Beschluss vom Landgericht Braunschweig (8. Zivilkammer) - 8 S 341/15

Gründe

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In dem Rechtsstreit

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beabsichtigt die Kammer die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 26.06.2015, Az.: 119 C 1147/15 durch Urteil zurückzuweisen.

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I. Die Kammer ist der Auffassung, dass die in den zwei Grundsatzentscheidungen des BGH vom 13.05.2014 (Az.: XI ZR 170/13 und XI ZR 405/12 –, BGHZ 201, 168-204.) aufgestellten Grundsätze zur Unzulässigkeit der Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten in AGB in Verbraucherdarlehensverträgen auf Darlehensverträge mit Unternehmern nicht übertragbar sind.

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Hierzu im Einzelnen:

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1. Zunächst ist davon auszugehen, dass bei der gerichtlichen Prüfung von Bearbeitungsentgelten in Darlehensverträgen mit Unternehmern grundsätzlich von vorformulierten Vertragsbedingungen auszugehen sein wird, da auch bei Verträgen mit Unternehmern regelmäßig AGB angenommen werden, sobald die Bank einen vorgedruckten und vorformulierten Text verwendet (vgl. Grüneberg, in Palandt, BGB Kommentar, 73. Aufl.2014, § 305 Rn. 23). Daher wird regelmäßig das Vorliegen einer Individualvereinbarung, auch wenn dieses im Verkehr mit Unternehmern durch lang geführte Vertragsverhandlungen im Vorfeld oft der Fall ist, durch die Banken nicht zu beweisen sein (vgl. hierzu van Bevern/Schmitt: Bearbeitungsentgelte bei gewerblichen Darlehensverträgen – ist die BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherdarlehen übertragbar? BKR 2015, 326).

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2. Weiter geht die Kammer davon aus, dass es sich bei dem Bearbeitungsentgelt in AGB von Unternehmerdarlehensverträgen, um eine der AGB Kontrolle unterliegende Preisnebenabrede handelt.

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a. Der BGH hat in den oben zitierten Entscheidungen, die Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehen als kontrollfähige Preisnebenabrede eingestuft, da diese laufzeitunabhängig den eigenen Verwaltungsaufwand der Banken bei der Kredit- und Bonitätsprüfung im Rahmen der Vertragsvorbereitung abdecken sollen. Ebenso ergebe sich aus der Gesetzessystematik, dass der Preis für ein Darlehen der nach § 488 Abs. 1, S. 2 BGB zu zahlende Zins sei. Demnach handelt es sich nach der oben zitierten BGH Rechtsprechung bei dem laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelt auch nicht um eine der Kontrolle entzogene Preishauptabrede oder ein Entgelt für eine Sonderleistung im Sinne von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB (vgl. BGH, a.a.O.).

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b. Gleiches gilt nach Auffassung der Kammer für Unternehmerdarlehen, denn nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB, der auch für Unternehmer gilt, stellt allein der Zins den Preis für die Kapitalnutzung dar.

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Zwar gibt es im Verkehr mit Unternehmern eine Vielfalt an Kreditsicherungsmöglichkeiten (bspw. kann ein Darlehen grundpfandrechtlich abgesichert sein, mit entsprechend günstigeren Konditionen, oder es kommt ein Darlehen im Außerdeckungsbereich oder ein nicht grundpfandrechtlich besicherter Personalkredit in Betracht, die wegen des höheren Ausfallrisikos entsprechend schlechtere Konditionen aufweisen), so dass die Bonitätsprüfung, die durch die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts abgedeckt werden soll, auch im Interesse der Unternehmer als Darlehensnehmer liegen kann. Es könnte daher durchaus auch von einer gesondert zu vergütenden Sonderleistung auszugehen sein, die keiner AGB Kontrolle unterliegt (vgl. van Bevern/Schmitt: Bearbeitungsentgelte bei gewerblichen Darlehensverträgen – ist die BGH-Rechtsprechung zu Verbraucherdarlehen übertragbar? BKR 2015, 326).

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Die Kammer geht jedoch, zusammen mit dem BGH, von einer abschließenden Regelung der Hauptleistungspflichten in § 488 Abs. 1 S. 2 BGB aus, der als Gegenleistung für die Kapitalnutzung ausschließlich den Zins vorsieht. Das Bearbeitungsentgelt hingegen soll auch im Verkehr mit Unternehmern vor allem den vorvertraglichen Aufwand der Banken im Sinne von § 18 KWG abgelten (vgl. auch BB 2014, 1866-1876).

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3. Das Bearbeitungsentgelt in Unternehmerdarlehensverträgen unterliegt ebenfalls nach Ansicht der Kammer daher der AGB Kontrolle, wobei die Vereinbarung der Zahlung eines Bearbeitungsentgeltes durch den Unternehmer von der gesetzlichen Regelung in § 488 Abs. 1 S. 2 BGB abweicht. Eine solche Abweichung von der gesetzlichen Regelung alleine reicht nach Auffassung der Kammer jedoch für die Annahme einer Unwirksamkeit nach § 307 BGB nicht aus. Nach § 307 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. U.a. ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

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Der BGH hat in den oben zitierten Entscheidungen die unangemessene Benachteiligung durch Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen daraus abgeleitet, dass die Bank - entgegen dem gesetzlichen Leitbild - ein Entgelt für eine Tätigkeit verlange, die ausschließlich in ihrem eigenen Interesse liegt. Vor allem sei ein Bearbeitungsentgelt auch mit den verbraucherschützenden Normen in §§ 491 ff. BGB nicht zu vereinbaren.

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a. In diesem Zusammenhang weist die Kammer jedoch daraufhin, dass der Kontrollmaßstab bei der AGB Prüfung, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, im Hinblick auf § 310 Abs. 1, Satz 2, 2. Halbs. BGB ein anderer ist, als bei der Prüfung von AGB die gegenüber einem Verbraucher verwendet werden.

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So ist bei der Kontrolle von AGB gegenüber einem Unternehmer gem. § 310 Absatz 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.

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Im Handelsverkehr mit Unternehmern ist die Erhebung von Bearbeitungsentgelten bei der Darlehensvergabe gängige Praxis (vgl. BKR 2015, 327, a.a. O.). Daraus folgt, dass besondere Interessen und Bedürfnisse eine im nichtkaufmännischen Verkehr unzulässige Klausel unter Unternehmern in Ausnahmefällen als angemessen erscheinen lassen können, es sei denn, der Klauselverwender versucht missbräuchlich, einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen, ohne dass dessen Belange hinreichend berücksichtigt werden . Weiter ist auch zu beachten, ob der Unternehmer einen Vertrag abschließt, der zu seinem Kerngeschäft gehört oder nicht (vgl. LG Wiesbaden, Urteil vom 12.06.2015 - Aktenzeichen 2 O 298/14, BeckRS 2015, 13515, beck-online, m.w. N.).

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Vorliegend geht die Kammer davon aus, dass ein solcher Handelsbrauch gegeben ist. Es ist gerichtsbekannt, dass sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmern in der Vergangenheit regelmäßig vereinbart wurde, dass Bearbeitungsentgelte durch den Darlehensnehmer zu zahlen waren.

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Dabei weist die Kammer auch daraufhin, dass der Handelsbrauch grundsätzlich die Wirksamkeit einer Klausel indiziert, so dass derjenige die Beweislast trägt, der sich auf die Unwirksamkeit der Klausel beruft (vgl. LG Wiesbaden, Urteil vom 12.06.2015 - Aktenzeichen 2 O 298/14, a.a.O., m.w. N.)

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b. Darüber hinaus weist die Kammer darauf hin, dass der Unternehmer mit der gängigen Darlehensvergabe und der Erhebung eines Bearbeitungsentgeltes aufgrund seiner Geschäftserfahrung vertraut und weniger schutzwürdig als der Verbraucher ist. Dieses wird gerade durch die im BGB eingeführten Verbraucherschutzregeln deutlich.

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Zum einen gelten die Sonderregelungen nur für Verbraucherverträge gem. §§ 491 ff. BGB sowie i.V.m. § 247 EGBGB, wonach die Banken zahlreiche Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern haben. Im Gegensatz dazu müssen die Banken gegenüber Unternehmern beispielsweise den effektiven Jahreszins nicht offen legen (vgl. §§ 491 a Abs. 1  BGB i.V.m. § 247 § 3 Abs. 3 EGBGB).

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Hinzu kommt, dass der vollständige Einbehalt eines Bearbeitungsentgelts, dem keine selbständige Leistung für den Kunden gegenübersteht, geeignet ist, das jederzeitige Ablösungsrecht - ebenfalls ausschließlich dem Verbraucher zustehend - aus § 500 Abs. 2 BGB zu gefährden, das bei Krediten, die keine Immobiliarkredite sind (vgl. § 503 Abs. 1 BGB), gemäß § 511 BGB zwingend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – XI ZR 405/12, a.a.O. Rn. 80).

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c. Ein weiterer Unterschied zwischen Verbraucher- und Unternehmerdarlehen ist auch die Zinsstruktur.

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Bei Verbraucherdarlehen sind in Deutschland Zinsfestschreibungen von bis zu zehn Jahren üblich, während gewerbliche Darlehen hingegen vielfach auf Basis eines variablen Referenzzinses zzgl. Marge gewährt werden, wobei der Referenzzins i. d. R. eine wesentlich kürzere Laufzeit aufweist – z. B. des 3-Monats-Euribor. Zwar liegt auch während dieser Laufzeit rechtlich ein gebundener Sollzinssatz i. S. v. § 489 Abs. 1 BGB vor, jedoch ist der Darlehensnehmer nach dieser Vorschrift zum Ende des Referenzzeitraums zur Kündigung berechtigt. (vgl. BKR 2015, 328, a.a.O.)

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Würde man nun statt eines Bearbeitungsentgelts, die Kosten der Bonitätsprüfung und der Prüfung der angebotenen Sicherheiten in den Zins einpreisen, so hätte die Bank bei vorzeitiger Kündigung des Darlehens keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, denn eine Vorfälligkeitsentschädigung setzt voraus, dass ein Ausgleich der Nachteile verlangt wird, der durch die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens besteht. Hierbei ist die rechtlich gesicherte Zinserwartung maßgeblich. Ist jedoch ein Darlehen mit variablem Zins vereinbart worden, hat die Bank über die Laufzeit des Referenzzinses hinaus mangels rechtlich geschützter Zinserwartung keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung. Die Bank hätte somit das Risiko, dass eine Einpreisung des Bearbeitungsaufwands in den Zins nicht mit der (künftigen) Gegenleistung des Darlehensnehmers abgegolten werden könnte (vgl. BKR 2015, 328, a.a.O.).

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Gewerbliche Darlehen werden in der Praxis auch regelmäßig vor Laufzeitende zurückgezahlt, da es beispielsweise auf dem Markt günstigere Zinskonditionen gibt.

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Ebenfalls ist eine Einpreisung der Entgelte in den Zins bei Kontokorrentkrediten, die im Verkehr mit Unternehmern häufig sind, nicht möglich, denn bei Darlehensnehmern, die die Darlehensvaluta nicht abrufen, hätte das Kreditinstitut die Kosten zu tragen zur ( vgl. Legal Update Görg, Der BGH und die Bearbeitungsentgelte).

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Auch steuerrechtlich sind die Bearbeitungsentgelte für Unternehmer häufig im eigenen Interesse, so können diese als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

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Gegebenenfalls können die Bearbeitungsentgelte im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nummer 1 lit. a GewStG als "Entgelte für Schulden" zu berücksichtigen sein und damit die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage mindern (vgl. BKR 2015, 329, a.a.O).

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4. Zuletzt ist die Kammer der Ansicht, dass auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - im Unterschied zu Bearbeitungsentgelten in Verbraucherdarlehen - das AGB-rechtliche Verbot, Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu erheben, bei Unternehmerdarlehen nicht geboten ist.

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Zwar hat der BGH in den eingangs zitierten Entscheidungen ausgeführt, dass die Inhaltskontrolle verfassungsrechtlich zum Schutz der Privatautonomie der Verbraucher geboten ist, um im Sinne praktischer Konkordanz die erforderliche Waffengleichheit zwischen Klauselverwendern und Verbrauchern herzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – XI ZR 405/12 –, BGHZ 201, 168-204, Rn. 86).

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Wie sich jedoch gerade aufgrund der zahlreichen Sondervorschriften für Verbraucher im BGB ergibt, geht der Gesetzgeber nur bei Verbrauchern, u.a. aufgrund mangelnder Geschäftserfahrung, von deren besonderer Schutzbedürftigkeit aus. Dieses Argument greift bei Unternehmern, die regelmäßig Kredite zur Finanzierung ihrer Geschäfte aufnehmen, nicht. Des Weiteren zeigt sich im wirtschaftlichen Leben, dass zwischen Unternehmern und Banken Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden und Unternehmer mit den Geschäftsgepflogenheiten bestens vertraut sind.

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II. Die Kammer weist darauf hin, dass sie, im Falle einer streitigen Entscheidung, beabsichtigt die Revision gem. § 543 ZPO zuzulassen.

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III. Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu den ergangenen Hinweisen bis zum 27.10.2015 gegeben. Weiter wird um Stellungnahme gebeten, ob Einverständnis hinsichtlich einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO besteht.

 


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