Urteil vom Landgericht Aachen - 12 O 178/14
Tenor
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 247.497,50 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 213.709,78 Euro seit 19.12.2013 sowie aus weiteren 33.787,72 Euro seit 20.01.2014 zu zahlen, der Beklagte zu 1 beschränkt auf die Leistung aus dessen Entschädigungsforderung gegen den Versicherer der Gemeinschuldnerin, die B2, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. W, L1str., N (Schaden-Nr. XXXXXXX).
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin über Ziffer 1. hinaus sämtliche weiteren gemäß § 110 SGB VII erstattungsfähigen Kosten zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der sich am 29.07.2010 in T1 ereignete und bei dem ihr Versicherter T2, geb. am XX.XX.XXXX, schwer verletzt wurde, der Beklagte zu 1 beschränkt auf die Leistung aus dessen Entschädigungsforderung gegen den Versicherer der Gemeinschuldnerin, die B2, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. W, L1str. , N (Schaden-Nr. XXXXXXX).
3.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist gesetzlicher Unfallversicherer der X1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist und für die der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt ist. Sie nimmt die Beklagten auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls des bei ihr versicherten Verletzten T2 entstanden sind. Sie begehrt außerdem die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der durch den Arbeitsunfall verursachten künftigen Aufwendungen.
3Am 29.07.2010 hatte die Firma X1 den Auftrag, auf dem Dach der Reithalle T3 in T4, Cstraße, eine Solaranlage zu installieren. Zu diesem Zweck befanden sich der Zeuge T2 und weitere Mitarbeiter der Firma auf dem Dach der Reithalle, welches eine Firsthöhe von ca. 10m und eine Neigung von ca. 15° aufweist. Das Dach ist mit Trapezblechen gedeckt, die etwa alle 5m von ca. 1m breiten Lichtbändern unterbrochen werden, welche beidseits jeweils über das gesamte Dach vom First bis zur Traufkante reichen. Die Lichtbänder bestehen aus nicht trittfesten Platten von ca. 60cm x 250cm.
4Für die zum Unfallzeitpunkt eingesetzten Mitarbeiter der X1 waren in dem vor Ort befindlichen Fahrzeug 3 persönliche Schutzausrüstungen vorhanden. Keiner der Arbeiter hatte jedoch diese Sicherheitsgurte angelegt. Geeignete Anschlagpunkte zur Befestigung der Gurte waren auf dem Dach nicht vorhanden. Ein Gerüst war nicht aufgestellt. Ein Sicherheitsnetz war ebenfalls nicht aufgespannt. Auf den Lichtplatten waren keine lastverteilenden Beläge, Laufstege oder sonstige Einrichtungen zur Verhinderung von Abstürzen angebracht.
5Gegen 13:00 Uhr stürzte der Zeuge T2, der gerade mit Arbeiten knapp unterhalb des Firsts beschäftigt war, aus einer Höhe von ca. 8m mit dem Hinterkopf auf den Boden der Reithalle, nachdem er zuvor versehentlich rücklings auf eine Lichtleistenplatte getreten und diese unter seinem Gewicht zerbrochen war. Er erlitt hierdurch ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit rechts frontaler Kontusionsblutung, eine Schädelbasisfraktur mit Einstrahlung in den Carotiskanal rechts, eine Mehrfragmentfraktur der Schädelkalotte, eine distale Radiusfraktur rechts mit Gelenkbeteiligung sowie ein kleines subcapsuläres Milzhämatom. Er befand sich vom 29.07.2010 bis zum 02.09.2010 in der neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums B1, wo er mehrfach operiert wurde. Im Anschluss absolvierte er eine mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahme. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit wird voraussichtlich dauerhaft verbleiben.
6Der Klägerin als Sozialversicherungsträgerin sind aufgrund des Unfalls Aufwendungen für den Verletzten entstanden in Höhe von bislang insgesamt 247.497,50 Euro. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kostenaufstellungen Anlagen K6 und K7 sowie die zu den Akten gereichten Einzelbelege (Anlagenkonvolute K6a und K7a) Bezug genommen. Zudem wird der Verletzte voraussichtlich lebenslang eine Verletztenrente von der Klägerin erhalten.
7Eine bei der Firma X1 formulierte Sicherheitsanweisung, auf die jeder Mitarbeiter verpflichtet wurde, lautet:
8„Unser oberstes Gebot lautet: X1 will keine Arbeitsunfälle! Die Sicherheit unserer Mitarbeiter wird großgeschrieben. Bei Schrägdächern erfolgen Montagen grundsätzlich nur mit Gerüst. Ist dies nicht möglich, ist die Montage ausschließlich mit angelegter PSA (persönliche Schutzausrüstung) auszuführen. Auch bei aufgestelltem Gerüst hat der Monteur die PSA anzulegen, wenn er näher als 1,50 m an einem Giebel des Daches arbeiten muss. Die UVV sind einzuhalten. Sollte etwas fehlen, wird Herr N angesprochen. Den Sicherheitsanordnungen des Baustellenleiters ist Folge zu leisten. Bei Nichtbefolgung ist der Baustellenleiter berechtigt, den Monteur der Baustelle zu verweisen. Im ersten Falle erfolgt eine Abmahnung. Eine Wiederholung führt zu einer fristlosen Kündigung.“
9Zudem hatte der Beklagte zu 2 sämtliche Mitarbeiter vor dem Unfall darauf hingewiesen, nicht auf die Lichtplatten zu treten.
10Spätestens im Jahr 2008 hatte die Klägerin im Rahmen eines „Bescheids über die berufsgenossenschaftliche Zuständigkeit“ (Anlage K13) erstmals Kontakt zur Vorgängerfirma der Insolvenzschuldnerin, der „X2“, und zum Beklagten zu 2 als deren geschäftsführendem Gesellschafter. Mit Schreiben vom 02.03.2010 unterrichtete die Klägerin die Vorgängerfirma – aus der im April 2010 die X1 hervorging – über Schulungen zur Arbeitssicherheit. Der Beklagte zu 2 buchte hierauf am 16.03.2010 eine entsprechende Schulung am 06.10.2010 in L3.
11Die Klägerin beantragt,
121.
13die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 247.497,50 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 213.709,78 Euro seit 19.12.2013 sowie aus weiteren 33.787,72 Euro seit 20.01.2014 zu zahlen, der Beklagte zu 1 beschränkt auf die Leistung aus dessen Entschädigungsforderung gegen den Versicherer des Gemeinschuldners, die B2, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. W, L1str., N (Schaden-Nr. XXXXXXX).
142.
15festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin über Ziffer 1. hinaus sämtliche weiteren gemäß § 110 SGB VII erstattungsfähigen Kosten zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls gezahlt wurden und noch zu zahlen sein werden, der Beklagte zu 1 beschränkt auf die Leistung aus dessen Entschädigungsforderung gegen den Versicherer des Gemeinschuldners, die B2, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. W, L1str., N (Schaden-Nr. XXXXXXX), der sich am 29.07.2010 in T1 ereignete und bei dem ihr Versicherter T2, geb. am XX.XX.XXXX, schwer verletzt wurde.
16Die Beklagten beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Der Beklagte zu 1 hält die Klage aufgrund vorrangig durchzuführender Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle und wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses für unzulässig. Die Beklagten sind außerdem der Auffassung, ein grob fahrlässiges Verhalten liege nicht vor, insbesondere habe für den Beklagten zu 2 keine Veranlassung bestanden, davon auszugehen, dass die Mitarbeiter auf der Baustelle die vorhandene schriftliche Sicherheitsanweisung nicht befolgten. Hierzu behaupten sie ergänzend, der Zeuge B3 sei als Vorarbeiter auch gesondert verpflichtet worden, „die entsprechenden Anweisungen nochmals baustellenspezifisch an die jeweiligen Mitarbeiter auf der Baustelle“ weiterzugeben. Die Beklagten sind weiterhin der Auffassung, den Verletzten treffe mangels Anlegens der Schutzausrüstung ein anspruchsauschließendes Mitverschulden. Weiterhin habe es der Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung oblegen, die ihr durch Pflichtmitgliedschaft zugewiesenen Unternehmen auf die einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen konkret hinzuweisen. Insofern hätte die Klägerin sie schon früher über entsprechende Schulungsangebote informieren müssen. Ergänzend behaupten sie, bei den zur Auswahl stehenden Schulungsterminen habe es keinen früheren Termin in der Nähe der Betriebsstätte der Beklagten gegeben.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.
21Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf den Beklagten zu 1 bestehen nicht.
22Die Klägerin ist zunächst nicht gemäß § 87 InsO auf den Weg der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle verwiesen. Denn das aus § 110 VVG folgende Recht auf abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer bei Insolvenz des Versicherungsnehmers kann – wie hier geschehen – durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Insolvenzverwalter, beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung, geltend gemacht werden (vgl. BGH VersR 1989, 730).
23Insofern fehlt es, nachdem die Versicherung eine Zahlung endgültig verweigert hat, auch nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
24Im Hinblick auf beide Beklagten sind zudem die Voraussetzungen des § 256 ZPO für das mit dem Klageantrag zu 2 erhobene Feststellungsbegehren erfüllt; insbesondere besteht angesichts der schweren Verletzungsfolgen und der nach der unbestritten gebliebenen Behauptung der Klägerin, wonach der Verletzte voraussichtlich lebenslang eine Verletztenrente von ihr erhalten wird, in jedem Fall die erforderliche Möglichkeit künftiger weiterer Schäden.
25Die Klage ist begründet.
26Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch in voller Höhe aus den §§ 104, 110 Abs. 1, 111 Satz 1 SGB VII gegen die Beklagten als Gesamtschuldner – sowohl im Hinblick auf die bereits durch den streitgegenständlichen Arbeitsunfall entstandenen als auch im Hinblick auf die ihr zukünftig hieraus noch entstehenden Aufwendungen – zu.
27Gemäß § 110 Abs. 1 SGB VII haften Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen (nur) dann, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs.
28Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls liegt vor.
29Grobe Fahrlässigkeit setzt hierbei einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt. Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des haftungsprivilegierten Schädigers im Wege des Rückgriffs nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet (BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13 –, Rn. 7, juris).
30In Anwendung dieser Grundsätze ist nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften schon als ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 110 SGB VII zu werten (BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13 –, Rn. 8, juris). Vielmehr ist auch dann, wenn solche Verstöße gegen Sorgfaltsgebote vorliegen, eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind. So kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13 –, Rn. 8, juris).
31Die im Streitfall einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften für Reparaturarbeiten auf Dächern der BGV C 22 sehen in § 12 Abs. 1 Nr. 4 in erster Linie Absturzsicherungen vor; sofern solche aus arbeitstechnischen Gründen nicht verwendet werden können, müssen gemäß Abs. 2 an deren Stelle Auffangeinrichtungen vorhanden sein. Erst dann, wenn die Verwendung solcher Auffangeinrichtungen unzweckmäßig ist, kann gemäß Abs. 3 auch ein Anseilschutz verwendet werden, wenn für die auszuführenden Arbeiten geeignete Anschlageinrichtungen vorhanden sind. In § 11 ist zudem vorgesehen, dass für Arbeiten auf Bauteilen, die beim Begehen brechen können, besondere Arbeitsplätze und Verkehrswege geschaffen werden müssen. All diese Bestimmungen haben elementare Sicherungspflichten zum Inhalt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befassen.
32Die Beklagten haben jedoch keinerlei Maßnahmen zur Einhaltung dieser Vorschriften ergriffen. Maßnahmen zur Absturzsicherung waren ebenso wenig eingerichtet wie Auffangeinrichtungen. Der im Verhältnis hierzu erst letztrangig zu verwendende Anseilschutz war zwar im Baustellenfahrzeug vorhanden, jedoch nicht angelegt. Insofern lagen auch die Voraussetzungen für einen ausnahmsweisen Einsatz dieser persönlichen Schutzausrüstungen nicht vor, da nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin geeignete Anschlagpunkte nicht vorhanden waren und auch nicht ersichtlich ist, dass Absturzsicherungen nicht verwendet werden konnten und der Einsatz von Auffangeinrichtungen unzweckmäßig gewesen wäre. Schließlich waren über den Lichtplatten auch keine lastverteilenden Beläge oder Laufstege eingerichtet. Die bloße Aufforderung durch den Beklagten zu 2 an die Arbeitnehmer, nicht die Lichtplatten zu betreten, war demgegenüber zur Erfüllung der dargestellten Unfallverhütungsvorschriften ebenso unzureichend, wie die bloß allgemein und pauschal gehaltene „Sicherheitsanweisung“ der X1.
33Die Nichteinhaltung der o.g. Unfallverhütungsvorschriften war auch subjektiv unentschuldbar. Abgesehen davon, dass die dargestellten Verstöße, die sich als Verstöße gegen elementare Sicherungspflichten darstellen, als solche bereits den Schluss auf ein subjektiv gesteigertes Verschulden rechtfertigen, ergibt sich dies darüber hinaus auch daraus, dass der Beklagte zu 2 – der hier gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich war – insofern sämtliche gebotenen Schutzvorrichtungen unterlassen und hierdurch gleich gegen mehrere Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hat. Insofern können sich die Beklagten auch nicht damit entlasten, dass der Vorarbeiter gesondert verpflichtet worden sei, die entsprechenden Anweisungen nochmals baustellenspezifisch an die jeweiligen Mitarbeiter auf der Baustelle“ weiterzugeben. Abgesehen von der fehlenden Substanz dieses Vorbringens behaupten die Beklagten nämlich selbst nicht, dass insofern eine wirksame – schriftliche – Übertragung unter Beachtung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 ArbSchG stattgefunden hätte.
34Soweit sich der Beklagte zu 2 darauf beruft, (mangels entsprechender Schulung durch die Klägerin vor dem Unfall) keine Kenntnis von den geltenden Vorschriften gehabt zu haben, schließt dies die Annahme grober Fahrlässigkeit hier nicht aus. Von den Beklagten sind die Kenntnisse zu fordern, die für die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben notwendig sind. Die fehlende Kenntnis von den zu beachtenden Sicherheitsanforderungen der für die Bauaufsicht zuständigen Beklagten ist ein für die Beurteilung des Verschuldensgrades wesentlicher – zu Lasten der Beklagten gereichender – Umstand (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13 –, Rn. 13, juris).
35Dass der Klägerin infolge des Versicherungsfalls die geltend gemachten Aufwendungen in der behaupteten Höhe entstanden sind, steht – nachdem die Höhe zunächst pauschal von den Beklagten bestritten worden ist, weil die Einzelbelege noch nicht vorgelegt waren – nach Überlassung der Einzelbelege nicht mehr im Streit.
36Ein anspruchsminderndes oder gar anspruchsausschließendes Mitverschulden des Verletzten kommt nicht in Betracht.
37Dieses folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass er unstreitig zum Zeitpunkt des Unfalls keine persönliche Schutzausrüstung trug, obwohl eine solche im Einsatzfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte. Denn – wie von den Beklagten nicht bestritten wird – waren geeignete Anschlagspunkte zur Befestigung der Schutzausrüstung auf dem Dach ohnehin nicht vorhanden. Unabhängig davon hatte aufgrund der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften (vgl. § 12 Abs. 1, 3 BGV C 22 und § 11 BGV C 22) vorrangig eine Sicherung über bauseitige Auffangeinrichtungen bzw. Absturzsicherungen zu erfolgen. Dass solche Einrichtungen unzweckmäßig oder unmöglich gewesen wären - und damit überhaupt ersatzweise eine Sicherung über Sicherungsquote gemäß § 12 Abs. 3 BGV C 22 in Betracht gekommen wäre - war nicht ersichtlich.
38Auch der Umstand, dass der Unfall durch einen (unbestritten) versehentlichen rückwärtigen Fehltritt des Verletzten auf eine Lichtplatte des Daches verursacht wurde, ist nicht geeignet, ein anrechenbares Mitverschulden zu begründen. Eine solche Lichtplatte war in besonderer Weise einsturzgefährdet und deshalb gemäß § 11 BGV C 22 vor dem Betreten zu schützen, gerade um die mit derartigen, niemals auszuschließenden, Fehltritten verbundenen Gefahren zu verhindern. Die Beklagten hatten es jedoch pflichtwidrig unterlassen, diese Lichtplatten durch lastverteilende Belege oder Laufstege abzudecken, so dass sich in dem Sturz des Verletzten gerade die Gefahr realisiert hat, vor der die von den Beklagten zu beachtenden Pflichten den Verletzten hätten schützen sollen. Im Übrigen würde ein sorgfaltswidriges Betreten der Lichtplatte durch den Verletzten auch hinter das grobfahrlässige Verhalten der Beklagten zurücktreten (vgl. OLG Frankfurt. Beschluss vom 29.09.2014 – 11 U 83/14, Bl. 517ff. d.A.).
39Ebenfalls nicht in Betracht kommt ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin selbst. Insofern kann dahinstehen ob der Klägerin überhaupt der Einwand ihres eigenen mitwirkenden Verschuldens entgegengehalten werden kann. Im Verhältnis zwischen Unternehmern einerseits und dem Träger der Unfallversicherung andererseits ist es nämlich Aufgabe des Unternehmers, für den betriebssicheren Zustand seiner Arbeitsvorrichtungen zu sorgen; diese Pflicht wird ihm nicht durch den Versicherungsträger abgenommen (BGH NJW 1974, 860, juris Rz. 15).
40Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, nachdem die Betriebshaftpflichtversicherung in Ausübung ihrer Abwicklungsbefugnis eine Erfüllung der geltend gemachten Forderungen mit Schreiben vom 17.12.2013 (betreffend einen Betrag von 213.709,78 Euro) und vom 16.01.2014 (betreffend einen Betrag von 33.787,72 Euro) endgültig abgelehnt hat.
41Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
42Streitwert: 247.497,50 Euro für den Klageantrag zu 1
4350.000,00 Euro für den Klageantrag zu 2
44Insgesamt: 297.497,50 Euro
45Dr. L2 |
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als Einzelrichter |
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