Beschluss vom Landgericht Dessau-Roßlau (1. Zivilkammer) - 1 T 161/12

Tenor

Auf die Beschwerde des Drittschuldners zu 1) wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köthen vom 13.01.2012 - 10 M 466/11 - dahingehend abgeändert, dass der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner zu 1. lediglich in den Grenzen des Runderlasses des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt zur „Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bürger und ehrenamtliche Bürgermeister (zuletzt in der Fassung vom 30.10.2009, MBl. LSA 2008, 874) pfändbar ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 6.771,78 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Drittschuldner zu 1) wendet sich gegen den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

I.

2

Der Gläubiger beantragte am 19.04.2011 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf der Grundlage eines Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Bernburg vom 13.09.2005 - AZ: 12 B 675/05 - wegen einer Hauptforderung von 2.918,27 € nebst Nebenleistungen. Als Drittschuldner bezeichnete er den ... sowie ..., den zu pfändenden Anspruch des Schuldners mit „Bezüge“. Der Schuldner ist Kreistagsabgeordneter des ..., dort Fraktionsvorsitzender ..., Mitglied des ...-ausschusses sowie Vorsitzender des ...-ausschusses. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde am 13.01.2012 erlassen und dem Drittschuldnerin zu 1) am 20.12.2012 zugestellt.

3

Der Drittschuldner legte gegen den Beschluss am 23.01.2012 „Erinnerung“ ein mit der Begründung, dass zum einen die Drittschuldnerin zu 2) nicht passiv legitimiert sei und dass die Bezüge des Schuldners aus seinem Abgeordnetenmandat nicht pfändbar seien. Der Gläubiger ist hingegen der Ansicht, dass zum einen der Drittschuldner zu 1) nicht erinnerungsbefugt sei und zum anderen im Rahmen des § 850 a Nr. 3 ZPO nur die „üblichen“ Bezüge unpfändbar seien, im Übrigen die Aufwandsentschädigung der Pfändung unterliege. Hinsichtlich der Üblichkeit sei sich an den steuerrechtlichen Vorgaben zu orientieren.

4

Das Amtsgericht hat der Erinnerung mit Beschluss vom 24.05.2012 nicht abgeholfen. Auf die Frage der Unpfändbarkeit komme es nicht an. Vielmehr seien die Einwendungen des Drittschuldners im Rahmen des § 840 ZPO zu tätigen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei zudem bestimmt genug, denn dem Drittschuldner sei die Berechnung des pfändungsfreien Betrages ohne Weiteres möglich.

5

Gegen diesen ihm am 4.6.2012 zugestellten Beschluss legte der Drittschuldner zu 1) am 11.6.2012 unter Aufrechterhaltung seiner erstinstanzlichen Argumentation sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

6

Die zulässige Beschwerde ist in dem tenorierten Umfang begründet.

7

Die Erinnerung/sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Drittschuldner zu 1) erinnerungs-/beschwerdebefugt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., Rz. 30, 29 zu § 829 ZPO, Rz. 36 zu § 766 ZPO), jedoch nur insoweit als er auch beschwert ist. Soweit ... als weiterer Drittschuldner in dem Beschluss bezeichnet ist, berührt dies die Rechte des Beschwerdeführers nicht. Er ist auch nicht befugt, als insoweit jeglicher Dritte, die prozessuale oder materielle Richtigkeit des Beschlusses zu überwachen. Dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit unrichtig ist, haben der Schuldner, der Gläubiger oder die Drittschuldnerin zu 2) zu monieren, nicht aber der Drittschuldner zu 1).

8

2. Die Erinnerung ist, soweit sie zulässig ist, jedoch nur insoweit begründet als sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch für den Drittschuldner nachvollziehbar ergeben muss, in welcher Höhe die Aufwandsentschädigungen pfändbar sind.

9

Dass eine Forderung des Schuldners gegen einen Drittschuldner unpfändbar ist, ist bereits bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu prüfen (vgl. statt vieler: MüKo/Smid, ZPO3. Aufl., Rz. 16 zu § 850 ZPO), d.h., wenn die Aufwandsentschädigung generell unpfändbar wäre, dürfte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch nicht erlassen werden.

10

Fraglich ist zwar bereits, ob die an die Kreistagsabgeordneten Aufwandsentschädigungen überhaupt § 850 a Nr. 3 ZPO entfallen. Denn sie haben keinen Entgeltcharakter wie Arbeitslohn, sondern sie sollen einen Ausgleich für den ehrenamtlich Tätigenden dafür schaffen, dass er Sonderausgaben wegen seiner Repräsentations- (z.B. Kleidung) und Mitwirkungsfunktion hat (vgl. BezG Frankfurt/Oder, Beschl.v. 22.3.1993, AZ: 13 T 1293, RPfleger 1993, 457 f.; LG Würzburg, Beschl. v. 12.02.2010, AZ: 9 T 2518/09, Rz. 10, 11, zitiert nach juris). Gleichwohl sieht die wohl herrschende Meinung dies anders (vgl. a.a.O., Rz. 7 zu § 850 a ZPO). Wenn aber § 850 a Nr. 3 ZPO Anwendung findet, ist entsprechend dieser Vorschrift a.E. auch die darin formulierte partielle Pfändbarkeit zu berücksichtigen, nämlich dahingehend, inwieweit die Aufwandsentschädigung den Rahmen des „Üblichen“ i.S. dieser Vorschrift überschreitet, denn nur unterhalb dieser Schwelle liegt Unpfändbarkeit vor, während die darüber hinaus gehenden Beträge pfändbar sind (vgl. MüKo, a.a.O., Rz. 7 zu § 850 a ZPO). Ggf. hat auch eine Zusammenrechnung mit mehreren Entschädigungen oder gar Einkommen stattzufinden (vgl. BezG Frankfurt/Oder, a.a.O.).

11

Die Ermittlung der sich hieraus ergebenden Beträge wird von Gesetzes wegen generell dem Drittschuldner aufgebürdet (vgl. MüKo, a.a.O., Rz. 6 zu § 850 ZPO). Ob die Pfändung somit letztlich ins Leere läuft, ergibt sich erst nach Ermittlung der entsprechenden Beträge.

12

Zur Ermittlung des Üblichen ist dem Drittschuldner jedoch im Sinne des Bestimmtheitsgebots - bei Vorliegen der entsprechenden Angaben - seitens des Vollstreckungsgerichts eine Richtschnur an die Hand zu geben: Auf jeden Fall üblich sind diejenigen Grenzen, die seitens des Fiskus vorgegeben werden. Vorliegend sind dies zumindest derzeit die Beträge entsprechend lit. B Ziff. I des Erlasses des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 09.11.2010 - 42- S 2121-10 lit B I. Da lit. C des Erlasses jedoch den Nachweis von höheren Aufwendungen zulässt, sind darüber hinaus aber als Rahmen des Üblichen die Vorgaben des Innenministeriums LSA zur „Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bürger und ehrenamtliche Bürgermeister“ in der jeweiligen Fassung heranzuziehen, denn insoweit akzeptiert die Kommunalaufsicht bestimmte Grenzen als wirtschaftlich, so dass insoweit auch parallel - auf den Abgeordneten bezogen - die Entschädigung nur als angemessen beurteilt werden kann. Ferner sind die von dem Beschwerdeführer angegebenen Mehrfachfunktionen des Schuldners zu berücksichtigen, die ihrerseits aber auch wieder zur Folge haben können, dass bspw. der Bekleidungsmehraufwand nicht mehrfach angesetzt werden kann, da quasi derselbe Anzug in mehreren Sitzungen getragen werden kann (vgl. BezG Frankfurt/Oder, a.a.O.; MüKo, a.a.O., Rz. 10 zu § 850 a ZPO). Entsprechend ist gem. Teil 2 Nr. 2.1., 2.4. des Rundschreibens des BMI in der Fassung vom 30.10.2009, MBl. LSA 2008, S. 874, eine Mehrfachberücksichtigung der Funktion als Ausschussmitglied/-vorstand und Fraktionsvorsitzender in den Grenzen der Ziff. 2.4 durch Verdoppelung der Beträge zulässig (mit der von der Rechtsprechung gesetzten Einschränkung der Kürzung um den mehrfachen Nutzen eines Sachaufwands für mehrere Funktionen). Inwieweit diese Beträge über- oder unterschritten sind, kann anhand der Beschwerdeangaben nicht geprüft werden. Dies möge die der Drittschuldner im Rahmen der Drittschuldner-Erklärung ausführen.

III.

13

Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 1 ZPO.

14

Der Beschwerdewert wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Rz. 16 zu § 3 ZPO „Pfändungs- und Überweisungsbeschluss“) auf 6.771,78 € entsprechend der Angaben im Antrag festgesetzt.


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