Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 476/16
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.10.2016, Az.: 8 Ca 596/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.
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Der Kläger war zunächst ab dem 01.01.2014 bis zum 31.12.2015 für die E. Verwaltungs GmbH tätig und wechselte dann innerhalb der gleichen Unternehmensgruppe unter Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten zur Beklagten. Die Beklagte fertigt Aquarien und Aquaristikzubehör. Im Werk in C-Stadt sind ungefähr 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger erzielte zuletzt ein Monatseinkommen von ca. 4.500,00 Euro brutto zuzüglich eines geldwerten Vorteils für den Dienstwagen von 895,19 Euro monatlich und erhielt eine Bonuszahlung; hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Regelung im Einzelnen wird auf Bl. 23 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hatte Gesamtprokura mit einem weiteren Prokuristen, die auch im Handelsregister eingetragen ist (vgl. Bl. 32 d. A.). Intern durfte der Kläger zusammen mit einem anderen Prokuristen Verträge bis zu einer Jahressumme von 15.000,00 Euro abschließen. Die "Hauptaufgaben" des Klägers hat die Beklagte im Entwurf für ein Zwischenzeugnis, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 72 ff. d. A. Bezug genommen wird, wie folgt wiedergegeben:
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"Herr A. übernimmt in seiner Position folgende Hauptaufgaben:
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- disziplinarische und fachliche Leitung des Standorts mit 60 Mitarbeitern einschließlich des Werks; monatlicher Bericht an die Konzerngeschäftsführung
- -Co-Planung und alleinverantwortliche Steuerung der Sanierung des Werks inklusive Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen
- Sicherstellung der Lieferfähigkeit des Werks während des Turnarounds und darüber hinaus unter Minimierung der Lagerbestände und der benötigten Personalkapazität
- Budgetplanung und Budgetverantwortung für das Werk
- Investitionsplanung sowie Beschaffung von Investitionsgütern und Umsetzung von Investionsvorhaben
- Controlling
- Kalkulation
- Abwicklung von größeren Rechtsstreitigkeiten und größeren Versicherungsfällen
- Vorbereitung und ordnungsgemäße Durchführung der jährlichen Inventur
- Kommunikation und Verhandlungen mit dem Betriebsrat
- Kommunikation mit Banken, daher Verhandlungsführung zur Sicherstellung der weitern Finanzierung
- Kommunikation mit den weiteren Konzernfunktionen, insbesondere Logistik, Vertrieb und F&E
- Schaffung einer Basis für datengetriebene Entscheidungsfindung
- Etablierung von Produktionsleistungsdaten
- Vorbereitung und Umsetzung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen
- Betreuung und Weiterentwicklung des xy-Projekts
- federführender Projektleiter für die Einführung von S. am Standort
- Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Arbeitssicherheit."
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Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.04.2016 das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2016 ordentlich gekündigt. Der Kläger wurde nach Überreichen der Kündigung freigestellt. Den bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat hat sie zuvor nicht angehört.
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Der Kläger hat vorgetragen,
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Er sei entgegen der Auffassung der Beklagten kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Deshalb habe der Betriebsrat zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses angehört werden müssen. Die Erteilung der Gesamtprokura führe, wie vorliegend, keineswegs automatisch dazu, dass der Kläger auch leitender Angestellter sei. Es handele sich lediglich um einen Titel. Im Innenverhältnis sei die Prokura nämlich unbedeutend, weil sie auf Beträge von 15.000,00 Euro zusammen mit einem anderen Prokuristen beschränkt sei. Es sei auch nicht erkennbar, welche Leitungsaufgaben der Kläger im Werk in C-Stadt wahrnehme. Er sei zu dem nicht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen. Er habe keine Aufgaben gehabt, die für den Bestand oder die Entwicklung der Beklagten oder den Betrieb in C-Stadt bedeutend seien. Er habe schließlich auch keine alleinige Entscheidungsbefugnis über etwaige Sanierungs- oder Rationalisierungsmaßnahmen gehabt. Er habe nicht die Budgetplanung oder Investitionsplanung durchgeführt. Beim Budget habe er zwar einen Entwurf erstellt, der aber dann vom Aufsichtsrat habe genehmigt werden müssen. Er habe nicht die Kalkulation durchgeführt, er habe auch keine Befugnis gehabt, etwa die Verbraucherpreise festzulegen.
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Die Personalbefugnis bis 50.000,00 Euro Jahresgehalt sei nicht für Einstellungen oder Entlassungen erteilt worden, sondern nur im Zusammenhang mit Vertragsverlängerungen oder Ersatzeinstellungen. Er selbst habe nie eine Neueinstellung durchgeführt. Diese müsse vom Aufsichtsrat genehmigt werden. Der Kläger sei auch nicht Standortleiter in C-Stadt gewesen, sondern lediglich einer von zwei Werksleitern.
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Die Beklagte trage zudem widersprüchlich unterschiedliche Kündigungssachverhalte vor. Zunächst habe sie vorgetragen, sein Posten sei gestrichen worden und auf die Geschäftsführung übertragen worden. Sodann sei nach ihrem Vorbringen die Tätigkeit zum Teil vom Geschäftsführer und zum Teil von Herrn W. übernommen worden. Es treffe nicht zu, dass die S.-Einführung abgeschlossen sei. Dies solle erst im Sommer 2017 der Fall sein.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 21.04.2016 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 31.10.2016 beendet wird.
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2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen,
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der Betriebsrat habe nicht angehört werden müssen, weil der Kläger leitender Angestellter sowohl im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG als auch gem. § 14 Abs. 3 KSchG sei. Er sei Werksleiter gewesen. Die Prokura, die er innegehabt habe, sei nicht unbedeutend gewesen. Mit einem anderen Prokuristen zusammen habe er Arbeitnehmer bis 50.000,00 Euro Jahreseinkommen einstellen können. Seine Tätigkeit sei keineswegs unbedeutend, das gelte schon deshalb, weil das Aufgabengebiet nicht unbedeutend gewesen sei. Er habe über den Standort mit 8 Millionen Euro Jahresumsatz weitgehend weisungsfrei und selbstverantwortlich entscheiden können. Die vorgegebenen Rahmenbedingungen sowie die Unterschriftsrichtlinie sprächen nicht gegen eine eigene Entscheidungsbefugnis des Klägers. Vielmehr hätte er bei der Beklagten, wenn er denn länger beschäftigt gewesen wäre, für den Standort Entscheidungen treffen können, an denen die Beklagte nicht vorbeigekommen wäre. Er sei verantwortlich gewesen für die Steuerung des Werkes und für die Umsetzung der Rationalisierung, von der rund 80 Arbeitnehmer betroffen seien. Auch das 4-Augen-Prinzip ändere daran nichts, dass der Kläger leitender Angestellter gewesen sei. Er habe die Personalauswahl im operativen Bereich verantwortlich innegehabt. Bei längerer Beschäftigung hätte er die grundsätzliche Kompetenz zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern auch ausüben können. Es sei für eine Befugnis zur Einstellung und Entlassung nicht erforderlich, dass man die Personalverantwortung für alle trage, sondern es genüge, wenn man für Arbeitnehmer, die für den Betrieb wesentlich seien, die Personalverantwortung trage.
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Im Übrigen sei die Kündigung auch sozial gerechtfertigt. Am 18.02.2016 habe die Beklagte die Unternehmerentscheidung getroffen, dass die Ebene der Bereichsleiter wegfalle. Vom 01.12.2015 bis zum 31.12.2015 sei Herr S. Werkleiter in C-Stadt gewesen und danach Geschäftsführer bis zu seinem Austritt. Die Werksleitung sei dann ab 01.01.2016 aufgeteilt worden zwischen dem Kläger, der den Bereich Aquaristik betreut habe, und Herrn W., der Objektbau und Produktmanagement betreut habe. Der Kläger sei auch für die Einführung der S.-Software am Standort federführend gewesen. Die S.-Einführung sei abgeschlossen und diese Arbeit folglich weggefallen.
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Ab dem 22.04.2016, also ab dem Zeitpunkt der Freistellung des Klägers, werde die Arbeit, die er zuvor verrichtet habe, von Anderen durchgeführt. Herr W. habe jetzt die Werksleitung sowohl für Aquaristik wie Objektbau und Innendienst alleine inne. Das Produktmanagement sei auf Herrn St. übertragen worden. Der Kläger sei mit Letzterem nicht vergleichbar. Dieser sei gelernter Modellbauer, habe ein FH-Studium Holztechnik hinter sich sowie einen Ausbilderabschluss und ferner die Ausbildung als Qualitätssicherungsassistent. Des Weiteren habe er die Qualitätsausbildung als interner Auditor Iso durchlaufen. Herr W. sei schutzwürdiger als der Kläger, weil er 7 Jahre älter und seit 11 Jahren Arbeitnehmer der Beklagten sei, er sei verheiratet und habe zwei Kinder.
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Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 11.10.2016 - 8 Ca 596/16 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die von der Beklagten am 21.04.2016 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 31.10.2016 beendet wird und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 92 - 99 d. A. Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 08.11.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 11.11.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 06.12.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die E. Gruppe befinde sich seit Ende 2012/Anfang 2013 in einem organisatorischen Umwandlungsprozess, nach dem zum 01.01.2013 ein neuer Holdinggeschäftsführer seine Tätigkeit aufgenommen habe. Insbesondere die Führungsaufgaben seien im Nachgang dazu nach und nach neu strukturiert worden. Er habe die Führungsstrukturen, die Mitglieder des Managements seien rationell bei der Holding angestellt gewesen, in der E. Gruppe, also bei der E. Verwaltungs GmbH, aber auch in den Einzelgesellschaften neu aufgesetzt und ausgeweitet. Dazu seien neben dem Kläger weitere Managementarbeitsplätze in der E. Gruppe in 2013/2014 geschaffen und besetzt und u.a. der Kläger, zuletzt als Assistent der Geschäftsführung, eingestellt worden. Es habe bis 2014 jeweils einen nicht vor Ort permanent anwesenden Geschäftsführer gegeben, der auch weitere Gesellschaften verantwortlich geführt habe. Ab 2014 sei dieses Organisationsmodell dahin geändert worden, dass es eine einheitliche Werksleitung gebe, die neben dem überörtlichen Geschäftsführer auch aus der Person des (örtlichen) Werksleiters bestehe. Deshalb sei parallel dazu ein zuerst externer Interimsmanager eingesetzt worden, der dann ab 01.01.2015 in der Holding als Führungskraft direkt angestellt worden sei. Der Kläger habe als Assistent des Geschäftsführers während seiner Beschäftigungszeit bei der Holding bis 31.12.2015 Herrn S. insoweit bereits in vielen Funktionen unterstützt. Herr S. habe den Betrieb aber zum 31.12.2015 verlassen. Deshalb sei von der Holding eine neue Organisation für die Beklagte Ende 2015 bestimmt und entschieden worden, dass zum 01.01.2016 der Kläger direkt bei der Beklagten eingestellt werde. Hinsichtlich der Darstellung der Beklagten zur Neuorganisation, zum Arbeitsentgelt des Klägers und zu seinen Aufgaben wird auf Seite 4, 5 der Berufungsbegründung (= Bl. 523, 524 d. A.) Bezug genommen. Im Frühjahr 2016 hätten die Gesellschafter der Beklagten bereits kurz nach Übergabe der Aufgaben an den Kläger zum 01.01.2016 am 18.02.2016 wegen der sich abzeichnenden schlechten Umsatz- und Ertragssituation die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Führungsorganisation in den Gesellschaften der E. Gruppe wiederum neu aufzusetzen. Es sei entschieden worden, eine hierarchische Leitungsebene, die überwiegend erst 2013 bis 2015 aufgebaut worden sei, wieder zu streichen. Für den Betrieb in C-Stadt sei entschieden worden, die Position des faktischen Standortleiters wieder zu streichen und die Aufgaben der Standortleitung wieder dem Geschäftsführer zuzuweisen, der diese Aufgaben bis 31.12.2014 bereits ausgeübt habe und nach Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger seit 22.04.2016 auch wieder ausübe. Bei den verbleibenden Tätigkeiten der Werksleitung für die Bereiche Aquaristik und Objektbau sei entschieden worden, diese zusammen zu fassen. Es solle demnach nur noch einen Arbeitsplatz Werksleitung geben. Die vom Kläger erbrachten Tätigkeiten der Werksleitung Aquaristik seien an Herrn W. übertragen worden. Der Bereich Produktmanagement, der von Herrn W. zuvor verantwortet gewesen sei, sei zeitgleich auf Herrn St. übertragen worden, der zuvor die Qualitätssicherung verantwortet habe. Wegen der Umgestaltung und Zusammenfassung der Werksleitung sei ein Arbeitsplatz auf Werksleiterebene entfallen. Hierarchisch vergleichbar seien die Bereiche von Herrn St. und Herrn W. gewesen; der Betriebsrat sei nicht angehört worden, da die Beklagte davon ausgegangen sei, der Kläger sei leitender Angestellter i. S. d. BetrVG.
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Aus der Gesamtprokura könne kein Schluss gezogen werden, dass die Prokura unbedeutend sei. Die Prokura sei als Gesamtprokura ausgestaltet gewesen, weil dies zur Wahrung des 4-Augen-Prinzips schon aus Compliance Gesichtspunkten geboten gewesen sei. Er sei immerhin Werksleiter und faktischer Standortleiter in einem kleinen Betrieb mit 60 Mitarbeitern gewesen, für den er die komplette Verantwortung getragen habe. Daneben hätten nur noch Herr W. und Frau R. Prokura gehabt. Hinsichtlich des Jahresbudgets müsse berücksichtigt werden, dass es bei der Beklagten seit Februar 2014 eine Unterschriftenregelung gegeben habe, wonach Prokuristen bei Arbeitsverträgen bis 50.000,00 €, sowie bei Liefer- oder Werksverträgen bis 200.000,00 € unterschriftsberechtigt seien. Eine Einschränkung der Prokura ergebe sich daraus nicht. Die Gesamtprokura sei bewusst erteilt worden, damit die Beklagte unter Berücksichtigung des 4-Augen-Prinzips einerseits jederzeit handlungsfähig sei, auch wenn ein Geschäftsführer nicht vor Ort sei und andererseits sei so eine Kontrollfunktion aus Compliance Gesichtspunkten ermöglicht worden. Dies sei auch im Rahmen der Verantwortungsbereiche vor Ort gelebt worden. Hinsichtlich der insoweit beispielhaft benannten Verträge wird auf S. 13 der Berufungsbegründung (= Bl. 132 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger habe mit der Prokura die operativen Tätigkeiten des Werkleiters umsetzen können. Er sei auch zu selbständigen Einstellungen und Entlassungen berechtigt gewesen und habe diese Berechtigung nur deshalb nur in geringem Umfang ausgeübt, weil das Arbeitsverhältnis bis zur Kündigung nur knapp 4 Monat gedauert habe. Auch die Aufgaben des Klägers im Zusammenhang mit der Einführung der S. Software könnten nicht gegen die Eigenschaft als Leitender Angestellter ins Feld geführt werden. Zur Darstellung des tatsächlichen Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf S. 14 - 16 der Berufungsbegründung (= Bl. 133 - 135 d. A.) Bezug genommen. Insoweit habe es sich gerade und insbesondere um eine Aufgabe gehandelt, die ein Leitender Angestellter wahrzunehmen habe. Gegen die Einordnung des Klägers als Leitender Angestellter spreche auch nicht seine arbeitsvertragliche Vergütung; insoweit wird auf S. 16, 17 der Berufungsbegründung (= Bl. 135, 136 d. A.) Bezug genommen.
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Schließlich sei die streitgegenständliche Kündigung auch sozial gerechtfertigt. Denn der Arbeitgeber sei frei, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren, wie er es für zweckmäßig halte. Lediglich bei der Kongruenz zwischen Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss seien nähere konkrete Angaben dazu erforderlich, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers auswirke. Hinsichtlich der Aufschlüsselung der Einzeltätigkeiten des Klägers für die Beklagte unter Angabe prozentualer Anteile wird auf S. 18 - 20 der Berufungsbegründungsschrift (Bl. 137 - 139 d. A.) Bezug genommen. Herr W. sei insoweit entlastet worden durch Übertragung von bestimmten Aufgaben, die er erledigt habe, auch von Herrn St.. Insgesamt sei des Weiteren auch das Arbeitsvolumen aller Führungskräfte rückläufig, was sich durch die rückläufigen Umsätze und die rückläufige Auftragssituation erkennbar gemacht habe und auch Anlass gewesen sei, die Entscheidung zu treffen, die Organisationsstruktur zu straffen.
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Bei den von den Änderungen der Verantwortungsbereiche betroffenen Arbeitnehmern sei keine Überlastung eingetreten. Vielmehr seien die Prioritäten anders gesetzt worden. Mit der Freistellung des Klägers verantworte Frau R. wieder den gesamten Bereich Personal. Nach der Freistellung des Klägers seien bei der Beklagten, wie in anderen Gesellschaften der E. Gruppe, der zweiten Ebene wieder mehr Befugnisse eingeräumt und für die jeweiligen Bereiche mehr eigenständiges Handeln zugestanden worden. Der Kläger habe insoweit keinem Mitarbeiter vertraut und daher vieles selbst gemacht, was er habe delegieren können und müssen.
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Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 05.12.2016 (Bl. 120 - 139 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 140 - 153 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 01.02.2017 (Bl. 203 - 211 d. A.) Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Aktenzeichen: 8 Ca 596/16, vom 11.10.2016, zugestellt am 08.11.2016, abzuändern.
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2. Den Klageantrag Ziffer 1) abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, er sei zu keinem Zeitpunkt Standortleiter des Betriebes der Beklagten in C-Stadt gewesen.. Eine derartige Leitung sei ihm zu keinem Zeitpunkt übertragen worden, er habe sie auch nicht rein faktisch innegehabt. Ihm habe lediglich die Verantwortung für den Bereich Aquaristik der Beklagten oblegen. Er habe deshalb insbesondere keine Weisungsbefugnis gegenüber dem für den Bereich Objektbau zuständigen Mitarbeiter Herrn W. und auch keinerlei Entscheidungsbefugnisse betreffend diesen Teilbereich in C-Stadt gehabt. Das Vorbringen der Beklagten sei widersprüchlich. Einerseits sei der Geschäftsführer Herr Wa. wegen seiner anderen Tätigkeit für die E. Gruppe nicht permanent für die Gesellschaft einsetzbar gewesen, an diesen anderen Tätigkeiten habe sich nichts geändert, andererseits sei von Herrn Wa. aber nunmehr ein Teilbereich, der bislang in dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Klägers gelegen habe, mit übernommen. Die von der Beklagten behaupteten unternehmerischen Entscheidungen seien mit Nichtwissen zu bestreiten. Gleiches gelte für die behauptete Übertragung von Teiltätigkeiten des Klägers auf andere Personen. So sei z. B. Herr W. bereits mit seiner "normalen" Tätigkeit völlig überlastet gewesen. Das Vorbringen der Beklagten zum vermeintlichen betriebsbedingten Kündigungsgrund sei insgesamt nicht hinreichend substantiiert und nachvollziehbar.
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Der Kläger sei kein leitender Angestellter gewesen. Er habe zwar Vorschläge unterbreiten können, doch diese seien entweder völlig abgelehnt worden bzw. nicht einmal die Konzernführung sei berechtigt gewesen, ihr Einverständnis zu erklären, sondern habe insoweit das Einverständnis des Beirats einholen müssen. Eine Einstellungsbefugnis habe er lediglich im Hinblick auf die Verlängerung/Entfristung befristeter Arbeitsverträge oder Ersatzeinstellungen gehabt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers insoweit wird auf S. 8 - 10 der Berufungserwiderung (= Bl. 190 - 192 d. A.) Bezug genommen. Auch sei die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung der S. Software sicherlich nicht für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung. Es handele sich keineswegs um eine der Unternehmensleitung gleichgestellte Tätigkeit, sondern vielmehr um eine solche, die schlicht und ergreifend Arbeitnehmern übertragen würde, die entsprechende EDV Kenntnisse aufweisen könnten. Auch unter Heranziehung der Zweifelsfallregelung des § 5 Abs. 4 BetrVG könne der Kläger nicht als Leitender Angestellter im Hinblick auf seine Bruttomonatsvergütung angesehen werden. Es handele sich nicht um ein Arbeitsentgelt, das bei der Beklagten für Leitende Angestellte üblich sei. Das dreifache der in § 5 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG genannten Bezugsgröße des § 18 SGB IV habe im Jahr 2012 zudem in den alten Bundesländern einschließlich Berlin 94.500,00 € brutto/Jahr betragen und dürfte sich im Jahr 2016 auf einen sechsstelligen Betrag belaufen. Die Arbeitsvergütung des Klägers habe also nicht einmal 50 Prozent dieses Grenzwertes erreicht.
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Im Hinblick auf die Auswirkungen der behaupteten Organisationsentscheidung sei es zudem völlig unzureichend, die bisherige und künftige Aufgabenverteilung pauschal unter Angabe von Prozentsätzen darzulegen; die Einzelangaben seien im Übrigen zu bestreiten. Bemerkenswert sei, dass die Auflistung der bislang vom Kläger wahrgenommenen Tätigkeiten in der Summe lediglich 89,5 Prozent ausmachten. Wenn künftig zu 30 Prozent die disziplinarische und fachliche Leitung des Standorts durch Herrn W. wahrgenommen werde, bleibe zudem offen, wer die verbleibenden 70 Prozent dieses Aufgabenbereiches übernehme. Insgesamt seien die behaupteten anderweitig verteilten Aufgabenbereiche des Klägers lediglich mit 48,5 Prozent angegeben, so dass auch insoweit unklar bleibe, wer die übrigen 51,5 Prozent übernehme. Zudem sei die Prozentzahl, die die Beklagte einzelnen Aufgaben beimesse, teilweise völlig unrealistisch.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 09.01.2017 (Bl. 183 - 199 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 200 - 202 d. A.) Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
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Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 20.02.2017.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
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Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Denn die streitgegenständliche ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 21.04.2016 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 31.10.2016 beendet.
- 42
Vielmehr ist die ordentliche Kündigung der Beklagten sowohl wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG als auch wegen der fehlenden sozialen Rechtfertigung gem. § 1 KSchG rechtsunwirksam.
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Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass die Kündigung wegen unterbliebener Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG rechtsunwirksam ist.
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Der Kläger unterfällt dem Anwendungsbereich des BetrVG, denn er ist entgegen der in beiden Rechtszügen geäußerten Auffassung der Beklagten nicht Leitender Angestellter i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG.
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Das Arbeitsgericht hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt.
"aa)
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Der Kläger hat zwar Prokura, aber auch nur Prokura zusammen mit einem weiteren Prokuristen, die außerdem Verträge betrifft, die - von der Beklagten nicht bestritten - bis 15.000,00 Euro Jahressumme laufen. Das ist im Vergleich zu der Umsatzgrößenordnung des Betriebes in C-Stadt unbedeutend. Zumindest hat die Beklagtenseite nicht vortragen können, worin die besondere Bedeutung der Prokura des Klägers liegen könnte.
bb)
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Das gleiche gilt hinsichtlich von § 5 Abs. 3 Ziff. 3 BetrVG. Die Beklagte behauptet zwar, dass der Kläger bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätte Entscheidungen treffen können, die von besonderer Bedeutung für den Betrieb gewesen wären. Woraus sie diesen Schluss zieht, ist aber nicht zu erkennen.
cc)
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Die Beklagte hat auch behauptet, der Kläger sei zur selbständigen Einstellung und Entlassung nach § 5 Abs. 3 Ziff. 1 BetrVG berechtigt, gleichzeitig aber auch eingeräumt, dass er diese behauptete Berechtigung nicht ausgeübt hat. Der Arbeitsvertrag selbst sieht diese Berechtigung nicht vor, obwohl es nahegelegen hätte, bei dem Unterpunkt „fachliche und disziplinarische Leitung der Mitarbeiter des Werkes Aquaristik" (Bl. 23 d. A.) auch den Punkt Befugnis der Einstellungen und Entlassungen zu vereinbaren. Es ist also die behauptete Befugnis zur eigenverantwortlichen Einstellung und Entlassung weder aus dem Arbeitsvertrag des Klägers ersichtlich noch hat er sie zur Zeit des Arbeitsverhältnisses ausgeübt.
dd)
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Gegen die Einordnung des Klägers als leitender Angestellter spricht auch, dass die Beklagte die Einführung der S.-Software als „wesentlichen Teil" der Tätigkeit des Klägers (Bl. 64 d. A.; Bl. 4 des Schriftsatzes vom 29.09.2016) bezeichnet. Das ist aber etwas, was überhaupt nicht mit der Funktion eines leitenden Angestellten zu tun hat."
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Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen zustimmend an, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und nimmt darauf gem. § 69 Abs. 2 ArbGG voll inhaltlich Bezug.
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Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten heraus verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, dem die Kammer folgt, nicht einverstanden ist.
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Zwar hat die Beklagte im Hinblick auf die Gesamtprokura zutreffend auf BAG 25.03.2009 (EzA § 5 BetrVG 2001 Nr. 4; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, DLW-Wildschütz, Kap. 13 Rdnr. 50 = S. 2705) hingewiesen. Danach muss zwar keine völlige Deckungsgleichheit zwischen rechtlichem Können nach außen und rechtlichem Dürfen nach innen gegeben sein; andererseits genügt es aber nicht, dass es sich lediglich um einen sog. Titula-Prokuristen handelt oder der Prokura nur ein unbedeutender Aufgabenbereich mit starken Einschränkungen im Innenverhältnis zu Grunde liegt. Zur Beurteilung, welches Maß an rechtlichem Dürfen im Innenverhältnis erforderlich ist, kann auf die Merkmale des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zurückgegriffen werden, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG dann erfüllt sind, wenn dem Prokuristen Aufgaben zugewiesen sind, die denen nach Nr. 3 in etwa gleichwertig sind, wenn also der Prokura ein bedeutender Aufgabenbereich mit erheblichem Entscheidungsspielraum zu Grunde liegt. Prokuristen, die ausschließlich Stabsfunktionen wahrnehmen, sind deshalb keine Leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG (BAG 29.06.2011 EzA § 5 BetrVG 2001 Nr. 6).
- 53
Zusammengefasst hat die Beklagte insoweit im Berufungsverfahren an sich lediglich darauf hingewiesen, dass der Kläger als Werksleiter und faktischer Standortleiter in einem kleinen Betrieb mit 60 Mitarbeitern für diese die komplette Verantwortung getragen habe. Des Weiteren hat sie beispielhaft vier Verträge (Aufhebungsvertrag, Änderung/Anstellungsvertrag (Bonusvereinbarung), Arbeitsvertrag, Investwasserfilterungsanlage) thematisiert. Insoweit ist dieses Vorbringen nach Auffassung der Kammer ungeeignet, nachzuvollziehen, dass dem Kläger die zuvor beschriebenen Aufgaben in einem den gesetzlichen Anforderungen genügenden Ausmaß mit entsprechenden Inhalten tatsächlich übertragen worden sind. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass sich dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen auch im Ansatz nicht nachvollziehen lässt, welche Arbeitstätigkeiten mit welchen Inhalten der Kläger tatsächlich im Laufe seiner Beschäftigung bei der Beklagten im Rahmen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ausgeführt hat. Das gilt insbesondere bei einem Vergleich der Ausführungen der Beklagten zu § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG einerseits und der von ihr behaupteten - vom Kläger bestrittenen - Übersicht über die vom Kläger für die Beklagte auszuführenden Tätigkeiten (S. 10 ff., 18 ff. der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 129 ff., 137 ff. d. A.). Insoweit ist nicht einmal nachvollziehbar, in welchem zeitlichen Ausmaß der von ihm vertraglich geschuldeten Arbeitstätigkeit der Kläger zumindest nach Auffassung der Beklagten bei den von ihr angegebenen Prozentanteilen sich mit Aufgaben i.S. d. § 5 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 BetrVG beschäftigt haben soll.
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Nichts anderes gilt im Hinblick auf § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG, denn die von dieser Norm vorausgesetzte Personalverantwortung kann den Status als Leitender Angestellter nur begründen, wenn sie von erheblicher unternehmerischer Bedeutung ist. Diese kann sich aus der Zahl der betreffenden Arbeitnehmer oder aus der Bedeutung von deren Tätigkeit für das Unternehmen ergeben (BAG 10.10.2007, EzA § 5 BetrVG 2001 Nr. 3; 16.04.2002, EzA § 5 BetrVG 1972, Nr. 66).
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Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sein könnten, lassen sich dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass bereits das notwendige Zusammenwirken z.B. des Leiters der Personalabteilung mit den Leitern der Fachabteilungen die Selbständigkeit ausschließt, es sei denn, der Personalleiter ist befugt, sich in begründeten Fällen über das Votum der Fachabteilungen hinweg zu setzen (vgl. DLW-Wildschütz a.a.O. Rdnr. 47). Anhaltspunkte dafür bestehen vorliegend ersichtlich nicht. Des Weiteren ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar, in welchem Ausmaß sich der Kläger tatsächlich mit derartigen Teiltätigkeiten beschäftigt haben könnte; dies lässt sich ebenso wie hinsichtlich der Prokura bei einer Gegenüberstellung des tatsächlichen Vorbringens des Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift einerseits und der tabellarischen Auflistung von Teiltätigkeiten andererseits nicht nachvollziehen. Hinzu kommt letztlich, dass die Beklagte selbst eingeräumt hat, dass der Kläger diese Berichtigung nur in geringem Umfang ausgeübt hat. Sie hat insoweit darauf hingewiesen, dass das Arbeitsverhältnis bis zur Kündigung des Klägers nur knapp 4 Monate gedauert hat und in diesem Zeitraum keine Vielzahl von Einstellungen oder Entlassungen anstanden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass vorliegend maßgeblich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sind, und zu diesem Zeitpunkt hatte die jedenfalls nach Auffassung der Beklagten dem Kläger vertraglich eingeräumte Einstellungs- und Entlassungsbefugnis offensichtlich für den Vollzug des Arbeitsverhältnisses de facto keine signifikante oder praktische Bedeutung erlangt. Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Leitenden Angestellten insoweit gegeben sein könnten, bestehen nach alledem nicht.
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Zwar ist nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ein Arbeitnehmer ferner dann Leitender Angestellter, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
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- regelmäßige Wahrnehmung sonstiger Aufgaben, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind;
- deren Erfüllung besonderer Erfahrung und Kenntnisse voraussetzt;
- wenn der Angestellte entweder die Entscheidung im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Damit soll der ganz überwiegende Teil der Leitenden Angestellten erfasst werden, die zwar Führungsaufgaben wahrnehmen, aber die Kriterien nach Nr. 1 und Nr. 2 nicht erfüllen. Damit werden wesentlich auch Angestellte in sog. Stabsfunktionen befasst, die die Entscheidung wesentlich vorbereiten und somit planen und beratend tätig seien (vgl. BAG 23.01.1986 EzA § 5 BetrVG 1972, Nr. 42; DLW/Wildschütz, a.a.O. Rdnr. 55).
- 58
Soweit die Beklagte insoweit zur Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der S. Software vorgetragen hat, sind die von ihr beschriebenen allgemeinen Aufgaben, Tätigkeiten zum einen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen völlig unsubstantiiert. Warum es sich insoweit um eine Aufgabe handeln soll, wie von ihr behauptet, die ein Leitender Angestellter wahrzunehmen hat, erschließt sich danach im Hinblick auf die zuvor dargestellten Anforderungen keineswegs. Zum anderen verhält sich das Vorbringen der Beklagten insoweit weder über das Erfordernis besonderer Erfahrungen und Kenntnisse, noch dazu, dass der Kläger insoweit Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen getroffen hat, hätte treffen können oder sie jedenfalls maßgeblich beeinflusst hat. Im Übrigen muss die Wahrnehmung derart wesentlicher Aufgaben der Tätigkeit auf das Gepräge geben, darf also nicht nur gelegentlich erfolgen (BAG 23.01.1986, EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 42); die Wahrnehmung derartiger Aufgaben muss die Tätigkeit also schwerpunktmäßig bestimmen (BAG 25.10.1989 EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 49). Insoweit muss ein beachtlicher Teil der Arbeitszeit von diesen Tätigkeiten beansprucht werden (BAG 23.01.1986, a.a.O.; DLW/Wildschütz a.a.O. Rdnr. 62). Auch insoweit fehlt es an tatsächlichem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen.
- 59
Gem. § 5 Abs. 4 BetrVG ist Leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG im Zweifel, wer einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend Leitende Angestellte vertreten sind (Nr. 2), oder ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für Leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist (Nr. 3). Zu beiden Vorschriften fehlt es an nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertem, tatsächlichem Vorbringen der Beklagten, so dass vom Vorliegen der Voraussetzungen eine dieser beiden Alternativen im hier zu entscheidenden Einzelfall nicht ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, das nach Auffassung der Kammer § 5 Abs. 4 BetrVG ohnehin nicht zur Anwendung kommt, weil es sich bei den beim Rückgriff auf § 5 Abs. 4 BetrVG vorausgesetzten Zweifeln um rechtliche, nicht tatsächliche Zweifel handeln muss (DLW/Wildschütz a.a.O., Rdnr. 72). Im hier zu entscheidenden Einzelfall lässt sich aber bereits dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten nicht das nötige Tatsachensubstrat entnehmen, auf dessen - ggf. im Bestreitensfall durch Beweisaufnahme ermittelten - Grundlage Raum für die erforderlichen rechtlichen Zweifel wäre. Ob der Kläger einer Leitungsebene angehört hat, auf der in dem Unternehmen überwiegend Leitende Angestellte vertreten sind, lässt sich ebenso wenig feststellen, wie, ob er ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhalten hat, das für Leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist. Denn insoweit fehlt es an tatsächlichen substantiierten Angaben der Beklagten, die einem substantiiertem Bestreiten durch den Kläger zugänglich gewesen wären. Die Beklagte hat insoweit auf das Durchschnittseinkommen im Donnersbergkreis in Rheinland-Pfalz abgestellt, auf die Durchschnittsvergütung aller Arbeitnehmer im Donnersbergkreis. Darauf kommt es aufgrund der dargestellten gesetzlichen Kriterien aber ersichtlich nicht an.
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Gem. § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG ist ein Arbeitnehmer Leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG auch dann, wenn bei der Anwendung des § 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG noch Zweifel bleiben, wenn er ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, dass das dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet. Ob das Arbeitseinkommen des Klägers das dreifache dieser Bezugsgröße überschreitet, lässt sich aber dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, denn dazu verhält sich ihr Vorbringen schlicht nicht; es beschränkt sich, wie dargelegt, auf das Durchschnittseinkommen im Donnersbergkreis. Ob die Vergütung des Klägers also auffallend über der durchschnittlichen Vergütung im Donnersbergkreis liegt, ist nach Maßgabe der zuvor dargestellten Grundsätze unerheblich.
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Folglich kann der Kläger auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht als Leitender Angestellter i. S. d. § 5 Abs. 3, 4 BetrVG angesehen werden, so dass die streitgegenständliche ordentliche Arbeitgeberkündigung gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG rechtsunwirksam ist.
- 62
Darüber hinaus ist die ordentliche Kündigung der Beklagten auch sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 KSchG. Sie ist nicht als ordentliche Kündigung aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt.
- 63
Betriebliche Erfordernisse liegen dann vor, wenn Umstände aus dem wirtschaftlichen oder betriebstechnischen Bereich dazu führen, dass die betriebliche Arbeitsmenge so zurückgeht, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt. Erforderlich ist eine konkrete Auswirkung auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers. Es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen (BAG 23.02.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166 = NZA 2012, 852).
- 64
Es muss also zumindest ein Arbeitsplatz weggefallen sein, wobei dies nicht in der Weise zu verstehen ist, dass es sich dabei gerade um den konkret fixierten Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers handeln muss (BAG 30.05.1985 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36).
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Vielmehr ist nach Maßgabe der sozialen Auswahl ggf. einem Arbeitnehmer zu kündigen, dessen Arbeitsplatz noch vorhanden ist, wenn nur die Anzahl der vergleichbaren Arbeitsplatze insgesamt zurückgegangen ist mit der Folge, dass die Zahl der benötigten Arbeitsplätze aufgrund der Entwicklung der Arbeitsmenge kleiner ist als die Zahl der auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist grds. der Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Grundsätzlich muss dann der Kündigungsgrund - Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit - vorliegen (LAG Düsseld. 16.11.2005 - 12 Sa 1150/05, EzA-SD 1/06 S. 8 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht 13. Aufl. 2016, DLW-Dörner, Kap. 4 Rn. 2523 ff.).
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Das Merkmal der Dringlichkeit wird dadurch charakterisiert, dass eine Weiterbeschäftigung der nunmehr überzähligen Arbeitnehmer nicht, insbes. nicht unter bestimmten organisatorischen Voraussetzungen möglich ist. Die Kündigung muss in Anbetracht der betrieblichen Situation unvermeidbar sein. Der Betrieb muss sich in einer Zwangslage befinden, die nur durch eine Kündigung, nicht aber durch andere Maßnahmen beseitigt werden kann (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 561 ff.).
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Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes unvermeidbar machen (LAG RhPf 10.05.1988 NZA 1989, 273). Es fehlt an einem betrieblichen Erfordernis zur wirksamen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs führen. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist; das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, in dem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG 23.02.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166 = NZA 2012, 852; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.: Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.). Die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, um seinen Betrieb dem Umsatzrückgang oder der verschlechterten Ertragslage anzupassen (wozu weder der Ausspruch der Kündigung selbst [BAG 20.02.1986 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37] gehören), sind vom Arbeitsgericht nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG 30.04.1987 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47; 13.03.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159; LAG BW 12.08.2004 - 22 Sa 99/03 EzA-SD 1/05, S. 7 LS; LAG Bln.-Bra. 01.03.2007 - 2 Sa 18/07, EzA-SD 19/2007 S. 5; Schrader/Schubert NZA-RR 2004, 393 ff.; Kaiser NZA 2005, Beil. 1/2005 zu Heft 10, S. 31 ff.). Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160; 27.01.2011 - 2 AZR 9/10, EzA-SD 13/2011 S. 8 LS; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.; Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.).
- 68
So erfüllen offensichtlich unsachliche oder willkürliche Rationalisierungsmaßnahmen den Tatbestand der unzulässigen Rechtsausübung des betrieblichen Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber. Es ist missbräuchlich, in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160 = NZA 2008, 939).
- 69
Läuft die unternehmerische Entscheidung also letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen (BAG 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 16.12.2010 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223; s. Hunold NZA-RR 2013, 57 ff.; Schrader/Siebert NZA-RR 2013, 113 ff.). Der Arbeitgeber muss dann konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen.
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Er muss- im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast - die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können. In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann - je nach Einlassung des Arbeitnehmers - ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind (BAG 16.12.2010 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223).
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Ist die unternehmerische Entscheidung also verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es - wie beschrieben - der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).
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Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt insgesamt Folgendes:
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Ist der Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeit unmittelbar auf einen organisatorischen Entschluss des Arbeitgebers zurückzuführen (z. B. die ersatzlose Streichung einer Stelle), so muss der Arbeitgeber substantiiert den Inhalt seines Entschlusses, dessen praktische Umsetzung und dessen zahlenmäßige Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeit darlegen (s. Bitter DB 1999, 1214 ff.).
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Handelt es sich insoweit um eine nur beschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung, so ist der Arbeitgeber nicht an sich verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Erwägungen offen zu legen. Andererseits muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung bzw. Veränderung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht. Zu dem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört dabei die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll. Der Arbeitgeber kann grds. sowohl das Arbeitsvolumen - die Menge der zu erledigenden Arbeit - als auch das diesem zugeordneten Arbeitskraftvolumen - Arbeitnehmerstunden - und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen. Zwar muss nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein, Voraussetzung ist aber, dass die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung sich auf eine nach sachlichen Merkmalen genauer bestimmte Stelle bezieht. Der allgemeine Beschluss, Personalkosten zu senken, erfüllt diese Anforderungen nicht (LAG BW 20.02.2004 AuR 2004, 356 LS).
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Hingegen hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die fragliche innerbetriebliche Maßnahme (z. B. eine Rationalisierungsmaßnahme) offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 09.05.1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85), wobei aber ggf. die Erleichterung des Anscheinsbeweis in Betracht kommt (BAG 24.10.1979 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13). Denn insoweit spricht für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). Es ist aber andererseits missbräuchlich in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.04.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).
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Läuft also die unternehmerische Entscheidung dagegen letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223). Ist die unternehmerische Entscheidung verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist (BAG 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158). Der Arbeitgeber muss insbes. konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erbracht werden können (BAG 13.02.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 24.05.2012 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten keine nicht willkürliche, nicht rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung gegeben ist, auf die sich die Beklagte zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erfolg berufen kann. Gleiches gilt für etwaige sonstige dringende betriebliche Gründe.
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Den insoweit an das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zu stellenden Anforderungen genügen die Ausführungen in beiden Rechtszügen ersichtlich nicht. Es bleibt insgesamt unklar, worin die tatsächlich vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung für die Beklagte vom Beginn seines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte an bestanden hat. Die Darstellung der Beklagten ist insoweit pauschal, unpräzise und verzichtet auf die Angabe jeglicher nachvollziehbarer Zeitanteile. Sie ist auch in sich unschlüssig. Welche Einzeltätigkeiten des Klägers aufgrund welcher Entscheidung der Beklagten entfallen sein sollen, bleibt im Einzelnen ebenfalls unklar. Ebenso, aufgrund welcher Umstände der Wegfall eines Arbeitsplatzes derart, wie ihn der Kläger innehatte, gegeben sein soll. Deutlich wird lediglich, dass die Beklagte sich bereits seit Ende 2012 - Anfang 2013 in einem organisatorischen Umwandlungsprozess befindet, der zu fortgesetzten Entscheidungen zur Umorganisation in allen möglichen Bereichen zur Neustrukturierung und Umorganisation geführt hat/führt. Bereits insoweit ist eine willkürfreie Entscheidung unter Berücksichtigung auch des § 162 Abs. 1 BGB nicht nachvollziehbar dargelegt. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, Ende 2015 sei bestimmt worden, dass der Kläger ab 01.01.2016 direkt bei der Beklagten eingestellt werde. Insoweit hat der Kläger tatsächlich am 01.01.2016 seine Tätigkeit aufgenommen. Nur wenige Wochen später, so die Beklagte, wurde am 18.02.2016 beschlossen, eine hierarchische Leitungsebene, die gerade erst aufgebaut worden war, wieder zu streichen. Damit, so die Beklagte, sei der Bedarf für die Beschäftigung des Klägers entfallen. Berücksichtigt man, dass die zweijährige Vorbeschäftigung des Klägers als Assistent der Geschäftsführung letztlich nichts anderes zum Ziel gehabt haben kann, als ihn auf eine entsprechende Tätigkeit vorzubereiten, erschließt sich nicht, was Veranlassung gegeben haben könnte, nach einem Zeitraum von gerade einmal sechs Wochen eine, bezogen auf den Kläger, fällige Neustrukturierung zu beschließen. Diese in besonderem Maße ungewöhnliche Zeitschiene führt nach Auffassung der Kammer zu einem besonderen Begründungsbedarf, dem die Beklagte durch den lapidaren Hinweis auf die sich abzeichnende schlechte Umsatz- und Ertragssituation auch im Ansatz nicht genügt hat, zumal offenbleibt, inwieweit sich die insoweit maßgeblichen Parameter zwischen Ende 2015 und dem 18.02.2016 substantiell geändert haben. Tatsächliches Vorbringen dazu fehlt vollständig.
- 79
Nicht nachvollziehbar dargestellt wird sodann, wie sich die behauptete Unternehmerentscheidung, die die Kammer nicht als willkürfrei ansieht, auf den Beschäftigungsbedarf in dem Bereich, in dem der Kläger beschäftigt ist, ausgewirkt hat. Dabei bedarf dies schon deshalb der gerichtlichen Überprüfung, weil Kündigungsgrund regelmäßig nicht eine schlechte Umsatz- und Ertragssituation ist, sondern der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung. Insofern ist zudem darauf hinzuweisen, dass gerade sich abzeichnende schlechte Umsatz- und Ertragszahlen in einem unternehmerischen Bereich, der sich mit verantwortlichen Entscheidungen aus strategischer Art insoweit beschäftigt, es nicht ungewöhnlich ist, dass erhebliche Mehranstrengungen unternommen werden, was Arbeitszeit kostet, um die Umsatz- und Ertragssituation zu verbessern. Wenn es, wovon die Beklagte wohl ausgeht, vorliegend stattdessen allein um Kostenreduzierung gegangen sein sollte, lässt sich dies dem Vorbringen der Beklagten jedenfalls nicht nachvollziehbar entnehmen.
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Selbst dann wäre aber nach den zuvor dargestellten Grundsätzen zu fordern, dass die Beklagte darlegt, aus welchen Einzeltätigkeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Klägers im Wesentlichen zumindest summarisch zusammensetzt und wie sich dieses Arbeitsvolumen in Arbeitsstunden pro Woche/Monat aufgrund der unternehmerischen Entscheidung voraussichtlich verändern wird. Ein Rückgang des Beschäftigungsbedarfs kann insoweit darin bestehen, dass zuvor ausgeübte Einzeltätigkeiten schlicht entfallen. Angaben dazu lassen sich dem Vorbringen der Beklagten jedoch nicht hinreichend substantiiert entnehmen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Einzeltätigkeiten auf Vorgesetzte, Geschäftsführer oder andere Arbeitnehmer zu übertragen, was allerdings voraussetzt, dass dies in einer Weise erfolgt, dass bei den verbleibenden Arbeitnehmern/Geschäftsführern tatsächlich Arbeitszeitkapazitäten vorhanden sind und die neu übernommenen Tätigkeiten zumindest von den betroffenen Arbeitnehmern im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitbestimmungen nur ohne überobligationsmäßige Zusatzbelastung auch tatsächlich verrichtet werden können. Und dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte erst Ende 2015 in diesem Zusammenhang offensichtlich davon ausgegangen ist, dass ein vollzeitiger Beschäftigungsbedarf für den Kläger an dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz besteht. Auch insoweit wäre es also erforderlich gewesen, darzulegen, wie und warum sich dies innerhalb von sechs Wochen maßgeblich verändert haben soll.
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Die Beklagte hat hinsichtlich des Geschäftsführers Herrn Wa. insoweit zunächst vorgetragen, dass dieser nicht permanent für die Gesellschaft tätig werden konnte (Bl. 122 d.A.). Er wurde deshalb durch Herrn S. unterstützt, der aber zum 31.12.2015 ausgeschieden ist. Warum angesichts des Ausscheidens von Herrn S. nunmehr bei einer unterstellten gewöhnlichen Belastung von Herrn Wa. die Möglichkeit bestand, diesem wiederum weitere Aufgaben zuzuweisen, erschließt sich bereits im Ansatz nicht. Nichts anderes gilt für die Übertragung von Tätigkeiten an Herrn W. (Bl. 126 d.A.). Denn Ende 2015 ist die Beklagte offensichtlich noch davon ausgegangen, dass dieser in Vollzeit ausgelastet ist; zudem ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass Herr S. den Betrieb zum 31.12.2015 verlassen hat. Diese Überlegungen treffen in gleichem Maße auf die Tätigkeit von Herrn St. zu, der nach der Darstellung der Beklagten (Bl. 126 d.A.) zuvor die Qualitätssicherung verantwortet hatte. Dabei bleibt bereits offen, wer denn nach Herrn St. diese Tätigkeit übernommen hat. Auch ist unklar, welche Wochenarbeitszeit er darauf verwendet hatte und wie sich dazu die ihm neu übertragenen Aufgaben verhalten. Insoweit wäre es also Sache der Beklagten gewesen, im Einzelnen einer die vom Kläger ausgeübten Teiltätigkeiten unter Angabe von ungefähren Zeitanteilen darzustellen, und andererseits, welche Teiltätigkeiten mit welchen Zeitanteilen auf wen im Einzelnen übertragen wurde, ergänzt um Angaben, woraus sich insoweit freie Arbeitszeitkapazitäten unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes, soweit es sich um Arbeitnehmer handelt, ergeben. Daran fehlt es. Soweit die Beklagte sodann im Berufungsverfahren (Bl. 137-139 d.A. = S. 18-20 der Berufungsbegründungsschrift) prozentuale Angaben zu summarisch aufgelisteten einzelnen Tätigkeiten macht, ist dieses Vorbringen bereits in sich unschlüssig. Der Kläger hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Addition der Prozentanteile zu einer Summe von lediglich 89,5 Prozent führt. Welcher Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Klägers 10,5 Prozent ausmacht, ist ebenso unklar, wie was mit diesen Zeitanteilen in Zukunft geschehen sollte. Soweit die Beklagte behauptet hat, die disziplinarische und fachliche Leitung des Standortes werde künftig zu 30 Prozent durch Herrn W. wahrgenommen, fehlt es an jeglichen Angaben dazu, durch wen die übrigen 70 Prozent dieses Aufgabenbereichs zukünftig wahrgenommen werden sollen. Schließlich ergibt die Summe der Prozentsätze im Zusammenhang mit den Aufgaben, die vermeintlich von anderen Arbeitnehmern wahrgenommen werden sollen oder wegfallen, lediglich 48,5 Prozent, sodass nicht nachvollziehbar ist, wie es sich mit den verbleibenden 51,5 Prozent verhält. Selbst wenn die prozentualen Angaben, was der Kläger nachvollziehbar in Abrede gestellt hat, also zutreffend wären, wäre nach dem Vorbringen der Beklagten nicht einmal die Hälfte der Tätigkeit des Klägers entfallen. Dann wäre aber nach dem Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung als Ausfluss des ultima-ratio-Prinzips der Ausspruch einer Änderungskündigung statt einer Beendigungskündigung in Betracht zu ziehen gewesen.
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Nach alledem kann vorliegend nach dem Vorbringen der Beklagten weder davon ausgegangen werden, dass eine willkürfreie Unternehmerentscheidung vorliegt, noch, dass diese zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs in dem Bereich, in dem der Kläger beschäftigt ist, in einem Ausmaß geführt hat, das eine ordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung rechtfertigen könnte.
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Folglich war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- 84
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- 85
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
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Referenzen
- § 14 Abs. 3 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 69 Urteil 1x
- 8 Ca 596/16 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 162 Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts 1x
- § 1 KSchG 29x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen 3x
- § 18 SGB IV 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- ZPO § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung 1x
- 22 Sa 99/03 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 2x
- 2 Sa 18/07 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 5 Arbeitnehmer 27x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- 2 AZR 9/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 2 KSchG 2x (nicht zugeordnet)
- 12 Sa 1150/05 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ArbGG § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren 1x