Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 473/14

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25.09.2014 – 2 Ca 175/14 – wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt 3/4, der Kläger trägt ¼ der Kosten des

Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.

2

Der Kläger ist seit 01.10.2005 bei dem beklagten Land als Angestellter bzw. Beschäftigter an der M H tätig.

3

Das Arbeitsverhältnis der Parteien basiert auf vier befristeten, sich aneinanderreihenden Arbeitsverträgen. Der letzte Arbeitsvertrag datiert auf den 02./15.05.2012 (Bl. 19 d. A.) und weist eine Laufzeit vom 01.06.2012 bis 31.12.2013 auf. Als Grund für die Befristung wird auf § 2 Abs. 2 WZVG verwiesen. Während der Laufzeit dieses Vertrages vereinbarten die Parteien befristet vom 10.08.2012 bis 06.12.2012 unter Beibehaltung der übrigen Vertragskonditionen eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit.

4

Der Einsatz des Klägers erfolgte im Rahmen des Forschungsprojektes „Gesellschaft und Kultur in Bewegung“. Dieses wurde aufgrund einer zwischen der und dem beklagten Land abgeschlossenen „Rahmenvereinbarung Forschung und Innovation“ vom 21.12.2010 (Bl. 74 ff. d. A.) durch Zuweisung von finanziellen Mitteln, die auch Personalkosten abdeckten, gefördert. Die Projektförderung erfolgte in zwei Perioden, nämlich für die Jahre 2009 bis 2011 sowie die Jahre 2012 bis 2015. Für die letztgenannte Förderperiode datiert der Zuwendungsbescheid des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (MWW) vom 18.04.2013. Jener Bescheid bezieht sich auf das Haushaltsjahr 2013 und weist der M Fördermittel in Höhe von insgesamt 450.000,00 Euro zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Zuwendungsbescheides wird auf Blatt 72 f. der Akte verwiesen. Beantragt hatte die M die Förderung am 30.05.2012 (Bl. 99 ff. d. A.). In dem Zeitraum zwischen Ablauf der ersten Förderperiode und Erlass des vorgenannten Förderbescheides finanzierte die M das vorgenannte Projekt aus Restmitteln der ersten Förderperiode, nachdem das beklagte Land – MWW – per E-Mail vom 17.11.2011 (Bl. 187 d. A.) sein Einverständnis mit einer sog. „Zwischenfinanzierung/Auslauffinanzierung“ gegeben hatte. Die noch vorhandenen Restmittel waren nach Prognose des beklagten Landes – M – ausreichend, um eine Beschäftigung des im vorgenannten Projekt tätigen Personals bis zum 31.12.2013 abzusichern.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Befristung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Er hat das Vorliegen von Befristungsgründen bestritten.

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Der Kläger hat beantragt,

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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 15.05.2012 (02.05.2012) in der Fassung der Vereinbarung vom 10.08.2012 (06.08.2012) zum 31.12.2013 beendet wurde.

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Das beklagte Land hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

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Es hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Befristung komme Rechtswirksamkeit zu. Der erforderliche Sachgrund ergebe sich aus § 2 Abs. 2 WZVG – Drittmittelfinanzierung. Bei den von dem MWW aufgrund der Rahmenvereinbarung der MLU zugewiesenen Finanzmitteln handele es sich um Drittmittel i. S. d. vorgenannten Bestimmung, da diese nicht zu den planmäßig von dem beklagten Land der M zur Verfügung gestellten Finanzmittel gehören. Auch sei der Kläger überwiegend, nämlich zu 80 Prozent, mit wissenschaftlichen Tätigkeiten, die das vorgenannte Forschungsprojekt betreffen, betraut worden.

11

Der Kläger hat hierzu entgegnet, seine Tätigkeit habe sich keineswegs überwiegend auf wissenschaftliche Tätigkeiten im Rahmen des Projektes „Gesellschaft und Kultur in Bewegung“ bezogen. Er sei vielmehr zu 95 Prozent seiner Arbeitszeit mit dauerhaft bei der MLU anfallenden Managementaufgaben beschäftigt worden. Im Übrigen sei die Auffassung des beklagten Landes, das Projekt werde aus Drittmitteln i. S. d. § 2 Abs. 2 WZVG finanziert, unzutreffend.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.09.2014 der Befristungskontrollklage entsprochen und die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Land auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Befristungsabrede im letzten Arbeitsvertrag der Parteien komme keine Rechtswirksamkeit zu, weil diese nicht durch einen Befristungsgrund getragen sei. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 WZVG seien nicht erfüllt, weil die aufgrund der Rahmenvereinbarung zur Verfügung gestellten Finanzmittel nicht mit einer hinreichend deutlichen Zweckbestimmung betreffend die projektbezogenen Arbeitsverhältnisse versehen worden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 146 bis 154 der Akte verwiesen.

13

Gegen dieses, ihm am 09.12.2014 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 22.12.2014 Berufung eingelegt und diese am 09.02.2015 begründet.

14

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt das beklagte Land den erstinstanzlich gestellten Klagabweisungsantrag weiter. Seiner Auffassung nach seien entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 WZVG im vorliegenden Fall gegeben.

15

Das beklagte Land beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 25.09.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

21

Der Kläger hat zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 18.05.2015 klagerweiternd Verzugslohnansprüche geltend gemacht, seinen diesbezüglichen Antrag jedoch nach Hinweis des Berufungsgerichts auf § 524 ZPO wieder zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

A.

22

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des beklagten Landes ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Befristungskontrollklage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 02./15.05.2012 vereinbarten Befristung zum 31.12.2013 beendet worden. Es besteht vielmehr unbefristet über diesen Zeitpunkt fort, weil der Befristung keine Rechtswirksamkeit zukommt (§ 16 Satz 1 TzBfG).

23

Die allein streitgegenständliche Befristungsabrede im (letzten) Arbeitsvertrag der Parteien vom 02./15.05.2012 ist rechtsunwirksam, weil für diese kein Befristungsgrund gegeben ist.

I.

24

Die Befristungsabrede lässt sich nicht auf § 2 Abs. 2 WZVG stützen. Danach ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals auch zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist auch die Befristung von Arbeitsverträgen des nicht wissenschaftlichen oder nicht künstlerischen Personals zulässig.

25

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger zur Gruppe des wissenschaftlichen Personals i. S. d. § 1 Abs. 1 WZVG zählt. Jedenfalls erfolgte die Beschäftigung des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht aus Drittmitteln, die für diese Tätigkeit und den hier streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt worden sind.

26

1. Die durch das MWW mit Bescheid vom 18.04.2013 bewilligten Finanzmittel für die zweite Förderperiode des Projektes (2012 bis 2015) sind nicht kausal für den Abschluss des hier streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrages aus dem Monat Mai 2012 geworden. Das räumt das beklagte Land in der Berufungsbegründung Seite 7 ausdrücklich ein.

27

2. Die für die erste Förderperiode bewilligten Mittel beziehen sich nicht (mehr) auf die Laufzeit des streitgegenständlichen Vertrages. Die erste Förderperiode endete mit Ablauf des Jahres 2011.

28

3. Schlussendlich lässt sich eine den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 WZVG entsprechende Drittmittelfinanzierung der dem Kläger arbeitsvertraglich übertragenen Tätigkeit auch nicht aus der von dem beklagten Land vorgelegten E-Mail des MWW vom 17.11.2011 entnehmen.

29

Mit dem Tatbestandsmerkmal „Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt“ ist das Erfordernis einer konkreten, aufgaben- und zeitbezogenen Mittelzuweisung beschrieben. Das Attribut „bestimmte“ bezieht sich sowohl auf die „Aufgabe“ als auch auf die „Zeitdauer“. Damit müssen die (Dritt-)Mittel einerseits hinreichend zweckgebunden und andererseits für eine von vornherein feststehende Zeitspanne zur Verfügung gestellt sein. Die Regelung erfasst damit nur solche Finanzierungsbewilligungen, deren Endlichkeit hinreichend genau feststeht (BAG 13.02.2013 – 7 AZR 284/11 – Rn. 24).

30

Diese Voraussetzungen erfüllt die vorgenannte E-Mail nicht. Die zentral verwendeten Begriffe „Zwischenfinanzierung/Auslauffinanzierung“ für das „HHJ 2012“ lassen eine ausreichende zeitliche Zuordnung dieser Mittel zu der hier maßgeblichen Vertragslaufzeit bis Ende 2013 seitens des Drittmittelgebers nicht erkennen. Ebenso wenig wird ausreichend erkennbar, für welche Bereiche des Projektes die „Restkassenmittel“ verwendet werden sollen.

II.

31

Weiterhin ist die streitige Befristungsabrede nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG – vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung – unter dem Gesichtspunkt der Drittmittelfinanzierung sachlich gerechtfertigt. Es fehlt an substantiiertem Sachvortrag des beklagten Landes, inwiefern bei Vertragsschluss der Wegfall einer auf den Arbeitsplatz des Klägers bezogenen Drittmittelförderung hinreichend sicher prognostiziert werden konnte (vgl. BAG 15.02.2006 – 7 AZR 241/05). Da sich eine solche Prognose nicht realisiert hat – die M konnte erfolgreich Drittmittel für die zweite Förderperiode einwerben – hätte es umfassenden Sachvortrages bedurft, um eine dennoch zum damaligen Zeitpunkt sich ergebende gegenteilige Prognosegrundlage zu belegen.

III.

32

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des beklagten Landes keinen Erfolg haben.

B.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

C.

34

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

35

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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