Beschluss vom Landgericht Braunschweig (8. Große Strafkammer) - 8 Qs 197/14

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 22.09.2014 aufgehoben. Die Pfändung des Guthabens des Kontos Nr. xxx, BLZ xxx, bei der xxx wird in Höhe von 2.795,79 € aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Gegen die Beschwerdeführerin wird bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig unter dem Az. xxx ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Untreue geführt. Die Beschwerdeführerin ist verdächtig, unter missbräuchlicher Ausnutzung einer ihr erteilten Vollmacht in der Zeit vom 17.12.2013 bis zum 16.07.2014 insgesamt 73.500,00 € von dem Konto der 91 Jahre alten Geschädigten abgehoben und für eigene Zwecke verwendet zu haben.

2

Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 15.08.2014 wurde zur Sicherung der der Verletzten entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche und des staatlichen Anspruchs auf Verfall des Wertersatzes der dingliche Arrest in das Vermögen der Beschuldigten in Höhe von 73.500,00 € angeordnet. Dieser dingliche Arrest konnte durch die Pfändung von Bargeld (1.222,00 €) und einiger Schmuckstücke nur zum Teil vollstreckt werden.

3

Mit Beschluss vom 27.08.2014 ordnete das Amtsgericht Braunschweig dann zur Sicherung des der Verletzten aus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Anspruchs den dinglichen Arrest in Höhe von 7.212 € in das Vermögen des Drittbeteiligten xxx als Gesamtschuldner mit der Beschuldigten an, da Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Beschuldigte, die kein eigenes Konto unterhält, das Konto ihres Sohnes xxx mit der Nummer xxx bei der xxx, umfassend nutzt. So gehen z.B. Rentenzahlungen für die Beschuldigte auf dem Konto des Sohnes ein und das Konto wird mit den Abbuchungen für die Wohnungsmiete der Beschuldigten belastet. Auch wurden bei der am 26.08.2014 erfolgten Wohnungsdurchsuchung bei der Beschuldigten u.a. zwei EC-Karten für das Konto mit der Nummer xxx und entsprechende Kontoauszüge aufgefunden. Ebenfalls unter dem 27.08.2014 erging aufgrund des vorgenannten Beschlusses eine entsprechende Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

4

Die Beschuldigte beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.09.2014 die gerichtliche Entscheidung, ihr die Abhebung des jeweiligen Freibetrages (Pfändungsfreigrenze) pro Monat ab dem Monat September 2014 von dem Konto bei der xxx, Kontonr. xxx, zu gestatten. Zur Begründung führt sie aus, dass sie kein eigenes Girokonto besitze und das Girokonto Nr. xxx ihres Sohnes xxx bei der xxx u.a. für Rentenzahlungen nutze. Insoweit habe sie nach dem Tod ihres Ehemannes im September 2014 vom Rentenservice der xxx eine Vorschusszahlung auf die ihr zustehende Witwenrente in Höhe von 2.795,79 € (3 x 931,93 €) erhalten (Bl. 128ff.).

5

Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 22.09.2014 den Antrag der Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung für unzulässig erklärt. Die Beschuldigte sei nicht beschwert, da sich die Vollziehungsmaßnahme nur gegen den Sohn der Beschuldigten richte.

6

Dagegen hat die Beschuldigte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.09.2014 Beschwerde eingelegt, nunmehr mit dem Antrag, ihr zu gestatten, von dem Konto des xxx bei der xxx, Konto-Nr. xxx, BLZ xxx, einen Geldbetrag in dreifacher Höhe des Pfändungsfreibetrages abzuheben. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 26.09.2014 Bezug genommen (Bl. 196 f.).

II.

7

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

8

Das Amtsgericht hat den Antrag der Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung zu Unrecht für unzulässig erklärt.

9

Gem. § 111 f Abs. 5 StPO kann der Betroffene gegen Maßnahmen, die in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Arrestes getroffen werden, jederzeit die Entscheidung des Gerichts beantragen. Dadurch wird klargestellt, dass alle Einwendungen gegen Maßnahmen in Vollziehung des Arrestes im strafprozessualen Rechtsweg erledigt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111 f, Rn. 15). Zuständig für die Entscheidung ist im Ermittlungsverfahren der Ermittlungsrichter (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.), auch dann, wenn es sich der Sache nach - wie hier - um zwangsvollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe handelt (OLG Hamburg, NJW 2008, 1830). Mithin ist auch die Beschuldigte Betroffene i.S.d. § 111 f Abs. 5 StPO.

10

Die Beschwerdeführerin macht zu Recht einen Vollstreckungsschutz für den ihr gezahlten Vorschuss auf die Witwenrente geltend. Im Rahmen der Rückgewinnungshilfe sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über § 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 928 ZPO entsprechend anwendbar.

11

Die Beschwerdeführerin begehrt hier die Aufhebung der Pfändung in Höhe des dreifachen Pfändungsfreibetrages, weil es sich insoweit um einen für sie gezahlten Vorschuss auf die Witwenrente handele, beruft sich also der Sache nach auf den Schutz des § 850 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 i.V.m. §§ 850 c ff. ZPO.

12

Die Beschwerdeführerin kann Vollstreckungsschutz in entsprechender Anwendung des § 765 a ZPO beanspruchen, soweit die Gutschrift des nach § 850 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 850 c ZPO nur bedingt pfändbaren Vorschusses auf die Witwenrente der Beschuldigten durch die Kontopfändung berührt ist.

13

§ 765 a ZPO gilt grundsätzlich neben den übrigen vollstreckungsrechtlichen Schutzvorschriften. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass bei der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall auch die in den gesetzlichen Pfändungsschutzbestimmungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen zu berücksichtigen sind (BGH, Beschl. vom 27.03.2008, VII ZB 32/07, Rn.11, zitiert nach juris).

14

Die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO kommt allerdings nur in Betracht, wenn andere Schutzvorschriften erschöpft sind oder nicht zur Anwendung kommen (OLG Zweibrücken, NJW-RR 2002, 1664). Die Beschwerdeführerin kann vorliegend nicht auf anderem Wege Pfändungsschutz hinsichtlich des gepfändeten Auszahlungsanspruchs erlangen.

15

Insbesondere kann der Beschwerdeführerin durch Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto gem. § 850 k ZPO kein Schutz gewährt werden, weil sie nicht die Inhaberin des gepfändeten Kontos ist und daher auch gegenüber der Drittschuldnerin die Umwandlung nicht erklären kann.

16

Die Pfändung der Gutschrift des Vorschusses auf die Witwenrente der Beschuldigten bedeutet für diese auch unter Würdigung des Schutzinteresses des Gläubigers eine Härte, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ziel des Vollstreckungsschutzes ist es, die Lebensgrundlage des Schuldners zu sichern. Da Erwerbseinkommen und Einkünfte aus Erwerbsersatzeinkommen zumeist unbar gezahlt werden, wurden durch die Neuregelung des § 850 k ZPO (Pfändungsschutzkonto) die Forderungen des Schuldners gegenüber dem Kreditinstitut geschützt. Vorliegend dient das Konto des Sohnes und Gesamtschuldners zu 2) dazu, der Beschuldigten und Gesamtschuldnerin zu 1), die selbst keine Kontoverbindung besitzt, eine banktechnische Abwicklung der zu zahlenden Rente zu ermöglichen.Die Beschuldigte hat mit der Anweisung an den Sozialversicherungsträger, den ihr zustehenden Vorschuss auf die Witwenrente auf das Konto des Sohnes auszuzahlen, keine Verfügung zugunsten eines Dritten getroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Zurverfügungstellung des Kontos um einen Auftrag gem. § 662 BGB mit der Folge, dass der Sohn als Beauftragter gem. § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten an die Beschuldigte verpflichtet ist.

17

Der Gläubiger wird dadurch, dass der gezahlte Vorschuss der Witwenrente von der Pfändung ausgenommen wird, nicht unangemessen benachteiligt. Die Beschuldigte könnte für den gezahlten Vorschuss auf die Witwenrente in voller Höhe Pfändungsschutz nach § 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 928 ZPO i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 850 c ZPO beanspruchen. Durch die Anwendung des § 765 a ZPO wird daher hier einer unzumutbaren Härte entgegengewirkt, die daraus resultiert, dass die Beschuldigte, die auf den betreffenden Betrag existentiell angewiesen ist, über kein eigenes Bankkonto verfügt.

18

Da der im September 2014 für die Monate September, Oktober und November 2014 gezahlte Vorschuss von drei Mal 931,93 € (= 2.795,79 €) jeweils unterhalb des monatlichen Pfändungsfreibetrages von 1.049,99 € liegt, war die Pfändung auch nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Betrages aufzuheben.

III.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

 


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