Beschluss vom Landgericht Bonn - 6 OH 7/14
Tenor
Die Kostenrechnung des Notars M2 aus S vom 17.06.2014 – Rechnungs-Nr.: $####### – wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin werden der Staatskasse auferlegt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragsstellerin wandte sich an das Notariat des Antragsgegners wegen einer möglichen schenkungsweisen Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an einer Doppelhaushälfte an ihren Sohn. Sie besprach die Angelegenheit in den Räumlichkeiten des Notariats am 09.04.2014 (nach Vortrag der Antragsstellerin) oder am 10.04.2014 (nach Vortrag des Antragsgegners) mit der Mitarbeiterin des Antragsgegners, Frau C (nach Vortrag des Antragsgegners), oder mit der Mitarbeiterin des Antragsgegners, Frau M (nach Vortrag der Antragsstellerin). Die Antragsstellerin übergab der Mitarbeiterin des Antragsgegners in diesem Gespräch ein Dokument, aus welchem sich der Einheitswert des Grundbesitzes ergab; hiervon fertigte die Mitarbeiterin eine Kopie für das Notariat. Der nähere Inhalt des Gesprächs und des Auftrags der Antragsstellerin ist streitig. Während die Antragsstellerin behauptet, dass sie lediglich um eine Auskunft gebeten habe, welche Übertragungskosten im Falle eines Wertes des Grundstücks in Höhe des bekannten Einheitswertes anfallen würden, behauptet der Antragsgegner, dass die Antragsstellerin erkennbar um eine nähere Beratung hinsichtlich der Übertragung aufgesucht habe, wobei zwar kein Entwurfs- oder gar Beurkundungsauftrag erteilt worden sei, aber das Anliegen der Antragsstellerin so zu verstehen gewesen sei, dass sie eine Beratung gewünscht habe, die u.A. auch die Einholung eines Grundbuchsauszugs notwendig gemacht habe.
4Nach Sichtung des über das Gespräch von Frau C2 angefertigten Vermerks beauftragte der Antragsgegner seine Mitarbeiterin, Frau M, am 10.04.2014, das elektronische Grundbuch zu dem Objekt einzusehen, was diese auch tat. Am 11.04.2014 führte Frau M im Auftrag des Antragsgegners ein Gespräch mit der Antragsstellerin, in welchem u.A. Fragen der Absicherung bzw. Gegenleistung einer etwaigen Schenkung von Frau M thematisiert wurden. Hierzu behauptet die Antragsstellerin, es sei ihr zu diesem Zeitpunkt – erkennbar – immer noch zunächst um eine grobe Mitteilung der zu erwartenden Kosten – auf Basis des mitgeteilten Einheitswerts – gegangen und nicht um eine bereits detaillierte Beratung. Der Antragsgegner bat die Antragsstellerin bzw. ihren Sohn am 14.04.2014 um Angaben zum Verkehrswert des in Rede stehenden Grundbesitzes und führte aus, dass er auf dieser Grundlage dann eine Gebührenschätzung über die Notar- und Gerichtsgebühren abgeben könne (Bl. ## d.A.).
5Die Antragsstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner sie auf etwaig entstehende Kosten durch eine etwaige Beratung hätte hinweisen müssen.
6Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass der Begriff der Beratung weit zu verstehen sei und jede Kommunikation mit dem Ziel, ein Problem oder eine Aufgabe zu lösen oder zu dessen Lösung beizutragen, von KV-GNotKG Nr. 24200 umfasst sei. Auch die Höhe der Notargebühren könne ein tauglicher Beratungsgegenstand in diesem Sinne sein, zumal es auf den Verkehrswert angekommen wäre, der zu ermitteln bzw. zu schätzen gewesen wäre.
7II.
8Der zulässige Antrag gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GNotKG ist begründet.
9Die Kostenrechnung des Antragsgegners ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen des Gebührentatbestands von KV-GNotKG Nr. 24200 (und auch von KV-GNotKG Nr. 21301) nicht vorliegen. Auch die Auslagen (Grundbucheinsicht, Post- und Telekommunikationspauschale) sind nicht ansatzfähig, da diese nicht erforderlich waren.
10Voraussetzung einer gemäß KV-GNotKG Nr. 24200 abrechenbaren Beratungstätigkeit ist eine Beratung durch den Notar selber, worauf die Bezirksrevisorin zu Recht hinweist (S. 6 der Stellungnahme vom 14.08.2014, Bl. ## d.A.). Beratungsgebühren entstehen nur bei Beratung durch den Notar. Beraten Mitarbeiter des Notars, entsteht dafür keine Gebühr (Fackelmann, Notarkosten nach dem neuen GNotKG, 1. Auflage, Rn. 282). Dies gilt gleichermaßen für KV-GNotKG Nr. 24200, als auch für KV-GNotKG Nr. 21301. Für KV-GNotKG Nr. 21301 ergibt sich dies schon aus dem klaren Wortlaut „hat der Notar persönlich oder schriftlich beraten“. Aber auch für KV-GNotKG Nr. 24200 gilt nach der zutreffenden Auffassung von Fackelmann dasselbe (vgl. auch ähnlich: „Streifzug durch das GNotKG, 10. Auflage, Rn. 256: „wird der Notar auschließlich beratend tätig“). Nach dem eigenen Sachvortrag des Antragsgegners erfolgte eine Beratung der Antragsstellerin allenfalls durch seine Mitarbeiterin Frau M bzw. Frau C, nicht aber durch den Antragsgegner selber. Der einzige Kontakt zwischen dem Antragsgegner selber und der Antragsstellerin war auch nach dem eigenen Sachvortrag des Antragsgegners die e-mail vom 22.04.2014, womit der Antragsgegner um Angaben zwecks Schätzung des Verkehrswerts des Objekts bat. Diese Anfrage beinhaltete keine Beratung i.S.v. KV-GNotKG Nr. 24200. Soweit die Rechtsansicht des Antragsgegners dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der insoweit erteilte Hinweis, dass für die Berechnung der Notar- und Gerichtsgebühren der Verkehrswert des etwaig zu übertragenen Grundbesitzes maßgeblich sei, eine gebührenpflichtige Beratung darstelle, ist dem nicht zu folgen. Eine kostenpflichtige Beratungsleistung ist nicht schon darunter zu verstehen, dass der Notar bloße Informationen bzw. Auskünfte zu allgemeinen Rechtsfragen gibt. Derartige Tätigkeiten hat der Notar als Organ der Rechtspflege grundsätzlich kostenfrei zu erbringen. Eine Beratung setzt vielmehr eine individuelle Auseinandersetzung mit einem konkreten Sachverhalt voraus (Streifzug durch das GNotKG, 10. Auflage, Rn. 237). Der Hinweis des Antragsgegners darauf, dass die Notar- und Gerichtsgebühren nach dem Verkehrswert des zu übertragenden Grundbesitzes berechnet werden, ist allgemeiner Natur und stellt keine individuelle Auseinandersetzung mit einem konkreten Sachverhalt dar. Folglich löste auch dieser Hinweis keine Gebühr gemäß KV-GNotKG Nr. 24200 aus. Eine gebührenpflichtige Beratungsleistung des Antragsgegners liegt damit nach seinem eigenen Sachvortrag nicht vor.
11Ohne dass es noch darauf ankäme, ist darauf hinzuweisen, dass Einiges dafür spricht, dass zudem auch schon kein hinreichender Auftrag für eine isolierte Beratung i.S.v. KV-GNotKG Nr. 24200 vorgelegen haben dürfte. Zutreffend geht der Antragsgegner im Grundsatz zwar davon aus, dass entscheidend ist, ob seine Mitarbeiter die Äußerungen und das Anliegen der Antragsstellerin nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157, 242 BGB analog, vgl. Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, 1. Auflage, KV Nr. 24200, Rn. 23) so verstehen durften und mussten, dass eine isolierte Beratung gewollt war und dass hierfür ggf. die Einholung eines Grundbuchauszugs und die Ermittlung bzw. Schätzung des Verkehrswerts notwendig waren. Aber es spricht nach dem beiderseitigen Sachvortrag Einiges dafür, dass die Antragsstellerin bei dem ersten Gespräch hinreichend deutlich machte, dass sie zunächst nur eine allgemeine Auskunft darüber begehrte, in welcher Höhe Notar- und Gerichtsgebühren für die Übertragung des Grundbesitzes anfallen würden, auf der Basis, dass der Einheitswert entsprechend des übergebenen Schriftstücks als zutreffender Verkehrswert zu unterstellen ist. Die Antragsstellerin argumentiert durchaus nachvollziehbar damit, dass sie dieses Dokument übergab, weil sie auf dieser Basis eine Auskunft begehrte und dass es auch kaum nachvollziehbar ist, warum dieses Dokument von der Mitarbeiterin des Antragsgegners kopiert wurde, wenn es von vornherein unerheblich gewesen sein sollte für die Bearbeitung des Anliegens der Antragsstellerin. Es ist nicht zu beanstanden und durchaus sachgerecht, dass der Notar bzw. seine Mitarbeiter im Falle eines solchen Anliegens darauf hinweisen, dass die Kosten tatsächlich sachgerecht nur auf Basis des geschätzten Verkehrswerts ermittelt werden können (wie dies mit e-mail vom 14.04.2014 geschah), aber maßgeblich wäre zunächst der erteilte Auftrag. Es steht allein dem Auftraggeber zu, seinen Auftrag zu ändern und nicht dem Auftragnehmer, den Auftrag nach eigenem Gutdünken zu interpretieren, jedenfalls nicht, wenn in der einen Variante Kostenfreiheit und in der anderen Variante Kostenpflichtigkeit besteht – wie hier der Fall wäre. Es ist auch durchaus plausibel, dass die Antragsstellerin zunächst nur eine einfache Auskunft auf Basis des Einheitswerts haben wollte, um eine „grobe Richtschnur“ zu erhalten – in Kenntnis bzw. Erwartung dessen, dass die tatsächlichen Kosten nicht unerheblich höher sein würden. Sofern der erteilte Auftrag sich nur darauf erstreckt haben sollte, dass um Auskunft über die hypothetischen Notar- und Gerichtskosten auf Basis des Einheitswerts als Verkehrswert nachgesucht wurde, wäre hierfür keine Gebühr gemäß KV-GNotKG Nr. 24200 angefallen, weil dies eine allgemeine Information ohne hinreichend individuelle Auseinandersetzung mit einem konkreten Sachverhalt dargestellt hätte (s.o.). Die telefonischen Hinweise von Frau M (Nießbrauch/Wohnungsrecht/Rückübertragungsvorbehalt) wären jedenfalls nicht vom erteilten Auftrag umfasst gewesen, soweit sich der Auftrag nur auf eine Auskunft über die zu erwartenden Notar- und Gerichtskosten (sei es auf Basis des Einheitswerts oder auf Basis des Verkehrswerts) bezogen haben sollte.
12Für die Erteilung einer Auskunft über die Höhe der Notar- und Gerichtskosten auf Basis des Verkehrswerts (und erst recht auf Basis des Einheitswerts) war die Einholung eines Grundbuchauszugs nicht erforderlich und damit auch nicht konkludent beauftragt. Ein solcher wäre allenfalls im Rahmen eines Entwurfsauftrags erforderlich gewesen (womit dann nach den zutreffenden Ausführungen der Bezirksrevisorin nicht die Gebühr KV-GNotKG Nr. 24200, sondern KV-GNotKG Nr. 21301 einschlägig gewesen wäre), der auch nach dem eigenen Sachvortrag des Antragsgegners nicht vorlag.
13Mangels überhaupt einschlägigen Gebührentatbestands ist auch die Post- und Telekommunikationspauschale nicht ansatzfähig.
14Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
15Die etwaigen außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin sind nach billigem Ermessen der Staatkasse aufzuerlegen (§ 130 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 GNotKG, § 81 Abs. 1 u. 2 FamFG).
16Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst, da keine Gerichtsgebühr anfällt.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen diesen Beschluss ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
19Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
20Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Frist von einem Monat bei dem Landgericht Bonn eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
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Referenzen
- § 127 Abs. 1 S. 1 GNotKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 130 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 GNotKG 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x