Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 102/17

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.01.2017 - 3 Ca 985/16 - aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin, die Witwe eines vormaligen Mitarbeiters der Beklagten, von dieser die Erhöhung ihrer Betriebsrente verlangen kann.

2

Die 87-jährige Klägerin ist Witwe von Herrn A., der bei der Beklagten als leitender Mitarbeiter beschäftigt war. Diesem wurde am 22.12.1976 eine Ruhegehaltszusage am erteilt. Diese hat u. a. folgenden Wortlaut:

3

"Betreff: Ruhegehaltszusage

4

Sehr geehrter Herr A.
In Übereinstimmung mit den Leitlinien für die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der oberen Führungsebene wird Ihre Versorgungszusage vom 10.12.62 ergänzt und durch die nachstehende Zusage ersetzt:

5

Aus der Verbundenheit mit ihren Mitarbeitern hat die Gesellschaft ein Versorgungswerk geschaffen, nach dem allen Betriebsangehörigen ein Anspruch auf einen Beitrag zu ihrer Versorgung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit und nach ihrem Tod zur Unterstützung der Hinterbliebenen gewährt wird.

6

In Anerkennung Ihres Einsatzes und Ihrer Leistungen für O. an verantwortlicher Stelle gibt die Gesellschaft Ihnen die folgende, über den allgemeinen Rahmen der Versorgungsordnung hinausgehende Versorgungszusage, die in Verbindung mit der Versorgungsforderung integrierender Bestandteil Ihres Anstellungsvertrages ist:

7

1. Ihr Ruhegehalt beträgt bei Eintritt des Versorgungsunfalles 53 % des pensionsfähigen Einkommens.

8

2. Pensionsfähiges Einkommen ist das Bruttoentgelt einschließlich Tantieme, Gratifikationen und ähnlichen Leistungen.

9

3. Die bei Eintritt des Versorgungsfalles festgestellten Versorgungsbezüge gelten als Mindestleistung.

10

Sollten sich nach diesem Zeitpunkt die Tarifgehälter der Angestellten der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie ändern, so ändern sich die Versorgungsbezüge im gleichen Verhältnis wie die höchste Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte. Der Anspruch auf die Mindestleistung wird hierdurch nicht berührt.

11

4. Zur Sicherstellung der von uns übernommenen Versorgungsverpflichtungen haben wir beim G. eine Rückdeckungsversicherung genommen.

12

Unsere Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung werden Ihnen hiermit aufschiebend bedingt mit der Maßgabe abgetreten, ..."

13

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Ruhegehaltszusage wird auf Bl. 6, 7 d. A. Bezug genommen.

14

Die Beklagte hat die entsprechenden Gehaltserhöhungen für die Angestellten der pfälzischen Eisen- und Metallindustrie langjährig immer an Herr A., bzw. nach seinem Versterben an die Klägerin weiter gegeben. Mit Schreiben vom 19.01.2016 hat die Beklagte allerdings gegenüber der Klägerin erklärte, dass sie die Betriebsrente entgegen der Vereinbarung der Ruhegehaltszusage nicht weiter anpassen und erhöhen werde; hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens der Beklagten wird auf Bl. 9 ff d. A. Bezug genommen. Die Beklage hat sich dabei auf § 16 Abs. 1 BetrAVG gestützt.

15

Mit Schreiben vom 28.07.2016 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin erklärt, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB und werde die Verpflichtung aus der Ruhegehaltszusage vom 22.12.1976 unter Abs. 4 Ziff. 3 künftig nicht mehr wie bisher erfüllen, sondern zukünftig Erhöhungen ausschließlich nach § 16 BetrAVG vornehmen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 21 d. A. Bezug genommen.

16

Die IG-Metall und der Arbeitgeberverband haben eine Tariflohnerhöhung für die Tarifgruppe der kaufmännischen Angestellten (E10) für die Zeit ab dem 01.07.2016 in Höhe von 2,8 % und eine weitere Erhöhung ab dem 01.04.2017 um 2 % vereinbart. Den Steigerungsbetrag zum 01.07.2016 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht mehr weiter gegeben.

17

Die Betriebsrente der Klägerin betrug bis zum 30.06.2016 5.975,50 EUR brutto.

18

Bei der Beklagten bestand bereits 1976 für alle Arbeitnehmer eine Versorgungsordnung. Deren Inhalt ist allerdings nicht mehr bekannt. Bezüglich leitender Mitarbeiter wurden, wie beim verstorbenen Ehemann der Klägerin, unterschiedliche Ruhegehaltszusagen im Rahmen von Direktzusagen gegeben. Das Versorgungswerk der Beklagten wurde insgesamt im Jahre 2006 geschlossen. Zum heutigen Zeitpunkt arbeiten keine leitenden Angestellten bei der Beklagten mehr, die - in welcher Form auch immer - hohe Gehaltszusagen im Wege von Direktzusagen erhalten haben.

19

Die Klägerin hat vorgetragen,
die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage seien vorliegend nicht gegeben. Jedenfalls seien sie ihr seitens der Beklagten nicht ordnungsgemäß und nachvollziehbar dargelegt worden. Die Beklagte sei folglich uneingeschränkt weiterhin an die Regelungen in der Ruhegehaltszusage vom 22.12.1976 gebunden.

20

Die Klägerin hat beantragt,

21

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.003,86 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.01.2017 zu zahlen;

22

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie zum 01. eines jeden Monats ab dem 01.02.2017 eine Betriebsrente in Höhe von derzeit 6.142,81 EUR brutto unter Berücksichtigung der Erhöhung von 2,8 % der höchsten Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte (E10) bis zum 31.02.2017 zu zahlen.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte hat vorgetragen,
sie sei befugt gewesen, die Ruhegeldzusage aus dem Jahr 1976 einseitig zu ändern und künftig das Ruhegeld der Klägerin nur noch im Rahmen des § 16 BetrAVG anzupassen. Insofern könne sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB berufen. Die Pensionsrückstellungen der Beklagten für alle Betriebsrentner hätten sich vom Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 21.479.608,00 EUR auf 30.825.327,00 EUR für das Geschäftsjahr 2015 erhöht. Dies sei eine Steigerung allein in diesem Zeitraum um 43,5 %. Damit sei die Opfergrenze von 40 % der Erhöhung der Rückstellungen, die in Rechtsprechung und Literatur definiert werde, mit dem Jahresende 2015 überschritten worden. Die Gründe für die Erhöhung der Rückstellungen seien in Gesetzesänderungen zu sehen, die 1976 weder vorhersehbar gewesen noch der Beklagten zu vertreten seien. Sie beruhten darauf, dass mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 2010 der durchschnittliche Marktzinssatz eingeführt worden sei und mit diesem seither die Höhe von Pensionsrückstellungen in der Firmenbilanz ermittelt werden müsse. Dies sei bis 2010 nicht der Fall gewesen und habe nunmehr zu einem Auseinanderfallen von Handelsbilanz und Steuerbilanz geführt. Im Zusammenwirken mit anhaltender und durch die Europäische Zentralbank weiterhin verstärkter Niedrigzinsphase sowie durch das Absenken des BilMoG-Zinses bei der Anpassung des Barwertes habe dies die Steigerung der Pensionsrückstellungen bewirkt. Eine Anpassung nach § 16 BetrAVG sei im Jahre 2016 nicht durchzuführen. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten habe zu einem negativen Eigenkapital geführt. Es könne keine angemessene Eigenkapitalverzinsung mehr erwirtschaftet werden.

26

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 26.01.2017 - 3 Ca 985/16 - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.003,86 Euro brutto nebst Zinsen, des Weiteren ab dem 01.02.2017 eine Betriebsrente in Höhe von 6.142,81 Euro brutto bis zum 31.03.2017 zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 176 bis 184 d. A. Bezug genommen.

27

Gegen das ihr am 13.02.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 13.03.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 13.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 31.03.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 13.06.2017 einschließlich verlängert worden war.

28

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die vorgetragene Steigerung des Dotierungsrahmens in einem Teilzeitraum gelte erst recht für den Gesamtzeitraum. Die Beklagte habe nunmehr aufgrund des erstinstanzlichen Verfahrens Anlass genommen, die Barwerte der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin 1976 erteilten Versorgungszusage bezogen auf den Zeitpunkt der Erteilung dieser Zusage und bezogen auf das Jahr 2016 und versicherungsmathematisch berechnet durch einen Aktuar des Beratungsunternehmens W. ermitteln zu lassen. Ausgehend von dem Geburtsdatum 1928 des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und ausgehend von dessen Eintrittsdatum 1955 ergebe sich bei einem Pensionierungsalter mit Ablauf des 65. Lebensjahres für eine lebenslang zu zahlende Altersrente in Höhe von 53 % des pensionsfähigen Einkommens am 31.12.1976 in Höhe von 67.491,00 Euro Jahresgehalt ein Anwartschaftsbarwert nach dem 1976 für die handelsfinanzielle Bewertung verwendeten Bemessungs- und Rechnungsgrundlagen in Höhe von 213.168,00 Euro. Der Anwartschaftsbarwert bei Ansatz des zum 31.12.2016 maßgeblichen BilMoG - Zinssatzes (10 Jahresdurchschnitt) einschließlich Trend für Anwaltschaft und Rentendynamik habe sich auf 442.000,20 Euro belaufen. Aus dem Vergleich der Barwerte der Versorgungszusage zum Zeitpunkt der Erteilung und dem Jahre 2016 ergebe sich damit insgesamt eine Steigerung um 107,36 % auf mehr als das doppelte (207,35 %) des Ursprungswertes. Hinsichtlich des Inhaltes des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens im Einzelnen wird auf Bl. 231 bis 240 d. A. Bezug genommen. Damit ergebe sich auch ausgehend von der Argumentation des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung aus einen zutreffend berechneten Barwertvergleich eine deutliche Überschreitung der Opfergrenze, die die Beklagte wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage zur Anpassung der Versorgungszusage nach billigem Ermessen berechtige. Vorliegend habe sich die Beklagte darauf beschränkt, eine weitere Erhöhung der laufenden Rentenzahlung in Höhe von fast 6.000,00 Euro monatlich an die Klägerin als Witwe des verstorbenen Zusageempfängers zu unterlassen. Im Hinblick sowohl auf die Steigerung der erforderlichen Rückstellung allein im Teilzeitraum von 2011 bis 2016 von 43,5 % als auch im Hinblick auf die Steigerung des Barwertes der Versorgungszusage seit dem Zeitpunkt der Erteilung um 107,36 % entspreche diese Entscheidung der Verweigerung einer weiteren Erhöhung billigem Ermessen. Die Barwertberechnung beruhe auf einen betriebswirtschaftlichen versicherungsmathematisch standardisierten Berechnungsverfahren, dass ausgehend von den Personal- und Beschäftigungsdaten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin und ausgehend von der Versorgungszusage der Beklagten die Berechnung nur zu dem im Gutachten dargestellten Ergebnis führen könne. Hinsichtlich einer weiteren Aufschlüsselung der Berechnungsschritte im Einzelnen wird auf das von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte ergänzte Gutachten vom 12.06.2017 (Bl. 257 bis 267 d. A.) Bezug genommen.

29

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 12.06.2017 (Bl. 226 bis 230 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 231 bis 240 d. A.) sowie der Schriftsätze vom 19.06.2017 (Bl. 255, 256 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 257 bis 267 d. A.) sowie vom 15.09.2017 (Bl. 277 bis 279 d. A.) Bezug genommen.

30

Die Beklagte beantragt,

31

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.01.2017 - Az. 3 Ca 985/16 - die Klage abzuweisen.

32

Die Klägerin beantragt,

33

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

34

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das von der Beklagten vorgelegte Zahlenwerk sei zum einen als verspätet nicht zu berücksichtigen und zum anderen zu bestreiten. Auch sei es inhaltlich einschließlich der vorgelegten Berechnung nicht nachvollziehbar. Demgegenüber sei nach wie vor die vertragliche Einzelzusage des verstorbenen Ehemannes des Klägers zu vollziehen; es sei zu bestreiten, dass diese bei der Beklagten zu erheblichen Mehrbelastungen geführt habe, die ihr nicht weiter zuzumuten seien. Die Beklagte lege nicht substantiiert dar, wie hoch der seit Erteilung der Versorgungszusage eingetretene Steigerungssatz gegenüber dem ursprünglichen Dotierungsrahmen bei Vergleich der Pensionslasten aller vergleichbarer bestehender Betriebsrentner eingetretener Steigerungssatz gegenüber dem ursprünglichen Dotierungsrahmen sei. Eine ordnungsgemäße Gegenüberstellung der Barwerte der derzeitigen Versorgungsanwartschaften und der Renten mit und ohne zwischenzeitlich eingetretenen gesetzliche Änderung der Rahmenbedingungen seit der Versorgungszusage der Klägerin habe der Beklagte nicht gegenübergestellt oder ansatzweise nachvollziehbar berechnet. Die angegebene Steigerung von 107,36 % entspreche nicht der Gegenüberstellung der Barwerte der Versorgungszusage.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 13.07.2017 (Bl. 251 bis 254 d. A.) sowie ihre Schriftsätze vom 15.08.2017 (Bl. 169 bis 271 d. A.) sowie vom 17.08.2017 (Bl. 271 bis 276 d. A.) und schließlich vom 05.10.2017 (Bl. 281 bis 283 d. A.) Bezug genommen.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

37

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 09.10.2017 und vom 07.05.2018.

Entscheidungsgründe

I.

38

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

39

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

40

Denn entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts kann die Klägerin nicht die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.003,86 Euro brutto nebst Zinsen sowie einer Betriebsrente in Höhe von 6.142,81 Euro brutto vom 01.02.2017 bis zum 31.03.2017 verlangen. Die Klage ist vielmehr vollumfänglich unbegründet.

41

Zwar folgt der Anspruch der Klägerin aus Abs. 4 Nr. 3 und Abs. 2 der Ruhegehaltszusage vom 22.12.1976. Diese Ruhegehaltszusage konnte die Beklagte aber durch einseitige Erklärung wegen teilweisen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB anpassen.

42

Das Arbeitsgericht hat insoweit hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 313 Abs. 1 BGB in der streitgegenständlichen Entscheidung ausgeführt:

43

1. " Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung einer Versorgungszusage verlangt werden, wenn sich die Umstände, die für ihre Erteilung maßgeblich waren, schwerwiegend verändert haben und die Parteien den der Zusage resultierenden Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, sofern sie die Veränderung vorausgesehen hätten und wenn dem Arbeitgeber als Schuldner ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht zugemutet werden kann. Eine zur Anpassung berechtigende Störung der Geschäftsgrundlage kann sich dabei aus einer sogenannten Äquivalenzstörung oder einer Verfehlung des Versorgungszweckes, z.B. bei einer Überversorgung, ergeben (vgl. LAG Berlin, 03.11.2005, 5 Sa 823/05).

44

Eine Anpassungsbefugnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann sich insbesondere dann ergeben, wenn sich die zugrunde gelegte Rechtslage nach Erteilung der Zusage ganz wesentlich und unerwartet geändert hat, und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen Mehrbelastungen geführt hat. Das ist z.B. dann der Fall, wenn nicht vorhersehbare Neuregelungen, wie die Einführung des Insolvenzschutzes oder der flexiblen Altersgrenze, zusätzliche Kosten verursachen. Soweit hierdurch und durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rechtsänderungen die Kosten des Versorgungswerkes den vom Arbeitgeber bei der Zusage zugrunde gelegten Dotierungsrahmen erheblich überschreiten, kann sich daraus ein Recht zur Anpassung der Versorgungszusage ergeben (vgl. BAG, 23.09.1997, 3 ABR 85/96, Rz 26). Wären von der Änderung der Regelung des Versorgungswerkes auch noch arbeitende Arbeitnehmer betroffen, steht dem Betriebsrat hierbei regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu (vgl. BAG, a.a.O.). Sind hingegen von der beabsichtigten Änderung ausschließlich Ruheständler betroffen, bedarf es keiner Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (vgl. LAG Berlin, a.a.O., Rz 19).

45

Für die Frage der Unzumutbarkeit erheblicher Mehrbelastung des Arbeitgebers kommt es nicht auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens an. Maßgeblich ist allein, wie hoch der seit Erteilung der Versorgungszusage eingetretene Steigerungssatz gegenüber dem ursprünglichen Dotierungsrahmen ist. Dieser Steigerungssatz ist zu ermitteln, in dem die Barwerte der derzeitigen Versorgungsanwartschaften und Renten mit und ohne zwischenzeitlich eingetretene gesetzliche Änderung der Rahmenbedingungen seit der Versorgungszusage einander gegenübergestellt werden (vgl. LAG Berlin, a.a.O., Rz 21; BAG, 23.09.1997, 3 ABR 85/96, Rz 36).

46

Hierbei kann von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage allerdings nur bei krassen und unvorhersehbaren Änderungen gesprochen werden, da grundsätzlich, insbesondere bei Direktzusagen, der Grundsatz "pacta sunt servanda" einzuhalten ist (vgl. BAG, 09.07.1985, 3 AZR 546/82, Rz 24). Ab welcher Größenordnung eine unzumutbare Mehrbelastung vorliegt, ist im Einzelnen umstritten. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 23.09.1997 (a.a.O.) eine Steigerung von 61,3 % in einem Zeitraum von 25 Jahren ausreichen lassen. In seiner Entscheidung vom 19.02.2008 (3 AZR 290/06) verlangte das BAG insofern bei einer Gesamtversorgungszusage eine Erhöhung des ursprünglichen Dotierungsrahmens aufgrund von Änderungen der Rechtslage um mehr als 50 %. Das LAG Berlin ging in seiner Entscheidung vom 03.11.2005 (a.a.O.) von einem Erhöhungsprozentsatz von 40 % aus, in der Literatur werden insofern auch niedrigere Ansätze gewählt (vgl. ausführlich: LAG Berlin, a.a.O., Rz 22).

47

Liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, kann der Arbeitgeber nach billigem Ermessen eine Anpassung der Ruhegeldzusage durch einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vornehmen (vgl. BAG, 17.01.2012, 3 AZR 555/09, Rz 41; 29.01.2008, 3 AZR 42/06, Rz 62). Dabei darf allerdings nur insoweit in die bestehende Ruhegeldsregelung eingegriffen werden, wie es für die Beseitigung der Störung der Geschäftsgrundlage notwendig ist. Ansprüche aus Störung der Geschäftsgrundlage führen nicht zu weitergehenden Rechten, als es durch die Anpassung an die Grundlagen der ursprünglichen Vereinbarung geboten ist. Insbesondere kann ein Arbeitgeber nicht die Versorgungsordnung umstrukturieren und versuchen, veränderten Gerechtigkeitsvorstellungen zu verwirklichen (BAG, a.a.O., 29.01.2008, Rz 62, 63; LAG Berlin, a.a.O., Rz 25)."

48

Diesen zutreffenden Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich und stellt dies hiermit ausdrücklich fest.

49

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist vorliegend entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls aufgrund des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren eine Störung der Geschäftsgrundlage, die die Beklagte berechtigt, die Ruhegehaltszusage vom 22.12.1976 einseitig zu ändern, gegeben.

50

Das Arbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass keine Umstände ersichtlich sind, warum bei einer Direktzusage eine andere Opfergrenze gelten soll, als bei einer Gesamtversorgungszusage. Zur weiteren Konkretisierung hat das Arbeitsgericht ausgeführt:

51

a) " Hier hat das BAG in seiner Entscheidung vom 19.02.2008 (3 AZR 290/06) ausgeführt, dass eine Anpassung wegen Äquivalenzstörung nur dann verlangt werden kann, wenn der bei Schaffung des Versorgungssystems zugrunde gelegte Dotierungsrahmen aufgrund von Änderungen der Rechtslage zum Anpassungsstichtag um mehr als 50 % überschritten wird.

52

Eine niedrigere Opfergrenze mag gerechtfertigt sein bei betrieblichen Einheitsregelungen oder bei Versorgungszusagen, die aufgrund Betriebsvereinbarungen oder Tarifvertrag erfolgt sind. Bei einer einzelvertraglichen Direktzusage der vorliegenden Art, in der sich der Arbeitgeber selbst einer sogenannten Spannungsklausel unterworfen hat, wonach sich die Betriebsrente entsprechend den Lohnsteigerungen einer in Bezug genommenen Arbeitnehmergruppe erhöhen soll, hat der Arbeitgeber bewusst sich dem Risiko unterworfen, nicht näher beeinflussbarer Indikatoren für die Erhöhung der Betriebsrente der Ruhegehaltszusage zugrunde zu legen. Er hat sich damit seines Rechts begeben, einseitig im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Ruhegehaltszusage zu erhöhen. Ähnlich wie bei Gesamtversorgungszusagen hat sich die Beklagte vorliegend durch Vereinbarung der Spannungsklausel an die Entwicklung der Einkünfte aktiver Arbeitnehmer angebunden. Die damit ganz erheblich einhergehenden Unsicherheiten für die Entwicklung der Betriebsrente hat sie damit bewusst in Kauf genommen. Gleichzeitig wurde beim Arbeitnehmer damit eine gewisse Erwartung verknüpft und vertraglich bestätigt, wie sich sein Ruhegeld zukünftig anpassen wird.

53

Die Opfergrenze von 50 % wurde im vorliegenden Fall nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht überschritten, so dass bereits deswegen ein Anpassungsrecht über das Institut des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" nach § 313 BGB nicht besteht.

54

b) Selbst wenn man jedoch anderer Auffassung sein sollte und, ähnlich wie das LAG Berlin in seiner Entscheidung vom 03.11.2005, eine Opfergrenze bereits bei 40 % oder weniger ansetzen würde, wäre die Klage allerdings im vorliegenden Fall begründet.

55

Die Beklagte hat es nämlich versäumt darzustellen, dass auch eine Opfergrenze von 40 % überschritten worden ist. Ihre Ausführungen, ihre Pensionsrückstellungen hätten sich im Zeitraum 2011 bis 2016 um 43,5 % erhöht, sind nicht ausreichend und unbehelflich, um feststellen zu können, ob die Opfergrenze überschritten worden ist oder nicht. Maßgeblich ist nämlich alleine, wie hoch der seit Erteilung der Versorgungszusage eingetretene Steigerungssatz gegenüber dem ursprünglichen Dotierungsrahmen ist. Dieser Steigerungssatz ist zu ermitteln anhand des Barwertes der derzeitigen Versorgungsanwartschaften und Renten, wobei die Barwerte mit und ohne zwischenzeitlich eingetretenen gesetzlichen Änderungen der Rahmenbedingungen einander gegenübergestellt werden müssen.

56

Bei kollektiven Gesamtzusagen ist auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Belastungen zwischen dem Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungssystems und dem Zeitpunkt, zu dem eine Anpassung verlangt wird, abzustellen (BAG, 19.02.2008, 3 AZR 290/06, Rz 29). Bei individuellen Direktzusagen kommt es demgegenüber auf den Barwertvergleich an zwischen dem Zeitpunkt der gemachten Zusage, d.h. im vorliegenden Fall 1976, und dem Zeitpunkt, zu dem sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen wird, im vorliegenden Fall also der 01.07.2016.

57

Die Beklagte hätte daher im Einzelnen vortragen müssen, wie der Dotierungsrahmen bzgl. der Pensionsverpflichtung gegenüber der Klägerin seit 1976 mit und ohne Rechtsänderungen sich bis zum 30.06.2016 entwickelt hat. Sich zu beschränken auf den Zeitraum 2011 bis 2016 ist insofern unbehelflich. Es ist nämlich nicht zwingend, dass eine Überschreitung eines Dotierungsrahmens in Höhe von 43 % in diesem Zeitraum gleichzeitig auch für einen Zeitraum von 1976 bis 2016 gelten würde. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn feststehen würde, dass der Dotierungsrahmen im Zeitraum 1976 bis 2011 sich auch nur erhöht hätte. Dies konnte das Gericht allerdings nicht feststellen. Die Beklagte hat insofern auch keinerlei Vortrag erbracht."

58

Diesen Ausführungen folgt die Kammer voll inhaltlich insoweit, als es um die inhaltliche Konkretisierung der zuvor dargestellten allgemeinen Grundsätze zu § 313 BGB geht. Hinsichtlich der Beurteilung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien kann dahinstehen, ob die Ausführungen für das erstinstanzliche Vorbringen letztlich zutreffend sind, oder aber, wovon die Beklagte ausgeht, ob dies nicht der Fall ist. Denn aufgrund des Berufungsvorbringens der Beklagten insbesondere in der Berufungsbegründungsschrift, also nicht verspätet, steht, nach dem die Klägerin dieses Vorbringen nicht substantiiert bestritten und es folglich als zugestanden gilt, fest, dass sich der Anwartschaftsbarwert 1976 auf 213.168,00 Euro belief, wohingegen er am 31.12.2016 442.020,00 Euro betrug. Daraus ergibt sich insgesamt eine Steigerung um 107,36 % auf mehr als das Doppelte 207,35 % des Ursprungswertes. Damit ist die maßgebliche Opfergrenze jedenfalls überschritten. Die damit gegebene Störung der Geschäftsgrundlage hat die Beklagte nach billigem Ermessen behoben, in dem sie sich darauf beschränkt hat, eine weitere Erhöhung der laufenden Rentenzahlungen in Höhe von fast 6.000,00 Euro monatlich an die Klägerin als Witwe des verstorbenen Zusageempfängers zu unterlassen.

59

Soweit die Klägerin die Bewertung der Pensionsverpflichtungen durch einen Aktuar des Beratungsunternehmen W. insgesamt und das von ihm zugrunde gelegte Zahlenwerk in Frage gestellt hat, ist kein substantiiertes Bestreiten gegeben. Denn die Berechnung ist von zutreffenden tatsächlichen Angaben, z. B. dem Geburtsdatum des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und seinem Eintrittsdatum bei der Beklagten u. a. m. ausgegangen und sodann unter Anwendung der biometrischen und ökonomischen Annahmen der handelsrechtlichen versicherungsmathematischen Bewertungen der Versorgungszusage zum 31.12.1976 als Ergebnis der zutreffenden versicherungsmathematischen Berechnung zu einem Anwartschaftsbarwert zum Stichtag 31.12.1976 in Höhe von 213.168,00 gelangt. Wenn die Klägerin der Auffassung sein sollte, einzelne tatsächliche Angaben seien unzutreffend angenommen, dann wäre es ihre Sache gewesen, darzulegen, warum und von welchen tatsächlichen Angaben demgegenüber mit welchem abweichenden Ergebnis auszugehen sein soll. Daran fehlt es vollständig. Irgendwelche Fehler der versicherungsmathematischen Berechnungen lassen sich im Vorbringen gleichfalls nicht entnehmen. Die Vorgehensweise hat die Beklagte sodann in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen erläutert und nach Beanstandung durch die Klägerin nochmals im Schriftsatz vom 15.09.2017 (Bl. 277 ff d. A.) im Einzelnen dargestellt. Dazu verhält sich das Vorbringen der Klägerin nicht substantiiert. Vor diesem Hintergrund ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass eine Steigerung des Barwertes der Versorgungszusage zwischen dem Zeitpunkt der Erteilung und der Versorgungszusage und dem 31.12.2016 von 107,36 % gegeben ist. Damit ist die Opfergrenze bei weitem überschritten.

60

Auch die im Anschluss daran von der Beklagten für das Kalenderjahr 2016 vorgenommene Vertragsanpassung ist nicht zu beanstanden. Zwar ist in diesem Rahmen gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen zu verfahren; folglich sind im Rahmen einer umfassenden Einzelfallabwägung alle wechselseitigen maßgeblichen Belange zu berücksichtigen. Andererseits ist im Hinblick auf den im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsgrundsatz davon auszugehen, dass die Kammer bei der Überprüfung nur die Tatsachen berücksichtigen kann, die die Parteien vorliegend in beiden Rechtszügen vorgetragen haben. Eine Amtsermittlung findet insoweit nicht statt. Vor diesem Hintergrund ist seitens der Beklagten zu berücksichtigen, dass die ihr zuzumutende Opfergrenze bei weitem überschritten ist. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sie gleichwohl und langjährig die vertraglich eingegangene Verpflichtung vollumfänglich und ohne Einschränkung erfüllt hat. Hinzu kommt die Höhe der monatlich geleisteten Zahlung an die Klägerin. Letztlich ist der von der Beklagten vorgenommene Eingriff in das Vertragsgefüge nur geringfügig. Seitens der Klägerin ist insoweit lediglich das nachvollziehbare Interesse an der uneingeschränkten Fortsetzung der vertraglichen Vereinbarung der Beklagten mit ihrem Ehemann zu berücksichtigen. Besondere Belange wie z.B. das Angewiesensein auf die Erhöhung der monatlichen Zahlungen lassen sich dem Vorbringen nicht entnehmen und sind im Hinblick auf deren langjährig geleistete Höhe auch eher fernliegend. Insgesamt ist folglich davon auszugehen, dass die Beklagte eine angemessene vertragsbezogene Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vorgenommen hat.

61

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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