Urteil vom Landgericht Flensburg (4. Zivilkammer) - 4 O 248/12

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 72.452,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.580,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2012 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden Zinsansprüche wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin als Betreiberin einer Biogasanlage verlangt von der Beklagten als Netzbetreiberin Schadensersatz wegen der durch die nach ihrer Behauptung fehlerhafte Zuweisung eines Verknüpfungspunktes entstandenen Mehrkosten.

2

Die Klägerin zeigte der Beklagten am 12.04.2010 die beabsichtigte Errichtung einer Biogasanlage in J. an und beantragte am 21.04.2011 deren Anschluss. Die Beklagte wies ihr am 24.03.2011 einen Verknüpfungspunkt ("J. N.") nördlich der Anlage in einer Entfernung von 1,2 km an der Leitung Nr. 50049 am Süderzollhaus zu, den die Klägerin auch akzeptierte. Erst später fand die Klägerin heraus, dass ein Anschluss auch an die Leitung Nr. 107 der Beklagten an einem Verknüpfungspunkt ("J. W.") südöstlich der Anlage möglich gewesen wäre, der sich in unmittelbarer Nähe des klägerischen Grundstückes befand. Allerdings hätte die Leitung Nr. 107 für die Aufnahme der Leistung aus der Biogasanlage der Klägerin ausgebaut werden müssen. Durch den Anschluss an die Leitung Nr. 49 entstanden der Klägerin gegenüber einem Anschluss an die Leitung Nr. 107 Mehrkosten in Höhe der Klagesumme (72.452,66 €).

3

Die Klägerin meint, dass sich die Beklagte durch die Zuweisung des Verknüpfungspunktes an der Leitung Nr. 49 schadensersatzpflichtig gemacht habe. Die Beklagte habe die Verknüpfung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 an dem in Luftlinie nächsten Punkt und damit an der Leitung Nr. 107 vornehmen müssen. Auf einen Vergleich der Gesamtkosten und damit eine Berücksichtigung der Kosten für den Ausbau der Leitung Nr. 107 komme es nicht an, weil beide Verknüpfungspunkte im Netz der Beklagten lägen, § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 jedoch nur auf den gesamtwirtschaftlich günstigsten Punkt abstelle, wenn dieser in einem anderen Netz liege als der in Luftlinie nächste Punkt. Im Übrigen seien in die gesamtwirtschaftliche Betrachtung auch Folgekosten auf ihrer Seite für Wartung, Leitungsverluste usw. einzustellen, weshalb die Beklagte nicht allein auf die Ausbaukosten für die Leitung Nr. 107 abstellen, sondern eine umfassende Vergleichsberechnung darlegen müsse. Dabei sei schließlich auch zu berücksichtigen, dass es seinerzeit – so behauptet die Klägerin – zwei weitere Anschlussanträge anderer Betreiber für die Leitung Nr. 107 gegeben habe.

4

Die Klägerin beantragt,

1.

5

die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.452,66 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

2.

6

die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.580,00 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte meint, § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 sei so auszulegen, dass eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung auch dann entscheidend sei, wenn beide möglichen Verknüpfungspunkte im Netz desselben Betreibers lägen. Dazu behauptet sie, der Anschluss an die Leitung Nr. 49 sei gesamtwirtschaftlich günstiger gewesen, weil der Ausbau der Leitung Nr. 107 Kosten von über 200.000,00 € erfordert hätte.

10

Die Beklagte meint außerdem, dass sie jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt habe, weil sie bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage im Frühjahr 2011 davon habe ausgehen dürften, dass nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 ebenso auf den gesamtwirtschaftlich günstigsten Punkt abzustellen sei, wie das zur früheren Regelung in § 4 Abs. 2 EEG 2004 der Rechtsprechung des BGH entsprochen habe, auf die der Gesetzgeber in der Begründung zum EEG 2009 ausdrücklich verwiesen habe.

11

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet.

I.

13

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1 BGB zu, weil ihr die Beklagte im März 2011 für den Anschluss ihrer Biogasanlage entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 nicht den in Luftlinie nächsten möglichen Verknüpfungspunkt an der Leitung Nr. 107 zugewiesen hat, sondern einen weiter entfernten Verknüpfungspunkt an der Leitung Nr. 49, wodurch der Klägerin die der Höhe nach unstreitigen Mehrkosten von 72.452,66 € entstanden sind.

1.

14

Dass die Leitung Nr. 107 nach einem Ausbau technisch für den Anschluss der Biogasanlage der Klägerin geeignet gewesen wäre, ist unstreitig. Zu einem solchen Ausbau wäre die Beklagte nach § 5 Abs. 4 EEG 2009 verpflichtet gewesen, sodass sie nicht geltend machen kann, die Leitung Nr. 107 sei aus technischen Gründen für einen Anschluss nicht in Frage gekommen.

2.

15

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob ein Anschluss an die Leitung Nr. 49 gesamtwirtschaftlich günstiger war, sodass auch offen bleiben kann, welche Kosten bei einem Ausbau der Leitung Nr. 107 angefallen wären und welche Kostenpositionen auf Klägerseite in eine Vergleichsberechnung einzustellen wären.

16

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 schreibt nämlich eine Anschlusspflicht des Netzbetreibers an dem in Luftlinie zur Anlage nächsten technisch geeigneten Verknüpfungspunkt vor und lässt den Verweis auf einen weiter entfernten, aber technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt nur zu, wenn dieser zu einem "anderen Netz" gehört. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Klägerin aber auf einen anderen Verknüpfungspunkt in ihrem eigenen Netz verwiesen.

17

Zur Auslegung von § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 folgt die Kammer nicht der Auffassung des BGH in dessen Urteil vom 10.10.2012 (Anlage B 6, Bl. 67 ff. d. A.), sondern den von der Klägerin zitierten Urteilen der Landgerichte Arnsberg (vom 06.05.2010) und Duisburg (vom 06.08.2010) und den jeweils dazu ergangenen Berufungsurteilen der Oberlandesgerichte Hamm (vom 03.05.2011, zitiert Bl. 6/7 d. A.) und Düsseldorf (vom 25.11.2011, zitiert Bl. 8/9 d. A) und verweist auch auf den Beschluss der 9. Zivilkammer vom 18.04.2012 (Anlage K 10, Bl. 29 ff. d. A.). Insbesondere aber schließt sich die Kammer der ausführlichen Begründung des nach dem Erlass des BGH-Urteils vom 10.10.2012 ergangenen Urteils des Landgerichts Kiel vom 25.01.2013 (Bl. 105 ff. d. A.) an. Dieses Urteil ist zwar vom OLG Schleswig mit Urteil vom 06.11.2013 (Anlage B 8, Bl. 158 ff. d. A.) aufgehoben worden, jedoch nur mit der Begründung, der Netzbetreiber habe im dortigen Fall nicht schuldhaft gehandelt. Darüber, wie § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 auszulegen ist, hat das OLG Schleswig nicht entschieden.

3.

18

Lediglich ergänzend ist kurz dazu auszuführen:

a)

19

Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 bezieht sich nach dem allgemeinen Verständnis des Wortes "anderes" gerade nicht auf dasselbe Netz, in dem der in Luftlinie nächste Verknüpfungspunkt liegt. Mag auch der Begriff "Netz" im EEG 2009 unterschiedlich gebraucht werden, setzt doch das Wort "anderes" sprachlich und logisch zwingend das Vorhandensein mehrerer verschiedener Netze voraus. Dabei muss es sich auch um das Netz eines anderen Betreibers handeln, einzelne Leitungen desselben Betreibers stellen keine jeweils eigenen Netze dar. Vielmehr setzt sich ein "Netz" nach dem Wortsinn aus mehreren miteinander verknüpften Leitungen zusammen.

20

Zudem hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 EEG 2009, also innerhalb derselben Norm, ausdrücklich selbst von einem "anderen Verknüpfungspunkt dieses oder eines anderen ... Netzes" gesprochen, also klar sprachlich zwischen "diesem" und "einem anderen" Netz differenziert, womit die systematische Auslegung die grammatikalische bestätigt.

21

Auch der Bundesgerichtshof ist in Rn 24 seines Urteils (Bl. 76 d. A.) davon ausgegangen, dass seine Auslegung "über den zu eng gefassten Wortlaut" des Gesetzes hinausgeht.

b)

22

Eine Auslegung über den als solchen sprachlich eindeutigen Wortlaut einer Norm hinaus ist den Gerichten nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet, nämlich bei einem erkennbaren Redaktionsversehen des Gesetzgebers oder im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung, wenn eine wortwörtliche Anwendung des Gesetzes verfassungswidrig wäre. Dabei muss insbesondere ein Redaktionsversehen zweifelsfrei festgestellt werden können. Ist es auch nur möglich, dass der Gesetzgeber das gewollt hat, was sich aus dem Wortlaut ergibt, darf nicht gegen den eindeutigen Wortlaut ein anderer Wille des Gesetzgebers unterstellt werden.

aa)

23

Ein solches Redaktionsversehen scheint dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorgängernorm des § 5 Abs. 1 EEG 2009, nämlich des § 4 Abs. 2 EEG 2004 unterlaufen zu sein. Bei dem Versuch, die Rechtsprechung des BGH zu § 3 Abs. 1 EEG 2000 in den Gesetzeswortlaut zu übernehmen, hat der Gesetzgeber nämlich eine dem letzten Satzteil des § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 wortgleiche Formulierung verwendet, zugleich aber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich erklärt, dass sich der Verweis auf den wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt auf dasselbe oder ein anderes Netz beziehen solle. Vor diesem Hintergrund konnte der BGH in seiner Rechtsprechung zum EEG 2004 (NJW 2007, 1896) von einem Redaktionsversehen ausgehen.

bb)

24

Daraus folgt aber nicht hinreichend eindeutig, dass der Gesetzgeber auch mit dem letzten Satzteil des § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 dieselbe Absicht verfolgt und sein Redaktionsversehen gleichsam nur fortgeschrieben hat. Im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 1 EEG 2009 hat er nämlich keine solche ausdrückliche Erklärung wie zu § 4 Abs. 2 EEG 2004 abgegeben. Er hat auch nicht – wie im Hinblick auf einige andere Bestimmungen des EEG 2009 – ausdrücklich erklärt, dass mit der Neufassung des § 5 Abs. 1 keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage beabsichtigt sei. Die Gesetzesbegründung (zitiert im BGH-Urteil Bl. 79 f. d. A.) enthält zwar die Formulierungen "nach wie vor" und "wie nach altem Recht" unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung zum EEG 2004. Dabei bezieht sich diese Formulierung nach dem Zusammenhang des Textes aber im ersten Fall ("nach wie vor") auf den Grundsatz des Anschlusses am in Luftlinie nächstgelegen Punkt und damit gar nicht auf die gesamtwirtschaftliche Betrachtung, im zweiten Fall ("wie nach altem Recht") hingegen nur auf die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes. Die Schlussfolgerung, der Gesetzgeber habe auch am Vorrang des wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunktes festhalten wollen, ist aufgrund dieser Formulierungen keineswegs zwingend.

cc)

25

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Referentenentwurf zu § 5 EEG 2009 (Text Anlage B 13, Bl. 283 d. A. und Begründung Anlage B 14, Bl. 284 d. A.) eine vollständige Abkehr vom Recht des Netzbetreibers, den Anlagenbetreiber auf dessen Kosten auf einen weiter entfernten, aber gesamtwirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt zu verweisen, vorgesehen war. Es bestand also nicht etwa durchgängig Einigkeit darüber, dass der frühere Rechtszustand nicht verändert werden sollte. Vielmehr ging es letztlich um die politisch zu entscheidende Frage, ob die Mehrkosten für einen Anschluss an den entfernteren, aber gesamtwirtschaftlich günstigeren Punkt vom Anlagen- oder vom Netzbetreiber gezahlt werden sollten.

26

In diesem Rahmen ist es zumindest auch denkbar, dass eine dem Wortlaut entsprechende Regelung eine Kompromisslösung darstellen sollte. Der Gesetzgeber verfolgte nämlich einerseits weiterhin das Ziel, die gesamtwirtschaftlichen Kosten möglichst niedrig zu halten. Andererseits bestand und besteht aber auch Anlass, die Netzbetreiber zu einem bedarfsgerechten Ausbau ihrer Netze zu veranlassen, weil – wie allgemein bekannt ist – teilweise mit staatlicher Förderung Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird, der wegen fehlender Netzkapazitäten gar nicht abgenommen und verbraucht werden kann.

dd)

27

Gegen die Annahme eines bloßen Redaktionsversehens spricht zudem, dass der Gesetzgeber den Gesetzestext nicht berichtigt hat. Dazu hätte, wenn der Gesetzgeber den von der Beklagten behaupteten Regelungsinhalt weiterhin gewollt hätte, schon bei der Schaffung des § 5 Abs. 1 EEG 2009 Anlass bestanden, nachdem der BGH seine Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 EEG 2004 ausdrücklich auf ein Redaktionsversehen gestützt hatte. Wichtiger ist aber noch, dass der Gesetzgeber im Juni 2011 eine klarstellende Änderung des Gesetzestextes durch Einfügung der Worte "dieses oder" gemäß dem Vorschlag des Bundesrates anlässlich der Beratungen über das EEG 2012 abgelehnt hat, und zwar mit der Begründung (zitiert im BGH-Urteil vom 10.10.2012 unter Rn 39, Bl. 83 d. A.), dass die Änderung von 2009 erhebliche Rechtsunsicherheit gebracht habe, die gegenwärtig schrittweise von der Rechtsprechung aufgelöst werde, dass eine erneute Rechtsänderung zu neuer Rechtsunsicherheit führen würde und dass Netzbetreiber jedenfalls nach § 5 Abs. 3 EEG 2009 die Möglichkeit hätten, durch Zuweisung eines anderen Verknüpfungspunktes die gesamtwirtschaftlichen Kosten zu reduzieren.

28

Es ist für die Kammer nicht vorstellbar, dass eine bloße, ausdrücklich so begründete Korrektur eines Redaktionsversehens – wenn es sich denn nur darum gehandelt hätte – zu neuer Rechtsunsicherheit hätte führen sollen. Vielmehr war der Gesetzgeber erkennbar bereit, eine Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 EEG 2009, wie sie die Kammer für richtig hält, zumindest hinzunehmen. Immerhin lagen als auf das EEG 2009 bezogene Entscheidungen durch die Rechtsprechung im Juni 2011 (nur) die Urteile der Landgerichte Arnsberg vom 06.05.2010 und Duisburg vom 06.08.2010 und das Berufungsurteil des OLG Hamm vom 03.05.2011 vor. Wenn der Gesetzgeber das als "schrittweise Auflösung der Rechtsunsicherheit" bezeichnet hat, kann er diese Entscheidungen jedenfalls nicht als eklatant seinem Willen entgegenstehend empfunden haben. Auch der Hinweis auf § 5 Abs. 3 EEG 2009 zeigt, dass der Gesetzgeber eine Rechtslage, nach der die Mehrkosten für den Anschluss an einen entfernteren, aber gesamtwirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt den Netzbetreiber und nicht den Anlagenbetreiber treffen, zumindest nicht ausschließen wollte.

c)

29

Dass der Gesetzgeber 2011 die Klärung der Rechtsfrage der Rechtsprechung überlassen wollte, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu führen, dass es nunmehr gerechtfertigt wäre, gleichsam mit Billigung des Gesetzgebers vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, seinen Willen im Gesetzestext zum Ausdruck zu bringen. Innerhalb des möglichen Wortsinns können von der Rechtsprechung u. U. mehrere Auslegungsergebnisse vertreten werden, gegen den eindeutigen Wortlaut darf aber nur bei einem offensichtlichen Redaktionsversehen entschieden werden. Liegt dieser Fall nicht vor, dann kann auch der Gesetzgeber die Rechtsprechung nicht zu einer Gesetzesanwendung gegen den Wortlaut ermächtigen.

d)

30

Soweit der BGH in den Randnummern 43-45 seines Urteils vom 10.10.2012 (Bl. 84/85 d. A.) auf eine aus der Rechtsauffassung, wie sie die Kammer für richtig hält, folgende Ungleichbehandlung verweist, geht er offenbar selbst nicht davon aus, dass deswegen aus verfassungsrechtlichen Gründen die von ihm vertretene Gesetzesauslegung und -anwendung geboten sei. Er meint lediglich, dass der Gesetzgeber eine solche Ungleichbehandlung nicht gewollt haben könne. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es – wie oben ausgeführt – auch ein Ziel des Gesetzgebers gewesen sein kann, die Netzbetreiber zu einem bedarfsgerechten Ausbau ihrer Netze zu veranlassen, dass die örtlichen Gegebenheiten und damit die Kosten ohnehin bei einzelnen Standorten sehr unterschiedlich sind und dass die Frage der Kostenpflicht eine letztlich politisch zu entscheidende Frage ist. Immerhin wollte der Gesetzgeber mit dem Referentenentwurf zum EEG 2009 die Anlagenbetreiber entlasten und die Netzbetreiber "in die Pflicht nehmen". Zu den (politischen) Erwägungen, die dann zu einer zumindest teilweisen Abkehr von diesem Entwurf geführt haben, und damit auch zu der Frage, wie weit diese Abkehr gehen sollte, enthält die Gesetzesbegründung zum EEG 2009 keine näheren Aussagen.

4.

31

Auf ein fehlendes Verschulden wegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums, wie ihn das OLG Schleswig in seinem Urteil vom 06.11.2013 (Anlage B 8, Bl. 158 ff. d. A.) angenommen hat, kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht berufen. Bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage musste sie nämlich zum Zeitpunkt ihrer Vorgabe des Verknüpfungspunktes im März 2011 zumindest ernsthaft für möglich halten, dass die zum EEG 2004 ergangene BGH-Rechtsprechung auf das EEG 2009 nicht übertragbar war. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Urteile der Landgerichte Arnsberg vom 06.05.2010 und Duisburg vom 06.08.2010 vor, die eine solche Übertragbarkeit verneinten. Eine weitere Klärung durch die höheren Instanzen stand noch aus, es war keineswegs sicher, dass diese gegen die beiden Landgerichte entscheiden würden. Auch die Empfehlung der Clearingstelle vom 29.09.2011 (Anlage B 9, Bl. 192 ff. d. A.) lag noch nicht vor. Die Gesetzgebungsgeschichte ließ – wie oben ausgeführt – keineswegs eindeutig erkennen, dass die Rechtslage nach dem EEG 2004 auch unter dem EEG 2009 unverändert fortgelten sollte. Wie der Gesetzgeber selbst im Juni 2011 ausgeführt hat, bestand nach der Änderung in der Novelle des EEG 2009 eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die schrittweise durch die Rechtsprechung aufgelöst werden sollte. Vor diesem Hintergrund handelte die Beklagte auf eigenes Risiko, wenn sie die für sich günstigere Auslegung des Gesetzes zugrunde legte.

II.

32

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB umfasst auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Klägerin war berechtigt, sich anwaltlicher Beratung und Unterstützung zu bedienen, nachdem sie erfahren hatte, dass der ihr von der Beklagten zugewiesene Verknüpfungspunkt nicht der in Luftlinie nächste war.

33

Die zuerkannten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung stehen der Klägerin nach §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 291 BGB als gesetzliche Verzugs- und Prozesszinsen zu. Die weitergehende Forderung von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist demgegenüber unbegründet. § 288 Abs. 2 BGB ist nicht einschlägig, weil es um Schadensersatz- und nicht um Entgeltforderungen geht.

III.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Klägerin mit einem Teil der Zinsforderung ist geringfügig und hat keine zusätzlichen Kosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.


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