Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 10/19 Enw.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Verfügungsklägerin ist Partnerin eines Strom-Konzessionsvertrages mit der Verfügungsbeklagten, der am 31.01.2021 endet.
3Die Verfügungsbeklagte machte mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 24.01.2019 das bevorstehende Auslaufen des vorgenannten Konzessionsvertrages gemäß § 46 Absatz 3 EnWG bekannt und forderte interessierte Unternehmen auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Veröffentlichung ihr Interesse an dem Abschluss des neuen Konzessionsvertrages zu bekunden.
4Die Verfügungsklägerin bekundete innerhalb der gesetzten Frist ihr Interesse und ist damit Bieterin im laufenden Konzessionsverfahren.
5Mit Schreiben vom 13.05.2019, bei der Verfügungsklägerin eingegangen am 16.05.2019, übersandte die Verfügungsbeklagte den als Anlage ASt 3 zur Akte gereichten 1. Verfahrensbrief. Diesem Verfahrensbrief waren u.a. als Anlage 1 die „Auswahlkriterien für den Abschluss des Stromkonzessionsvertrages der Stadt C1“ und als Anlage 2 das Muster eines „Konzessionsvertrags für das Stromversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung der Stadt C1“ beigefügt.
6Die Verfügungsbeklagte führt zu Punkt C. II. 2. des 1. Verfahrensbriefes unter der Überschrift „Preisgünstigkeit“ wie folgt aus:
7„2. Preisgünstigkeit
8Es soll ein möglichst preisgünstiger Netzbetrieb erfolgen. Dabei sollen die Netznutzungsentgelte und Hausanschlusskosten sowie Baukostenzuschüsse berücksichtigt werden. Die Netznutzungsentgelte machen einen erheblichen Teil der Energiebezugskosten für Endverbraucher aus und sollen daher möglichst niedrig sein. Auch die Erstellung von neuen Hausanschlüssen soll für Anschlussnehmer so preisgünstig wie möglich erfolgen. Weiterhin sollen möglichst niedrige Baukostenzuschüsse anfallen.
92.1 – 2.3 Netznutzungsentgelte
10Der Bewerber soll eine konkrete und für Dritte nachvollziehbare Prognose der zu erwartenden Netznutzungsentgelte in Eurobeträgen (netto) für die bei Konzessionsbeginn laufende und die folgende Regulierungsperiode abgeben, d.h. vorliegend erwartet die Stadt eine Prognose ab dem 1. Januar 2020 bis einschließlich zum Jahr 2028. Diese Prognose soll durch Angabe der aktuellen Netznutzungsentgelte unter Zugrundelegung der nachfolgenden Beispielfälle plausibilisiert werden.
11Bei den Netznutzungsentgelten soll sich die Prognose auf die Kundengruppen „Haushaltskunden“ (Standardlastprofil / Entnahme in Niederspannung) mit einer Jahresarbeit von 3.500 kWh und einer Jahreshöchstleistung unter 30 kW, „Gewerbekunden“ (Standardlastprofil / Entnahme in Niederspannung) mit einer Jahresarbeit von 75.000 kWh und einer Jahreshöchstleistung von 40 kW sowie „Industriekunden“ (leistungsgemessen / Entnahme in Mittelspannung / Jahresbenutzungsdauer < 2.500 Bh) mit einem Jahresverbrauch von 250.000 kWh und einer Jahreshöchstleistung von 125 kW, jeweils ohne Berücksichtigung der Kosten für Messung und Messstellenbetrieb beziehen.
12(…)“
13Unterpunkt C. II. 3.5 lautet wie folgt:
14„3.5 Bereitstellung von Netzanschlüssen
15Der Bewerber soll alle Maßnahmen auch hinsichtlich der personellen und technischen Ausstattung darstellen, die eine möglichst zügige Bearbeitung des Antrags auf Netzanschluss sowie möglichst zügige Fertigstellung eines Netzanschlusses (20 Meter Anschlussleitung, 10 Meter auf öffentlichem, 10 Meter auf privatem Grund des Anschlussnehmers, ohne Erbringung von Eigenleistungen durch den Anschlussnehmer) gewährleisten. Bei den Angaben ist davon auszugehen, dass der Netzanschluss das Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung mit der elektrischen Anlage des Anschlussnehmers verbindet. Er beginnt an der Abzweigstelle des Niederspannungsnetzes und endet mit der Hausanschlusssicherung.
16Darzustellen ist der Prozessablauf unter Angabe maximaler Bearbeitungszeiten bezogen auf den Zeitraum der vollständigen Bearbeitung des Antrags auf Netzanschluss von der Antragstellung bis zum verbindlichen Angebot. Hierbei ist davon auszugehen, dass bei Antragstellung bereits sämtliche erforderliche Unterlagen des Anschlussnehmers vorliegen.
17Weiterhin erwartet die Stadt, dass der Bewerber den Netzanschluss möglichst zügig erstellt. Darzustellen ist der Prozessablauf unter Angabe maximaler Bearbeitungszeiten bezogen auf den Zeitraum zwischen dem verbindlichen Auftrag zur Erstellung des Netzanschlusses bis zur baulichen Fertigstellung des Netzanschlusses. Soweit sich der Bewerber bei der Fertigstellung des Netzanschlusses Nachunternehmer (Dienstleister) bedient, ist darzustellen, wie der Bewerber die möglichst zügige Fertigstellung des Netzanschlusses bei Beauftragung der Nachunternehmer sicherstellt.“
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 13.05.2019 nebst Anlagen Bl. 17ff. d.A., verwiesen.
19Mit Schreiben vom 29.05.2019 erhob die Verfügungsklägerin unter Hinweis auf die Regelung des § 47 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG Rügen zum 1. Verfahrensbrief in Bezug auf die Punkte C. II. 2. Preisgünstigkeit, C. II. 2.1.- 2.3 Netznutzungsentgelte und C. II. 3.5 Bereitstellung von Netzanschlüssen. Wegen des Inhalts der einzelnen Rügen wird auf das als Anlage ASt 1 zur Akte gereichte Schreiben vom 29.05.2019, Bl. 13f. d.A., Bezug genommen.
20Die Verfügungsbeklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 26.06.2019 und teilte unter Hinweis auf § 47 Absatz 5 EnWG mit, dass den mit Schreiben vom 13. Mai 2019 erhobenen Rügen nicht abgeholfen werde. Wegen der Begründung der Verfügungsbeklagten wird auf das als Anlage ASt 4 zur Akte gereichte Schreiben vom 26.06.2019, Bl. 40ff. d.A., verwiesen.
21Mit Schriftsatz vom 04.07.2019, eingegangen beim Landgericht am gleichen Tag, hat die Verfügungsklägerin „zur Wahrung ihrer Rechte im laufenden Konzessionierungsverfahren“ unter Bezugnahme auf § 47 EnWG den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.
22Die Verfügungsklägerin meint, dass die Sachanträge hinreichend bestimmt seien. Soweit sie darin auf das Rügeschreiben verweise, sei dies nicht zu beanstanden. Aus der in Bezug genommenen Rügeschrift sowie der Antragsschrift gehe deutlich hervor, welche Rechtsverstöße seitens der Verfügungsklägerin beanstandet werden. Die Formulierung der Anträge sei zudem der Tatsache geschuldet, dass weder die Verfügungsklägerin über die Antragsfassung noch das Gericht im Rahmen der Tenorierung einer Entscheidung nach § 47 EnWG der Verfügungsbeklagten konkret vorgeben dürfe, wie der Kriterienkatalog im Detail auszugestalten ist. Die Art und Weise, wie abzuhelfen sei, müsse der Verfügungsbeklagten überlassen bleiben.
23Sie, die Verfügungsklägerin, sei mit ihren Rügen hinsichtlich der Auswahlkriterien „Gewichtung von Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse“ sowie „Netznutzungsentgelte“ nicht präkludiert.
24Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass im Rahmen der Bewertungsmatrix die Unterkriterien gemäß Ziffer 2.4 (Hausanschlusskosten) und 2.5 (Baukostenzuschüsse) mit jeweils lediglich fünf von 1000 Punkten zu niedrig gewichtet würden. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten seien im Rahmen des Ziels der Preisgünstigkeit Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse zwingend zu berücksichtigen. Aber auch die (äußerst geringe) Gewichtung sei nicht mehr durch den der Verfügungsbeklagten zuzubilligenden Beurteilungsspielraum gedeckt. Die Unterkriterien Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse seien im Rahmen des Leistungswettbewerbs um die Konzession in besonderer Weise geeignet, den unterschiedlichen Angeboten der Bieter Rechnung zu tragen. Indem die Verfügungsbeklagte diese Unterkriterien jedoch verschwindend gering bewerte, umgekehrt aber für die Bewertung des Kriteriums „Preisgünstigkeit“ nahezu ausschließlich auf solche Kriterien abstelle, die von den Bietern in weiten Teilen nicht beeinflusst werden könnten, bewerte sie im Hinblick auf das Ziel der Preisgünstigkeit aus § 1 EnWG nicht das beste Angebot und verzerre so den Wettbewerb. Um das Konzessionsverfahren insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Preisgünstigkeit aus § 1 EnWG als rechtmäßigen Leistungswettbewerb auszugestalten, sei es erforderlich, dass die Verfügungsbeklagte die Unterkriterien Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse angemessen, das heiße im konkreten Fall mit mindestens 60 von 180 Punkten innerhalb des Kriteriums der Preisgünstigkeit bewerte. Wegen der Argumentation im Einzelnen wird auf das Vorbringen der Verfügungsklägerin in der Antragsschrift, Bl. 5 bis 8 d.A., Bezug genommen.
25Soweit die Verfügungsbeklagte auf die Rüge der Verfügungsklägerin, die mit Blick auf die Prognose der Netznutzungsentgelte zu Grunde zu legenden Berechnungsumstände seien intransparent und potentiell diskriminierend, in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2019 darauf hingewiesen habe, dass die für die Letztverbraucher insgesamt zu erwartenden Netznutzungsentgelte in C1 einschließlich der Kosten für die Nutzung der vorgelagerten Netzebenen anzugeben seien, sei zwar die gerügte Intransparenz beseitigt worden, gleichwohl erweise sich auch diese Vorgabe an die Bieter als rechtswidrig. Es sei sachwidrig, wenn die Verfügungsbeklagte ihre Auswahlentscheidung auch davon abhängig mache, wie ein Bieter die Entwicklung der vorgelagerten Netzentgelte prognostiziere. Die Verfügungsbeklagte müsse hierzu vielmehr konkrete Vorgaben für alle Bieter machen, um eine Verzerrung des Leistungswettbewerbs zu verhindern. Wegen der weiteren Ausführungen der Verfügungsklägerin zu diesem Punkt wird auf Seite 7f. der Antragsschrift, Bl. 8f. d.A., und Seite 9ff. des Schriftsatzes vom 09.09.2019, Bl. 81ff. d.A., verwiesen.
26Die Verfügungsklägerin ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch das Bewertungskriterium 3.5 in sachfremder und diskriminierender Weise ausgestaltet sei, wenn eine Darstellung zum Prozessablauf bezogen auf den Zeitraum zwischen dem verbindlichen Auftrag bis zur baulichen Fertigstellung des Anschlusses erwartet werde, da der so abgefragte Zeitraum überwiegend im Einflussbereich des Kunden liege. Mit Blick auf das Kriterium der Schnelligkeit könne es nicht auf die Zeitdauer zwischen der Erteilung des verbindlichen Auftrags und der Erstellung des Netzanschlusses ankommen. Es habe vielmehr eine Orientierung am Kundenwunsch zu erfolgen. Auf die weiteren Ausführungen der Verfügungsklägerin zu diesem Punkt, Seite 8f. der Antragsschrift, Bl. 9f. d.A., sowie Seite 11f. des Schriftsatzes vom 09.09.2019, Bl. 83f. d.A., wird ebenfalls Bezug genommen.
27Die Verfügungsklägerin beantragt,
281. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, im laufenden Konzessionierungsverfahren Strom den Rügen der Antragstellerin, wie sie im Schreiben vom 29.05.2019 (Anlage ASt 1) erhoben worden sind, abzuhelfen,
292. hilfsweise,
30der Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu untersagen, das laufende Konzessionierungsverfahren Strom fortzusetzen, ohne zuvor den Rügen der Verfügungsklägerin, wie sie im Schreiben vom 29.05.2019 (Anlage ASt 1) erhoben worden sind, abgeholfen zu haben.
31Die Verfügungsbeklagte beantragt,
32den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
33Sie ist der Auffassung, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei schon unzulässig, da die für eine gerichtliche Geltendmachung erforderliche Bestimmtheit des Klageantrags nicht gegeben sei.
34Darüber hinaus seien die Einwände der Verfügungsklägerin gegen die von der Verfügungsbeklagten aufgestellten Auswahlkriterien auch in der Sache nicht erfolgreich.
35So habe die Verfügungsbeklagte das Ziel der Preisgünstigkeit rechtskonform ausgestaltet. Die Verfügungsbeklagte sei insbesondere nicht – wie von der Verfügungsklägerin im Rahmen ihres Schreibens vom 29.05.2019 ausgeführt – von einer „besonderen Bedeutung“ der Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse ausgegangen. Soweit die Verfügungsklägerin ihre Argumentation nunmehr darauf stütze, dass allgemein eine „sachwidrige“ zu geringe Gewichtung der Hausanschlusskosten und des Baukostenzuschusses gegeben sei, handele es sich um eine „neue“ Rüge, die nicht innerhalb der Frist des § 47 EnWG erhoben worden sei. Aber auch in der Sache gehe die Beanstandung der Verfügungsklägerin fehl. Die geringere Gewichtung von Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüssen im Verhältnis zu Netznutzungsentgelten sei weder sachwidrig noch diskriminierend.
36Im Hinblick auf die Beanstandungen zu den Ziffern 2.1-2.3 sei die Verfügungsklägerin mit ihrem Vorbringen bereits präkludiert. Die Verfügungsklägerin habe in ihrem Schreiben vom 29.05.2019 zwar auch Ausführungen zu diesen Kriterien gemacht, diese hätten sich jedoch darauf beschränkt, dass nicht klar sei, ob das Netznutzungsentgelt „ohne oder mit Berücksichtigung der vorgelagerten Netzspannungsebenen zu prognostizieren sei“. Abgesehen davon, dass sich dies bereits aus den Ausführungen im 1. Verfahrensbrief ergebe, habe sie diesen Punkt mit Schreiben vom 26.06.2019 (nochmals) klargestellt. Soweit die Verfügungsklägerin nunmehr im Rahmen der Antragsschrift erstmals rüge, dass die Netznutzungsentgelte des vorgelagerten Netzbetreibers bei der geforderten Netzentgeltprognose keine Rolle spielen dürften, sei sie mit diesem Einwand mangels Rüge und Nichtabhilfe entsprechend § 47 EnWG präkludiert.
37Darüber hinaus sei die Rüge der Verfügungsklägerin auch unbegründet. Entgegen der Ausführungen der Verfügungsklägerin bestünden in der Praxis erhebliche Unterschiede bei der Höhe der „nicht beeinflussbaren Kosten“ der Netzbetreiber, die sich unmittelbar auf die Höhe der Netznutzungsentgelte auswirken würden. So würden die von der Verfügungsklägerin in den Vordergrund gestellten vorgelagerten Netznutzungsentgelte z.B. von der konkreten Anschlusssituation des Bieters abhängen. In der Praxis würden damit erhebliche Unterschiede bei der Höhe der „nicht beeinflussbaren Kosten“ der Netzbetreiber bestehen, die sich unmittelbar auf die Höhe der Netznutzungsentgelte auswirken würden. Die Verfügungsklägerin könne sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine fehlende Vergleichbarkeit der Angebote berufen. Fehler der Bewertung seien nach Vorlage des Auswertungsgutachtens am Ende des Verfahrens zu klären.
38Schließlich habe die Verfügungsbeklagte auch das Kriterium der Bereitstellung von Netzanschlüssen rechtskonform ausgestaltet. Die Verfügungsklägerin verkenne hier schon die Reichweite des gemeindlichen Beurteilungsspielraums bei der Ausgestaltung der Auswahlkriterien. Es wird in diesem Zusammenhang bestritten, dass ein Hausanschluss in der Mehrzahl der Fälle nicht sofort fertiggestellt werden könne bzw. dass die Kunden eine möglichst rasche Bereitstellung des Hausanschlusses im Regelfall nicht fordern würden. Es gehe bei dem aufgestellten Kriterium im Übrigen erkennbar darum, wie schnell der Konzessionär den Netzanschluss erstelle, wenn der Erstellung keine externen Hindernisse entgegenstehen.
39Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 verwiesen.
40Entscheidungsgründe
41Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
42A.
43Der Antrag der Verfügungsklägerin ist zulässig.
44I.
45Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag sind nach Auffassung der Kammer hinreichend bestimmt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/8184, S. 17) ist gemäß § 47 Abs. 5 EnWG bei Nicht-Abhilfe einer Rüge eine einstweilige Verfügung zu beantragen, um entweder die Fortsetzung des Auswahlverfahrens oder einen bereits drohenden Vertragsschluss nach § 46 Abs. 2 EnWG zu verhindern, bevor nicht die konkret gerügte rechtswidrige Verfahrenshandlung aufgehoben und durch eine rechtmäßige Verfahrenshandlung ersetzt wurde. Letztlich sind sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag auf die Beseitigung einer Störung, nämlich einer Störung im Konzessionierungsverfahren, gerichtet. Dann aber genügt es zur hinreichenden Bestimmtheit des Antrags, wenn er den begehrten Erfolg bezeichnet.
46Das ist sowohl im Hinblick auf den Haupt- als auch den Hilfsantrag der Fall.
47Grundsätzlich muss der auf Vornahme einer Handlung gerichtete Antrag zwar deren Art und Umfang bestimmt bezeichnen, ist er aber – wie hier – auf Beseitigung einer Störung oder eines Mangels gerichtet, genügt die Angabe des begehrten Erfolgs, denn in der Regel bleibt die Wahl zwischen mehreren zur Beseitigung geeigneter Mittel dem Schuldner überlassen (Zöller/Greger, ZPO, § 253 Rdnr. 13c).
48Die Rügen selbst sind durch die Bezugnahme auf das als Anlage ASt 1 zur Akte gereichte Schreiben der Verfügungsklägerin vom 29.05.2019 hinreichend bezeichnet.
49Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre. Da jede einzelne Rechtsverletzung einen eigenen Streitgegenstand begründet, muss diesbezüglich klar sein, ob sie Gegenstand des Verfahrens ist. Eine solche Bestimmbarkeit lässt sich etwa erzielen durch Kurzbezeichnungen der Rügen im Unterlassungsantrag, die eine Zuordnung zu den näheren Ausführungen in der Antragsschrift erlauben, oder durch Verweis auf ein anderes Dokument, welches ebenfalls diese Anforderungen erfüllt (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 06.06.2019, 2 U 218/18, juris-Rdnr. 41). Dabei muss ein in Bezug genommenes Schreiben klar erkennen lassen, welche Rechtsverstöße beanstandet werden. Bestehen diesbezüglich Unklarheiten ist die Bezugnahme auf dieses in einer Entscheidungsformel zur Bestimmung der Reichweite eines gerichtlichen Verbots ungeeignet.
50Das Schreiben der Verfügungsklägerin vom 29.05.2019 wird den vorgenannten Anforderungen an die Bestimmtheit gerecht. Die einzelnen Rügen sind genau bezeichnet und getrennt von einander aufgeführt und inhaltlich erläutert. Aus dem Schreiben ergibt sich mit hinreichender Klarheit hinsichtlich jeder einzelnen Rüge, welche Rechtsverstöße beanstandet werden.
51II.
52Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 04.07.2019 und damit innerhalb der 15-Tages-Frist des § 47 Abs. 5 EnWG gestellt worden.
53III.
54Ein Verfügungsgrund in Form einer Rechtsgefährdung braucht vorliegend gemäß § 47 Abs. 5 Satz 3 EnWG nicht glaubhaft gemacht zu werden. Dieser ergibt sich schon aus der drohenden Präklusion.
55B.
56Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bleiben jedoch ohne Erfolg. Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Abhilfe.
57Der Anspruch des Bieters richtet sich darauf, die Fortsetzung des Vergabeverfahrens ohne Abhilfe der begründeten Rügen zu unterlassen (vgl. BT-Drucksache 1878184, S. 17). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im Eilverfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG sind danach nicht sämtliche potentiellen Rechtsverletzungen der Kommune im Rahmen eines laufenden Konzessionierungsverfahrens, sondern allein solche – vom jeweiligen Verfügungskläger innerhalb der gesetzlichen Frist gerügte – Rechtsverletzungen, die in den im Rahmen dieses Verfahrens erfolgten Verlautbarungen der Kommune manifestiert sind (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.06.2019, 2 U 218/18, juris-Rdnr. 56 m.w.N.).
58I.
59Hinsichtlich der Rüge zu Ziffer 2. im Schreiben vom 29.05.2019 (betreffend die Kriterien C.II. 2.1-2.3) liegen schon die formalen Voraussetzungen des § 47 Abs. 5 EnWG nicht vor.
601.
61Es fehlt an einer Nichtabhilfe durch die Gemeinde. In Bezug auf die Rüge zu Ziffer 2. des Schreibens der Verfügungsklägerin vom 29.05.2019 erfolgte durch die Verfügungsbeklagte im Rahmen des Schreibens vom 26.06.2019 lediglich eine Klarstellung, die im Ergebnis weder als Abhilfe noch als Nichtabhilfe einzustufen ist. Soweit die Antragstellerin hinsichtlich der Auswahlkriterien zu Ziffer 2.1 bis 2.3 mit Schreiben vom 29.05.2019 eine Intransparenz und mögliche Diskriminierung in der Ausgestaltung und durch die Anwendung der Kriterien mit der Begründung gerügt hat, es sei nicht zu erkennen, ob die hier geforderte Prognose ohne oder mit Berücksichtigung der vorgelagerten Netzspannungsebenen erfolgen soll, hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 26.06.2019 klargestellt, dass auch die Kosten aus der Nutzung vorgelagerter Netzebenen zu berücksichtigen seien, und hierzu weiter ausgeführt, dass sich dies bereits aus dem 1. Verfahrensbrief ergebe, wonach der Bewerber eine konkrete und für Dritte nachvollziehbare Prognose der zu erwartenden Netznutzungsentgelte in Eurobeträgen (netto) für die bei Konzessionsbeginn laufende und die folgende Regulierungsperiode abgeben soll. Durch diese Klarstellung ist die von der Verfügungsbeklagten gerügte Unklarheit abschließend beseitigt worden, so dass eine „Nichtabhilfe“ im Sinne des § 47 Abs. 5 EnWG nicht vorliegt.
62Eine andere Wertung und eine Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses sind in diesem Zusammenhang auch nicht deshalb geboten, weil die Verfügungsbeklagte in der Einleitung des Schreibens vom 26.06.2019 erklärt, dass den mit Schreiben vom 13. Mai 2019 erhobenen Rügen „nicht abgeholfen“ werde. Zunächst schadet es nicht, dass die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang das Datum des Rügeschreibens falsch angegeben hat. Da die Verfügungsklägerin nur ein Rügeschreiben verfasst hat, besteht kein Zweifel daran, dass die Rügen aus diesem Schreiben gemeint sind. Dass die im Folgenden in Bezug auf die Rüge zu Ziffer 2. des Schreibens vom 29.05.2019 erfolgte Klarstellung gerade keine Nichtabhilfe darstellt, liegt auf der Hand.
63Auch ein widersprüchliches Verhalten der Verfügungsbeklagten ist insoweit nicht erkennbar. Bei den Ausführungen der Verfügungsbeklagten zu Ziffer II. im Schreiben vom 26.06.2019 handelt es lediglich um eine Klarstellung; eine Abhilfe ist hiermit gerade nicht verbunden. Die Verfügungsbeklagte verweist vielmehr auf den 1. Verfahrensbrief, aus dem sich bereits ergebe, dass die für die Letztverbraucher zu erwartenden Netznutzungsentgelte, die in Eurobeträgen anzugeben seien, selbstverständlich auch die Kosten aus der Nutzung vorgelagerter Netzebenen beinhalten würden.
64In der Tat ergibt sich Entsprechendes – für den Bieter erkennbar – bereits aus dem 1. Verfahrensbrief. Wenn die Verfügungsbeklagte hier eine „konkrete und für Dritte nachvollziehbare Prognose der zu erwartenden Netznutzungsentgelte in Eurobeträgen (netto)“ erwartet, ist damit ersichtlich der Betrag gemeint, den der Letztverbraucher nach der Prognose der Bieterin abschließend konkret zu zahlen hat. Würden die Kosten der Nutzung vorgelagerter Netze nicht in die Prognose miteinbezogen, würde es sich bei der Angabe des Bieters ersichtlich nicht um die „für die Letztverbraucher zu erwartenden Netznutzungsentgelte“ handeln, sondern vielmehr lediglich um eine Zwischensumme. In diesem Fall bliebe offen, mit welchem Netznutzungsentgelt der Letztverbraucher „konkret“ rechnen müsste. Dass die Vorgaben der Verfügungsbeklagten im 1. Verfahrensbrief vom objektiven Empfängerhorizont eines Bieters nur so verstanden werden können wie vorstehend dargelegt, ergibt sich nach Auffassung der Kammer schließlich auch daraus, dass nach den Angaben der Verfügungsbeklagten im 1. Verfahrensbrief ausdrücklich lediglich die Kosten für Messung und Messstellenbetrieb außer Betracht zu bleiben haben. Im Umkehrschluss heißt das, dass alle anderen kostenbildenden Faktoren bei der Ermittlung des von dem Letztverbraucher zu erwartenden Netznutzungsentgelts zu berücksichtigen sind.
652.
66Soweit die Verfügungsklägerin im Hinblick auf die erfolgte Klarstellung nunmehr erstmals im Rahmen der Antragsschrift ausdrücklich rügt, dass die Vorgabe an die Bieter, die vorgelagerten Netzentgelte ebenfalls zu prognostizieren, rechtswidrig sei, ist sie nach Auffassung der Kammer mit diesem Einwand gemäß § 47 Abs. 1, Abs. 2 EnWG präkludiert.
67Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob in dem Fall, in dem die Gemeinde einer Rüge eines Bieters abhilft, die Rügefrist des § 47 Abs. 2 EnWG in Bezug auf dieses Kriterium neu zu laufen beginnt und ob die Zustellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an die Gemeinde innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 EnWG dem Erfordernis einer rechtzeitigen Rüge gegenüber der Gemeinde Rechnung trägt. Ein solcher Fall liegt wie dargelegt vorliegend gerade nicht vor. Vielmehr ergibt sich die von der Verfügungsklägerin erstmals mit der Antragsschrift gerügte Rechtsverletzung bereits aus dem 1. Verfahrensbrief, so dass sie innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 EnWG und damit innerhalb von 15 Kalendertagen ab dem Zugang des Schreibens hätte gerügt werden müssen.
68Soweit die Verfügungsklägerin schließlich darauf verweist, dass das Schreiben vom 29.05.2019 mit dem Passus: „Wir rügen daher die sich aus diesem Umstand ergebende Intransparenz und mögliche Diskriminierung in der Ausgestaltung und durch die Anwendung des Kriteriums“ bereits eine entsprechende Rüge der Verfügungsklägerin enthalte, die im Rahmen der Antragsschrift nur präzisiert worden sei, genügt die vorstehende Formulierung nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht den Anforderungen an eine konkrete und hinreichend begründete Rüge im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 EnWG. Mit dem Rüge-, Kontroll- und Präklusionssystem nach § 47 EnWG soll das Konzessionierungsverfahren durch Abschichtung von Streitpunkten gestrafft und beschleunigt werden, wobei primär die Gemeinde in die Lage versetzt werden soll, auf begründete Beanstandungen durch entsprechende Änderungen beispielsweise im Rahmen der Auswahlkriterien zu reagieren. Da dies nur möglich ist, wenn der Bewerber konkret darlegt, welche Vorgaben und/oder Maßnahmen er angreifen möchte und aus welchen Gründen diese aus seiner Sicht rechtswidrig sind, kann von einer „Rüge“ im Sinne dieser Norm nur ausgegangen werden, wenn ein konkreter Rechtsverstoß beschrieben und begründet wird (KG Berlin, Urteil vom 25.10.2018, 2 U 18/18 EnWG, juris-Rdnr. 53). Hieran fehlt es vorliegend. Abgesehen davon, dass sich der Begriff „aus diesem Umstand“ aus Sicht eines objektiven Empfängers auf die gerügte „mangelnde Erkennbarkeit“ bezieht, ob ohne oder mit Berücksichtigung der vorgelagerten Netzspannungsebenen zu prognostizieren ist, ist auch aus dem weiteren Zusammenhang nicht ansatzweise herzuleiten, dass die Verfügungsklägerin – wie sie ausführt - hier auf eine Intransparenz und Diskriminierung abstellt, die sich daraus ergeben könnte, dass die Netznutzungsentgelte gegebenenfalls unter Einschluss der Kosten der vorgelagerten Netzspannungsebenen zu prognostizieren sein könnten. Es fehlt zudem an der nach § 47 Abs. 1 Satz 2 EnWG erforderlichen Begründung der vermeintlichen Rechtsverletzung.
69II.
70Hinsichtlich der weiteren mit Schreiben der Verfügungsklägerin vom 29.05.2019 geltend gemachten Rügen (Ziffern 1. und 3.) liegen zwar die Voraussetzungen des § 47 Abs. 5 EnWG zur Anrufung der ordentlichen Gerichte vor, die Rügen sind jedoch im Ergebnis nicht begründet. Ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen das Transparenz- und/oder Diskriminierungsverbot ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium in Bezug auf die angegriffenen Auswahlkriterien nicht festzustellen.
711.
72Die Gemeinden sind als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen. Sie muss sich vor allem an Kriterien orientieren, welche die Ziele des § 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltfreundlichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas) konkretisieren (BGH, Urteil vom 17.12.2013, BGHZ 199, 289, juris-Rdnr. 16, 27ff.). Diese Anforderungen sind nunmehr in § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG normiert. Das Auswahlverfahren muss überdies so gestaltet sein, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Denn nur dann ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Wettbewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt dementsprechend, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden (BGH, a.a.O., juris-Rdnr. 35; BGH, Urteil vom 17.12.2013, KZR 65/12, juris-Rdnr. 44). Dabei müssen Angaben zu den Kriterien nicht bereits in der Bekanntmachung gemäß § 46 Abs. 3 EnWG erfolgen. Ausreichend ist, wenn sie allen Unternehmen – wie hier – in einem gleichlautenden Verfahrensbrief rechtzeitig mitgeteilt werden, nachdem sie aufgrund der Bekanntmachung ihr Interesse an der Konzession bekundet haben (BGH, Urteil vom 17.12.2013, KZR 65/12, juris-Rdnr. 35, 48; OLG Celle, Urteil vom 17.03.2016, 13 U 141/15 (Kart), juris-Rdnr. 35).
73Die Entscheidung hat schließlich allein nach sachlichen Kriterien zu erfolgen und ist – wie oben bereits aufgezeigt – vorrangig, aber nicht ausschließlich an Kriterien auszurichten, die die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 EnWG konkretisieren (§ 46 Abs. 4 EnWG). Bei der Formulierung und der Gewichtung der Auswahlkriterien besteht – aus der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung folgend – zugunsten der Kommune grundsätzlich ein Spielraum (BGH, Urteil vom 17.12.2013, KZR 66/12, a.a.O., juris-Rdnr. 48). Der bei der Bestimmung der Kriterien bestehende Entscheidungsspielraum wird erst dort überschritten, wo die Bedeutung des Kriteriums in der Ausschreibungsgewichtung so grundlegend von dessen Bedeutung nach den energiewirtschaftlichen Zielsetzungen abweicht, dass daraus eine Verkennung des Kriteriums offenkundig wird, weil von einer angemessenen Bewertung auch im Licht des Ermessensspielraum der Gemeinde nicht mehr ausgegangen werden kann.
74Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, so liegt eine unbillige Beeinträchtigung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (BGH, a.a.O., juris-Rdnr. 54).
752.
76Die vorstehenden Grundsätze zugrunde gelegt, genügen die weiteren – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Überprüfung gestellten – Auswahlkriterien den an sie zu stellenden Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit.
77a)
78Soweit die Verfügungsklägerin im Rahmen des Rügeschreibens vom 29.05.2019 eine fehlerhafte Gewichtung der Hausanschlusskosten und der Baukostenzuschüsse im Rahmen des Kriteriums der Preisgünstigkeit in erster Linie darauf gestützt hat, dass eine von der Verfügungsbeklagten im 1. Verfahrensbrief hervorgehobene „besondere Bedeutung“ der Hausanschlusskosten und des Baukostenzuschusses nicht in angemessener Weise widergespiegelt werden, sie im Rahmen der Antragsschrift jedoch nur (noch) eine allgemeine „sachwidrig“ zu geringe Gewichtung dieser Faktoren rügt, bestehen entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten keine Bedenken an einer fristgerechten Rüge. Bereits im Rahmen des Rügeschreibens hat die Verfügungsklägerin ausgeführt: „Diese Gewichtung spiegelt unseres Erachtens zudem nicht die tatsächliche Bedeutung für die Preisgünstigkeit eines Netzbetriebes wieder“, und damit auf eine allgemein sachwidrige Gewichtung der hier gegenständlichen Kriterien abgestellt.
79Eine fehlerhafte Gewichtung der Unterkriterien Hausanschlusskosten (Ziffer 2.4 des 1. Verfahrensbriefs) und Baukostenzuschuss (Ziffer 2.5 des 1. Verfahrensbriefs) durch die Verfügungsbeklagte ist indes nicht festzustellen.
80Die Verfügungsbeklagte hat sich sowohl bei Aufnahme der Kriterien in den Kriterienkatalog als auch bei der Frage der Gewichtung dieser beiden Kriterien im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt.
81Es ist schon fraglich, ob diese Kriterien im Rahmen des Kriterienkatalogs überhaupt zwingend zu berücksichtigen sind.
82Der BGH hat hierzu wie folgt ausgeführt: „Mit einer preisgünstigen Versorgung beim Netzbetrieb werden vielmehr die nicht rabattierten Netzentgelte angesprochen, bei denen trotz Regulierung erhebliche Unterschiede zwischen Bewerbern bestehen können, insbesondere, weil in die Regulierung der Effizienzwert des Netzbetreibers einfließt (vgl. Monopolkommission, 65. Sondergutachten, Rn. 470)“ (BGH, Urteil vom 17.12.2013, KZR 66/12, juris-Rdnr. 87). Ausgehend von der vorstehenden Rechtsprechung des BGH und der in Bezug genommenen Ausführungen der Monopolkommission kann den Ausführungen der Verfügungsklägerin, die Spreizung der Entgelte bei den Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüssen sei wesentlich größer als bei den Netzentgelten im engeren Sinne, nicht gefolgt werden.
83Es erscheint jedoch – dies wird auch von der Verfügungsklägerin nicht angegriffen – nicht sachwidrig, die Hausanschlusskosten und Baukostenzuschüsse überhaupt als Unterkriterien des Oberkriteriums „Preisgünstigkeit“ zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Umstand, dass es sich sowohl bei den Hausanschlusskosten als auch dem Baukostenzuschuss um Belastungen handelt, die nicht bei jedem Kunden und wenn, auch nur einmalig anfallen, während die Netzentgelte den Kunden dauerhaft belasten, erscheint aus Sicht der Kammer der Ansatz der Verfügungsbeklagten, diese Kriterien jeweils mit lediglich 5 von insgesamt 180 Punkten im Bereich der Preisgünstigkeit zu berücksichtigen, jedenfalls nicht sachwidrig und von dem der Gemeinde zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt.
84b)
85Auch das Kriterium „Bereitstellung von Netzanschlüssen“ ist nach Auffassung der Kammer in der konkreten Ausgestaltung weder intransparent noch diskriminierend.
86Von den Bietern wird hier letztlich eine schematische Darstellung der Prozessabläufe ab Antragstellung bis zur Fertigstellung des Netzanschlusses verlangt, und zwar unterteilt in zwei Phasen. Soweit die Verfügungsbeklagte hier in dem zweiten Schritt eine Darstellung des „Prozessablauf(s) unter Angabe maximaler Bearbeitungszeiten bezogen auf den Zeitraum zwischen dem verbindlichen Auftrag zur Erstellung des Netzanschlusses bis zur baulichen Fertigstellung des Netzanschlusses“ erwartet, kann diese Vorgabe nach Auffassung der Kammer vom objektiven Empfängerhorizont und damit aus Sicht eines Bieters nur dahingehend verstanden werden, dass eine Darstellung der einzelnen Schritte im Zeitraum zwischen Eingang des verbindlichen Auftrags zur Erstellung des Netzanschlusses bis zur baulichen Fertigstellung des Netzanschlusses unter der Voraussetzung gemeint ist, dass der Netzanschluss sofort (d.h. zum Zeitpunkt des Eingangs des verbindlichen Auftrags) ohne unvorhersehbare Störungen von außen ausgeführt werden soll. Für eine entsprechende Auslegung spricht auch der Umstand, dass nach den Vorgaben der Verfügungsbeklagten zu unterstellen ist, dass bereits bei Antragstellung sämtliche erforderliche Unterlagen des Anschlussnehmers vorliegen.
87Nach Auffassung der Kammer lassen sich so die konkreten Abläufe ab Eingang des verbindlichen Auftrags des Kunden, ohne dass seitens der Verfügungsbeklagten genauere Vorgaben gemacht werden, konkret darstellen. Die (abweichenden) Darstellungen der verschiedenen Anbieter sind sodann im Rahmen der Auswertung qualitativ bewerten.
88In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob es – wie die Verfügungsklägerin behauptet – den Regelfall darstellt, dass der Kunde deutlich vor dem eigentlichen Bedarf einen Hausanschluss beantragt und dann in Abhängigkeit vom Baufortschritt ein Termin zur Fertigstellung vereinbart wird. Aus Sicht der Kammer ist es keinesfalls sachwidrig, zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Angebote den Bietern Vorgaben zu machen, auf deren Grundlage die Bieter Prozessabläufe darzustellen haben.
89Wenn die Verfügungsklägerin in diesem Zusammenhang im Rahmen ihres Angebots überdies darlegt, dass und wie sie dafür Sorge tragen wird, dass sie die Fertigstellung des Netzanschlusses auch zu einem von dem Endkunden gewünschten späteren Termin sicherstellt, ist dies insbesondere unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Verfahrens als Ideenwettbewerbs selbstverständlich nicht ausgeschlossen und letztlich bei der Frage der sachgerechten Bewertung der einzelnen Angebote zu berücksichtigen.
90Da die – im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigenden – Einwände der Verfügungsklägerin gegen die im 1. Verfahrensbrief der Verfügungsbeklagten vom 13.05.2019 aufgestellten Kriterien nicht durchgreifen, waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag auf Erlasse einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
91III.
92Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
93IV.
94Der Streitwert wird gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG, 3 ZPO auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
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Referenzen
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- ZPO § 53 Prozessunfähigkeit bei Betreuung oder Pflegschaft 1x
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