Urteil vom Landgericht Flensburg (4. Zivilkammer) - 4 O 178/05

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen vermeintlicher Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages.

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Der Kläger, Herr H. K. und Frau C. K. sind die Kinder und gesetzlichen Erben ihrer am 27. Juli 1999 verstorbenen Mutter A. M. P.. Die Mutter hatte den Geschwistern des Klägers im Jahre 1994 unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechtes Grundstücke unentgeltlich übertragen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls war der Nachlass vermögenslos.

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Der Kläger beauftragte die Beklagte vor diesem Hintergrund mit der Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen seine Geschwister. Das entsprechende Verfahren wurde beim Landgericht Flensburg zum Aktenzeichen 4 O 255/02 geführt.

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Die Beklagte stellte für den Kläger in jenem Verfahren zunächst einen Prozesskostenhilfeantrag, der am 25.06.2002 beim Gericht einging und aufgrund einer entsprechenden Verfügung vom 01.07.2002 am 02.07.2002 an die Geschwister als Antragsgegner übersandt wurde. Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens meldeten sich die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner für die Schwester des Klägers, der Bruder des Klägers äußerte sich zum Prozesskostenhilfeantrag nicht.

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Im November 2002 wurde auf Anregung des Gerichts nach § 65 Abs. 7 Nr. 4 GKG schon vor einer Entscheidung über die Prozesskostenhilfe die Zustellung der Klageschrift veranlasst, jedoch nur an die Rechtsanwälte Dr. A. und Partner. Mit Beschluss vom 13.01.2003 wurde dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. M. aus F. beigeordnet. Der Beschluss wurde am gleichen Tage der Geschäftsstelle unterschrieben übergeben.

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Im September 2003 fragte die Beklagte beim Gericht nach, ob die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrages und die Zustellung der Klage nicht nur an die Schwester, sondern auch an den Bruder des Klägers erfolgt seien. Auf die Mitteilung, dass die Klage dem Bruder bisher nicht zugestellt worden sei, reichte die Beklagte eine neue Klageschrift ein, die am 28.10.2003 beim Gericht einging und dem Bruder am 08.11.2003 zugestellt wurde.

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Der Bruder erhob die Einrede der Verjährung. Der Rechtsstreit 4 O 255/02 endete schließlich dadurch, dass sich der Kläger mit seinen Geschwistern verglich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte S. und Dr. O. vom 12.03.2004 (Bl. 20 ff. d. A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorprozesses wird auf die beigezogene Akte 4 O 255/02 verwiesen.

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Der Kläger meint, die Beklagte habe seine Interessen im Vorprozess schuldhaft nicht optimal gewahrt, weil sie keine ausreichenden Maßnahmen zur Verhinderung der Verjährung seines Pflichtteilsergänzungsanspruches gegen seinen Bruder ergriffen habe. Die Verjährung sei eingetreten, weil die durch die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrages zunächst ausgelöste Hemmung bereits mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 13.01.2003 geendet habe und die Klagezustellung an seinen Bruder im November 2003 zu spät erfolgt sei. Auf das Beschwerderecht der Staatskasse könne es für das Ende der Hemmung nicht ankommen. Die Beklagte habe jedoch noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung erkennen können und müssen, dass eine Klagezustellung an seinen Bruder bisher nicht erfolgt sei, und diese gegenüber dem Gericht veranlassen müssen.

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Der Kläger behauptet, er habe den Vergleich mit seinen Geschwistern im Vorprozess gerade nur vor dem Hintergrund der eingetretenen Verjährung abgeschlossen. Anderenfalls hätte er gegen seinen Bruder einen - in der Klageschrift näher berechneten - Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe der Klageforderung durchsetzen können.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.567,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2006 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte meint, dass ihr bzw. dem Rechtsanwalt Dr. M. kein schuldhaftes Fehlverhalten zur Last falle. Außerdem behauptet sie, dass sich der Kläger auch unabhängig von der Verjährungsproblematik mit seinen Geschwistern verglichen hätte und dass der vom Kläger angesetzte Wert der Grundstücke, die seine Mutter an seine Geschwister verschenkt habe, unzutreffend hoch sei.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger gegen seinen Bruder ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in der von ihm jetzt geltend gemachten Höhe zugestanden hat, und ob er auf diesen Anspruch im Rahmen des im Vorprozess 4 O 255/02 abgeschlossenen Vergleiches auch dann verzichtet hätte, wenn er nicht davon ausgegangen wäre, dass dieser Anspruch verjährt sei. Ihm steht gegen die Beklagte nämlich schon dem Grunde nach gar kein Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte seinen (angeblichen) Pflichtteilsergänzungsanspruch im Vorprozess gar nicht hat verjähren lassen.

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Nach § 2332 Abs. 2 BGB verjährte der Anspruch grundsätzlich in 3 Jahren nach dem Tode der Mutter der Parteien, die Verjährungsfrist lief somit zunächst bis zum 27.07.2002.

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Der Prozesskostenhilfeantrag vom 21.06.2002 hat sodann nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB zu einer Verjährungshemmung geführt. Die Hemmung hat bereits mit der Einreichung des Antrages begonnen, der am 25.06.2002 beim Gericht eingegangen ist. Die Bekanntgabe an den Bruder des Klägers ist anschließend nämlich mit Verfügung vom 01.07.2002 und damit "demnächst" veranlasst worden. Da der Tag, in dessen Verlauf der Hemmungsgrund entsteht, schon zur Hemmungszeit gehört (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 209 Rdnr. 1), standen bei Eintritt der Hemmung noch 33 Tage aus der ursprünglichen Verjährungsfrist offen.

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Die Hemmung hat dann nach § 204 Abs. 2 BGB 6 Monate nach der Beendigung des Prozesskostenhilfeverfahrens geendet, dabei tritt die Beendigung mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ein (Anwaltskommentar Schuldrecht-Mansel, § 204 Rdnr. 51). Der Prozesskostenhilfebeschluss vom 13.01.2003 ist mit Ablauf des 13.04.2003 unanfechtbar geworden. Bis dahin bestand ein Beschwerderecht der Staatskasse nach § 127 Abs. 3 ZPO, weil dem Kläger die Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen bewilligt worden war. Der Beschluss war der Staatskasse nicht förmlich bekannt gegeben worden, sodass für sie die Frist von 3 Monaten seit der Übergabe der unterschriebenen Entscheidung an die Geschäftsstelle nach § 127 Abs. 3 Satz 4, 5 ZPO galt.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Beschwerderecht der Staatskasse bei der Frage, wann ein Prozesskostenhilfeverfahren "beendet" ist, zu berücksichtigen. Nach allgemeinem Verständnis ist ein Verfahren nämlich nicht schon mit dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen, sondern erst mit deren Unanfechtbarkeit. So ist nach einhelliger Auffassung ein Prozesskostenhilfeverfahren nicht vor Ablauf der Beschwerdefrist zugunsten des Antragstellers beendet (Palandt-Heinrichs, a. a. O., § 204 Rdnr. 45). Dieses gilt nicht nur, wenn ihm Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht versagt worden ist, sondern ebenso, wenn die Versagung auf fehlende Hilfsbedürftigkeit gestützt worden ist oder dem Antragsteller nur Prozesskostenhilfe unter Ratenzahlung bewilligt worden ist, er selbst aber geltend machen will, es seien keine oder geringere Raten festzusetzen. Auch solange nur die Frage einer Ratenhöhe offen ist, kann das Prozesskostenhilfeverfahren nicht als beendet angesehen werden. Auf dieser Grundlage muss aber für das Beschwerderecht der Staatskasse dasselbe gelten wie für ein Beschwerderecht des Antragstellers.

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Diese Auslegung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB steht auch im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Darin heißt es zu § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB (Bundestagsdrucksache 14/6040, Seite 117):

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"Bei dem Verfahren auf Erlass eines Arrestes, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung (Abs. 1 Nr. 9) richtet sich das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung oder einer sonstigen Erledigung nach den prozessordnungsrechtlichen Vorschriften.

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Letzteres gilt auch für das Prozesskostenhilfeverfahren (Abs. 1 Nr. 14).

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Diesbezüglich wird auf eine ergänzende Regelung, die näher bestimmen soll, wann das zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingeleitete Verfahren als erledigt anzusehen ist, verzichtet. Probleme können sich hier etwa aus dem Umstand ergeben, dass eine die Bewilligung ablehnende Entscheidung von dem Antragsteller gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO mit der unbefristeten Beschwerde angefochten werden kann. Auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nach Maßgabe des § 127 Abs. 3 ZPO von der Staatskasse angefochten werden. Eine ähnliche, wenn auch nicht allzu häufige Situation kann sich bei dem selbstständigen Beweisverfahren (Abs. 1 Nr. 7) ergeben: Dort ist der Beschluss, mit dem die Durchführung des beantragten Verfahrens abgelehnt wird, mit der unbefristeten Beschwerde anfechtbar. Indes sehen schon der bisherige § 477 Abs. 2 und der bisherige § 639 Abs. 1 eine Verjährungshemmung durch das selbstständige Beweisverfahren vor, die mit "Beendigung" des Verfahrens endet. Nennenswerte praktische Probleme mit der Anwendung dieser Bestimmung sind nicht bekannt geworden. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (Bundestagsdrucksache 14/4722) eine Abschaffung der unbefristeten Beschwerde vorsieht."

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Daraus folgt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers die "Beendigung" eines Prozesskostenhilfeverfahrens im Falle einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag grundsätzlich erst mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft dieser Entscheidung angenommen werden soll. Die formelle Rechtskraft tritt dann, wenn (wie im vorliegenden Fall) eine Beschwerde der Staatskasse statthaft ist, erst ein, wenn auch die Frist für die - in der Gesetzesbegründung ausdrücklich aufgeführte - Beschwerde der Staatskasse abgelaufen ist. Eine solche Auslegung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist sachgerecht, weil die Prozesskostenhilfe beantragende Partei erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Frage, inwieweit sie ihr Einkommen und Vermögen für die Prozessführung einzusetzen hat, sachgerecht darüber entscheiden kann, ob sie den Prozess auch unter Berücksichtigung der damit möglicherweise für sie konkret verbundenen finanziellen Einschränkungen durchführen will.

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An den Eintritt der Unanfechtbarkeit am 13.04.2003 schloss sich noch die Frist von 6 Monaten nach § 204 Abs. 2 BGB an, sodass die Hemmung der Verjährung am 13.10.2003 geendet hat. Ab dem 14.10.2003 liefen noch die letzten, vor Beginn der Hemmung noch nicht verstrichenen 33 Tage der Verjährungsfrist, sodass die Verjährungsfrist nunmehr bis zum 15.11.2003 dauerte.

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Dem damaligen Antragsgegner/Beklagten zu 1) - H. K. - ist die Klageschrift im Vorprozess 4 O 255/02 aber bereits am 08.11.2003 zugestellt worden, dadurch ist die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut gehemmt worden. Wegen § 167 ZPO ist sogar schon auf den Zeitpunkt des Eingangs der (erneuten) Klageschrift beim Gericht am 28.10.2003 abzustellen. Diese neuerliche Hemmung hat bis zum Ende des Mandats der Beklagten und bis zum Abschluss des Vergleichs zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern fortbestanden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


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