Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau - 3 O 50/14
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall
der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf,
zu unterlassen,
künftig Handelsbilanzen/handels-rechtliche Jahresabschlüsse aufzustellen und/oder abzurechnen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin macht gegen den Beklagten Unterlassungsansprüche geltend.
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Der Beklagte ist gemäß Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer H-D vom 12.06.2002 Staatlich geprüfter Bilanzbuchhalter.
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Der Beklagte stellte der Autohaus G. GmbH mit Rechnung vom 26. Februar 2014 Leistungen zur „Erstellung einer Handelsbilanz nach HGB“ in Rechnung und machte die Vergütung in Höhe von 800,00 € netto geltend. Für die Autohaus G. GmbH wurde auch ein Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2012 erstellt (vorgelegt mit Anlage K 2).
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Die Klägerin erhielt Kenntnis von der Rechnungslegung am 22.05.2014.
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Sie wies den Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2014 auf den ihrer Meinung nach bestehenden Wettbewerbsverstoß hin und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22.10.2014, von der Autohaus G. GmbH beauftragt gewesen zu sein, die laufende Buchhaltung, die Lohnabrechnung sowie handelsrechtliche Beratung durchzuführen, wozu er als anerkannter Bilanzbuchhalter berechtigt sei. Die Auftragserteilung für die steuerlich-rechtliche Beratung sei zwischen der Autohaus G. GmbH und Steuerberatungsgesellschaft ADW W. GmbH & Co. KG erfolgt.
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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.
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Die Klägerin meint, mit der Erstellung und Abrechnung einer Handelsbilanz habe der Beklagte sowohl gegen das Steuerberatungsgesetz als auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Der Beklagte gehöre nicht zu den Personen, die nach dem Steuerberatungsgesetz zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt seien. Daher sei der Beklagte nicht befugt, eine Handelsbilanz/einen handelsrechtlichen Jahresabschluss aufzustellen und abzurechnen. Die Anfertigung und Abrechnung einer Handelsbilanz sei zudem irreführend im Sinne des UWG, da nicht auszuschließen sei, dass die angesprochenen Verkehrskreise keine klaren Vorstellungen über eine solche unbefugte Hilfe in Steuersachen haben und daher annehmen könnten, der Beklagte sei tatsächlich berechtigt, unbeschränkte Hilfeleistung in Steuersachen zu gewähren. Soweit nach dem Verständnis der Klägerin der Beklagte die Abrechnung einer Handelsbilanz zugestehe, liege in jedem Fall ein Wettbewerbsverstoß vor, weil beim Verbraucher Fehlvorstellungen über seine Kompetenz und das ihm gesetzlich Erlaubte erzeugt werden. Der Wettbewerbsverstoß sei auch erheblich, so dass der Beklagte zur Unterlassung zu verurteilen sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, künftig Handelsbilanzen/handels-rechtliche Jahresabschlüsse aufzustellen und/oder abzurechnen,
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sowie vorsorglich für den Fall, dass eine Schriftsatzfrist nicht gewährt werde,
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den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzendes Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, es zu unterlassen, künftig vorbereitende Arbeiten zur Erstellung eines Jahresabschlusses durchzuführen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er meint, der als Anlage K 2 eingereichte Jahresabschluss sei nicht von ihm erstellt worden, sondern von der ADW W. GmbH & Co. KG. Der Jahresabschluss 2012 und die weiteren Abschlussunterlagen seien ausschließlich durch die ADW GmbH & Co. KG erstellt worden. Der Beklagte arbeite schon seit Jahren mit dieser Gesellschaft zusammen, ihm obliegen diverse Buchhaltungsaufgaben (Buchung von Geschäftsvorfällen), vorbereitende Arbeiten für die Erstellung des Jahresabschlusses, Abstimmung von Buchungskonten etc. Exakt diese Arbeiten habe er mit der Rechnung vom 26.02.2014 abgerechnet. Die Betreffzeile "Erstellung Handelsbilanz nach HGB" sei irritierend und damit auch falsch. Eine Handelsbilanz habe der Beklagte nicht erstellt. Sämtliche seit Beginn der Tätigkeit des Beklagten erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit Jahresabschlüssen seien solche, die als notwendige vorbereitende Arbeiten für die Erstellung des Jahresabschlusses dienten. Eine Handelsbilanz habe er für den Mandanten nicht erstellt. Die Leistungsabrechnung erfasse ausschließlich vorbereitende Buchhaltungsarbeiten für die ADW W. GmbH & Co. KG. Mit der Rechnungserstellung nach Abschluss des Leistungsvorganges sei keine Irreführung verbunden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schrift-sätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte ist zu verurteilen, es zu unterlassen, künftig Handelsbilanzen/handelsrechtliche Jahresabschlüsse aufzustellen und/oder abzurechnen.
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Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Anspruchs befugt, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Denn bei der Steuerberaterkammer handelt es sich einen Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen. Diese Verbände sind anspruchsberechtigt und klagebefugt gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
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Der Anspruch auf Unterlassung gegen den Beklagten ist begründet, §§ 3, 5 UWG i. V. m. §§ 3, 5, 6 Nr. StBerG..
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Der Beklagte hat mit seiner Rechnung vom 26. Februar 2014 gegenüber der Autohaus G. GmbH die „Erstellung einer Handelsbilanz nach HGB“ abgerechnet. So ist es ausdrücklich im Leistungsumfang beschrieben.
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Damit hat der Beklagte wettbewerbswidrig gehandelt, denn er hat mit dem Aufstellen und der Abrechnung einer Handelsbilanz gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, § 3 UWG verstoßen, indem er irreführend gemäß § 5 Abs. 1 UWG tätig geworden ist bzw. mindestens irreführend abgerechnet hat. Die Erstellung einer Handelsbilanz bzw. eines Jahresabschlusses durch einen Bilanzbuchhalter verstößt gegen das Steuerberatergesetz. §§ 3, 3a und 4 StBerG regeln, wer zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Gemäß § 5 Abs. 1 StBerG dürfen andere als die in § 3, 3 a und 4 bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen. Dadurch wird allen nicht in §§ 3 und 4 genannten Personen die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen untersagt.
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Davon wiederum ausgenommen sind die gemäß § 6 Nr. 4 StBerG befugten Personen. Danach dürfen auch Buchhalter Hilfe in Steuersachen leisten, jedoch nur im Rahmen der durch § 6 Nr. 4 StBerG vorgegebenen geschäftlichen Tätigkeit. Das heißt Bilanzbuchhalter sind gemäß § 6 Nr. 4 StBerG nur zum Buchen laufender Geschäftsvorfälle (Kontieren), zur laufenden Lohnabrechnung und zur Fertigung der Lohnsteueranmeldung befugt, nicht jedoch zur Erstellung von handelsrechtlichen Jahresabschlüssen oder handelsrechtlichen Bilanzen.
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Gegen die gesetzlichen Vorgaben hat der Beklagte verstoßen, indem er mit seiner Rechnung vom 26. Februar 2014 die Erstellung einer Handelsbilanz abgerechnet hat. Dabei kann noch offen bleiben, in welchem Umfang er tatsächlich diese Handelsbilanz erstellt oder wie von ihm behauptet, nur vorbereitende Arbeiten ausgeführt hat, denn jedenfalls durch die in der Rechnung enthaltene Erklärung, eine Handelsbilanz erstellt zu haben und diese zugleich abzurechnen liegt der wettbewerbsrechtlich relevante Verstoß gemäß § 3 UWG vor. Denn allein diese Darstellung in der Rechnungslegung ist zur Irreführung geeignet. Gegenüber dem Auftraggeber wird die Fehlvorstellung erzeugt, der Beklagte habe diese Leistungen erbracht, sei also zu einer solchen Erstellung einer Handelsbilanz berechtigt. Damit wird eine Fehlvorstellung über die Kompetenz und das dem Beklagten gesetzlich erlaubte Handeln erweckt. Diese ist zugleich geeignet, Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer irrezuführen und dabei auch spürbar zu beeinträchtigen.
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Dabei kommt es auf das mögliche interne Auftragsverhältnis zwischen der Autohaus G. GmbH, der ADW W. GmbH & Co. KG nicht entscheidungserheblich an, weil dieses einem Mitbewerber oder Verbraucher, der aus der Beschreibung in der Rechnung auf die Kompetenz des Beklagten schließt, nicht erkennbar ist. Gegen die vom Beklagten in diesem Zusammenhang behauptete Auftragserteilung durch die ADW W. GmbH & Co KG an den Beklagten spricht, dass er die Rechnung nicht an die ADW, sondern an die Autohaus G. GmbH erteilt hat, also offenbar von dort der Auftrag bestand.
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Das Handeln des Beklagten ist auch wettbewerbsrechtlich relevant und stellt eine spürbare Beeinträchtigung des Marktes dar.
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Unlauter handelt derjenige, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG. Die Regelungen des Steuerberatergesetzes, dabei insbesondere die Vorschriften gem. §§ 3, 4, 5, 6 StBerG sind solche marktverhaltensregulierenden Vorschrift gemäß § 4 Nr. 11 UWG.
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Inwieweit daneben die Spürbarkeitsschwelle tatsächlich überschritten ist bedarf keiner weiteren Prüfung, denn die zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen oder Vereinigungen, wie hier die Klägerin, können gegen einen Wettbewerber, der nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugt ist oder seine Befugnisse überschreitet, zivilrechtlich auf Unterlassung klagen. Dabei stellt eine Verletzung des § 5 StBerG stets einen Verstoß gegen § 3 UWG dar (BGH GRUR 1987, Seite 172).
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Daher ist es für das Vorliegen einer wettbewerbsrechtlich relevanten Handlung und eines Wettbewerbsverstoßes schon ausreichend, dass der Beklagte gegenüber dem Verbraucher den Eindruck erweckt hat, diese Handelsbilanz erstellt, mithin also dazu befugt gewesen zu sein und diese abgerechnet hat.
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Dieser Verstoß gegen grundlegende Bestimmungen des StBerG begründet die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen.
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Der Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen.
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Über den von der Klägerin vorsorglich gestellten Antrag ist nicht zu entscheiden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die von der Klägerin beantragte Schriftsatzfrist gewährt, die Bedingung, unter der dieser Hilfsantrag gestellt worden ist, ist somit nicht eingetreten, eine Entscheidung darüber nicht zu treffen.
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Der Beklagte unterliegt im Rechtsstreit, er hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1, 711 Satz 1 ZPO.
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Referenzen
- § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- StBerG § 5 Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen, Missbrauch von Berufsbezeichnungen 4x
- StBerG § 6 Ausnahmen vom Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen 5x
- § 4 Nr. 11 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- StBerG § 3a Befugnis zu vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- StBerG § 3 Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen 3x
- StBerG § 4 Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen 2x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 5 Abs. 1 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 3, 5 UWG 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 UWG 3x (nicht zugeordnet)