrag unterschreibe. Dazu war die Klägerin nicht bereit.

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Daraufhin hörte die Beklagten mit Schreiben vom 07.03.2012 den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2012, an.

20

Zur weiteren Darstellung des unstreitigen erstinstanzlichen Tatbestandes wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 5, 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 240, 241 d. A.) Bezug genommen.

21

Im Anschluss daran erklärte die Beklagten mit Schreiben vom 08.03.2012 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses; das Kündigungsschreiben hat u. a. folgenden Wortlaut:

22

"… hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus den Ihnen bekannten Gründen. Wir verweisen insofern auf die mehrfachen Anhörungen auch unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung.

23

Der Personalrat wurde ordnungsgemäß angehört.

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Mit freundlichen Grüßen …"

25

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der streitgegenständlichen Klage.

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Die Klägerin hat vorgetragen,

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zum einen sei der Personalrat fehlerhaft beteiligt worden, zum anderen sei die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden. Schließlich sei der Kündigungssachverhalt durch die Abmahnung bekannt gewesen und die Kündigung letztlich unverhältnismäßig.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 8. März 2012, zugegangen am gleichen Tage, weder außerordentlich fristlos, noch ordentlich aufgelöst worden ist.

30

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 8. März 2012 hinaus fortbesteht.

31

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen als Küchenleiterin in der Mensa der Fachhochschule A-Stadt weiterzubeschäftigen.

32

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

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- € 2.056,63 brutto abzüglich € 923,13 netto nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.04.2012,

- € 2.827,87 brutto abzüglich € 1.269,30 netto nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2012 sowie

- € 2.827,87 brutto abzüglich € 1.269,30 netto nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2012 zu zahlen.

34

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

36

Die Beklagte hat vorgetragen,

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als Anstalt des öffentlichen Rechts sei es ihr unzumutbar, die Klägerin in ihrer verantwortlichen Stellung weiter zu beschäftigen. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig zerstört. Die Klägerin habe gegen klare Dienstanweisungen verstoßen und zudem berücksichtigen müssen, dass damit auch eine Verletzung von Subventions- und Steuerabgabevorschriften gegeben sei. Wegen der Nachhaltigkeit des Fehlverhaltens über mehrere Jahre hinweg sei eine negative Prognose gerechtfertigt. Der Abmahnung hätten nur die bis zum damaligen Zeitpunkt bekannten Vorfälle Ende 2011 zugrunde gelegen. Erst danach habe die Klägerin zugegeben, dass auch in den Jahren vor 2011 von ihr bereits nach dem gleichen Muster falsch abgerechnet worden sei.

38

Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Urteil vom 20.06.2012 festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 08.03.2012 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte antragsgemäß zur Entgeltzahlung nebst Zinsen verurteilt.

39

Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

40

Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 237-249 d. A. Bezug genommen.

41

Gegen das ihr am 03.07.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 17.07.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 07.08.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

42

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,
auch in den Jahren 2005 bis 2010 sei nach dem unzutreffenden System (Umwandlung von Gästeessen in Studierendenessen) vorsätzlich durch die Klägerin falsch abgerechnet worden. Dadurch bestehe der Verdacht, dass die Klägerin ein "System des Betruges" eingeführt habe, was einerseits an der Barabrechnung und andererseits darauf aufbauend an der Umwandlung von Gästeessen in Studierendenessen gelegen habe. Die Folge sei "Subventionsbetrug" und "Steuerhinterziehung". Die Rüge dessen sei durch die von der Beklagten erklärte Abmahnung keineswegs verbraucht, denn der gesamte Komplex der Einzahlungsmanipulation habe sich erst im Laufe der weiteren Untersuchung und dies erst nach dem Bericht des Wirtschaftsprüfers vom 16.02.2012 ergeben. Die Klägerin sei nicht nur nicht einsichtig gewesen, sondern habe auch über Jahre hinweg systemisch so gehandelt; dagegen habe sie in den Anhörungen von reiner "Statistikfälschung" gesprochen, um ihre Handlungen zu bagatellisieren bzw. zu verharmlosen. Das Gesamtverhalten erfordere keine Abmahnung, denn bei den hier gegebenen schweren Pflichtverletzungen sei eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen. Die Klägerin habe die Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten auch nicht offensiv im Sinne eines Bereuens unterstützt, sondern sich im Rahmen der Ermittlungen immer mehr in Widersprüche verstrickt. Sie habe dabei bewusst in Kauf genommen, dass der Ruf der Beklagten gegenüber dem Land X. als Subventionsgeber belastet werde, unabhängig von der steuerrechtlichen Dimension. Insgesamt könne das Arbeitsverhältnis folglich nicht fortgesetzt werden; im Übrigen komme es auch auf die Manipulation bei Geldeinzahlungen und auch auf die von der Beklagten nachvollziehbar hochgerechneten Schäden in Bezug auf Steuernachzahlungen und Subventionsrückzahlungen von mehreren tausend Euro an.

43

Die zutreffende Vorgehensweise bei der Abrechnung von Catering sei der Klägerin seit Beginn ihrer Tätigkeit und kommissarischen Übernahme der Küchenleitung ab dem 01.06.2005 bekannt gewesen. Diese Vorgehensweise sei zudem seit mehr als 15 Jahren dienstlich vorgegeben. Jedes Jahr ergehe eine interne Mitteilung, zu deren festem Verteilerkreis auch die Klägerin gehöre, aus dem sich die entsprechende Kalkulations- und Abgabebeweise für Studierendenessen und Gästeessen ergäben. Dies alles habe die Klägerin auch erhalten. Daran habe sich die Klägerin strikt zu halten gehabt und dies sei ihr selbstverständlich seit Übernahme der kommissarischen Küchenleitung durch jährliche Mitteilungen, die die Qualität einer Dienstanweisung hätten, durch die Beklagte auch bekannt. Es treffe auch nicht zu, dass der frühere Geschäftsführer der Beklagten dem früheren Küchenleiter und Vorgänger der Klägerin mitgeteilt habe, dass er Gästeessen über Studierendenessenmarken abrechnen solle. Auch nicht mit dem Argument, dass dadurch die Zahlen der Essensverkäufe am Standort A-Stadt steigen würden, also besser aussähen. Noch weniger könne davon ausgegangen werden, dass der frühere Geschäftsführer, Herr E., die Klägerin oder ihren Vorgänger, Herrn A., mit einer "klaren Ansage" quasi zu dieser Praxis angewiesen habe. Auch dem Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie, Herrn C., sei diese unkorrekte Abrechnungsweise weder bekannt gewesen, noch habe er sie angewiesen, toleriert oder gar gefördert. Noch weniger habe er ihr empfohlen, Essensmarken auf zwei bis drei Tage zu verteilen. Die von der Klägerin durchgeführte unkorrekte Abrechnungsweise werde in anderen Standorten nach Kenntnis der Beklagten keineswegs durchgeführt.

44

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.08.2012 (Bl. 269-277 d. A.) nebst Anlage (Bl. 278 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 03.11.2012 (Bl. 334-346 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 347-394 d. A.) und vom 14.11.2012 (Bl. 398-401 d. A.) Bezug genommen.

45

Die Beklagte beantragt:

46

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.06.2012 - 4 Ca 586/12 - abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.

47

Die Klage wird abgewiesen.

48

Die Klägerin beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebst insbesondere hervor,
die streitgegenständliche Kündigung sei bereits unverhältnismäßig, denn zwar könne das Vorliegen fehlerhafter Abrechnungen durch die Klägerin nicht bestritten werden. Allerdings habe die Klägerin dieses Abrechnungssystem nicht etwa erfunden; es sei vielmehr schon zu Zeiten ihres Vorgängers in der Rolle des Küchenleiters so, wie von der Beklagten beanstandet, stets gehandhabt worden. Dadurch wiege der der Klägerin zu machende Vorwurf gering. Sie habe sich - unstreitig - von der Küchenhilfe bis zur Leiterin der Küche der Mensa in der Fachhochschule A-Stadt hochgearbeitet. Sie sei in diesem Bereich "groß geworden". Dadurch habe ihr wohl eine gewisse Distanz gefehlt, die dazu geführt hätte, bereits früher geübte Handhabungen mit Übernahme der Verantwortung als Küchenleiterin nicht zu ändern oder auch nur kritisch zu hinterfragen. Es könne keine Rede davon sein, dass die Klägerin ein "System des Betruges" eingeführt habe. Relativ bald, nach Übernahme der Küchenleiterfunktion durch Herrn A. - Anfang des Jahres 2001 - sei es zu einem ersten Catering gekommen. Herr A. habe in diesem Zusammenhang Herrn E. gefragt, wie dieses Catering abgerechnet werden solle. Herr E. habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass es, da vom Veranstalter in bar gezahlt worden sei, über Studierendenessensmarken abgerechnet werden solle. Herr E. habe in diesem Zusammenhang geäußert, dass dadurch die Zahlen der Essensverkäufe am Standort A-Stadt steigen würden, also besser aussähen. Das Thema sei in der Folgezeit zwischen Herrn E. und Herrn A. dann nicht mehr besprochen worden. Vielmehr sei die Übung bei Herrn A. so gewesen, dass Caterings dann über Studierendenessensmarken abgerechnet worden seien, wenn der Veranstalter des Caterings in bar bezahlt habe. Diese Handhabung habe Herr A. über Jahre geübt. Er habe diese Handhabung auch an die Klägerin weitergegeben, deren Vorgesetzter er gewesen sei. Weder Herr A., noch die Klägerin hätten Anlass gehabt, die klare Ansage des vormaligen Geschäftsführers, Herrn E. zu hinterfragen oder abzuändern.

51

Wie viele Essen in einer Mensa herausgegeben würden, sei eine Frage des Ansehens für den Küchenleiter und sein gesamtes Team. Herr E. habe in Zeiten der Küchenleitung durch Herrn V. diesem eine Urkunde überreicht, in der lobend dargestellt worden sei, dass in der Mensa an einem bestimmten Tag über 800 Essen ausgegeben worden seien. Diese Urkunde habe in der Küche gehangen und als Ansporn für die Küchenleitung und das gesamte Team gedient. Herrn E., der die Urkunde ausgestellt und übergeben habe, sei bekannt gewesen, dass diese hohen Essenzahlen nur dadurch zustande gekommen seien, dass ein Catering über Studierendenessensmarken abgerechnet worden sei und zwar noch zu Zeiten des Herrn A..

52

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Klägerin wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 18.09.2012 (Bl. 292-301 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 302-204 d. A.), sowie ihre Schriftsätze vom 31.10.2012 (Bl. 325-332 d. A.) und vom 21.11.2012 (Bl. 416-421 d. A.) Bezug genommen.

53

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 10.12.2012, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 452-456 d. A. Bezug genommen wird, durch Vernehmung der Zeugen Herrn A. und Herrn E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.12.2012 (Bl. 456-459 d. A.) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

55

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 10.12.2012.

Entscheidungsgründe

I.

56

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

57

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

58

Denn das Arbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung rechtsunwirksam ist mit der weiteren Folge, dass die Zahlungsklage begründet ist.

59

Vorliegend sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB, ob mit oder ohne Auslauffrist im Hinblick auf die ordentliche Unkündbarkeit der Klägerin, nicht gegeben.

60

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts fehlt es bereits an einem an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand.

61

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 10. Auflage 2012, Kap. 4. Rdnr. 1104 ff.).

62

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

63

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

64

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

65

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

66

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

67

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 Ls. = NZA 2011, 1029).

68

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, S. 12 LS; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rz. 34).

69

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

70

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

71

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010 a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O.). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

72

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

73

Die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB sind nach Maßgabe der zuvor dargestellten Grundsätze entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht gegeben.

74

Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die Klägerin allein schon durch das von ihr letztlich eingeräumte Fehlverhalten bewirkt habe, dass beklagtenseits zumindest der objektive Tatbestand des Subventionsbetruges nach § 264 StGB verwirklicht worden sei. Die Klägerin könne sich auch nicht damit entlasten, dass ihr die Folgen ihres Handelns nicht bekannt gewesen seien. Ebenso wenig damit, dass ihr Vorgänger sie in dieses System eingeführt habe. Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Auffassung des Arbeitsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 9-11 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 244-246 d. A.) Bezug genommen.

75

Dem folgt die Kammer ausdrücklich nicht. Nach dem Ergebnis der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme steht vielmehr ohne jeden vernünftigen Zweifel fest, dass im hier zu entscheidenden konkreten Streitfall ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand nicht gegeben ist. Deshalb bedarf es vorliegend weder einer abschließenden Interessenabwägung in der zweiten Stufe der Überprüfung, noch des Anstellens weiterer Überlegungen im Hinblick darauf, ob die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden ist und schließlich, ob die Beteiligung des Personalrats bei der Beklagten ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ob eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist in Betracht kommt.

76

Zwar ist vorliegend nach dem letztlich unstreitigen Vorbringen der Parteien ein objektives Fehlverhalten der Klägerin insoweit gegeben, als die Abrechnung bei Cateringessen, jedenfalls insoweit, als es sich um externe Teilnehmer gehandelt hat, fehlerhaft erfolgt ist, mit der weiteren Folge, dass die Beklagte zu Unrecht Subventionen durch das Land X. in Anspruch genommen hat, die zu erstatten sind und des Weiteren, dass ihr steuerliche Nachteile entstanden sind. Allerdings ist eine Pflichtverletzung dem Arbeitnehmer nur dann vorwerfbar, wenn dieser seine ihr zugrundeliegende Handlungsweise steuern konnte. Ein Verhalten ist dann steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann. Dies ist dann nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist. Ist dies - vorübergehend - nicht der Fall, ist er jedenfalls für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. BAG 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79; Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., Kapitel 4 Rn. 2187 ff.).

77

Der Klägerin war aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles die Verbotswidrigkeit ihres Abrechnungsverhaltens, so wie es sich nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen und der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme darstellte, nicht vorwerfbar. Was von ihr in diesem Zusammenhang im Einzelnen von der Beklagten verlangt wurde, verlangt werden musste, stand erst mit Ausspruch der von der Beklagten erteilten Abmahnung und den dieser vorausgegangenen Gesprächen für die Klägerin zweifelsfrei fest. Und selbst insoweit verbleiben nach der von der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme Zweifel, denn auch für die Beklagte war letztlich nicht eindeutig klar, ob die Abrechnung der Cateringessen über Studierendenessensmarken nur dann fehlerhaft war, wenn die Cateringgäste nur sogenannte Externe waren, oder aber auch dann, wenn die Cateringgäste Studierende waren. Denn ob und warum das Land X. auch dann Subventionen an die Beklagte leisten sollte, wenn Studierende im Rahmen von Catering verköstigt werden, bleibt ungeklärt. Jedenfalls nach Auffassung der Kammer spricht viel dafür, dass keine Veranlassung besteht, auch Cateringmaßnahmen von Studierenden zu subventionieren.

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Die Feststellung einer Kündigung wegen einer nicht hinreichenden Arbeitsleistung, also eine Minderleistung, bzw. Schlechtleistung, kommt nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, welche Leistungen gerade von dem konkreten Arbeitnehmer, der verpflichtet ist, die ihm übertragenen Arbeiten unter Einsatz der ihm möglichen Fähigkeiten ordnungsgemäß zu verrichten, verlangt werden (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., Kapitel 4 Rn. 2193 ff., Kapitel 3 Rn. 20 ff.). Dass die Klägerin im Rahmen der von der Beklagten beanstandeten Abrechnung fehlerhaft gehandelt hat, kann ihr subjektiv vor Ausspruch der Abmahnung nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin verfügt über keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem im Einzelnen ihre Pflichten hinsichtlich derartiger Abrechnungen festgehalten worden sind. Die Klägerin hat sich im Rahmen ihrer langjährigen Tätigkeit bei der Beklagten bis zur Küchenleiterin in der fraglichen Mensa beruflich fortentwickelt. Die Beklagte hat großen Wert darauf gelegt, dass sie trotz bereits vorheriger langjähriger und offensichtlich positiver Arbeitstätigkeit noch die Prüfung einer Köchin ablegen musste; dem ist die Klägerin mit Erfolg nachgekommen. Im Bereich der hier streitgegenständlichen Abrechnungspraxis dagegen, hat die Beklagte die Klägerin weder selbst fortgebildet, noch ausdrücklich instruiert. Sie war vielmehr insoweit lediglich auf ein sogenanntes "Training on the job" verwiesen, das sie in der Zeit ihrer Tätigkeit als stellvertretende Küchenleiterin durch ihren damaligen Vorgesetzten, Herrn A., erfahren hat. Zwar hat die Beklagte behauptet, die zutreffende Abrechnungsweise ergebe sich aus internen Mitteilungen, die die Klägerin jährlich erhalten habe (vgl. 347 ff. d. A.). Detaillierte Vorgaben für die hier in Rede stehende Abrechnungspraxis folgen daraus allerdings nicht; im Übrigen behauptet die Beklagte selbst nicht, dass dies bzw. die darin aus ihrer Sicht enthaltenen Vorgaben der Klägerin zu irgend einem Zeitpunkt nachvollziehbar erläutert worden wären in Abgrenzung zu der zuvor durchgeführten und von der Beklagten auch nicht beanstandeten tatsächlichen Praxis. Auch der Beklagten selbst, so jedenfalls der Eindruck der Kammer im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme, schien bis zuletzt nicht hinreichend deutlich zu sein, ob alle Cateringessen unrichtig abgerechnet wurden oder aber nur diejenigen, wie bereits dargelegt, bei denen die verköstigten Gäste Externe waren. Berücksichtigt hat die Kammer zudem entscheidend, dass der Zeuge A., der die Klägerin als damaliger Küchenleiter und Vorgesetzter zu der sodann übernommenen Küchenleiterfunktion hingeführt hat, frei von Widersprüchen klar und eindeutig ausgesagt hat, dass ihm die Abrechnung über Studierendenessensmarken deshalb eingeleuchtet hat, weil dadurch die Zahlen der Essensverkäufe am Standort A-Stadt gestiegen sind, dass das eine Rolle gespielt hat bei der Darstellung der Tätigkeit der Mensa, dass ihm das klar war und er in der Folgezeit nach seiner Aussage dann stets so vorgegangen ist, auch nachdem er mit der Klägerin zusammengearbeitet hat. Veranlassung, die Abrechnungen anders zu erstellen, bestand für ihn nicht. Irgendwelche abweichende Anweisungen oder Kritik an der Vorgehensweise wurde ihm gegenüber danach zu keinem Zeitpunkt geäußert. Dass ein Zusammenhang mit Subventionen, die das Land pro Essen bezahlt, bestand, war ihm nach seiner Aussage nicht klar. Darüber ist mit ihm auch zu keinem Zeitpunkt gesprochen worden. Wenn die Klägerin folglich die Abrechnungen so erstellt hat, wie er es zuvor beschrieben und praktiziert hatte, dann ist sie nur dem gefolgt, was sie bei ihm gelernt bzw. mitbekommen hatte. Über Subventionen ist dann in diesem Zusammenhang zu keinem Zeitpunkt gesprochen worden. Dazu bestand auch keine Veranlassung. Eine Unterscheidung zwischen der Abrechnung von Caterings zu Studierenden als Gäste und "normale Gäste", also Externe, war ihm nicht geläufig bzw. präsent. Allerdings war er der Auffassung, dass Studierende als Cateringgäste dafür mehr bezahlt haben, als für ein normales Mensaessen, andererseits aber weniger als externe Cateringgäste. Genaue Beträge konnte er in diesem Zusammenhang aber nicht nennen. Eine Differenzierung zwischen der Abrechnung für die beiden genannten Fälle von Catering ist ihm danach zu keinem Zeitpunkt näher gebracht worden. Sie war nicht geläufig und wurde nach seiner Darstellung auch nicht praktiziert.

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Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür hatte, dass die Aussage des Zeugen unrichtig sein könnte, kann der Klägerin aus ihrer Abrechnungspraxis aus den zuvor genannten Gründen kein Vorwurf gemacht werden.

80

Hinzu kommt Folgendes:

81

Der Arbeitnehmer ist typischerweise weisungsabhängig in eine fremdbestimmte Organisation eingegliedert. Alle Mängel, die auf die Arbeitsorganisation oder die betriebliche Struktur zurückzuführen sind, können nicht zu seinen Lasten gehen. Kommt es zu Verhaltensweisen, die der Arbeitgeber als nicht vertragsgemäß ansieht, muss er, um verständig zu handeln, die Ursachen des inkriminierten Verhaltens feststellen und sodann in einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer anhand dessen Sicht der betrieblichen Geschehnisse nachprüfen, ob eine Schlechtleistung bzw. ein Fehlverhalten tatsächlich gegeben ist, worauf sie/es beruht und wie sie/es behoben werden kann. Insbesondere betriebliche Ursachen, z. B. widersprüchliche, fehlende, unvollständige, unkonkrete Weisungen von Vorgesetzten sind zu korrigieren. In Betracht kommt auch eine Konkretisierung/Ergänzung/Präzisierung - des Arbeitsvertrages und der Arbeitsplatzbeschreibung. Erst dann, wenn dies nach einem gewissen Beobachtungszeitraum nicht zu einer Verbesserung führt, kommt eine Ermahnung bzw. eine Abmahnung in Betracht; eine insoweit zu verlangende zunächst ergebnisoffene Begleitung dient auch der Begründung und Bestätigung der negativen Prognose für den weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses (vgl. Dörner, Kündigungsschutz im betrieblichen Alltag, 2013, Seite 384 f.).

82

Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien und nach dem Ergebnis der vor der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin im Hinblick auf die von der Beklagten beanstandete Abrechnungsweise weder gesondert instruiert, geschult worden ist, noch dass konkrete Vorgaben in ihrem Arbeitsvertrag, eine Arbeitsplatzbeschreibung oder sonst wo in ihr zugänglicher Weise enthalten sind. Von ihrem Vorgesetzten wurde sie gleichfalls nach dessen glaubwürdiger und eindeutiger Aussage insoweit weder sensibilisiert noch auf eine korrekte Abrechnungsweise hingewiesen bzw. hingeführt. Folglich wäre von einem verständigen Arbeitgeber zu verlangen gewesen, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem das Verhalten als Fehlverhalten festgestellt wurde, dies in einem klärenden Gespräch mit der Klägerin aufgearbeitet und zum einvernehmlichen bzw. einseitigen im Wege des Direktionsrecht vorgegebenen Inhalt des Arbeitsvertrages - nunmehr unmissverständlich - gemacht worden wäre. Allenfalls bei weiterem Fehlverhalten wäre dann eine Abmahnung bzw. im Wiederholungsfalle eine Kündigung in Betracht gekommen. Für die Kammer steht nach dem tatsächlichen Verlauf der Ereignisse auch kein Zweifel daran, dass aus den im Einzelnen dargestellten Gründen die Prognose für die weitere Beschäftigung der Klägerin in ihrer verantwortungsvollen Position entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs negativ, sondern positiv ist.

83

Eine andere Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung. Denn aus den im Einzelnen dargestellten Gründen rechtfertigt das von der Beklagten dargestellte Verhalten der Klägerin weder die Annahme eines vorsätzlichen schuldhaften Fehlverhaltens, noch die eines konkreten Tatverdachts.

84

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

86

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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