Beschluss vom Landgericht Arnsberg - 2 KLs-450 Js 587/16-41/18
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgericht C vom 29.10.2018 keine Bindungswirkung entfaltet.
Die Sache wird an das Amtsgericht C – Schöffengericht – zur erneuten Hauptverhandlung zurückverwiesen.
1
Gründe:
2I.
3Die Staatsanwaltschaft B hat unter dem 10.04.2018 Anklage zum Amtsgericht – Schöffengericht – C erhoben. Sie wirft dem Angeklagten im Zeitraum vom 01.03.2014 bis 22.09.2014 in X Untreue in zwei Fällen gemäß §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 2, 53, 73c StGB vor.
4Sie legt dem Angeklagten zur Last:
5Dem Angeklagten war durch umfassende Vollmacht des Zeugen F vom 16.09.2010 u.a. die Vermögenssorge des Geschädigten übertragen. Der Zeuge F leidet unter dem sog. Korsakov-Syndrom und war jedenfalls im Tatzeitraum nicht geschäftsfähig.
6Der Angeklagte richtete bei der E zwei Konten ein. Inhaber des einen Kontos waren er und der Zeuge F, Inhaber des anderen Kontos war lediglich der Angeklagte. Mit Schreiben vom 10.03.2014 veranlasste der Angeklagte durch ein entsprechendes Anschreiben an die S die Teilauszahlung in Höhe von 200.000 € der Lebensversicherung XX/xxxxxxxxxx/xx des Zeugen F auf das gemeinsame Konto bei der E, IBAN XXxx xxxx xxxx xxxx xxxx xx.
7Am 17.03.2014 wurde durch den Angeklagten ein Betrag in Höhe von 180.000 € von diesem Konto auf das andere Konto der E, dessen Kontoinhaber der Angeklagte ist, IBAN XXxx xxxx xxxx xxxx xx angewiesen.
8(Tat 1)
9Der Angeklagte ist hälftiger Eigentümer des Wohnhauses inklusive Grundstück an der Anschrift D xx in X-A. Dieses Anwesen hatte der Angeklagte gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau gekauft und über Darlehen finanziert.
10Am 05.06.2014 erfolgte die Einzahlung von dem Konto des Angeklagten bei der E XXxx xxxx xxxx xxxx xx in Höhe von 74.498,32 € auf das Konto Nr. xxx/xxxxxxxxxx bei der G. Hierbei handelt es sich um das Konto der Hausfinanzierung des Angeklagten zu dem Anwesen in X-A. Nach dieser Einzahlung und einer zeitgleichen Umschuldung ist die Schuld des Darlehens getilgt.
11(Tat 2)
12Weiterhin kaufte der Angeklagte am 22.09.2014 bei der Autogalerie T in U den Gebrauchtwagen H Xx zum Kaufpreis von 27.900 €. Der Betrag wurde vom Konto des Angeklagten XXxx xxxx xxxx xxxx xx auf das Konto des Autohauses angewiesen.
13Insgesamt nutzte der Angeklagte einen nachweislichen Betrag in Höhe von 102.398,32 € entgegen der Interessen des Zeugen F für sich selbst. Dieser Betrag unterliegt der Einziehung des Wertes von Taterträgen.
14Wegen der aufgeführten Beweismittel und deren Würdigung durch die Staatsanwaltschaft im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen wird auf die Anklageschrift (Bl. 562-569 d.A.) Bezug genommen.
15Das Schöffengericht hat mit Beschluss vom 28.05.2018 (Bl. 578 d.A.) die Anklage unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
16Das Schöffengericht hat am 27.09.2018, 08.10.2018 und 29.10.2018 die Hauptverhandlung durchgeführt. In dieser hat es die frühere Betreuerin N, den Geschädigten F, und die weiteren Zeugen I (Mieterin des Geschädigten), J (Pflegedienstleiter in einer Heimeinrichtung), K (Heimleiterin), M (Heimverwaltung), RA und Notar V, RA Y (Betreuer seit 31.03.2016) und Z (Bekannter des Geschädigten und des Angeklagten) geladen sowie hinsichtlich einer Vielzahl von Urkunden ein Selbstleseverfahren durchgeführt.
17Zur Hauptverhandlung am 29.10.2018 waren noch einmal der Zeuge RA Y sowie die Zeugin L (die frühere, notariell Vorsorgebevollmächtigte) geladen.
18Ferner hat an der Hauptverhandlung der psychiatrische Sachverständige Dr. W teilgenommen, der vorbereitend mit der Erstattung eines Gutachtens zur Geschäftsfähigkeit des Zeugen F beauftragt worden war. Die Erstattung eines Gutachtens in der Hauptverhandlung ist nicht angeordnet worden.
19Wegen des Stands der Beweisaufnahme und der Einzelheiten wird auf die amtsgerichtlichen Sitzungsniederschriften vom 27.09.2018 (Bl. 776 ff. d.A.), 08.10.2018 (Bl. 789 ff. d.A.) und 29.10.2018 (Bl. 887 ff. d.A.) Bezug genommen.
20Das Amtsgericht hat die Hauptverhandlung mit Beschluss vom 29.10.2018 ausgesetzt und die Sache gemäß § 270 Abs. 1 StPO an die Kammer verwiesen.
21Zur Begründung hat es ausgeführt, es komme ein höhere Straferwartung als vier Jahre in Betracht, so dass die Strafgewalt des Amtsgerichts überschritten sei. Wegen der näheren Begründung wird auf die in das Sitzungsprotokoll vom 29.10.2018 aufgenommenen Gründe verwiesen.
22II.
23Der Verweisungsbeschluss des Schöffengerichts vom 31.10.2018 ist ausnahmsweise nicht bindend.
24Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens und erfolgtem Beginn der Hauptverhandlung darf die Sache wegen unzureichender Strafgewalt erst dann an eine Gericht höherer Ordnung verwiesen werden, wenn das untere Gericht durch den Gang der Hauptverhandlung zu der sicheren Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte schuldig ist, und der dem Gericht zur Verfügung stehende Strafrahmen nicht ausreicht, um die Straftat angemessen zu ahnden (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.09.2011, 3 Ws 912/11, BeckRS 2013, 22725; OLG Köln, Beschluss vom 12.11.2008, 2 Ws 488/08, NStZ-RR 2009, 117, 118). Dabei muss sich die Straferwartung bei veränderter Sach- und Rechtslage soweit verfestigt haben, dass nicht mehr zur erwarten ist, eine mildere Beurteilung werde noch eine Strafe im Rahmen seiner Strafgewalt als ausreichend erscheinen lassen, (OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.11.203, 2 Ws 610/13, BeckRS 2013, 20109). Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sach- und Rechtslage sind auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist, (BGH, Beschluss vom 06.10.2016, 2 StR 330/16, NJW 2017, 280, 281).
25Dem Verweisungsbeschluss lässt sich schon nicht entnehmen, wie das Schöffengericht zu der sicheren Überzeugung gelangt ist, im Schuldspruch zu „einem Fall der Untreue begangen am 17.03.2014 durch Anweisung von 180.000 Euro vom Konto des Zeugen F aus das Konto des Angeklagten P“ zu gelangen. Der Beschluss enthält keinerlei Angaben dazu, welchen Sachverhalt das Schöffengericht seiner Bewertung zugrunde legt, und warum unter Würdigung der erhobenen Beweise es diesen für festgestellt erachtet, zumal es von einer „vorläufigen Bewertung“ spricht.
26In dem folgenden „rechtlichen“ Hinweis beschränkt sich das Schöffengericht darauf, auszuführen, dass es davon ausgehe, dass die fragliche Vollmacht, die vom Geschädigten herrühren soll, erst nach Februar 2013 erstellt worden sein könne und auf den 16.09.2010 zurückdatiert worden sei. Zweifel daran, dass die Vollmacht bereits 2010 ausgestellt worden sein sollte, hatte jedoch, worauf auch die Verteidigung zu Recht hinweist, bereits die Staatsanwaltschaft in der zugelassenen Anklageschrift unter Würdigung der Aussagen des Zeugen F im Ermittlungsverfahren geäußert. Insoweit handelt es sich nicht um einen neuen, erst in der Hauptverhandlung hinzugetretenen tatsächlichen Umstand.
27Nach Auffassung der Kammer lässt sich die Schuld des Angeklagten aufgrund des Stands der Hauptverhandlung bei Aussetzung und Vorlage an die Kammer nicht sicher feststellen.
28Es ist nicht geklärt, worauf sich die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten für den Zeugen F gründet. Insoweit kommt einerseits in Betracht, dass die fragliche Vollmacht entweder – wenn auch erst ab Ende Februar 2013 – vom Zeugen F wirksam erteilt worden sein könnte, oder die Vollmachtserteilung aufgrund in diesem Zeitpunkt bestehender Geschäftsunfähigkeit des Zeugen unwirksam gewesen sein könnte. In diesem Fall kann die Vermögensbetreuungspflicht beim Treubruchstatbestand auf einem tatsächlichen Treueverhältnis basieren, das sich aus zivilrechtlich unwirksamen Betreuungsverhältnissen, bei denen ungeachtet der zivilrechtlichen Wirksamkeitsmängel ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über fremdes Vermögen entstanden ist, ergeben kann.
29In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass das Schöffengericht mit Beschluss vom 19.07.2018 (Bl. 648 d.A.) zur Vorbereitung der Hauptverhandlung den Sachverständigen Dr. W mit der Erstellung eines Gutachtens zur Geschäftsfähigkeit beauftragt hat. Der Sachverständige hat der bisher durchgeführten Beweisaufnahme zwar beigewohnt, ein Gutachten aber nicht erstattet.
30Darüber hinaus beschäftigt sich das Amtsgericht nicht mit der Frage, ob der Zeuge F sein Einverständnis zu den vorgeworfenen Vermögensverfügungen erklärt hat, wozu dessen mutmaßliches Schreiben vom 05.02.2014 (Bl. 604 d.A.), welches dem Zeugen auch in seiner Vernehmung vorgehalten worden ist, Anlass gibt. Auch insoweit wäre der Sachverständige Dr. W in der Hauptverhandlung zu befragen, ob der Zeuge im Februar und März 2014 in der Lage war, die Tragweite seiner rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu erfassen und seinen Willen frei zu betätigen.
31Ein Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Vermögensinhaber mit dem Geschäft einverstanden ist. Das Einverständnis schließt den Tatbestand aus und ist nicht erst Rechtfertigungsgrund. Es erweitert den Bereich des rechtlichen Dürfens. Ein Geschäft, das mit Zustimmung des Geschäftsherrn vorgenommen wird, beinhaltet keinen Missbrauch der eingeräumten Befugnis.
32Nach Auffassung der Kammer sind seit der Eröffnungsentscheidung keine Umstände hinzugetreten oder so wesentlich verändert, dass nunmehr die Strafgewalt des Schöffengerichts von bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe nicht ausreichen würde, um das vom Anklagevorwurf umfasst Geschehen zu ahnden.
33Die vom Amtsgericht als Pflichtverletzung angesehene Überweisung eines Betrags von 180.000,- Euro von einem gemeinschaftlichen Konto auf ein Konto des Angeklagten ist Gegenstand des konkreten Anklagesatzes und damit der prozessualen Tat. Jedenfalls hinsichtlich darüber hinaus gehender Beträge, deren Verwendung im Ermittlungsverfahren nicht völlig aufgeklärt werden konnte, hat die Staatsanwaltschaft in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens den Anklagevorwurf beschränkt. Diese Beschränkung ergibt sich aus der Abschlussverfügung und war damit dem Schöffengericht bei Zulassung der Anklage ebenfalls bekannt.
34Es ist nicht ersichtlich, warum ein Schadensbetrag in Höhe von 180.000,- Euro statt etwa 102.000,- Euro, dessen Annahme derselbe, unveränderte Lebenssachverhalt zugrunde liegt, die Überschreitung der Strafgewalt des Amtsgerichts auslösen soll. Schon bei einem Betrag von 102.000,- Euro handelt es sich um einen Vermögensverlust großen Ausmaßes im Sinne von § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Die als insoweit strafschärfend erachtete Rückdatierung der Vollmacht hatte das Gericht bereits in seine Eröffnungsentscheidung einbezogen. Weitere Strafzumessungserwägungen stellt das Schöffengericht nicht an. Der Angeklagte ist bislang nicht vorbestraft.
35Zudem lässt das Amtsgericht unberücksichtigt, dass es in seiner rechtlichen Bewertung abweichend von der Anklageschrift nur noch von einer einheitlichen Tat ausgeht, für die eine Strafe zu bestimmen ist, während aufgrund der rechtlichen Bewertung der Anklageschrift zwei Untreuehandlungen mit Einzelschäden in Höhe 74.498,32 Euro und 27.900,- Euro zu ahnden und hieraus eine Gesamtstrafe zu bilden wäre.
36Die Zuständigkeit der Großen Strafkammer ist nicht unverzichtbar.
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