Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (Kammer für Handelssachen) - 3 O 39/13

Tenor

Es wird festgestellt, dass durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2013 der Gestattungsvertrag zur Übernahme einer Baulast vom 18.10.2010 nebst Ergänzung vom 25.10.2010 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 14.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beklagte unterzeichnete am 18.10.2010 eine „Erklärung“, in der sie als Eigentümerin konkret bezeichneter Flurstücke den angegebenen Abstandsflächen und den überstrichenen Rotorflächen einer Windkraftanlage nach §§ 6, 7 BbgBO zustimmte, ebenso der Errichtung von Zuwegungen und Kabeltrassen. Weiter heißt es „…Für die Übernahme….erhalten wir eine jährliche Entschädigung von 10.000,00 €….“ nach Errichtung der Windanlage (für 20 Jahre mit Option von 2 x 5 Jahren Verlängerung).

2

Mit einer weiteren Erklärung vom 25.10.2010 wurde der Umfang der übernommenen Flächen erweitert. Hierin wird eine einmalige Entschädigung von 4.000,00 € bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopien (Anlage K 1 und 2) Bezug genommen. Unterzeichnet sind die Erklärungen für die Beklagte jeweils von Herrn T.R. unter Verwendung eines Stempels mit der Firmenbezeichnung der Beklagten.

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Mit einem bei der Klägerin am 19.04.2013 eingegangenem Schreiben erklärte die Beklagte die Kündigung der am 18./25.10.2010 abgeschlossenen Pachtverträge. Die Beklagte berief sich darauf, dass der Vertrag auf Seiten der Beklagten von Herrn T.R. allein, ohne Vertretungszusatz, und zugleich für andere Vorstandsmitglieder handelnd unterzeichnet worden sei. Damit sei die erforderliche Schriftform nicht eingehalten, weil nur Mitglieder des Vorstandes gemeinschaftlich zur Vertretung der Genossenschaft befugt seien. Der Vertrag gelte somit als auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Pachtvertrag, der fristgemäß mit Wirkung zum 30.09.2013 gekündigt werde. Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom 23.04.2013 zurück und forderte eine Erklärung der Beklagten, dass sie am Vertrag festhalte.

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Die Klägerin begehrt mit einer negativen Feststellungsklage die Feststellung, dass die Kündigung den Vertrag nicht beendet hat.

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Die Klägerin meint, ein Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass bei Weigerung der Beklagten, die Flächen mit einer entsprechenden Baulast zur Verfügung zu stellen, die Errichtung der Windkraftanlage gefährdet sei. Der Vertrag sei kein Miet- oder Pachtvertrag, sondern ein Vertrag eigener Art zur Übernahme einer Baulast. Er sei erst kündbar, wenn die Nutzung des für die Baulast vorgesehene Bauwerk beendet sei. Die Verpflichtung zur Bestellung von Dienstbarkeiten und Baulasten ergebe sich aus der gesetzlichen Regelung der Brandenburgischen Bauordnung und gelte bis zum Wegfall der tatsächlichen Gründe. Derartige Verträge seien nicht kündbar. Weil ein Mietvertrag nicht vorliege, gelte das Schriftformerfordernis nicht. Die Erklärung des Herrn R. sei durch seine Anscheinsvollmacht wirksam zustande gekommen.

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Die Klägerin beantragt,

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es wird festgestellt, dass durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2013 der Gestattungsvertrag zur Übernahme einer Baulast vom 18.10.2010 nebst Ergänzung vom 25.10.2010 nicht beendet worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte meint, mit dem Vertrag werden Landflächen gegen Entgelt überlassen, es handele sich um Miet- bzw. Pachtvertrag. Der Unterzeichner des Vertrages sei zur Alleinvertretung der Beklagten nicht berechtigt gewesen. Deshalb sei das für den Abschluss von Pachtverträgen geltende Schriftformerfordernis nicht eingehalten, so dass die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Miet- bzw. Pachtvertrages bestehe. Der Vertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen und daher kündbar. Eine Erklärung zur Bestellung einer Dienstbarkeit für die untere Baubehörde habe die Beklagte nicht abgeben wollen, für den Fall, dass das Gericht davon ausgehe, dass ein solcher Erklärungsinhalt bestehe, werde die Erklärung wegen Irrtums angefochten. Des Weiteren sei die Form des § 873 BGB für eine solche Verpflichtung nicht eingehalten, so dass die Klägerin daraus auch keine Rechte herleiten könne.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, § 256 ZPO. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist darauf gerichtet, dass die Kündigung den Vertrag nicht beendet hat. Mit der erklärten Kündigung der Beklagten und der damit einhergehend verbundenen Weigerung die Flächen mit Dienstbarkeiten und Baulast zur Verfügung zu stellen, wird die Errichtung einer Windkraftanlage erschwert. Die technische Umsetzung des streitgegenständlichen Windkraftrades ist bei Fehlen derartiger Erklärungen gefährdet. Das rechtfertigt die Annahme eines Feststellungsinteresses auf Seiten der Klägerin.

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Die Beklagte berühmt sich eines aus der Annahme eines Miet- und Pachtvertrages resultierenden Kündigungsrechts.

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Die darauf gestützte Kündigungserklärung, die am 19.04.2013 bei der Klägerin eingegangen ist, hat den Vertrag nicht beendet. Der Beklagten stand das auf §§ 542 Abs. 2, 580a Abs. 1 Nr. 3 BGB gestützte Kündigungsrecht nicht zu.

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Es liegt kein miet- oder Pachtverhältnis vor. Durch die Rechtsprechung ist zwar entschieden worden, dass die Überlassung von Grundstücksflächen zur Errichtung von Windkraftanlagen einen Miet- oder Pachtvertrag darstellt (OLG Naumburg, Urt. v. 18.12.2001; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 30.03.2011, beide zitiert nach juris). Solch eine Überlassung liegt hier nicht vor. Denn mit der Erklärung vom 18.10.2010 und 25.10.2010 hat die Beklagte die Flächen nicht zur Errichtung einer Windkraftanlage überlassen, sondern sich mit der Übernahme von Abstandsflächen und überstrichenen Rotorflächen einverstanden erklärt. Dabei handelt es sich nicht um einen Miet- oder Pachtvertrag. Mit dieser Erklärung hat sich die Beklagte einseitig mit der Inanspruchnahme der Flächen ihrer Grundstücke als Abstandsflächen/überstrichenen Rotorflächen einverstanden erklärt und sich damit zugleich zur Bestellung von Baulasten verpflichtet. Darin liegt keine Überlassung von Grundstücksflächen zur Nutzung im Sinne eines Pachtvertrages. Ein Pachtvertrag ist in der Regel ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag ist, der auf die Überlassung des Grundstücks zur Gebrauchsgewährung und Genuss der Früchte gerichtet ist und den Pächter zur Zahlung der vereinbarten Pacht verpflichtet, § 581 BGB. Mit den vorliegenden Erklärungen hingegen hat sich allein die Beklagte mit der Übernahme der Abstandsflächen einverstanden erklärt und sich damit zur Bestellung der Dienstbarkeiten verpflichtet.

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Ausgehend vom Inhalt der vorliegenden Erklärungen folgt das Gericht der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass es sich um einen Vertrag sui generis, einen Gestattungsvertrag handelt.

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Die damit begründete Verpflichtung zur Bestellung von Grunddienstbarkeiten bzw. Baulasten (§§ 5, 6 , § 65 BbgBO) erfolgt durch eine schuldrechtliche Verpflichtung, in der Regel durch Gestattungsvertrag (jurisPK BGB, § 1018, Rn. 35). Dass neben einem derartigen Gestattungsvertrag noch Pachtverträge abgeschlossen werden, stellt eine absolute Ausnahme dar, für die es besonderer Voraussetzungen und Anknüpfungstatsachen bedarf. Diese liegen nicht vor (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.1974, zitiert nach juris). In der Regel bedarf es dazu einer ausdrücklichen Abrede, die hier nicht vorliegt. Oder es muss es sonstige Anknüpfungspunkte geben, die auf ein Pachtverhältnis hindeuten, die von der Beklagten nicht vorgetragen werden. Dass die Beklagte im Rahmen der Erklärung darauf hingewiesen hat, dass ihr für die Zustimmung zu den Abstandsflächen ein jährliches Entgelt gezahlt wird, ändert am Vertragscharakter nichts, denn dieses Entgelt wird als Entschädigung für die Übernahme der Nutzung in Form einer Rente verstanden vgl. jurisPK a. a. O.). Es reicht zur Annahme des Abschlusses eines Pachtvertrages nicht aus.

19

Derartige Gestattungsverträge jedoch, sind, weil die Errichter auf die Bestellung der Baulasten angewiesen sind, nicht kündbar (Palandt, BGB, 72. A., vor § 1018 Rn. 2).

20

Ein auf die Annahme eines Miet- bzw. Pachtvertrages gestütztes Kündigungsrecht stand der Beklagten nicht zu. Die damit begründete Kündigung hat das Vertragsverhältnis nicht beendet.

21

Die von der Beklagten erklärte Anfechtung der Erklärungen geht ebenfalls in Leere.

22

Die Verpflichtung, Baulasten zugunsten der öffentlich-rechtlichen Behörde zu bestellen, ergibt sich zwangsläufig aus der Inanspruchnahme von Abstandsflächen. § 6 Abs. 1 BbgBO bestimmt, dass zur Erlangung der Genehmigungsfähigkeit bestimmte Abstandsflächen freizuhalten sind. Gem. § 9 BbgBO gelten diese Regeln zur Bestimmung von Abstandflächen auch für die Errichtung von baulichen Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen. Nach der dazugehörigen Verwaltungsvorschrift gehören zu diesen baulichen Anlagen Windkraftanlagen. Zur Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Anforderungen sind Dienstbarkeiten zugunsten der Gebietskörperschaft zu bestellen. Aus § 65 BbgBO folgt die Verpflichtung, sobald Nachbargrundstücke über Abstandsflächen in Anspruch genommen werden, zugleich eine Baulast zugunsten der öffentlich-rechtlichen Behörde zu bestellen. Angesichts dieser, kraft Gesetzes bestehenden Verpflichtung kann sich die Beklagte nicht durch Bezugnahme auf einen Irrtum im Wege der Anfechtung vom Vertrag lösen. Bei Abgabe der Erklärung wäre es ihr möglich gewesen, sich über den Charakter dieser Erklärung und deren Konsequenzen zu informieren.

23

Die Kündigung (und auch die Anfechtung) hat das Vertragsverhältnis nicht beendet.

24

Die Feststellungsklage ist begründet.

25

Dabei kann für die Entscheidung offen bleiben, ob die Erklärung wirksam zustande gekommen ist, denn darauf ist das Feststellungsinteresse der Klägerin, das den Streitgegenstand bestimmt nicht gerichtet. Eine Entscheidung darüber ginge über den Antrag der Klägerin hinaus (§ 308 ZPO).

26

Ob die Erklärung wirksam abgegeben worden ist kann offen bleiben, weil sie vom Streitgegenstand nicht erfasst ist. Die Beklagte hat sich eines unter dem Gesichtspunkt eines Pachtvertrages bestehenden Kündigungsrechts berühmt. Die Klägerin hat die negative Feststellungsklage auf die Feststellung gerichtet, dass die Kündigung (derer sich die Beklagte berühmt) das Vertragsverhältnis nicht beendet hat. Der Streitgegenstand ist auf die Feststellung der Beendigung des Vertrages durch die Kündigung, nicht jedoch auf die Feststellung der Wirksamkeit der Erklärung gerichtet.

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Insoweit kann offen bleiben, ob das unterzeichnende Vorstandsmitglied berechtigt war, allein diese Erklärung abzugeben. Allerdings kann vom einem Erklärungsempfänger nicht erwartet werden, dass er prüft, ob der Erklärende, hier die Beklagte, bei Unterzeichnung ordnungsgemäß vertreten war. Durch Verwendung des Firmenstempels der Beklagten und Unterschrift wurde der Anschein ordnungsgemäßer Bevollmächtigung gesetzt, darauf muss sich der Empfänger einer Erklärung verlassen können. hinzu tritt, dass die Beklagte in ihrem Schreiben zur Beendigung des Vertrages die Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung nicht in Abrede genommen hat, sondern allein auf die daraus im Hinblick auf das Schriftformerfordernis und die für sie günstige Möglichkeit eines angenommenen Kündigungsrechts abgestellt hat. Darin kann die Genehmigung der durch das Vorstandsmitglied R. abgegebenen Erklärung liegen.

28

Aber auch diese Überlegung kann dahingestellt bleiben, weil sich der Rechtsstreit auf diese Fragen nicht erstreckt.

29

Die Klägerin ist obsiegende Partei, als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO.

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Das Urteil ist hinsichtlich des Kostenausspruchs vorläufig vollstreckbar, § 709 Satz 1, 2 ZPO.

31

Der Streitwert wird durch die Höhe der jährlichen Zahlung und der Einmalzahlung von insgesamt 14.000,00 € bestimmt.


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