Beschluss vom Landgericht Bonn - 5 T 94/20
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 17.11.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 28.10.2020 – 103 C 103/20 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf bis € 2.000,00 festgesetzt.
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Gründe:
2Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 17.11.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 28.10.2020 ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
3Nach dem die Parteien den Rechtsstreit beim Amtsgericht übereinstimmend für erledigt erklärten haben, war gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Dabei waren die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, da ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich er in dem Rechtsstreit unterlegen gewesen wäre und keine sonstigen Umstände ersichtlich sind, die es zu rechtfertigen vermochten, trotz seiner Erfolgsaussichten ausnahmsweise dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
4Zu Recht hat das Amtsgericht den Duldungsanspruch des Klägers auf § 24 NachbG NRW gestützt. Das in dieser Vorschrift geregelte Hammerschlags- und Leiterrecht gibt dem Berechtigten die Befugnis, bestimmte Arbeiten an den auf seinem Grundstück stehenden Baulichkeiten unter den in dem Nachbarrechtsgesetz genannten Voraussetzungen von dem Nachbargrundstück aus durchzuführen. Dabei ist die Befugnis in § 24 NachbG NRW auf Bau- und Instandsetzungsarbeiten beschränkt. Der Bundesgerichtshof hat diesbezüglich in einer Entscheidung vom 14.12.2012 (V ZR 49/12 = juris Rn. 7 mwN) ausgeführt, dass Instandsetzungsarbeiten zur Beseitigung von Schäden notwendig müssen sein. Auch Unterhaltungsarbeiten, die den Eintritt von Schäden vermeiden und die Baulichkeiten in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten sollen gehören nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs dazu, ebenso Maßnahmen, die dazu führen, dass die Baulichkeiten in einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand versetzt werden, z.B. durch das Anbringen einer Wärmedämmung. Reine Verschönerungsmaßnahmen, bei denen lediglich das Aussehen der Baulichkeit verändert wird, ohne dass dafür eine objektive Notwendigkeit besteht, seien dagegen keine Instandhaltungsarbeiten im Sinne der Vorschrift. Der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer solchen Veränderung rechtfertigte nicht den Eingriff in das von der Rechtsordnung besonders geschützte Eigentums- bzw. Besitzrecht (§ 862 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB) des Grundstücksnachbarn. Die dem Grundstücksnachbarn durch das Hammerschlags- und Leiterrecht auferlegte Duldungspflicht wird nicht erst durch die in den Landesnachbarrechtsgesetzen aufgeführten besonderen Voraussetzungen begrenzt, sondern bereits dadurch, dass sie nur bei bestimmten Arbeiten, nämlich nur solchen, zu deren Vornahme der Nachbar gegenüber dem Eigentümer berechtigt ist. besteht (Vgl. BGH, Urteil v. 28.01.2011, V ZR 147/10 = juris Rn. 28 mwN). Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger die Duldung des Betretens des Nachbargrundstücks durch ihn im Beisein des - in einem nicht zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtstreits geführten selbstständigen Beweisverfahrens - gerichtlich bestellten Sachverständigen nebst Mitarbeitern, einer weiter hinzugezogenen Sachverständigen nebst Mitarbeitern, den Prozessbevollmächtigten und der Antragsgegner des Verfahrens für die Dauer von 2 Stunden zum Zwecke der Durchführung von Feststellungen hinsichtlich des Bestehens von Mängeln (Schallschutz) an dem klägerischen Gebäude. Zwar handelt es sich bei diesen Feststellungen nicht um Bau- und Instandsetzungsarbeiten, denn sie dienen als Vorbereitungshandlung dazu, das Vorhandensein von Schäden bzw. den nicht den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand des Bauwerks zu dokumentieren und zu überprüfen, welche Baumaßnahmen im Falle der Feststellung von Mängeln erforderlich und möglich sind, um diese zu beheben. Diese Vorbereitungshandlungen einer Bau- bzw. Instandsetzungsmaßnahme müssen aber nach Sinn und Zweck der Norm, die letztendlich eine Ausprägung des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses darstellt, nach Auffassung der Kammer als Minus erfasst sein (Vgl. auch zu Maßnahmen zur Vorbeugung eines Schadenseintritts, LG Dortmund, Urteil v. 02.02.1989 = juris). Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige gegebenenfalls in seinem Gutachten zu der Feststellung gelangt, dass solche Maßnahmen nicht erforderlich sind, weil keine Mängel bzw. Schäden festgestellt werden konnten.
5Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Amtsgericht auch zu Recht in dem angefochtenen Beschluss daraufhin gewiesen, dass der Anspruch aus § 24 NachbG folgende Duldungsanspruch nicht nur gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks, sondern auch nach dessen Wortlaut in Abs. 1 S. 1 gegenüber den Nutzungsberechtigten besteht. Nutzungsberechtigt im Sinne dieser Bestimmung ist grundsätzlich jeder, dem ein schuldrechtliches oder dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück, gegen welches sich der Duldungsanspruch richtet, zusteht (AG Remscheid, Urteil v. 30.05.2011, 8 C 176/10 = juris Rn. 53 mwN). Dies ist vorliegend aufgrund der unstreitigen Tatsache, dass der Beklagte dort einen Betrieb betreibt (Auskunft der Gewerbemeldestelle, Bl. ### d.A.), der Fall.
6Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses die Anzeigefrist des § 16 NachbG NRW nicht eingehalten war. Zum einen hat der Kläger unstreitig dem Beklagten mit vorgerichtlichem Schreiben vom 15.07.2020 die entsprechende Anzeige für den 01.09.2020 gegenüber getätigt. Zum anderen ist die Anzeige lediglich Voraussetzung für die Ausübung des Rechts, nicht aber Bedingung des Duldungsanspruchs (BGH, Urteil v. 14.12.2012, aaO = juris Rn. 15). Darauf, dass das Versäumnisurteil dem Beklagten nicht an dessen Wohnort, sondern an dessen Betriebsstätte, persönlich zugestellt (§ 177 ZPO) worden ist, kommt es daher nicht an.
7Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer es billig erscheint, dem Kläger trotz seiner Erfolgsaussichten bei der Rechtsverfolgung, die Kosten des Rechtsstreits ausnahmsweise aufzuerlegen. Solche Umstände ergeben sich insbesondere nicht aus § 144 ZPO. Denn das Prozessgericht des von dem Kläger eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens, an dem der Beklagte als Dritter nicht beteiligt ist, hätte diesem gegenüber gemäß § 144 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 ZPO nicht selbst die Duldung des Betretens des unter den Begriff der Wohnung, der sich an dem Wohnungsbegriff des Art. 13 GG orientiert (BGH, Beschluss v.16.05.2013, VII ZB 61/12 = juris Rn. 7 f. mwN), zu subsumierenden Grundstücks des Beklagten anordnen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit bereits 1987 entscheiden, dass Art. 13 GG auf das behördliche Betreten und Besichtigen von Wohnungen anzuwenden ist und für das Betreten durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen im Rahmen einer zivilprozessualen Beweiserhebung nichts anderes gelten kann (BVerfG, Beschluss v. 05.05.1987, 1 BvR 1113/85 = juris Rn. 24).
8Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
9Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
10Der Streitwert der sofortigen Beschwerde wird in Anwendung von § 3 ZPO nach dem Kosteninteresse des Beklagten bemessen.
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Referenzen
- ZPO § 144 Augenschein; Sachverständige 2x
- VII ZB 61/12 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 49/12 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 176/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 24 NachbG 3x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1113/85 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 177 Ort der Zustellung 1x
- ZPO § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache 1x
- V ZR 147/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 16 NachbG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- 103 C 103/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x