Beschluss vom Landgericht Aachen - 33i StVK 513/13
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 800,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der der Kammer aus beinahe unzähligen Vollzugsverfahren bekannte Antragsteller befindet sich seit Juni 2009 in Sicherungsverwahrung in der JVA im dortigen Hafthaus 1. Dem zugrunde liegt eine Verurteilung vom 01.03.2002 (Az. 30 VRs 405/03 StA Düsseldorf) wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
4Der Antragsteller hat in den Wochen vor und nach dem Inkrafttreten des neuen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (SVVollzG NRW) zahlreiche Anträge bei der Antragsgegnerin gestellt. Unter anderem beantragte er unter dem 7. Juni 2013, dass sein Haftraum ab sofort nur noch aus Sicherheitsgründen betreten werden dürfe, das heißt jegliche Art von Zustellungen wie Post, Zeitungen oder andere Arten von schriftlichen Mitteilungen würden von ihm im Abteilungsbüro abgeholt. Diesen Antrag beschied die Antragsgegnerin unter dem 14. Juni 2013 ablehnend wie folgt:
5"Der Antrag wird abgelehnt. Zwar wird darauf geachtet, dass dem verwahrten sein Zimmer als Rückzugsort dient und er dort seine Privatsphäre so weit wie möglich genießen kann. Es ist jedoch nicht möglich, den Zugang der Bediensteten auf bestimmte Zwecke zu beschränken. Dies ergibt sich auch nicht aus § 14 SVVollzG NRW. Auch aus Behandlungsgründen und unter anderem auch zur unverzüglichen Zustellung von Post und Zeitschriften ist ein Betreten des Zimmers notwendig.“
6Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 26. Juni 2013 auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Er hält die Entscheidung der Antragsgegnerin für rechtswidrig und sieht sich in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt. Die Antragsgegnerin habe verkannt, dass eine Einschränkung dieses Grundrechts gemäß § 111 SVVollzG NRW nicht vorgesehen sei. Ferner genieße er den Schutz aus § 123 StGB.
7Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
8die Antragsgegnerin zu verpflichten, sein Zimmer (Wohnung) entsprechend dem § 14 SVVollzG NRW und dem Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2 GG nur noch aus Sicherheitsgründen zu betreten.
9Die Antragsgegnerin beantragt,
10den Antrag zurückzuweisen.
11Sie vertieft ihr Vorbringen aus dem angefochtenen Bescheid und macht ergänzend geltend, der Antragsteller verkenne, dass die JVA die Zimmer für die Dauer der Unterbringung zur Verfügung stelle und demzufolge ein Hausrecht habe. Die Formulierung „zur alleinigen Nutzung“ in § 14 SVVollzG NRW unterstreiche lediglich den Grundsatz der Einzelunterbringung und versperre nicht den Zugang in das Zimmer. Aus § 64 Abs. 1 SVVollzG NRW ergebe sich, dass die JVA die Möglichkeit habe, die Untergebrachten, ihre Sachen und die Zimmer zu durchsuchen. Damit könne die Einhaltung des § 15 Abs. 2 SVVollzG NRW überprüft werden. Auch solle durch die Möglichkeit der Durchsuchung sichergestellt werden, dass keine Vorbereitungen zu Aggressionshandlungen oder zur Flucht getroffen würden.
12II.
13Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 112 Nr. 5 SVVollzG NRW i.V.m. § 109 StVollzG zulässig, aber unbegründet.
14Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass Bedienstete der JVA seinen Haftraum (Zimmer nach § 14 SVVollzG NRW) nur noch aus Sicherheitsgründen betreten dürfen. Er verkennt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1996, 2643) der Schutzbereich des Art. 13 GG nicht die Hafträume einer Justizvollzugsanstalt umfasst. In seiner Entscheidung vom 30. Mai 1996 – 2 BvR 727/94 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht weiter ausgeführt:
15“Mit der Zuweisung eines Haftraumes soll der Gefangene einen persönlichen vom allgemeinen Anstaltsbereich abgegrenzten Lebensbereich zur Verfügung erhalten (vergleiche §§ 18 f., 82, 84 StVollzG). Davon bleibt allerdings das Hausrecht der Anstalt unberührt. Auf diesem beruht die grundsätzliche Befugnis der Anstaltsmitarbeiter, auch Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten; sie ergibt sich im Übrigen aus den Aufgaben nach §§ 2, 3 StVollzG. Mithin liegt ein Eingriff in Grundrechte des Gefangenen nicht schon darin, dass ein Vollzugsbedienstete die Zelle betritt.“
16Dies gilt nach fester Überzeugung der Strafvollstreckungskammer nicht nur für Hafträume von Strafgefangenen, sondern auch für Zimmer von Sicherungsverwahrten im Sinne von § 14 SVVollzG NRW. Weder aus der Norm selbst noch aus der Begründung des Gesetzestextes ergibt sich ein allgemeines Zutrittsverbot für Vollzugsbedienstete. Dabei verkennt weder die Antragsgegnerin noch die Strafvollstreckungskammer, dass von Vollzugsbediensteten die Achtung der Menschenwürde von Sicherungsverwahrten gefordert ist, was auch die Pflicht einschließt, die Privat-und Intimsphäre von Strafgefangenen bzw. Sicherungsverwahrten als Ausdruck ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts tunlichst zu wahren. Dabei ist anzuerkennen, dass der gesonderte Haftraum für den Gefangenen / Untergebrachten in der Regel die einzig verbleibende Möglichkeit bietet, sich eine gewisse Privatsphäre zu schaffen und ungestört zu sein (vgl. BVerfG a.a.O. m.w.N.).
17Der Eingriff in die Privatsphäre des Antragstellers ist vorliegend lediglich geringer Natur. In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ist keine Verletzung der Privat- und Intimsphäre von Gefangenen darin gesehen worden, dass Vollzugsbedienstete ohne vorheriges Anklopfen Hafträume von Strafgefangenen betreten, u.a. da jedes Betreten der Zelle akustisch durch Aufschlussgeräusche angekündigt wird, was dem Gefangenen Gelegenheit gibt, sich rechtzeitig bemerkbar zu machen und so einer Verletzung seiner Privat-und Intimsphäre vorzubeugen. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Sofern sich der Antragsteller nicht in seinem Haftraum bzw. Zimmer auffällt, ist zumindest seine Intimsphäre schon nicht tangiert. Jedenfalls aber ist durch die grundsätzliche, dem Hausrecht der JVA immanente Betretungsbefugnis hinsichtlich der Hafträume von Strafgefangenen bzw. Zimmer der Sicherungsverwahrten eine Verletzung der Privat-und Intimsphäre nicht gegeben. Weder von dem Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Bediensteten der JVA sein Zimmer während seiner Anwesenheit ohne jede Vorwarnung (z.B. durch Anklopfen) betreten würden, so dass ihm eine Vorbeugung einer etwaigen Verletzung seiner Privat-und Intimsphäre nicht möglich wäre.
18Im Übrigen sieht die Kammer gemäß § 115 Abs. 1 S. 4 StVollzG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Sie folgt insoweit voll umfänglich der Begründung der angefochtenen Entscheidung in Gestalt der aktuellen Stellungnahme in diesem Verfahren.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG.
20Die Entscheidung betreffend den Streitwert beruht auf den §§ 65 S. 1, 60 Hs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer bestimmt ihn nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus dem Antrag des Antragstellers ergibt.
21Gegen diese Entscheidung ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des beigefügten Formblatts statthaft.
22C | |||
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Referenzen
- § 14 SVVollzG 5x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 84 Durchsuchung 1x
- StGB § 123 Hausfriedensbruch 1x
- StVollzG § 2 Aufgaben des Vollzuges 1x
- §§ 18 f., 82, 84 StVollzG 1x (nicht zugeordnet)
- 30 VRs 405/03 1x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 82 Verhaltensvorschriften 1x
- 2 BvR 727/94 1x (nicht zugeordnet)
- § 111 SVVollzG 1x (nicht zugeordnet)
- § 112 Nr. 5 SVVollzG 1x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung 1x
- StVollzG § 3 Gestaltung des Vollzuges 1x
- § 15 Abs. 2 SVVollzG 1x (nicht zugeordnet)
- § 64 Abs. 1 SVVollzG 1x (nicht zugeordnet)
- StVollzG § 115 Gerichtliche Entscheidung 1x