1. Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzschuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 05.09.2003 (9 IN 683/02) aufgehoben und der Antrag der Beteiligten Ziffer 1, die Restschuldbefreiung zu versagen, als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziffer 1 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf EUR 4.000,00.
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Am 27.11.2002 hat der Insolvenzschuldner Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung und Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt. Gleichzeitig hat er für den Fall der gerichtlichen Ankündigung der Restschuldbefreiung seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von 6 Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen von Gericht zu bestimmenden Treuhänder abgetreten.
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Mit Beschlüssen vom 02.12.2002 hat das Amtsgericht Freiburg die Kosten des Insolvenzverfahrens gestundet und vom 20.12.2002 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.
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Mit Verfügung vom 21.01.2003 hat das Amtsgericht den Insolvenzschuldner zur Kooperation aufgefordert und unter Fristsetzung darauf hingewiesen, dass wegen fehlender Mitwirkung der Stundungsbeschluss vom 02.12.2002 aufgehoben werden könne. Die Stundung wurde sodann durch Beschluss vom 19.05.2003 aufgehoben. Gleichzeitig wurde der Schuldner aufgefordert, bis zum 16.06.2003 einen Verfahrenskostenvorschuss in Höhe von EUR 2.500,00 einzuzahlen.
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Am 19.05.2003 hat der Insolvenzschuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten zurückgenommen. Den von ihm geforderten Vorschuss hat er nicht einbezahlt.
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Im Schlusstermin vom 19.08.2003 hat die Beteiligte Ziffer 1 beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen, da der Schuldner während des Insolvenzverfahrens die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt habe, dass er Vermögen bzw. Einkünfte verschwendet und nicht an die Insolvenzverwalterin abgeführt habe und er während des Insolvenzverfahrens seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich bzw. grob fahrlässig verletzt habe und einer gerichtlichen Auflage zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht nachgekommen sei.
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Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung wegen Verstoßes gegen § 290 Abs. 1 und 2 InsO versagt.
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Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners, mit welcher er geltend macht, dass für die angefochtene Entscheidung nach der Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung kein Raum sei. Außerdem hätten die Voraussetzungen für die Versagung der Restschuldbefreiung nicht vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen. Die Beteiligte Ziffer 1 ist der Beschwerde entgegengetreten.
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Die sofortige Beschwerde des Insolvenzschuldners ist zulässig und begründet, weil die Restschuldbefreiung nach der wirksamen Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrages nicht mehr versagt werden konnte.
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1. Ob der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurückgenommen werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Auffassungen der Literatur hierzu wie auch zu den Folgen einer etwaigen Antragsrücknahme sind geteilt (vgl. den Überblick von Fuchs, ZInsO 2002, 298, 306 ff.). Rechtsprechung zu dieser Frage ist nicht bekannt.
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§ 13 Abs. 2 InsO hat die während der Geltung der Konkursordnung lediglich durch die Rechtsprechung geklärte Frage der Statthaftigkeit der Rücknahme des Insolvenzantrages ausdrücklich geregelt. Hiernach kann der Antrag zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist. Die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit des Insolvenzantrages findet seine Rechtfertigung darin, dass im Interesse der Rechtssicherheit eine Verfahrenseröffnung mit ihren Wirkungen gegenüber Dritten durch eine Rücknahme des Antrages nicht mehr in Frage gestellt werden können soll (Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf einer Insolvenzordnung (InsO) - BT-Drucksache 12/2443 S. 113).
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§ 13 Abs. 2 InsO ist vorliegend jedoch nicht entsprechend anwendbar, weil Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren trotz einiger Berührungspunkte eigenständige, in unterschiedlicher Weise geregelte und unterschiedliche Verfahrenszwecke verfolgende Verfahren sind (vgl. FK/Ahrens, 3. Auflage § 287 InsO Rdnr. 5; MünchKomm/Stephan § 286 InsO Rdnr. 28).
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Überdies tritt die für die Beschränkung des Antragsrücknahmerechts in § 13 Abs. 2 InsO maßgebliche Gestaltungswirkung im Falle der Restschuldbefreiung erst mit der Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung ein. Die Rücknahme des Antrags erst dann auszuschließen, würde jedoch den berechtigten Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten widersprechen (aA. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung InsO/EGInsO 3.A. Rdnr. 8/194; Delhaes in Fuchs (Hrsg.), Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2.A. S.141,153).
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2. Gemäß § 4 InsO sind für das Insolvenzverfahren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
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Nach § 269 Abs. 1 ZPO kann die Klage ohne Einwilligung des Beklagten nur bis Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
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Gemäß § 289 Abs. 1 InsO entscheidet das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters im Schlusstermin durch Beschluss. Insolvenzschuldner und Insolvenzgläubiger stehen sich in diesem Verfahren in Art eines streitigen Erkenntnisverfahrens gegenüber (vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Auflage Rdnr. 6.05 a). Allein die Insolvenzgläubiger können darüber entscheiden, ob Versagungsgründe im Sinne von § 290 InsO geltend gemacht werden sollen, weil es um den Verlust ihrer Forderungen geht. Von Amts wegen werden die Versagungsgründe nicht geprüft (vgl. BT-Drucksache aaO. S. 190). Der Gläubiger kann seinen Versagungsantrag bis zu dem Beschluss über die Ankündigung oder Versagung der Restschuldbefreiung jederzeit zurücknehmen (vgl. Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung [Stand 1. März 2003] § 290 Rdnr. 16). Die Anhörung im Schlusstermin hat grundsätzlich mündlich zu erfolgen (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Auflage § 289 Rdnr. 10 ff.). Damit sind vergleichbare Verhältnisse zum streitigen Erkenntnisverfahren nach der Zivilprozessordnung gegeben, weshalb es gerechtfertigt ist, gemäß der grundsätzlichen Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung in § 4 InsO § 269 Abs. 1 ZPO entsprechend anzuwenden.
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3. § 269 Abs. 1 ZPO bringt die Interessen der Beteiligten angemessen zum Ausgleich; dies gilt auch für die entsprechende Anwendung auf die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags. Vorliegend geht es einerseits um die Dispositionsfreiheit des Antragstellers, nach seinem Ermessen Restschuldbefreiung zu beantragen (vgl. hierzu Römermann aaO. § 287 InsO Rdnr. 17), andererseits um die im Belieben des Insolvenzgläubigers stehende Befugnis, einen Versagungsantrag zu stellen. Hier gilt Vergleichbares zur Klage im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren, nämlich dass aus der Dispositionsfreiheit des Klägers, nach seinem Ermessen Klage zu erheben, nicht auch die unbeschränkte Befugnis folgt, sie jederzeit wieder zurückzunehmen, weil ab Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache § 269 Abs. 1 ZPO dessen verfahrensrechtliche Gegenposition schützt, er somit eine Sachentscheidung erzwingen kann. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Beklagte zu seiner Verteidigung bereits Anstalten gemacht und finanziellen Aufwand gehabt hat und ein Bedürfnis nach endgültiger Befriedung des Streitverhältnisses hat (MünchKomm/Lüke 2. Auflage § 269 ZPO Rdnr. 1).
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4. Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass nach seiner Lösung der Sperre von 10 Jahren, die in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO angeordnet ist, eine weitergehende Bedeutung zukommt als nach der hier vertretenen Auffassung, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass auch dieser Versagungsgrund in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren nur auf Antrag und nicht von Amts wegen berücksichtigt wird. Es stellt jedoch keine Umgehung der Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO dar, wenn der Schuldner in wirksamer Weise seinen Antrag zurücknimmt. Der Schuldner macht insoweit lediglich Gebrauch von einem ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrecht. Eine Umgehung anderer Vorschriften stellt dies nicht dar.
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5. Die Interessen der Insolvenzgläubiger sind, auch wenn der Insolvenzschuldner den Restschuldbefreiungsantrag wirksam zurücknehmen kann, ausreichend gewahrt, weil durch die Rücknahme des Antrages eine Entscheidung über die Restschuldbefreiung entfällt. Die Interessenlage ist vergleichbar derjenigen bei einem unzulässigen Restschuldbefreiungsantrag. Auch hierüber muss i.d.R. vor dem Schlusstermin entschieden werden, ohne dass Interessen der Gläubiger berücksichtigt würden oder berührt wären (vgl. OLG Köln, ZinsO 2000,334).
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Ob auch ohne Versagung der Restschuldbefreiung in einem erneuten Insolvenzverfahren auf den damit verbundenen neuen Antrag des Schuldners, Restschuldbefreiung zu erteilen, § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO etwa deshalb entsprechend anwendbar ist, weil er durch Rücknahme des früheren Antrags eine ablehnende Entscheidung verhindert hat, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Falls letzteres zu verneinen wäre, wäre dies lediglich Folge des Umstandes, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Fälle, in denen auf Antrag des Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung zu versagen ist, enumerativ aufzuzählen, und nicht eine Generalklausel normiert hat (vgl. BT-Drucksache aaO. S. 190). Eine Einschränkung des nach allgemeinen Regeln begründeten Rechts, einen Verfahrensantrag zurückzunehmen, lässt sich hieraus nicht rechtfertigen.
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6. Der Insolvenzschuldner hat vorliegend den Restschuldbefreiungsantrag vor dem (mündlichen) Schlussanhörungstermin zurückgenommen. Eine Zustimmung der Beteiligten Ziffer 1 war hierzu nach § 269 ZPO nicht erforderlich.
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7. Infolge der wirksamen Antragsrücknahme kommt es nicht darauf an, ob das Amtsgericht das Verfahren wegen Masselosigkeit i.S. v. § 207 InsO hätte einstellen müssen (vgl. Uhlenbruck aaO. § 4 c Rdnr. 6, wonach mit der Aufhebung der Stundung die noch ausstehenden Kostenansprüche gegen den Schuldner sofort und in voller Höhe fällig werden und ein eröffnetes Verfahren in der Regel nach § 207 InsO einzustellen ist). Letzteres hätte nämlich auch ohne Antragsrücknahme seitens des Insolvenzschuldners zur Folge gehabt, dass der Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig geworden wäre und über den Versagungsantrag der Beteiligten Ziffer 1 nicht hätte entschieden werden dürfen (vgl. Vallender aaO. § 289 Rdnr. 17, 19).
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8. Der lediglich deklaratorische Ausspruch dazu, dass mit der Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrages die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt der Treuhänderin und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger enden (vgl. § 299 InsO), kann unterbleiben (vgl. Fuchs aaO. Seite 307).
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9. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wurde mit EUR 4.000 festgesetzt (vgl. OLG Celle ZInsO 2002, 230).
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