Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 438/17

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 7. September 2017, Az. 2 Ca 419/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch wegen Nichtzahlung eines Leistungsentgelts.

2

Der 1965 geborene Kläger war seit 1982 bei der Bundesagentur für Arbeit angestellt. Seit dem 01.01.2012 wird er im Jobcenter des beklagten Landkreises als Verwaltungsfachangestellter beschäftigt. Er wird nach Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA vergütet. Mit Wirkung ab 2014 wurde eine Dienstvereinbarung über die Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung und Vereinbarung eines betrieblichen Systems nach § 18 Abs. 6 TVöD für alle Bediensteten des Jobcenters abgeschlossen. Darin heißt es auszugsweise:

3

"§ 6 Methoden der Leistungsfeststellung

4

(1) Die Geschäftsführung erstellt für die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbrachten Leistungen anhand einer Systematischen Leistungsbewertung (§ 7) einen Beurteilungsvorschlag. Sofern der zu Beurteilende nicht im gesamten Beurteilungszeitraum im gleichen Arbeitsbereich beschäftigt war, kann der Vorgesetzte der früheren Tätigkeit beteiligt werden.

5

Die Geschäftsführung ist für die Einhaltung des Verfahrens (§ 7) und die fristgerechte Weitergabe der Ergebnisse der Leistungsfeststellung (§ 8 Abs. 2) für ihren Bereich verantwortlich.

6

Um einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab zu erreichen, werden anschließend alle Beurteilungsvorschläge dem Landrat als Obersten Dienstvorgesetzten zugeleitet.

7

(2) Grundlage der Leistungsfeststellung sind Kriterien, die auf die auszuübende Tätigkeit der Beschäftigten bezogen sind, von den Beschäftigten beeinflusst und in der regelmäßigen Arbeitszeit erreicht werden können. Voraussetzung der Leistungsfeststellung sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit der auf die Tätigkeit bezogenen Leistungskriterien.

8

(3) Die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbrachten Leistungen werden jährlich festgestellt.

9

(4) Leistungsgeminderte dürfen nicht grundsätzlich von Leistungsentgelten ausgenommen werden. Ihre jeweilige Leistungsminderung soll bezogen auf die Anforderungen ihres Arbeitsplatzes angemessen berücksichtigt werden.

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§ 7 Systematische Leistungsbewertung

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(1) Die Systematische Leistungsbewertung ist die auf dem nachstehend dargestellten System beruhende Feststellung der erbrachten Leistung nach messbaren oder anderweitig objektivierbaren Kriterien.

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(2) Für die systematische Leistungsbewertung werden folgende Leistungskriterien, die nachfolgend abschließend definiert sind, festgelegt:

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Arbeitsqualität

…       

Arbeitsquantität

…       

Selbstständiges Arbeiten

…       

Flexibilität

…       

Zusammenarbeit

…       

Kundenorientierung

…       

14

(2) Die Leistungsbewertung erfolgt grundsätzlich bei allen Beschäftigten nach den Leistungskriterien Arbeitsqualität, Arbeitsquantität und Selbständiges Arbeiten. … Von den verbleibenden drei Leistungskriterien muss ein weiteres Kriterium entsprechend dem jeweiligen Aufgabengebiet ausgewählt und bewertet werden.

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(3) Das Ergebnis jedes Leistungskriteriums hat den gleichen Wert in Bezug auf das Gesamtergebnis der Bewertung.

16

(4) Der Erfüllungsgrad wird wie folgt mit Punkten versehen:

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- deutliche Leistungsmängel

= 1 Punkt

- deutlich unter dem Durchschnitt

= 2 Punkte

- unter Durchschnitt

= 3 Punkte

- durchschnittliche Leistung

= 4 Punkte

- über dem Durchschnitt

= 5 Punkte

- deutlich über dem Durchschnitt

= 6 Punkte

- herausragende Leistung

= 7 Punkte

18

Die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl beträgt 7 Punkte.

19

Um ein Leistungsentgelt zu erhalten, muss die Leistung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters über den üblichen Anforderungen (mindestens eine Gesamtpunktzahl von 4,1) liegen.

20
(2) Innerhalb eines Organisationsbereiches ist derselbe Maßstab für die Bewertung zugrunde zu legen. Die Geschäftsführung hat bei der Leistungsbewertung eine Verteilung der Leistungsentgelte nach dem “Gießkannenprinzip” zu verhindern. Vielmehr sind klare Prioritäten zu setzen und damit “echte” Leistungsanreize zu schaffen.
21
(3) Die systematische Leistungsbewertung erfolgt auf der Grundlage der Beobachtung der erbrachten Leistungen.

22

Der Beobachtungszeitraum beginnt jeweils am 01.10. und endet jeweils am 30.09. eines Jahres. In der Mitte des Beobachtungszeitraumes sollen die Vorgesetzten ein Einschätzungsgespräch mit den Beschäftigten über deren Leistungen führen.

23

24

(7) Für die Systematische Leistungsbewertung ist der als Anlage 2 beigefügte Vordruck zu verwenden; anhand des Vordrucks ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erläutern

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- zu Beginn des Beobachtungszeitraumes die im jeweiligen Bereich relevanten und entsprechend gewichteten Leistungskriterien,

26

- zum Ende des Beobachtungszeitraumes die individuellen Ergebnisse der Systematischen Leistungsbewertung.

27

Die Feststellung ist den Beschäftigten nach Zustimmung durch den Landrat bekannt zu geben und schriftlich zu dokumentieren.

28

…"

29

In der Anlage 1 zur Dienstvereinbarung ist folgendes geregelt:

30

"Anlage 1

31

1. Die Geschäftsführung ist für die Einhaltung des Verfahrens (§ 7) und die fristgerechte Weitergabe der endgültigen Ergebnisse der Leistungsfeststellung (§ 8 Abs. 2) für das Jobcenter Landkreis C-Stadt verantwortlich.

32

2. Die Geschäftsführung Jobcenter Landkreis C-Stadt ist verpflichtet, unter Einhaltung des Dienstweges folgendes abzustimmen und nach Abstimmung umzusetzen:

33

- …

34

- die Einschätzungsgespräche in der Mitte des Beobachtungsraumes,

35

- …"

36

Für das Jahr 2014 wurde dem Kläger ein Leistungsentgelt iHv. € 770,34 gewährt. Für das Jahr 2015 erhielt er kein Leistungsentgelt. Mit Unterschrift vom 29.09.2014 bestätigte er das Stattfinden des ersten Einschätzungsgesprächs. Ein Einschätzungsgespräch in der Mitte des Beobachtungszeitraums fand nicht statt.

37

Am 24.04.2015 wurde ein Gespräch mit dem Kläger geführt, an dem ua. der Personalratsvorsitzende und der Geschäftsführer des Jobcenters teilnahmen. Einzelheiten des Gesprächs sind unklar. Nach dem Eindruck des Klägers wurde ihm vorgeworfen, dass er zu langsam arbeite. Der Kläger kam im September 2015 von sich aus auf den Geschäftsführer des Jobcenters zu und erklärte, dass ihn die Tätigkeit als Sachbearbeiter zu sehr belaste. Er bat darum, ihn von dieser Tätigkeit zu entbinden. Anschließend wurde eine Stelle "kreiert", die den Kläger mental entlasten soll, indem seinem Wunsch entsprochen worden ist, dass er am Abend seinen Arbeitsplatz verlassen kann, ohne dass rückständige Akten auf seinem Tisch liegen.

38

Die Leistungsbewertung für das Jahr 2015 wurde dem Kläger am 05.01.2016 eröffnet. Er erreichte in folgenden Kriterien folgende Punktzahl:

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Arbeitsqualität

3,5 Punkte

Arbeitsquantität

3,5 Punkte

selbständiges Arbeiten

3,5 Punkte

Kundenorientierung

4  Punkte

40

Die Durchschnittsbewertung lag daher bei 3,625 Punkten. Bei einer Punktzahl von 4,125 hätte der Kläger ein Leistungsentgelt iHv. € 1.470,00 brutto erhalten. Der Kläger legte mit E-Mail vom 26.01.2016 Beschwerde gegen die Nichtgewährung des Leistungsentgelts ein. Die betriebliche Kommission prüfte die Beschwerde am 20.06.2016 gem. § 9 der Dienstvereinbarung, sie erarbeitete aber keinen Vorschlag. Außergerichtlich begründete der Geschäftsführer des Jobcenters gegenüber der Gewerkschaft ver.di, die ihn im Auftrag des Klägers dazu aufgefordert hatte, mit Schreiben vom 23.12.2016 die Nichtgewährung des Leistungsentgelts für 2015 auszugsweise wie folgt:

41

"... [Der Kläger] war bis Dezember 2015 im Bereich Leistungsgewährung bei der sogenannten Clearingstelle eingesetzt. Aufgrund einer von der Personalvertretung mitgetragenen Zusammenlegung zweier Referate … ist die Tätigkeit des "Clearers" in der früheren Form entfallen. [Dem Kläger] wurde daraufhin eine Tätigkeit im Bereich der Sachbearbeitung von Leistungsfällen angeboten. Im Rahmen der Bewertung sämtlicher Stellen im Hause im Jahre 2011 wurde die Stelle eines Sachbearbeiters nach Entgeltgruppe 9 bewertet, da er für schwierige Fälle zuständig ist und außerdem für die Fachassistenten die Zahlbarmachung von Erstanträgen (4-Augenprinzip) freigibt. Insofern war dies die Übertragung einer adäquaten Tätigkeit hinsichtlich seiner Entgeltgruppe. [Dem Kläger] wurden für die Anlernphase keine schwierigen Fälle übergeben und die Überprüfung von Anträgen der Fachassistenten einschließlich ihrer Freigabe wurde ihm ebenfalls nicht abverlangt. Im Laufe des Kalenderjahres 2015 hat sich jedoch herausgestellt, dass [der Kläger] mit dieser Tätigkeit (Fachassistent = Entgeltgruppe 8) überfordert war und er selbst hat mich darum gebeten, ihn von diesen Aufgaben freizustellen. Von den anlernenden Mitarbeiterinnen wurde mir zwar signalisiert, dass [der Kläger] durchaus die Materie verstehe, er aber zu langsam sei. Die Übertragung eines festen Kundenbestandes war nicht möglich, da er dem Druck nicht gewachsen war, bzw. er mit der Abarbeitung von Fällen nicht umgehen konnte. In einem Gespräch zusammen mit ihm und der Personalvertretung haben wir ihm dann eine Arbeit zugewiesen (Aushändigung von Anträgen, Entgegennahme von Unterlagen und Anträgen, Durchführung von DALEB-Verfahren, Entgegennahme und Prüfung von Anträgen auf einmalige Leistungen usw.), die seinem Wunsch entgegenkommt, keinen Aktenbestand abarbeiten zu müssen. Diese Tätigkeit entspricht meiner Auffassung nach der Entgeltgruppe 6, allenfalls der Entgeltgruppe 8. Dies hat unter den Kolleginnen und Kollegen zu Unmut geführt, da manche sich gegenüber [dem Kläger] benachteiligt fühlen. Aufgrund einer längeren Erkrankung des [Klägers] konnte das Beurteilungsgespräch mit ihm erst im Januar 2016 geführt werden. Ich habe ihm im Rahmen dieses Gespräches ausführlich erläutert, dass die im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen auf keinen Fall die Gewährung von LOB [= leistungsorientierte Bezahlung] rechtfertigen würden und dass ich auch grundsätzlich nicht bereit bin, LOB zu gewähren, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, deren Bezahlung nicht der Wertigkeit der Stelle entspricht. [Der Kläger] wurde in dem Gespräch auch daran erinnert, dass er auf die Geschäftsführung zugekommen ist, mit der Mitteilung, dass er überfordert sei und nicht umgekehrt. … "

42

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Leistungsbeurteilung für das Jahr 2015 verstoße wegen Nichteinhaltung des Verfahrens gegen die Dienstvereinbarung. Insbesondere sei mit ihm - entgegen der Regelung in § 7 Abs. 6 Satz 3 der Dienstvereinbarung - in der Mitte des Beurteilungszeitraumes (vom 01.10.2014 bis 30.09.2015) kein Einschätzungsgespräch geführt worden. Deshalb habe er nicht die Möglichkeit gehabt, seine Leistungen zu verbessern und zu steigern, um eine Gesamtpunktzahl von mindestens 4,1 zu erreichen. Der Beklagte schulde ihm daher Schadensersatz iHv. € 1.470,00.

43

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

44

den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 1.470,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2015 zu zahlen.

45

Der Beklagte hat beantragt,

46

die Klage abzuweisen.

47

Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 07.09.2017 Bezug genommen.

48

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, selbst wenn man die vom Kläger gerügten Verfahrensverstöße gegen die Dienstvereinbarung hinwegdenke, könne nicht angenommen werden, dass seine Leistung im Beurteilungsjahr 2015 “über den üblichen Anforderungen" mit einer Gesamtpunktzahl von mindestens 4,1 gelegen hätte. Es sei nicht erkennbar, dass die Leistung des Klägers durch ein Einschätzungsgespräch zur Mitte des Beobachtungszeitraums steigerungsfähig gewesen wäre. Dabei sei zu würdigen, dass der Kläger zum Ende des Beobachtungszeitraums auf den Geschäftsführer des Jobcenters zugegangen sei, mit der Bitte, ihn von seinen Aufgaben als Sachbearbeiter zu entbinden, weil er sich überfordert gefühlt habe. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass es den Kläger gesundheitlich belastet habe, einer Arbeit nachzugehen, bei der am Ende des Arbeitstags noch zu bearbeitende Akten auf dem Schreibtisch lagen. Außerdem sei unstreitig, dass der Kläger mit der Arbeit überfordert gewesen sei und zu langsam gearbeitet habe. Es stelle einen gewissen Widerspruch dar, dass der Kläger sich den Aufgaben nicht gewachsen gefühlt habe, aber dennoch der Ansicht sei, seine Leistung habe "über den üblichen Anforderungen" gelegen. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 07.09.2017 Bezug genommen.

49

Gegen das am 19.09.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 12.10.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 27.10.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

50

Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu strenge Anforderungen an die Feststellung des Schadens und der Schadenshöhe gestellt. Er sei aufgrund der evidenten Verfahrensfehler nicht in der Lage gewesen, seine Leistung zu steigern bzw. zu verbessern, was letztlich zur Nichtgewährung des Leistungsentgelts für 2015 geführt habe. Das Arbeitsgericht habe selbst von mangelndem Feedback gesprochen. Wenn ein Einschätzungsgespräch stattgefunden hätte, so hätte er seine Leistungen zur Mitte des Beobachtungszeitraums einschätzen können. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen, dass er seine Leistung auf eine Punktzahl von 4,1 gesteigert hätte. Wenn er erfahren hätte, dass die Arbeitsquantität zu niedrig gewesen sei, hätte er die einzelnen Kundengespräche gestrafft und auf das Wesentliche beschränkt. Er hätte dies mit professioneller Freundlichkeit getan, so dass keine Defizite in der Kundenorientierung aufgetreten wären. Wenn er erfahren hätte, dass Kunden unzufrieden gewesen seien - was er immer bestritten habe - hätte er nach den Kunden bzw. Aktenvorgängen gefragt und sich den Grund der Beschwerden schildern lassen. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass Menschen aus Fehlern lernen und diese Fehler dann nicht mehr begehen. Dann entspreche es auch der Lebenserfahrung, dass die Kundenorientierung mit mehr als 4 Punkten bewertet worden wäre. Wenn er erfahren hätte, dass die Arbeitsqualität beanstandet werde, hätte er nach den einzelnen Vorgängen gefragt und sich die Gründe für die Leistungsdefizite angesehen. Dann hätte er wiederum aus den Fehlern gelernt und die Qualität in dieser Hinsicht verbessert. Auch das hätte dazu geführt, dass er in diesem Bereich mehr als 4 Punkte erzielt hätte. Gleiches gelte für das selbständige Arbeiten. Auch hier hätte er nach den Gründen für die mangelnde Selbständigkeit gefragt bzw. nach den Vorgängen, die ein unselbständiges Arbeiten belegen sollen. Er hätte dann zukünftig einen Vorgang zu Ende bearbeitet und bspw. nicht mehr an den Vorgesetzten weitergeleitet. Auch in diesem Bereich hätte er mehr als 4 Punkte erzielt. Daran ändere nichts, dass er zum Ende des Beobachtungszeitraums auf den Geschäftsführer des Jobcenters mit der Bitte zugegangen sei, ihn wegen Überforderung von seinen Aufgaben zu entbinden. Zum einen sei dies gegen Ende des Beobachtungszeitraums geschehen und habe deshalb für die Bewertung der vergangenen Leistung keine Relevanz. Zum andern wäre diese Bitte nicht erfolgt, wenn das Gespräch in der Mitte des Beobachtungszeitraums stattgefunden hätte. Sinn eines solchen Gesprächs sei es nämlich auch, einer Überforderung entgegenzuwirken.

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Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.09.2017, Az. 2 Ca 419/17, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 1.470,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2015 zu zahlen.

53

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

55

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Aufgrund von fachlichen Umorganisationen sei der Kläger in 2015 als Sachbearbeiter von Leistungsfällen eingesetzt worden. Obwohl die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA dies erfordert hätte, seien ihm keine schwierigen Fälle zur Bearbeitung gegeben worden. Außerdem sei von ihm die Überprüfung von Anträgen der Fachassistenten einschließlich ihrer Freigabe nicht verlangt worden. Dennoch habe sich im Laufe des Jahres 2015 herausgestellt, dass der Kläger mit seiner Tätigkeit überfordert gewesen sei und er zu langsam gearbeitet habe. Am 24.04.2015 sei ein Gespräch mit dem Kläger geführt worden, an dem die für seine Einarbeitung zuständige Sachbearbeiterin, die Teamassistentin, die Referatsleiterin, der Leiter des operativen Geschäfts, der Personalratsvorsitzende und der Geschäftsführer des Jobcenters teilgenommen haben. In diesem Gespräch sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass er zwar durchaus die Materie verstehe, aber zu langsam arbeite.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

58

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz iHv. € 1.470,00 brutto.

59

1. Der Kläger hat für das Jahr 2015 keinen Anspruch auf ein Leistungsentgelt aus der Dienstvereinbarung über die Einführung einer leistungsorientierten Bezahlung und Vereinbarung eines betrieblichen Systems nach § 18 Abs. 6 TVöD für alle Bediensteten des Jobcenters des beklagten Landkreises vom 16.12.2013. Der Kläger hat im Beobachtungszeitraum vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2015 unstreitig keine Leistungen erbracht, die im Sinne des § 7 Abs. 4 der Dienstvereinbarung "über den üblichen Anforderungen" lagen. Er hat keine Gesamtpunktzahl von mindestens 4,1 erzielt, sondern lediglich 3,625 Punkte erreicht.

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2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger vom Beklagten auch keinen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB beanspruchen kann, weil mit ihm - entgegen § 7 Abs. 6 Satz 3 der Dienstvereinbarung - in der Mitte des Beurteilungszeitraums, also Ende März/Anfang April 2015, kein Einschätzungsgespräch geführt worden ist.

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a) Nach § 7 Abs. 6 Satz 3 iVm. der Anlage 1 zur Dienstvereinbarung steht das Einschätzungsgespräch in der Mitte des Beobachtungszeitraums nicht im freien Ermessen des Vorgesetzten, vielmehr ist die Geschäftsführung des Jobcenters für die Einhaltung des Verfahrens verantwortlich. Sie ist durch die Sollvorschrift ("sollen die Vorgesetzten" ein Gespräch führen) gebunden. Sollvorschriften sind im Regelfall rechtlich zwingend und gestatten eine Abweichung nur in atypischen Ausnahmefällen.

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Ob ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, wenn einem Tarifbeschäftigten - wie dem Kläger - im Beobachtungszeitraum aus dienstlichen Gründen eine neue Arbeitsaufgabe übertragen wird, in die er erst eingearbeitet werden muss, ist fraglich. Es ist auch zweifelhaft, kann aber ebenfalls dahinstehen, ob der Geschäftsführer des Jobcenters ein Einschätzungsgespräch mit dem Argument, der Tarifbeschäftige sei im Verhältnis zu seiner Arbeit zu hoch eingruppiert, ausfallen lassen kann. Selbst wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten - wegen Nichteinhaltung des in der Dienstvereinbarung festgelegten Verfahrens - vorliegen sollte, könnte der Kläger Schadensersatz nur dann verlangen, wenn die Nichtdurchführung eines Einschätzungsgesprächs in der Mitte des Beobachtungszeitraums für das Nichterreichen eines Leistungsentgelts im Jahr 2015 auch kausal war. Dies folgt aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Gläubiger, sofern der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des „hierdurch“ entstehenden Schadens verlangen kann.

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Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz des ihm entgangenen Leistungsentgelts für das Jahr 2015 iHv. € 1.470,00, das er bei einer Gesamtpunktzahl von 4,125 erhalten hätte, und damit entgangenen Gewinn iSv. § 252 BGB. Gemäß § 252 Satz 2 BGB gilt ua. der Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Danach ist die volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, nicht erforderlich; es genügt vielmehr der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Ist ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, dass er erzielt worden wäre. Dem Ersatzpflichtigen obliegt dann der Beweis, dass der Gewinn nach dem späteren Verlauf oder aus anderen Gründen dennoch nicht erzielt worden wäre. Dabei dürfen allerdings keine zu strengen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten gestellt werden, weil die Beweiserleichterung des § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt (vgl. BAG 21.04.2016 - 8 AZR 753/14 - Rn. 44 mwN; BAG 26.09.2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 20 mwN; BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48 mwN).

64

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen auch die Berufungskammer folgt, ist nicht zu beanstanden, wenn das angefochtene Urteil zu dem Ergebnis kommt, der Kläger habe den Eintritt eines materiellen Schadens nach Sachlage und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge - trotz der Erleichterungen des § 287 Abs. 1 ZPO - nicht wahrscheinlich gemacht. Die Berufungskammer folgt der Begründung des Arbeitsgerichts und stellt dies fest, § 69 Abs. 2 ArbGG.

65

Auch aus Sicht der Berufungskammer ist nach der Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, dass der Kläger für das Jahr 2015 die erforderliche Mindestpunktzahl von 4,1 für ein Leistungsentgelt erreicht hätte, wenn sein Vorgesetzter mit ihm Ende März/Anfang April 2015 ein Einschätzungsgespräch geführt hätte. Dagegen spricht, dass der Kläger unstreitig im September 2015 von sich aus auf den Geschäftsführer des Jobcenters zugegangen ist und ihm erklärte, dass ihn die Tätigkeit als Sachbearbeiter zu sehr belaste. Er bat darum, ihn von dieser Tätigkeit zu entbinden. Anschließend wurde im Jobcenter eine Stelle geschaffen, die den Kläger mental entlasten soll, indem seinem Wunsch entsprochen worden ist, dass er am Abend seinen Arbeitsplatz verlassen kann, ohne dass rückständige Akten auf seinem Schreibtisch liegen. Es ist außerdem unstreitig, dass am 24.04.2015 ein Gespräch mit dem Kläger geführt worden ist, an dem ua. der Personalratsvorsitzende und der Geschäftsführer des Jobcenters teilnahmen. Auch wenn sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer nicht zu Einzelheiten dieses Gesprächs äußern wollte, ist ihm jedenfalls nicht verborgen geblieben, dass sein Arbeitgeber ihm Vorhaltungen gemacht hat, weil er mit seinen Leistungen unzufrieden war. Im Hinblick darauf ist das Berufungsvorbringen des Klägers, es wäre ihm gelungen, seine Leistungen zu verbessern, wenn das Einschätzungsgespräch in der Mitte des Beobachtungszeitraums geführt worden wäre, Folge einer unrealistischen Erwartungshaltung. Eine Leistungssteigerung infolge eines Einschätzungsgesprächs ist nach den vorliegenden Umständen fernliegend, so dass ein Schadensersatzanspruch ausscheidet.

III.

66

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

67

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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