Beschluss vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (5. Kammer) - 5 TaBV 16/09

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18.09.2009 – 11 BV 4/09 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Arbeitgeberin beantragt die Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung der Vorsitzenden, der Beteiligten zu 3, des bei ihr gebildeten Betriebsrats, des Beteiligten zu 2.

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Die Arbeitgeberin betreibt in M ein akademisches Lehrkrankenhaus mit ca. 1400 Beschäftigten. Der dort gebildete Betriebsrat besteht aus 15 Mitgliedern. Die Beteiligte zu 3 ist dessen Vorsitzende. Sie ist 1965 geboren, geschieden und für zwei Kinder unterhaltspflichtig. Seit dem 27. 3. 1989 ist sie für die Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt. Seit dem 1. 1. 1991 war sie Personalratsvorsitzende und nach der Privatisierung des Klinikums M Vorsitzende des Übergangspersonalrats. Seit der Betriebsratswahl 2008 ist sie Vorsitzende des bei der Beteiligten zu 1 gebildeten Betriebsrats. Seit dem 1. 1. 1991 ist sie von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Seit dem 1. 1. 2007 hat sie die Stelle einer Stationsleiterin Ebene A6 (Gynäkologie/Geburtshilfe/Neonatologie/Integrative Wochenbettpflege/Kreissaal) inne. Abmahnungen hat die Beteiligte zu 3 bislang nicht erhalten.

3

Zum 1. 1. 2009 hatte die Arbeitgeberin die Stelle eines Pflegedienstleiters/einer Pflegedienstleiterin ausgeschrieben. Auf diese Stelle bewarb sich unter anderem auch die Beteiligte zu 3. Die Arbeitgeberin entschied sich für einen anderen Bewerber. Die Beteiligte zu 3 erhob eine „Konkurrentenklage“ zum Aktenzeichen 6 Ga 34/08 (Arbeitsgericht Magdeburg). In diesem Verfahren fand am 20. 11. 2008 um 12.15 Uhr der Termin zur mündlichen Verhandlung statt, der bis gegen 13.30 Uhr dauerte, die Verkündung der Entscheidung erfolgte zwischen 14.30 und 15.00 Uhr. Die Beteiligte zu 3 war anwaltlich vertreten, das persönliche Erscheinen der Beteiligten zu 3 war nicht angeordnet. Die Beteiligte zu 3 war anwesend, ebenso wie die Personalleiterin der Beteiligten zu 1, die Zeugin K . Vor dem Termin hatte die Beteiligten zu 3 ihren Prozessbevollmächtigten am Flughafen M abgeholt und nach dem Termin wieder dorthin gefahren.

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Im Zusammenhang mit einem anderen Rechtsstreit stellte die Zeugin K am 9. 1. 2009 bei der Prüfung der Arbeitszeiterfassung der Beteiligten zu 3 fest, dass diese für den 20.11.2008 Arbeitszeit von 08.00 Uhr bis 14.30 Uhr eingetragen hatte, die Eintragung war am 21. 11. 2008 erfolgt. Diese Zeit wurde der Beteiligten zu 3 als Arbeitszeit vergütet.

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Am 29. 12. 2009 ging im Sekretariat der Beteiligten zu 1 ein Urlaubsantrag der Beteiligten zu 3 für die Tage 16. 10. 2008, 14. 11. 2008, 11. 12. 2008 und 23. 12. 2008 ein. Der Urlaubsantrag war von der Beteiligten zu 3 nicht unterschrieben und wurde durch die Geschäftsführung nicht gegengezeichnet. Die Sekretärin reichte den Antrag der Beteiligten zu 3 am 7. 1. 2009 zurück. Am 13. 1. 2009 reichte sie den Urlaubsantrag für die Tage 16. 10. 2008, 14. 11. 2008, 11. 12. 2008, 23. 12. 2008, 30. 12. / 2. 1. /5. 1. 2009 unterschrieben ein. Eine schriftliche Genehmigung dieses Antrags erfolgte nicht.

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An den in dem Urlaubsantrag aufgeführten Tagen war die Beteiligte zu 3 abwesend.

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Mit Schreiben vom 16. 1.2009 erhielt die Beteiligte zu 3 Gelegenheit zur Stellungnahme auf Grund des aus Sicht der Beteiligten zu 1 bestehenden Verdachts gegenüber der Beteiligten zu 3 auf einen Arbeitszeitbetrug und eigenmächtigen Urlaubsantritt. Mit Schreiben vom 20. 1. 2009 nahm die Beteiligte zu 3 Stellung. Auf den Inhalt des Schreibens der Beteiligten zu 1 vom 16. 1. 2009 und die Stellungnahme der Beteiligten zu 3 (Bl. 154 bis 156 und 157 bis 158 d. A.) wird Bezug genommen.

8

Mit Schreiben vom 26. 1. 2009, dem Betriebsrat am gleichen Tage zugegangen, beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung. Auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 165 bis 172 d.A.) wird Bezug genommen. Der Betriebsrat reagierte nicht.

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Mit der bei Gericht am 2. 2. 2009 eingegangenen und den Beteiligten zu 2 und 3 am 10. 2. 2009 zugestellten Antragsschrift beantragt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung.

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Sie hat vorgetragen, die Personalleiterin, die Zeugin K , habe am 9. 1. 2009 erstmals Hinweise auf einen Arbeitszeitbetrug bzw. den Verdacht dazu entdeckt. Sie habe dann den Betriebsrat angehört mit der Folge, dass die Zweiwochenfrist nach dem 20. 1. 2009 zu laufen begonnen habe. Auch wenn der Zeugin K die Teilnahme der Beteiligten zu 3 an der Gerichtsverhandlung am 20. 11. 2008 bekannt gewesen sei, bedeute dies nicht die Kenntnis vom Arbeitszeitbetrug, denn am Verhandlungstag habe die Zeugin K keine Kenntnis davon gehabt, dass die Beteiligte zu 3 den 20. 11. 2008 als Arbeitszeit abrechnen würde. Entsprechendes gelte für den nicht genehmigten Urlaub, ihre, der Arbeitgeberin, Kenntnis habe erst nach der Anhörung der Beteiligten zu 3 vorgelegen.

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Sie hat gemeint, die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung vom 20. 11. 2008 sei eine rein private Angelegenheit gewesen. Die Beteiligte zu 3 sei nicht berechtigt gewesen, die Zeit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung und die Fahrten zum Flughafen M und zurück als Arbeitszeit einzutragen und abrechnen zu lassen. Auch wenn Betriebsratsaufgaben außerhalb des Betriebs wahrzunehmen seien – was hier nicht der Fall gewesen sei – bestehe die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, im Rahmen der Arbeitszeiterfassung die zutreffende Arbeitszeit einzutragen. Der Verdacht bzw. die Begehung gegenteiligen Handelns rechtfertige den Ausspruch einer fristlosen Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung. Dies gelte gleichermaßen für den eigenmächtigen Urlaubsantritt. Dies sei ein Unterfall der beharrlichen Arbeitsverweigerung. Ein Selbstbeurlaubungsrecht des Arbeitnehmers bestehe nicht. Auch in den vergangenen Jahren (2004, 2006 bis 2008) habe die Beteiligte zu 3 jeweils Urlaub beantragt, der Urlaub habe genehmigt werden müssen. Dies sei bei kurzfristigen Anträgen manchmal zeitgleich mit der Einreichung des Urlaubsantrags geschehen, in jedem Fall aber vor Urlaubsantritt. Diese Genehmigung fehle aber bei den streitgegenständlichen Urlaubstagen aus 2008 und 2009. Auch hier sei eine Abmahnung entbehrlich, ein Arbeitnehmer könne nicht erwarten, der Arbeitgeber werde ein solches Verhalten dulden. Auch die Interessenabwägung gehe zu Lasten der Beteiligten zu 3 aus, das Vertrauen in die Beteiligte zu 3 sei vollständig zerstört.

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Die Arbeitgeberin hat beantragt,

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die Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3, dem Betriebsratmitglied M K , zu ersetzen.

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Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Der Betriebsrat hält den Antrag für verspätet, da die sich aus § 626 Abs. 2 BGB ergebende Frist von zwei Wochen, die auch für die beabsichtigte Kündigung von Betriebsratsmitgliedern gelte, nicht gewahrt sei. Im Verfahren nach § 103 BetrVG sei der Antrag so rechtzeitig zu stellen, dass im Fall der fehlenden Zustimmung noch innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB der Antrag auf Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht gestellt werden könne. Da der Betriebsrat drei Tage zur Stellungnahme habe, müsse der Arbeitgeber den Antrag an den Betriebsrat binnen 10 Tagen nach Kenntnis der kündigungsrelevanten Tatsachen stellen. Der bei Gericht am 2. 2. 2009 eingegangene Antrag wahre die Frist nicht, nachdem der Betriebsrat am 26. 1. 2009 um Zustimmung ersucht worden sei.

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Er ist weiter der Auffassung, Kenntnis der Beteiligten zu 1 von dem angeblichen Arbeitszeitbetrug sei mit dem Tag der Durchführung des Gerichtstermins gleichzusetzen, da an diesem Tag die Zeugin K als Vertreterin der Arbeitgeberin Kenntnis von der Anwesenheit der Beteiligten zu 3 gehabt habe. Für den angeblich nicht genehmigten Urlaub habe die Kenntnis des Geschäftsführers am 13. 1. 2009 vorgelegen, als der nicht unterschriebene Urlaubsantrag vorlag. Damit sei der Antrag außerhalb der Zweiwochenfrist gestellt und aus diesem Grund zurückzuweisen.

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Auch in der Sache sei der Antrag unbegründet. Ein Täuschungsversuch liege nicht vor. Er hat behauptet, die Beteiligte zu 3 habe am 20. 11. 2008 ein „Arbeitszeitguthaben“ von ca. 30 Stunden gehabt. Er hat gemeint, solange die auf Basis der wöchentlichen Arbeitszeit zu erbringende monatliche Arbeitszeit nicht unterschritten werde, komme es auch nicht zu einer Verminderung der monatlichen Gehaltszahlung mit der Folge, dass der Arbeitgeberin ein Schaden nicht entstanden sei. Er, der Betriebsrat, sehe es als eine seiner Aufgabe an, gerichtliche Verfahren von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, welche nicht nur das jeweilige Arbeitsverhältnis betreffen, sondern auch die Stimmung im Betrieb, die Befindlichkeiten anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Abteilungen oder auch mit Fragen bei der Anwendung von tariflichen Regelungen sowie Betriebsvereinbarungen oder betrieblichen Regelungen im Zusammenhang stehen, zu beobachten. Er hat vorgetragen, in Verfahren, in denen Mitbestimmungsfragen eine Rolle spielten, habe er meist ein oder zwei Betriebsratsmitglieder als Beobachter zu den Gerichtsterminen entsandt. Dies sei der Arbeitgeberin bekannt. Diese habe in der Vergangenheit nie daran Anstoß genommen. Insofern habe die Beteiligte zu 3 mit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung Betriebsratsarbeit wahrgenommen. Er hat weiter gemeint, der Versuch der Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 3 fristlos zu kündigen, stelle einen Versuch dar, ihn, den Betriebsrat zu schwächen. Den Vorwurf ungenehmigten Urlaubs könne er nicht nachvollziehen. Es sei in den vergangenen Jahren stets so gewesen, dass weder eine Pflicht bestanden habe, die Beteiligte zu 3 möge sich den Urlaub durch die Geschäftsführung genehmigen lassen noch sei es so gewesen, dass Urlaub vorher beantragt worden sei.

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Er, der Betriebsrat, sei unvollständig informiert worden. Dem Anhörungsschreiben vom 26. 1. 2009 sei nicht zu entnehmen, ob die Anhörung zu einer Tat- oder einer Verdachtskündigung erfolgen solle.

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Die Beteiligte zu 3 hat die Meinung vertreten, die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung betreffend ein einstweiliges Verfügungsverfahren sei stets notwendig, weil sonst die Möglichkeit, auf das Prozessgeschehen Einfluss zu nehmen, z. B. durch die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen, beeinträchtigt würde, auch wenn das persönliche Erscheinen nicht angeordnet sei. Sie habe sich für berechtigt gehalten, Arbeitszeit für die Zeit an der Teilnahme der Gerichtsverhandlung einzutragen, da sie nicht nur persönlich, sondern auch als Betriebsratsmitglied, betroffen gewesen sei. Sie habe den Termin in Doppelfunktion wahrgenommen. Auch in der Vergangenheit habe der Betriebsrat an Verfahren, die von besonderer Bedeutung für die Beschäftigen gewesen seien, teilgenommen, ohne dass dies von Arbeitgeberseite jemals beanstandet worden sei.

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Hinsichtlich des Verfahrens der Urlaubsgenehmigung trägt die Beteiligte zu 3 vor, in den vergangenen Jahren sei es so gewesen, dass sie Urlaub beantragt habe, die Unterschrift „genehmigt“ sei stets nachträglich erfolgt, nachdem sie in Urlaub gegangen sei. Sie verweist auf die Urlaubsanträge für die Kalenderjahre 2004, 2006, 2007 und 2008 (Bl. 281 d. A.). Im Übrigen habe es bislang bei der Arbeitgeberin keine Regelung gegeben, wie mit Urlaubsanträgen umgegangen werde. In der Vergangenheit habe sie ihren Urlaub nur mit den anderen Betriebsratsmitgliedern abgestimmt, ohne dass ein „Genehmigungsakt“ der Geschäftsführung erfolgt sei.

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Weiter hat sie die Auffassung vertreten, die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei verstrichen. Kenntnis vom angeblichen Arbeitszeitbetrug habe die Arbeitgeberin bereits am Tag der Gerichtsverhandlung am 20. 11. 2008 erhalten, selbst wenn man auf den 9. 1. 2009 abstelle, liege der Eingang des Antrags bei Gericht am 2. 2. 2009 außerhalb dieser Frist. Die Anhörung zur Verdachtskündigung, die im Grundsatz den Fristbeginn hemme, sei nur erfolgt, um die Fristversäumung zu kaschieren.

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Mit Beschluss vom 18. 9. 2009 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen mit der – kurz zusammengefassten – Begründung, nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedürfe die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 KSchG habe der Arbeitgeber dann einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfass gerechtfertigt sei. Das setze einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus. Es müssten Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne. Dabei müsse die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten werden. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB von 2 Wochen, innerhalb deren eine außerordentliche Kündigung zu erklären ist, beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlange. Im Verfahren nach § 103 BetrVG sei dies dahingehend zu modifizieren, als innerhalb der Frist von 2 Wochen der Antrag des Arbeitgebers beim Arbeitsgericht eingereicht worden sein müsse, falls der Betriebsrat dem Antrag nicht zustimme.

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Der Sachvortrag der Arbeitgeberin lasse sich kündigungsrechtlich in drei Sachverhaltskomplexe trennen. Zum einen habe sie der Beteiligten zu 3 die Teilnahme an der Gerichtsverhandlung vorgeworfen, weiter einen Arbeitszeitbetrug, als diese die Zeit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung am 21. 11. 2009 und die Zeit, in der sie ihren Prozessbevollmächtigten vom Flughafen in M abgeholt habe, bzw. dorthin zurückgebracht habe, nicht als Unterbrechung der Arbeitszeit im Arbeitszeiterfassungssystem der Arbeitgeberin gebucht habe. Zum anderen werfe die Arbeitgeberin der Beteiligten zu 3 vor, diese habe eigenmächtig Urlaub angetreten.

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Soweit die Arbeitgeberin auf die Teilnahme der Beteiligten zu 3 an der Gerichtsverhandlung am 20. 11. 2008 abstelle und der Beteiligten zu 3 in diesem Zusammenhang einen Arbeitszeitbetrug vorwirft, sei der Antrag verfristet.

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Entsprechendes gelte für den der Beteiligten zu 3 vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug. Am 9. 1. 2009 habe die Personalleiterin K davon Kenntnis erhalten, dass die Beteiligte zu 3 die Zeit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung als Arbeitszeit gebucht hatte bzw. hatte buchen lassen. Dem Betriebsrat und der Beteiligten zu 3 sei zuzustimmen, dass dann für die Aufklärung eines Verdachts kein Raum mehr gewesen sei. Auf die Sicht der Arbeitgeberin abgestellt, habe mit dem 9. 1. 2009 festgestanden, dass die Beteiligte zu 3 einen Arbeitszeitbetrug zu Lasten der Beteiligten zu 1 begangen habe. Damit habe auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB Frist zu laufen begonnen. Die Anhörung der Beteiligten zu 3 habe nicht dazu geführt, dass die Frist erst mit der Stellungnahme der Beteiligten zu 3 zu laufen begonnen habe. Die Anhörung habe zur Aufklärung des Sachverhalts zu diesem Punkt nichts mehr beitragen können. Habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 9. 1. 2009 zu laufen begonnen, sei diese mit Einreichung des Antrags bei Gericht abgelaufen gewesen.

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Soweit die Arbeitgeberin der Beteiligten zu 3 Selbstbeurlaubung vorgeworfen habe, sei der Antrag fristgerecht eingereicht worden. Zwar möge die Geschäftsführung am 13. 1. 2009 erfahren haben, dass die Beteiligte zu 3 für den 16. 10., 14. 11., 11. 12., 23. 12. und 30. 12.2008 sowie den 2. 1. und 5. 1. 2009 nachträglich Urlaub beantragt habe. Damit habe aber der kündigungsrechtliche Sachverhalt noch nicht festgestanden. Die Arbeitgeberin habe den Sachverhalt noch aufzuklären gehabt. Trotz des Antrags habe noch nicht festgestanden, ob die Beteiligte zu 3 tatsächlich an allen Tagen gefehlt habe. Darüber hinaus werde die Arbeitgeberin intern aufzuklären gehabt zu haben, ob die von der Beteiligten zu 3 vorgegebene Verhaltensweise betriebsüblich gewesen oder ein Einzelfall gewesen sei. Sei die nachträgliche Einholung der Genehmigung von Urlaub betriebliche Praxis gewesen, würde ein verständiger Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung erst einmal die bisherige Praxis überarbeiten. Insofern habe es zur weiteren Aufklärung der Anhörung der Beteiligten zu 3 bedurft. Erst danach habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begonnen mit der Folge, dass der Eingang des Antrags am 2. 2. 2009 noch innerhalb der Zweiwochenfrist lag.

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Auch wenn der Antrag auf die ersten beiden Vorwürfe wegen des Fristablaufs nicht gestützt werden könne, sei der Antrag in der Sache nicht begründet. Keiner der Vorwürfe vermöge für sich und in der Gesamtschau den Antrag zu rechtfertigen. „Wichtige Gründe“ im Sinne des § 626 BGB lägen nach Auffassung der Kammer nicht vor.

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Der erste Vorwurf (Teilnahme an der Gerichtsverhandlung) könne den Antrag nicht rechtfertigen.

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Die Beteiligte zu 3 habe aber im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Gerichtsverhandlung die Abwesenheit vom Betrieb nicht in die Zeiterfassung eingegeben und somit nach Auffassung der Beteiligten zu 1 einen Arbeitszeitbetrug begangen.

31

Der Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu stempeln, sei an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dazustellen. Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Übertrage der Arbeitgeber den Nachweis der täglich bzw. monatlich geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und fülle der Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stelle dies in der Regel einen schweren Vertrauensbruch dar. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitnehmer einen anderen Arbeitnehmer durch falsche Angaben dazu veranlasse, für ihn falsche Arbeitszeiten in Formulare einzutragen.

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Unstreitig habe die Beteiligte zu 3 für den 20. 11. 2008 die Zeit von 8.00 bis 14.30 Uhr als Arbeitszeit eingetragen bzw. durch eine andere Arbeitnehmerin nach ihren Angaben eintragen lassen. In dieser Zeit sei sie aber nicht die gesamte Zeit im Betrieb der Beteiligten zu 1 anwesend, sondern habe den Gerichtstermin in einer sie selbst betreffenden Angelegenheit wahrgenommen und zuvor ihren Prozessbevollmächtigten am Flughafen M abgeholt und danach dorthin zurückgebracht, wobei keine Rolle spiele, ob die dafür erforderliche Zeit 20 Minuten je Fahrt (so die Beteiligte zu 3) oder jeweils 1 Stunde (so die Arbeitgeberin) betrage. Das Verlassen des Betriebes, ohne dies entsprechend in der Zeiterfassung einzugeben, stelle jedenfalls einen gravierenden Pflichtenverstoß dar, soweit dies der Beteiligten zu 3 als Arbeitnehmerin anzulasten sei.

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Gleichwohl sei in diesem besonderen Fall nicht von einem „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB auszugehen. Die Arbeitgeberin habe verkannt, dass die Beteiligte zu 3 freigestelltes Betriebsratsmitglied sei und in dieser Eigenschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch Gerichtstermine als Zuhörer wahrnehmen dürfe.

34

Zwar vertrete das BAG in ständiger Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 19.05.1983 (6 AZR 290/81, NJW 1983,2720; bestätigt von BAG, Urt. v. 31.05.1989, 7 AZR 402/88 und 7 AZR 277/88) die Auffassung, dass auch für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied die Teilnahme als Zuhörer an einer Gerichtsverhandlung über eine (Änderungs)kündigung keine erforderliche Betriebsratstätigkeit sei, zumindest dann, wenn er zuvor ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Kammer schließe sich dieser Auffassung an. Es gebe keine Kompetenzzuweisung im Betriebsverfassungsgesetz für die Wahrnehmung arbeitsvertraglicher Rechte der einzelnen Arbeitnehmer außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. Eine solche Kompetenzzuweisung ergebe sich insbesondere nicht aus den Vorschriften der §§ 82 Abs. 2 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 2 und 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über Mitwirkungs- und Beschwerderechte der Arbeitnehmer, weil es sich um persönliche, innerbetrieblich zu lösende Anliegen der Arbeitnehmer handele, die auf das gerichtliche Verfahren der Arbeitsvertragsparteien nicht übertragbar seien. Der Gegenansicht, die dem Betriebsrat ein Teilnahmerecht einräume, wenn es sich um einen grundsätzlichen Rechtsstreit von allgemeiner Bedeutung oder eine die Arbeit des Betriebsrats betreffende wesentliche Frage handele, sei das BAG ausdrücklich nicht gefolgt.

35

Sei ein Betriebsratsmitglied der objektiv fehlerhaften Ansicht, mit der Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung eine Betriebsratsaufgabe wahrzunehmen, komme eine Abmahnung wegen einer dadurch bedingten Versäumnis der Arbeitszeit nicht in Betracht, wenn es sich um die Verkennung schwieriger oder ungeklärter Rechtsfragen handele. Entsprechendes habe für den Fall einer beabsichtigten fristlosen Kündigung zu gelten.

36

Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds sei unzulässig, soweit ihm allein die Verletzung einer Amtspflicht vorgehalten werde. Insoweit sei lediglich die Durchführung eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG möglich. Eine außerordentliche Kündigung komme nur in Betracht, wenn zugleich eine schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliege. Die Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung unterliege dabei strengeren Maßstäben als diejenige eines Arbeitnehmers, der nicht dem Betriebsrat angehöre. Daher seien an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einem solchen Fall besonders hohe Anforderungen zu stellen. Vor der außerordentlichen Kündigung habe grundsätzlich eine Abmahnung zu erfolgen. Die Beteiligte zu 3 habe mit Sicherheit gravierend gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Gleichwohl sei die Arbeitgeberin gehalten, zuvor eine Abmahnung auszusprechen.

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Unbestritten habe die Beteiligte zu 3 vorgetragen, dass in der Vergangenheit dies Praxis gewesen sei, ohne dass im Einzelfall eine ausdrückliche Beauftragung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds zur Wahrnehmung des Gerichtstermins erfolgt sei. Ebenfalls unbestritten sei, dass dem Betriebsrat das Gerichtsverfahren und der Verhandlungstermin bekannt gewesen sei. Die Beteiligte zu 3 sei somit in doppelter Funktion im Gerichtssaal anwesend. Einmal sei sie Partei in diesem Verfahren gewesen, zum anderen habe sie mit der Beobachtung des Verfahrens aus ihrer subjektivern Sicht Betriebsratstätigkeit wahrgenommen. Wenn auch diese Doppelstellung ungewöhnlich sei, könne jedoch die Einlassung der Beteiligten zu 3 nicht widerlegt werden, sie habe subjektiv auch Betriebsratstätigkeit wahrgenommen, auch während der Fahrt mit ihrem Prozessbevollmächtigten. Daher habe sie mit vertretbaren Gründen davon ausgehen können, nicht vorsätzlich falsche Angaben in die Zeiterfassung eingegeben und damit keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen zu haben. Sei ein freigestelltes Betriebsratsmitglied aus nachvollziehbaren Gründen der Ansicht, Betriebsratstätigkeit wahrgenommen zu haben und vertritt aus diesem Grund die Auffassung, diese Zeit sei als Arbeitszeit zu vergüten, so sei diese Bewertung vom Beurteilungsspielraum des Betriebsrats gedeckt und führe nicht dazu, dass dies den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen könne.

38

Auch der dritte Vorwurf könne den Antrag nicht begründen.

39

Trete der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletze er damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten und ein solches Verhalten sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Der Arbeitnehmer, der sich selbst beurlaube, verletze nicht bloß eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, er verletze vielmehr die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung, von der er mangels einer Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber nicht wirksam entbunden sei. Die Urlaubsgewährung erfolge nach § 7 BUrlG durch den Arbeitgeber. Lehne dieser die Urlaubserteilung ohne hinreichende Gründe ab oder nehme in zumutbarer Zeit zu dem Urlaubsantrag keine Stellung, so könne der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder ggf. einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, sei angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzulehnen.

40

Die Arbeitgeberin habe jedoch verkannt, dass die Beteiligte zu 3 nicht einen beantragten und abgelehnten Urlaubswunsch eigenmächtig durch Selbstbeurlaubung durchgesetzt habe. Dies habe durchaus einen wichtigen Grund „an sich“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen können. Die Beteiligte zu 3 habe an insgesamt sieben Tagen, dem 16. 10. 2008, 14. 11. 2008, 11. 12. 2008, 23. 12. 2008, 30. 12. 2008, 02. 1. und 5. 1. 2009 unentschuldigt gefehlt. Auch unentschuldigtes Fehlen könne einen Grund zur Kündigung darstellen, ggf. auch zu einer außerordentlichen Kündigung, vor allem, wenn der Arbeitnehmer wiederholt unentschuldigt fehle. Dabei habe die Arbeitgeberin jedoch verkannt, dass die außerordentliche Kündigung nur ultima ratio sein dürfe. Sie könne nur in Betracht kommen, wenn alle anderen milderen Mittel versagt hätten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete grundsätzlich den Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung. Eine Abmahnung sei vorliegend nicht erfolgt. Somit scheitere eine außerordentliche Kündigung bereits daran, dass die Arbeitgeberin gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen habe.

41

Selbst wenn ein wichtiger Grund „an sich“ entweder als Selbstbeurlaubung oder als mehrfaches unentschuldigtes Fehlen bejaht würde, führe die sich in der zweiten Stufe durchzuführende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Im Rahmen der Interessenabwägung seien die Umstände des Einzelfalles bzw. aller vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehörten vor allem das Lebensalter des Arbeitnehmers, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Maßstab der Interessenabwägung sei, ob unter Berücksichtigung der im konkreten Fall schutzwürdigen Interessen des Gekündigten eine so starke Beeinträchtigung betrieblicher oder vertraglicher Interessen des Kündigenden vorliege, dass das Kündigungsinteresse gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Gekündigten überwiege.

42

Diese führe zur Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Für die Arbeitgeberin spreche ein gesteigertes Interesse, dass die Arbeitnehmer verlässlich am Arbeitsplatz anwesend seien und eine eventuelle Abwesenheit anzeigten. Im Falle von Urlaub sei ein gesteigertes Interesse der Beteiligten zu 1 daran anzuerkennen, dass die Arbeitnehmer sich an ein formalisiertes Verfahren hielten. Dies sei um so mehr geboten, als die Urlaubswünsche aller Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber berücksichtigt, organisiert und kanalisiert werden müssten. Dies gelte auch und gerade für Betriebsratsmitglieder, denen in gewisser Weise auch eine Vorbildfunktion zukomme, zumal freigestellte Betriebsratsmitglieder ohnehin keiner strengen Anwesenheitskontrolle unterlägen. Gleichwohl überwögen die Interessen der Beteiligten zu 3. Diese sei seit 1989 für die Arbeitgeberin, bzw. ihre Rechtsvorgängerin tätig. Beanstandungen habe es in der gesamten Zeit keine gegeben. Weder werde der Beteiligten zu 3 unentschuldigtes Fehlen in der Vergangenheit noch Selbstbeurlaubung in der Vergangenheit vorgeworfen. Darüber hinaus sei durchaus unklar, wie das Verfahren der Urlaubsgewährung und -erteilung bei der Beklagten organisiert sei, insbesondere im Verhältnis zu den Betriebsratsmitgliedern. Eine Betriebsvereinbarung, die dieses Verfahren verbindlich für alle Arbeitnehmer einschließlich der Betriebsratsmitglieder regele, gebe es nicht. Die Arbeitgeberin müsse sich entgegenhalten lassen, dass sie das Fehlen der Beteiligten zu 3 überhaupt nicht gemerkt hätte, wäre diese nicht auf die Arbeitgeberin zugekommen und hätte für diese Tage nachträglich Urlaub beantragt. Gerade dies zeige, dass die Beteiligte zu 3 sich überhaupt keines Pflichtenverstoßes bewusst gewesen sei, als sie den Urlaubsantrag am 13. 1. 2009 abgegeben habe. Dies hätte die Arbeitgeberin im Rahmen der Anhörung zu Gunsten der Beteiligten zu 3 berücksichtigen müssen. Ein verständiger Arbeitgeber hätte angesichts der nicht widerlegbaren Einlassung der Beteiligten zu 3 von dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung abgesehen.

43

Ergänzend wird auf die Gründe der Entscheidung erster Instanz Bezug genommen.

44

Gegen diesen ihr am 1. 10. 2009 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 9. 10. 2009 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 30. 12. 2009 an diesem Tage begründet.

45

Sie meint, die Beteiligte zu 3 habe einen Arbeitszeitbetrug begangen, als sie die anlässlich des Gerichtstermins vom 20. 11. 2008 aufgewandte Zeit als Arbeitszeit eingetragen habe. es sei auch nicht Praxis gewesen, dass Betriebsratsmitglieder an Gerichtsverhandlungen teilgenommen hätten. Jedenfalls habe sie, die Arbeitgeberin, hiervon keine Kenntnis gehabt. Betriebsratsmitglieder hätten sich hierzu nicht abgemeldet. Auch die Fahrten mit dem Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 seien eindeutig privat. eine Abmahnung sei insoweit nicht erforderlich gewesen.

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Die Beteiligte zu 3 habe auch um die Jahreswende 2008/2009 herum eigenmächtig Urlaub angetreten bzw. unentschuldigt gefehlt.

47

Insgesamt stütze sie die beabsichtigte Kündigung auch jeweils den Verdacht der Pflichtverletzung.

48

Die Arbeitgeberin beantragt,

49

der Beschluss des Arbeitsgerichts M vom 18.09.2009, Az.: 11 BV 4/09, wird abgeändert und die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3., der Betriebsratsvorsitzenden, Frau M K, ersetzt.

50

die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,

51

die Beschwerde zurückzuweisen.

52

Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

53

Die Beschwerde der Arbeitgeberin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung der Beteiligten zu 3 zutreffend nicht ersetzt.

54

1. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag in der Beschwerdeinstanz ausdrücklich nicht mehr auf den umfangreichen Vortrag erster Instanz, die Beteiligte zu 3 habe persönlich, aber unberechtigt an der Gerichtsverhandlung vom 20. 11. 2008 teilgenommen (Sitzungsniederschrift vom 23. 6. 2010, Bl. 582 d. A.; Schriftsatz vom 30. 12. 2009, Bl. 482 d. A.).

55

2. Der Antrag der Arbeitgeberin ist nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet, soweit er noch auf die Vorwürfe „unberechtigter Eintrag von privat genutzter Zeit als Arbeitszeit“ und „unberechtigte Urlaubsnahme“ gestützt wird.

56

Der Antrag muss binnen der Kündigungserklärungsfrist von 2 Wochen nach Kenntnis der den wichtigen Kündigungsgrund bildenden Tatsachen des § 626 Abs. 1 BGB bei Gericht angebracht sein, § 626 Abs. 2 BGB. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf der weiteren Darstellung nicht mehr.

57

3. Gleichwohl streiten die Beteiligten darum, ob die Arbeitgeberin die Frist eingehalten hat.

58

a) Hinsichtlich des Vorwurfs der unberechtigten Urlaubsnahme ist dies nicht der Fall.

59

Die Beteiligte zu 3 hat am 29. 12. 2008 den „Antrag für den abgelaufenen Zeitraum“ (so Bl. 12 des Schriftsatzes der Arbeitgeberin vom 27. 5. 2009, Bl. 326 d. A.) bei der Geschäftsleitung eingereicht (S. 7 der Antragsschriftsatzes vom 30. 1. 2009, Bl. 7 d. A.). Am 13. 1. 2009 hat die Beteiligte zu 3 den Urlaubsantrag nochmals – diesmal wohl unterzeichnet – eingereicht. Der Zustimmungsersetzungsantrag ging am 2. 2. 2009 und damit – bezogen auf den 29. 12. 2008 – um über einen Monat, bezogen auf den 13. 1. 2009 um nahezu eine Woche verspätet beim Arbeitsgericht ein. Hätte die Arbeitgeberin Zweifel daran gehabt, dass die Beteiligte zu 3 an den benannten Tagen vom Dienst abwesend war und deshalb nach ihrer Ansicht unberechtigt Urlaub genommen hat, hätte sie dies durch eine kurze und unmittelbare Rückfrage bei der Beteiligten zu 3 klären können. Zu einer Verlängerung der Frist wegen Aufklärungsbedarfs bestand keine Veranlassung.

60

b) Hinsichtlich des Vorwurfs des „Arbeitszeitbetruges“ gilt das Gleiche.

61

Die Beteiligte zu 3 hat ihre Arbeitszeit für den 20. 11 2008 unstreitig am 21. 11. 2008 in das Arbeitszeiterfassungssystem der Arbeitgeberin eingetragen, und zwar – ebenfalls unstreitig – die Zeit der Gerichtsverhandlung einschließlich Vor- und Nachbereitung als Arbeitszeit. Damit ist der Tatbestand, auf den sich die Arbeitgeberin bezieht, erfüllt. Der Arbeitgeberin war jedenfalls in Gestalt ihrer Personalleiterin, der Zeugin K , bekannt, dass die Beteiligte zu 3 an dem Gerichtstermin teilgenommen hat. Die Arbeitgeberin muss es sich zurechnen lassen, dass sich die Zeugin K offenbar nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verhandlung, etwa am 21. 11. 2008 oder am 22. 11. 2008, dafür interessiert hat, wie die Beteiligte zu 3 die Zeit der Gerichtsverhandlung in die Zeiterfassung eingegeben hat. Unzweifelhaft hatte die Arbeitgeberin also jedenfalls am 22. 11. 2008 die Möglichkeit, den nunmehr streitgegenständlichen Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen. Als Aufklärungsbedarf kann allenfalls die Frage an die Beteiligte zu 3 gelten, warum sie die Zeit der Verhandlung nicht als Arbeitszeit deklariert hat. Dazu bedarf es keine mehrtägigen Aufklärungs- und Nachforschungsfrist.

62

Deshalb hat das Schreiben der Antragstellerin an die Beteiligte zu 3 vom 16. 1. 2009 bezüglich des Fristbeginns bzw. des Fristenlaufs keine „aufschiebende Wirkung“ erzeugt.

63

4. Soweit die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zu einer Verdachtskündigung begehrt, gilt nicht anderes. Diese stützt sie auf denselben Tatsachenvortrag wie die angestrebte Tatkündigung. Auch insoweit haben einer schnellen Aufklärung des Sachverhalts durch Anhörung der Beteiligten zu 3 ernsthafte Hindernisse nicht im Wege gestanden. Die Arbeitgeberin hat die Konsequenzen ihres zögerlichen Verhaltens selbst zu tragen.

64

5. Auf die vorgetragenen und vom Betriebsrat und der Beteiligten zu 3 in allen wesentlichen Punkten bestrittenen, materiellen Kündigungsgründe braucht deshalb hier nicht näher eingegangen zu werden


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