Urteil vom Landgericht Essen - 4 O 343/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin war Justizvollzugsbeamtin des beklagten Landes und in dieser Eigenschaft bis zum 10.03.2003 in der Justizvollzugsanstalt H im offenen Vollzug eingesetzt. Sie befand sich bis zu diesem Zeitpunkt im statusrechtlichen Amt A 7 und hatte einen monatlichen Bruttoverdienst inklusive Stellenzulagen von 2.114,19 €. Ferner erhielt sie ein Weihnachtsgeld von 1.853,38 € sowie monatlich 6,65 € vermögenswirksame Leistungen.
3Ab dem 11.03.2003 war die Klägerin durchgängig krankgeschrieben bis sie sich am 01.02.2004 vorzeitig zur Ruhe setzte. In der Folgezeit erhielt sie Ruhegehaltsbezüge.
4Die Klägerin forderte das beklagte Land im Jahre 2011 zum Ausgleich des ihr entstandenen Schadens sowie zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes auf. Das beklagte Land hat dies mit Schreiben vom 18.07.2011 abgelehnt.
5Mit einem zur Gerichtsakte gereichten Schreiben vom 03.09.2012 hat die Klägerin den sie behandelnden Arzt – Dr. N – von der Schweigepflicht gegenüber dem Gericht entbunden.
6Die Klägerin behauptet, in der Justizvollzugsanstalt H durch ihre Vorgesetzte, der Leiterin des offenen Vollzugs Frau L, „gemobbt“ worden zu sein. Es habe ein systematisches Schikanieren der Klägerin stattgefunden.
7Am 21.09.1999 sei eine Dienstbesprechung angesetzt gewesen bei der die Bediensteten des offenen Vollzuges anwesend sein sollten. Im offenen Vollzug sei es üblich gewesen, dass ein Bediensteter im offenen Vollzug „die Stellung halte“. Nachdem die Klägerin Frau L darum gebeten habe, dieses Mal im offenen Vollzug bleiben zu dürfen, sei die Klägerin vor allen anderen Bediensteten verpflichtet worden, an der Dienstbesprechung teilzunehmen und zudem das Protokoll zu führen. Dem Wunsch der Klägerin sei aus unsachlichen Gründen nicht entsprochen worden.
8Am 07.06.2000 habe es – was zwischen den Parteien unstreitig ist – während des Dienstes der Klägerin eine laute Auseinandersetzung zweier Gefangener gegeben. Da die Klägerin die Streitenden jedoch habe besänftigen können, habe es für sie keinen Anlass gegeben, eine entsprechende Meldung zu schreiben. Am Folgetag hätten sich zwei Gefangene bei der Leiterin des offenen Vollzuges beschwert, die Klägerin sei bei einer körperlichen Auseinandersetzung nicht eingeschritten. Eine solche habe jedoch nicht stattgefunden. Es habe sich lediglich um eine verbale Auseinandersetzung gehandelt. Frau L habe die Klägerin daraufhin eigenmächtig aus dem Dienst genommen. Hierüber sei sie lediglich durch eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter informiert worden. Auf telefonische Nachfrage, habe ihr ein Kollege mitgeteilt, Frau L habe ihn angewiesen, die Klägerin nicht ins Haus zu lassen. Er habe zudem erklärt, sie habe „Hausverbot“.
9Am 09.06.2000 habe Frau L der Leiterin „Abteilung Vollzug“ – Frau G – über die Klägerin berichtet. Diese sei daraufhin zu einem Gespräch aufgefordert worden. Die Klägerin behauptet, Frau L habe der Vorgesetzten geschildert, sie sei bei einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Gefangenen nicht eingeschritten, ohne zuvor eine Stellungnahme der Klägerin hierzu eingeholt zu haben.
10Frau G habe im Anschluss an dieses Gespräch entschieden, dass die Klägerin für zwei Monate ihren Dienst im geschlossenen Vollzug verrichten müsse.
11Während dieser zwei Monate sei die Klägerin daraufhin fast täglich an anderer Stelle eingesetzt worden. Ihr sei zudem mitgeteilt worden, dass während dieser Zeit täglich beobachtet würde, was sie tun und wie sie sich geben würde. Ihr sei gesagt worden, Frau L habe negative Dinge über ihre Persönlichkeit berichtet und sich beleidigend über sie geäußert. Auf diese Weise habe man herausfinden wollen, ob die Aussagen der Leiterin des offenen Vollzuges zutreffend sein.
12Des Weiteren behauptet die Klägerin, nachdem sie in den offenen Vollzug zurückgekehrt sei, habe sich herausgestellt, dass zwischenzeitlich eine neue Kollegin ihre Stelle im offenen Vollzug übernehmen sollte. Frau L habe sie offensichtlich diffamiert, um ihre Stelle anderweitig besetzen zu können.
13Ferner habe Frau L versucht, sie in einen leer stehenden Gebäudeteil „abzuschieben“. Die Klägerin habe zunächst ein neues Büro in einem neuen, noch nicht bezogenen Gebäudeteil beziehen sollen. Schließlich habe sie dann doch ein Büro in dem Gebäude bekommen, indem sie auch zuvor eingesetzt gewesen sei. Dies sei auf die Bemühungen einer Kollegin zurückzuführen gewesen.
14Sie sei zudem angewiesen worden, sämtliche Gespräche, die sie mit Gefangenen führe, Frau L mitzuteilen. Dies sei diskriminierend, da ein Grund für eine derartige Überwachung nicht vorgelegen habe. Wenn es dazu gekommen sei, dass sie auf Nachfrage gegenüber Frau L lediglich allgemein habe mitteilen können, es hätte sich um belanglose Gespräche gehandelt, habe Frau L wiederum begonnen, sie zu schikanieren. Insbesondere sei diese laufend in das Büro der Klägerin gekommen, wenn Gefangene sich zu Gesprächen dort befunden hätten.
15Es sei ferner so gewesen, dass sie am Büro der Frau L habe vorbeigehen müssen, um zur Toilette zu gelangen. Diese habe dann gefragt, wo die Klägerin hingehe und warum dies „so lange“ dauere.
16Wenn die Klägerin sich einen Kaffee aus einem anderen Büro habe holen und dort nur einen Augenblick habe verweilen wollen, habe Frau L sie umgehend wieder in ihr Büro zurückgeschickt. Sie habe weder Fragen stellen noch sich an Gesprächen beteiligen dürfen.
17Bei gemeinsamen Treffen des gesamten Personals zum Dienstantritt, habe Frau L sie keines Blickes gewürdigt. Sobald sie im Rahmen der Dienstübergabe Bemerkungen gemacht habe, sei sie von dieser zurechtgewiesen worden, sich nicht an Gesprächen zu beteiligen. Ihre Äußerungen seien teils gänzlich ignoriert worden.
18Die Klägerin behauptet, es sei einmal so gewesen, dass eine Gefangene geflüchtet sei. Nachdem zwei Bedienstete die Gefangene außerhalb der Gefängnismauern gefasst hätten, seien sie und Frau L hinzugekommen. Die Entflohene sei von vier Bediensteten gefesselt worden. Anschließend habe sie die Gefangene allein hinüber zur Schleuse bringen müssen obgleich man sich noch außerhalb der Gefängnismauern befunden habe. Es sei sachwidrig gewesen, ihr diese Tätigkeit allein aufzuerlegen, da immer noch eine nicht unerhebliche Gefahr eines erneuten Fluchtversuches bestanden habe. Frau L habe dies offensichtlich in Kauf genommen, um die Klägerin anschließend dafür verantwortlich machen zu können.
19In der darauf folgenden Zeit sei sie durch Frau L komplett mit Missachtung gestraft worden. Sie sei morgens nicht begrüßt worden und man habe nur mit ihr gesprochen, wenn sich dies nicht habe vermeiden lassen.
20Am 13.12.2000 habe sie eine Stellungnahme für eine Konferenz zu einer Gefangenen geschrieben. Diese habe sie der Frau L im Vorfeld vorgelesen. Frau L habe daraufhin geäußert, die Stellungnahme sei gutgeschrieben und könne auf der Konferenz so vorgetragen werden, es bedürfe keiner Veränderung. Nachdem die Klägerin die Stellungnahme unverändert in der Konferenz vorgetragen hätte, sei die Direktorin mit dieser ganz und gar nicht einverstanden gewesen. Die Klägerin behauptet, sie habe daher Hilfe suchend zu Frau L hinüber gesehen, welche sie jedoch in keiner Weise unterstützt habe. Es sei daher davon auszugehen, dass sie zuvor bewusst falsch beraten worden sei in dem Ansinnen, sie würde einen schlechten Eindruck machen.
21In der Folgezeit sei es dann immer wieder zu Spitzfindigkeiten seitens der Frau L gekommen. So sei es beispielsweise vorgekommen, dass sie aus einer Krankheit zurückgekommen sei und sofort Wochendienste habe übernehmen müssen, obgleich dies absolut unüblich gewesen sei. Frau L habe unter anderem auch einen Wochenenddienst für sie verfügt, obwohl hierfür eigentlich ein anderer Kollege vorgesehen gewesen sei.
22Im August 2002 habe sie sich dann – was zwischen den Parteien unstreitig ist – auf eine ausgeschriebene Beförderungsstelle beworben. Da sie im offenen Vollzug in dem Bereich „Freies Beschäftigungsverhältnis“ eingesetzt worden sei, habe sie auch gewollt, dass dies in ihrer Beurteilung aufgeführt werde. Dies sei jedoch nicht geschehen, obgleich die Klägerin diesen Umstand gegenüber Frau L bemängelt habe. Diese habe ihr gesagt, wenn sie das Zeugnis nicht akzeptiere, werde sie dafür sorgen, dass man ihr so lange auf die Finger schaue, bis man einen Fehler finde.
23Die Klägerin behauptet des Weiteren, am 10.03.2003 habe sie sich krank melden müssen und aus diesem Grund auf ihrer Dienststelle angerufen. Sie habe dort mitgeteilt, dass sie ihren Dienst nicht antreten könne. Eine Kollegin habe ihr gesagt, sie solle sich gefälligst in der Hauptgeschäftszeit melden. Frau L habe sie angewiesen, ihr dies mitzuteilen.
24Im Mai des gleichen Jahres habe sie dann eine Aufforderung zu einem Personalgespräch erhalten, dass von drei diensthöheren Vorgesetzten mit ihr geführt worden sei. Dies sei äußerst ungewöhnlich, da Personalgespräche im Normalfall nur von einem Vorgesetzten geführt würden.
25All dies zeige, dass sie – insbesondere von Frau L – in systematischer Art und Weise schikaniert und diffamiert worden sei. Es sei eine Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Bediensteten aus dem offenen Vollzug erfolgt. Das Mobbing durch ihre Vorgesetzte habe bis zum 10.03.2003 durchgängig angedauert. Sie habe sich aus diesem Grund an den Personalrat gewandt und sich über ihre Vorgesetzte beschwert.
26Die Klägerin behauptet, aufgrund der geschilderten Mobbinghandlungen habe sie eine Depression entwickelt. Diese habe schließlich zu ihrer Dienstunfähigkeit und in der Folge zur vorzeitigen Zurruhesetzung am 01.02.2004 geführt. Sie habe sich seit dem März 2003 in psychologisch/psychiatrischer Behandlung befunden. Gespräche hätten in einem Rhythmus von ca. sechs Wochen stattgefunden. Vor dem Mobbing-Geschehen habe sie sich zu keinem Zeitpunkt in einer solchen Behandlung befunden.
27Die Depression äußere sich durch völlige Antriebslosigkeit, Herzrasen, Zittern, Schwindel, schwarz werden vor den Augen und erheblichen Schlaf- und Konzentrationsstörungen. In therapeutischen Sitzungen habe sie regelmäßig Heulanfälle bekommen. Sie habe unter Angstzuständen und Panikattacken gelitten. Aufgrund dieser sei sie nicht fähig gewesen, sich unter Menschen zugegeben. In solchen Situationen sei es dann sofort zu Herzrasen und Schweißausbrüchen gekommen. Des Weiteren habe sie im streitgegenständlichen Zeitraum auch unter Wahnvorstellungen gelitten. Sie habe im Raum Fliegen gesehen, die tatsächlich nicht dort waren. Sie könne darüber hinaus aufgrund von Muskelverspannungen in Rücken und Gesäß nur in gebückter Haltung gehen, nicht lange stehen und nur verschränkt sitzen.
28Infolge der Erkrankung sei sie etwa im Jahr 2004 zu ihrer Mutter gezogen. Sie sei nicht mehr der Lage gewesen, ihren eigenen Haushalt zu führen und sich selbst zu versorgen. Im September 2005 sei die Depression schließlich so stark gewesen, dass die Klägerin selbst ihre Therapie nicht mehr aufrechterhalten konnte. Sie habe ihren Therapeuten nicht mehr aufsuchen können. Dieser Zustand habe bis Februar 2009 angedauert.
29Zur Geltendmachung ihrer Ansprüche sei sie aufgrund der Depression zunächst nicht in der Lage gewesen. Sie habe versucht, das Geschehene zu verdrängen, um damit fertig werden zu können. Sie sei unfähig gewesen, sich mit dem Mobbing-Geschehen auseinanderzusetzen. Sie habe dieses nicht gegenüber anderen Menschen offenbaren können. Hierzu sei sie erst in der Lage gewesen, nachdem sie zu Beginn des Jahres 2009 hinsichtlich ihrer Erkrankung teilweise erfolgreich behandelt worden sei. In der Folge habe sie dann am 17.03.2009 erstmalig einen Antrag an das Landesjustizministerium NRW gestellt.
30Sie behauptet ferner, sie hätte einen Gehaltsschaden in Höhe von 74.344,09 € erlitten.
31Hinsichtlich der Berechnung desselbigen wir auf die Aufstellung auf Bl. 11 – 16 d. A. Bezug genommen.
32Die Klägerin ist der Ansicht, dass angesichts massiver psychischer Folgen des Mobbings sowie gravierender beruflicher Konsequenzen ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € angemessen sei.
33Sie beantragt,
341. das beklagte Land zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 74.344,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.07.2011 zu zahlen,
352. das beklagte Land weiter zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.07.2011 zu zahlen und
363. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die aus deren vorzeitiger Zurruhesetzung zum 01.02.2004 resultieren.
37Das beklagte Land beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Es rügt zunächst eine Verjährung bzw. eine Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche.
40Darüber hinaus habe ein Mobbing der Klägerin zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.
41Hinsichtlich der Geschehnisse am 07.06.2000 behauptet das beklagte Land, die Klägerin sei dazu verpflichtet gewesen, eine entsprechende Meldung über den Vorfall zwischen den Gefangenen zu schreiben. Dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Es sei dienstwidrig gewesen, eine Meldung zu unterlassen.
42Dass die Klägerin nach diesem Vorfall zunächst nicht mehr im Nachtdienst eingesetzt worden sei, sei zu ihrem eigenen Wohle sowie im Interesse der Justizvollzugsanstalt erfolgt. Unmittelbar nach dem Vorfall seien Gerüchte entstanden, die Klägerin habe mit den Gefangenen eine Vereinbarung getroffen, über den Vorfall keine Meldung zu schreiben. Da ein solches Vorgehen disziplinarrechtlich relevant und zu verfolgen gewesen wäre, habe Frau L es für sachgerecht erachtet, die Klägerin zunächst bis zur Aufklärung der Angelegenheit nicht mehr im Nachtdienst einzusetzen.
43Das beklagte Land behauptet ferner, die Klägerin habe ein Büro in einem noch nicht bezogenen Gebäudeteil erhalten sollen. Hintergrund dieser Maßnahmen sei gewesen, dass einzelne Bürozimmer bestimmten Personen hätten zugewiesen werden müssen. Dabei habe sich jedoch später eine Änderung ergeben.
44Das beklagte Land behauptet weiter, es sei üblich, dass Bediensteten der Justizvollzugsanstalt H, welche nach Krankheit ihren Dienst wieder aufnehmen, in verstärktem Maße zu bevorstehenden Wochenenddiensten herangezogen würden. Dies geschehe um die vorherige Mehrbelastung der übrigen Bediensteten auszugleichen.
45Des Weiteren habe sich die Klägerin während ihres aktiven Dienstes zu keiner Zeit über ihre Vorgesetzte Frau L beklagt oder gar offiziell Beschwerde gegen diese erhoben.
46Die Geschehnisse um einen Fluchtversuch einer Gefangenen, den geäußerten Wunsch an einer Besprechung nicht teilnehmen zu müssen sowie das Auftreten einer Depression der Klägerin bestreitet das beklagte Land mit Nichtwissen. Des Weiteren bestreitet es mit Nichtwissen, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, ihren eigenen Haushalt zu führen und sich selbst zu versorgen sowie dass diese ihre Therapie nicht mehr aufrechterhalten konnte.
47Es behauptet, die Klägerin habe neben einer belastenden Arbeitssituation weitere persönliche Probleme gehabt. Der streitgegenständliche Sachverhalt sei für eine Erkrankung der Klägerin nicht kausal gewesen.
48Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. A, das dieser in der Verhandlung vom 10.07.2014 mündlich erläutert und hierzu ergänzend Stellung genommen hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 21.10.2013 sowie das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2014 (Bl. 310 - 313 d.A.) Bezug genommen.
49Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
50Entscheidungsgründe:
51Die Klage ist unbegründet.
52I.
53Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art 34 GG.
54Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht durchsetzbar. Der Anspruch ist mit Ablauf des 31.12.2006 verjährt.
55Beginn der Verjährungsfrist war am 01.01.2004 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ein Anspruch der Klägerin wäre bereits im Jahre 2003 entstanden. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, Mobbinghandlungen gegen sie hätten bis zu ihrem letzten Arbeitstag am 10.03.2003 durchgängig angedauert.
56Hinsichtlich eines Mobbings auch in der Folgezeit hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Sie hat insoweit nur auf ein im Mai 2013 geführtes Personalgespräch mit drei diensthöheren Vorgesetzten verwiesen. Hierin allein kann jedoch keine Mobbinghandlung zu Lasten der Klägerin gesehen werden.
57Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 206 BGB ist nicht eingetreten. Die Klägerin war innerhalb der letzten sechs Monate vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert.
58Höhere Gewalt wird in der Rechtsprechung zwar auch bei unvorhersehbar eintretender schwerer Krankheit bejaht, wenn der Krankheitszustand ein Handeln unmöglich macht. Erforderlich ist jedoch, dass die Besorgung der eigenen Angelegenheiten schlechthin unmöglich ist (Grothe in Münchner Kommentar, 6. Auflage, § 206 BGB Rn. 6 m.w.N.). Ausnahmsweise soll dies auch bei einem psychischen Ausnahmezustand angenommen werden können, der es unmöglich macht, sich für oder gegen die Durchsetzung eines Anspruchs zu entscheiden (Henrich in Beck’scher Online-Kommentar, Stand 1.5.2012, § 206 BGB Rn. 4). Nur wenn festgestellt werden kann, dass ein solcher Ausnahmezustand infolge psychischer Not- bzw. Zwangslage vorlag, tritt eine Hemmung der Verjährung für die Dauer dieses Zustandes ein (OLG Karlsruhe, Beschl. vom 12.6.2001, Az.: 7 W 17/01 m.w.N.).
59Die Klage wurde am 17.11.2011 anhängig gemacht. Es steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen A, das dieser in der Sitzung vom 10.07.2014 mündlich erläutert hat, fest, dass die Klägerin trotz einer vorliegenden depressiven Verstimmung in dem danach maßgeblichen Zeitraum von Mitte 2006 bis zum 17.11.2008 in der Lage war, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.
60Der Sachverständige führt auf Seite 45 seines Gutachtens vom 21.10.2013 aus, es könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin über die gesamte Dauer vollständig in jeder Handlung beeinträchtigt gewesen sei. Auf Seite 46 heißt es weiter, es könne nicht festgestellt werden, dass bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum ein psychischer Ausnahmezustand vorgelegen habe, der es unmöglich gemacht hätte, einen Amtshaftungsanspruch aufgrund von Mobbing in die Wege zu leiten. Aus der Schilderung des Nervenarztes könne nicht abgeleitet werden, dass der Ausprägungsgrad der Gesundheitsstörung so groß war, dass nicht eine andere Person mit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen hätte beauftragt werden können (vgl. Seite 47 des Gutachtens).
61Der Sachverständige versicherte im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen glaubhaft, es müsse ein extrem schweres Krankheitsbild gegeben sein um von einer Handlungsunfähigkeit ausgehen zu können. Es sei jedoch aus den vorliegenden Unterlagen sowie der durchgeführten Untersuchung der Klägerin nicht ersichtlich, dass ein solcher medizinischer Befund vorgelegen habe. Ein derart schweres Krankheitsbild habe er nicht feststellen können. Er habe weder Bewusstseinsstörungen, noch paranoide Gedanken oder Zwangsdenken erkennen können. Eine andauernde Persönlichkeitsveränderung als Folge einer posttraumatischen Belastungssituation habe sich nicht ergeben.
62Der Sachverständig blieb bei dieser Einschätzung auch im Hinblick auf den weiteren klägerischen Vortrag in Bezug auf Wahnvorstellungen, innerer Unruhe und Schweißausbrüchen. Wenn die Klägerin erkläre, Fliegen gesehen zu haben, obgleich diese nicht vorhanden waren, müsse dem kein pathologischer Charakter beizumessen sein. Diese Wahnvorstellungen könnten vielmehr ebenso auf organischen Ursachen beruhen. Der Sachverständige führte nachvollziehbar aus, optische Halluzinationen gehörten nicht zu den typischen Merkmalen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dies passe aus medizinischer Sicht nicht zusammen.
63Unruhe und Schweißausbrüche seien hingegen Symptome, die im Rahmen einer depressiven Stimmung regelmäßig auftauchen. Der Schluss auf eine Handlungsunfähigkeit der Klägerin im Zeitraum von Mitte 2006 bis November 2008 lasse sich hieraus aber nicht ziehen.
64Eine Vernehmung des Zeugen Dr. N war nicht angezeigt. Zwar handelt es sich bei diesem um den Therapeuten der Klägerin. Jedoch hat Dr. N diese in dem Zeitraum September 2005 bis Februar 2009 nicht behandelt. Er kann daher als Zeuge über den Zustand der Klägerin in dieser Zeit keine weitergehenden Angaben machen.
65Da ein Anspruch der Klägerin somit nicht mehr durchsetzbar ist, kam es auf das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung sowie eine Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Schadenspositionen nicht mehr an.
66II.
67Mangels Vorliegens eines durchsetzbaren Schadensersatzanspruches besteht auch kein Anspruch auf Feststellung einer Einstandspflicht des beklagten Landes hinsichtlich künftiger Schäden.
68III.
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und 2 ZPO
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- 7 W 17/01 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen 1x
- BGB § 206 Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt 2x
- BGB § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung 1x
- BGB § 214 Wirkung der Verjährung 1x