Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 380/13
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.6.2013, Az.: 9 Ca 3606/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Überstundenvergütung.
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Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine Großbäckerei mit einer Vielzahl von Filialen betreibt, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.07.2011 befristet für die Dauer eines Jahres vom 01.08.2011 bis 31.07.2012 als Mitarbeiterin in der Verwaltung beschäftigt. Ihre Arbeitsvergütung belief sich - bei einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden - auf 1.800,00 € brutto monatlich zuzüglich einer Leistungszulage von 200,00 €.
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Ein ihr unterbreitetes Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin nicht angenommen.
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Die Arbeits- bzw. Anwesenheitszeiten der Klägerin wurden mittels eines bei der Beklagten eingerichteten Zeiterfassungssystems, welches von der Klägerin selbst zu bedienen war, erfasst. Diese Zeiten wurden jeweils in eine sogenannte Monatsübersicht übertragen, in welcher auch das bestehende Zeitsaldo (Plus- bzw. Minusstunden) ausgewiesen wurde. Aufgelaufene Mehrarbeitsstunden hatte die Klägerin u. a. am 17.04. und 19.06.2012 abgefeiert.
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Per 31.07.2012 wies die Monatsübersicht der Beklagten zu Gunsten der Klägerin für den Vormonat (Juni 2012) ein Stundenplus von 71 Stunden und 54 Minuten aus. Nachdem die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie den zum 31.07.2012 auslaufenden Arbeitsvertrag nicht verlängern möchte, wurde sie von ihren Vorgesetzten aufgefordert, bis zu diesem Zeitpunkt ihren Resturlaub zu nehmen und aufgelaufene Überstunden auszugleichen. In Abstimmung mit ihren beiden Vorgesetzten sollten die Überstunden in Höhe von 72 Stunden in der Zeit vom 05.07. bis 17.07.2012 (9 Arbeitstage) abgefeiert werden, für die Zeit danach (18.07. bis 31.07.2012) wurde der Klägerin Urlaub gewährt. Wegen eines hohen Arbeitsanfalls wurde die Klägerin jedoch kurzfristig von einer Vorgesetzten darum gebeten, auch am 05.07. und 06.07.2012 noch zu arbeiten. Dieser Bitte kam die Klägerin nach.
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Bei Erhalt ihrer Gehaltsabrechnung für Juli 2012 musste die Klägerin feststellen, dass die Beklagte für die Zeit vom 09.07. bis 17.07.2012 keine Arbeitsvergütung abgerechnet, sondern diese Zeit als unbezahlten Urlaub verbucht hatte.
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Mit ihrer am 02.10.2012 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Abgeltung von 72 Überstunden mit einem in rechnerischer Höhe unstreitigen Gesamtbetrag von 832,32 € brutto in Anspruch genommen.
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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.06.2013 (Bl. 98-101 d. A.).
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 832,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2012 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 13
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 27.06.2013 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 10 dieses Urteils (= Bl. 101-106 d. A.) verwiesen.
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Gegen das ihr am 05.08.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.09.2013 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 07.10.2013, begründet.
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Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Einschätzung des Arbeitsgerichts, wonach im vorliegenden Fall von einer arbeitgeberseitigen Duldung von Überstunden auszugehen sei, sei unrichtig. Das bei ihr - der Beklagten - eingeführte Zeiterfassungssystem erfasse lediglich das "Kommen" und das "Gehen" eines Mitarbeiters, nicht jedoch die Ableistung von Mehrarbeit. Zwar diene das System zur Erfassung von An- und Abwesenheitszeiten, es sage jedoch nichts darüber aus, ob ein Mitarbeiter aufgrund Anweisung oder Duldung des Arbeitgebers oder im Hinblick auf den Umfang der zu erledigenden Arbeit Überstunden geleistet habe. Die vermeintlichen Überstunden der Klägerin resultierten daraus, dass diese an einer Vielzahl von Tagen vor ihrem vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn (7.30 Uhr) im Betrieb erschienen sei. Ausgestempelt habe die Klägerin an den betreffenden Tagen jedoch immer relativ pünktlich, d. h. gegen 17.00 Uhr, sodass sich bereits hier die Frage stelle, aus welchen betrieblichen Gründen sie jeweils gezwungen gewesen sei, ihre täglich Arbeit vor ihrem eigentlichen Arbeitsbeginn anzutreten. Die Klägerin hätte daher darlegen müssen, welche geschuldete Tätigkeit sie jeweils an den fraglichen Tagen ausgeführt habe. Sie hätte außerdem eindeutig vortragen müssen, ob die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien.
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Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 07.10.2013 (Bl. 132-136 d. A.) Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 25.11.2013 (Bl. 154-170 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
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Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben.
II.
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklage Anspruch auf Vergütung für 72 Überstunden gemäß § 612 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in Höhe des rechnerisch unstreitigen Betrages von 832,32 € brutto.
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Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Unmittelbar ergeben sich hieraus für die Klägerin keine Ansprüche. Die Vorschrift ist aber entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, also Überstunden auf diese Weise vergütet werden sollen (BAG v. 22.02.2012 - 5 AZR 765/10 - NZA 2012, 861).
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Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, vorzutragen, welche konkreten geschuldeten Tätigkeiten sie innerhalb der vom Zeiterfassungssystem erfassten Anwesenheitszeiten ausgeführt hat und ob die dabei angefallenen Überstunden von der Beklagten angeordnet oder zur Erledigung der ihr obliegenden Arbeit notwendig oder von der Beklagten gebilligt oder geduldet wurden. Zwar obliegen diese Darlegungen im Allgemeinen einem Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber Bezahlung von Überstunden fordert. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachten Überstunden sowohl in der "Monatsübersicht" 7/2012 (Bl. 70 d. A.) als auch durch die Abrede, wonach die Klägerin diese Überstunden in der Zeit vom 05.07. bis 17.07.2012 (9 Arbeitstage) abfeiern, bzw. ausgleichen sollte, streitlos gestellt hat.
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Zwar trifft es zu, dass sich allein aus den im Zeiterfassungssystem der Beklagten erfassten Anwesenheitszeiten der Klägerin nicht herleiten lässt, dass diese während der betreffenden Zeiträume vertraglich geschuldete Tätigkeiten erbracht hat und dass diese zur Erledigung der ihr obliegenden Arbeit notwendig waren bzw. von der Beklagten angeordnet, gebilligt oder zumindest geduldet worden sind. Die Beklagte hat jedoch anhand der erfassten Zeiten sog. Monatsübersichten erstellt, die jeweils bestehende Zeitsalden (Plus- bzw. Minusstunden) ausweisen und sämtliche Kriterien eines Arbeitszeitkontos erfüllen. Ein solches Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistungen für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass sich der Arbeitnehmer auf dessen Inhalt beruft, d. h. das Bestehen eines Guthabens darlegt. Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des für ihn geführten Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos wie eine Lohn- oder Gehaltsmitteilung die darin ausgewiesene Geldforderung (BAG v. 28.07.2010 - 5 AZR 521/09 - NZA 2010, 1241 m. w. N.).
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Unstreitig hat das von der Beklagten als "Monatsübersicht" bezeichnete Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Monat Juni 2012 ein Zeitguthaben von 71 Stunden 54 Minuten ausgewiesen. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, Umstände vorzutragen, aus denen sich die inhaltliche Unrichtigkeit dieses Arbeitszeitkontos ergibt oder Tatsachen dafür vorzutragen, dass der Klägerin gleichwohl kein Anspruch auf Ausgleich des darin ausgewiesenen Zeitguthabens zusteht.
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Die Begründetheit der Klage folgt im Übrigen auch aus der Abrede, wonach die Klägerin die betreffenden Überstunden in der Zeit vom 05.07 bis einschließlich 17.07.2012 abfeiern sollte. Damit hat die Beklagte die betreffenden Überstunden zumindest nachträglich gebilligt, bzw. genehmigt. Diese Billigung musste nicht ausdrücklich und durch den Arbeitgeber selbst erfolgen. Vielmehr genügte insoweit, dass die für die Beklagte handelnden Vorgesetzten der Klägerin durch die Vereinbarung eines entsprechenden Freizeitausgleichs ihr Einverständnis mit der betreffenden Überstundenleistung zum Ausdruck gebracht haben (vgl. BAG v. 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - Rz. 19, zitiert nach juris). Das Verhalten der Beklagten, die Klägerin zunächst zum Ausgleich von Überstunden von der Arbeit freizustellen, im Nachhinein jedoch das Bestehen eines entsprechenden Freizeitausgleichs in Abrede zu stellen und den betreffenden Zeitraum als unbezahlten Urlaub zu verbuchen, erweist sich im Übrigen als in hohem Maße widersprüchlich und verstößt somit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
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Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
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Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
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Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.
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Referenzen
- ArbGG § 69 Urteil 1x
- ArbGG § 72a Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- 9 Ca 3606/12 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- BGB § 612 Vergütung 2x
- 5 AZR 122/12 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- 5 AZR 521/09 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 765/10 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x