Beschluss vom Landgericht Arnsberg - 3 Ns-110 Js 1471/21-92/22
Tenor
Das Verfahren wird unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Schmallenberg vom 27.04.2022 eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
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Gründe:
2Die Einstellung des Verfahrens beruht auf § 206a Abs. 1 StPO.
3Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass es an der Verfahrensvoraussetzung eines Eröffnungsbeschlusses fehlt. Denn insoweit steht ein vom zuständigen Richter nicht unterzeichneter Strafbefehl einem fehlenden Eröffnungsbeschluss gleich.
4Das Fehlen der Unterschrift ist ein wesentlicher Mangel, der einen Strafbefehl nicht wirksam werden lässt. Nach Auffassung der Kammer kommt es nicht darauf an, ob aus den Akten festgestellt werden kann, dass dennoch eine der Willensäußerung des Richters entsprechende Entscheidung vorliegt (zum Meinungsstand vgl. Meyer-Goßer/Schmitt, StPO, § 409, RN 13; KK-StPO, § 409 Rn. 13-15). Denn das Erfordernis der Unterzeichnung kann nicht anhand von Umständen aus der Akte, wie beispielsweise eines Namenskürzels bei der Begleitverfügung, fingiert werden. Insoweit ist anerkannt, dass die fehlende Unterzeichnung einer Urteilsurkunde (§ 275 Abs. 2 StPO) nicht durch eine von dem erkennenden Richter unterzeichnete gesonderte Verfügung (der Zustellung) ersetzt werden kann (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19. 7. 2011 - 1 RVs 166/11). Ähnlich wie bei einer Urteilsurkunde kann auch bei einem Strafbefehl nur durch die Unterzeichnung dokumentiert werden, dass der Richter die Verantwortung für den Inhalt des – gemäß § 408 Abs. 3 StPO nicht von ihm herrührenden – Schriftstücks übernehmen wollte. Die vergleichende Betrachtung wird durch § 410 Abs. 3 StPO gestützt.
5Das Amtsgericht hat das Verfahrenshindernis bei Urteilserlass offenbar übersehen, so dass die Einstellung des Verfahrens durch das Berufungsgericht zugleich die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge hat (vgl. OLG Koblenz, NZV 2010, 368). Die Einstellung steht einer neuen Anklageerhebung jedoch nicht entgegen.
6Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
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Referenzen
- 1 RVs 166/11 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 408 Richterliche Entscheidung über einen Strafbefehlsantrag 1x
- StPO § 410 Einspruch; Form und Frist des Einspruchs; Rechtskraft 1x
- StPO § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis 1x
- StPO § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils 1x
- StPO § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung 1x