Urteil vom Landgericht Halle (2. Zivilkammer) - 2 S 254/11

Tenor

1.) Das auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2012 ergangene Versäumnisurteil des Landgerichts Halle wird aufrechterhalten.

2.) Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird nach § 313a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

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Infolge des statthaften und zulässig eingelegten Einspruchs der Klägerin gegen das Versäumnisurteil ist der Rechtsstreit gemäß §§ 539 Abs. 3, 342 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der er vor der Säumnis der Klägerin war.

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Das Versäumnisurteil war dennoch aufrechtzuerhalten. Die zulässige Berufung des Beklagten hatte in der Sache Erfolg.

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1. Die Berufung war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil diese seitens des Beklagten mit dem Vorbehalt der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ausdrücklich unter eine unzulässige Bedingung gestellt worden wäre und infolgedessen ein Fristversäumnis für die nach Gewährung von Prozesskostenhilfe unbedingt eingelegte Berufung des Beklagten bestanden hätte.

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Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte sowie gängiger Praxis der Kammer, dass in einer solchen Konstellation der Berufungskläger nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe innerhalb der für eine Wiedereinsetzung geltenden Fristen eine neue unbedingte Erklärung über die Einlegung der Berufung abgeben und die Berufung begründen kann (BGH, Beschluss vom 20. Juli 2005, Az. XII ZB 31/05, juris). Dies ist vorliegend erfolgt.

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2. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.04.2012 und auch in der mündlichen Verhandlung über den Einspruch am 30. Mai 2012 vorgetragen hat, auf ihre Vortrags- und Darlegungslasten zu den vereinbarten Tarifen käme es für die Schlüssigkeit der Klage bereits deshalb nicht an, weil der Beklagte die Rechnungen erhalten und diesen nicht widersprochen habe, womit nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ein Anerkenntnis über die Höhe des Rechnungsbetrages vorläge, teilt die Kammer diese Einschätzung im Ergebnis nicht.

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In der Klageschrift wurde zwar unter der Überschrift "Verzugszinsen" allgemein ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Rechnungen dem Beklagten zugegangen sind; dies wurde von dem Beklagten jedoch in der Klageerwiderung dahingehend bestritten, dass er seit dem Jahr Bestreiten - auch des Zugangs der streitgegenständlichen Rechnungen aus den Jahren 2007 und 2008 - erfolgte nicht. Insbesondere lässt sich auch aus den als Anlagenkonvolut vorgelegten Einzelverbindungsnachweisen nicht ersehen, an welche Rechnungsadresse diese versendet worden sind.

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3. Im Übrigen hält die Kammer an ihrer bereits in den Hinweisen vom 6. November 2011 und 25. April 2012 der Klägerin mitgeteilten Auffassung - welche auch der Rechtsprechung der Kammer in früheren Verfahren entspricht, vgl. Urteil vom 15. Juli 2011 (Az. 2 S 61/11) - fest, dass es für die Schlüssigkeit der Klage nicht ausreicht, lediglich die vorhandenen Einzelverbindungsnachweise als Anlagenkonvolut der Klage beizulegen, wie es die Klägerin getan hat, sondern dass die Klägerin hierfür konkrete Tatsachen vorzutragen hat, die Rückschlüsse auf das vereinbarte Preis- bzw. Tarifsystem in der Art und Weise zulassen, dass der Kammer ein rechnerischer Nachvollzug der Abrechnungen bereits anhand des Vortrags der Partei möglich ist.

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Die gemäß § 45e Abs. 2 TKG in Verbindung mit den jeweils von der Bundesnetzagentur aufgestellten Formvorschriften von der Klägerin einzuhaltenden Anforderungen an den Inhalt eines Einzelverbindungsnachweises sind nicht notwendig identisch mit den Darlegungslasten in einem Zivilprozess. Dies hat die Klägerin verkannt, indem sie stets auf die gesetzliche Folge einer fehlenden Beanstandung des Einzelverbindungsnachweises gemäß § 45i Abs. 1 TKG hinwies, ohne jedoch im Einzelnen darzulegen, welche Tarife zwischen den Parteien überhaupt vereinbart worden sind. Aus der bloßen Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises lässt sich gerade bei call-by-call-Gesprächen für die Kammer nicht ersehen, ob tatsächlich entsprechend der Vereinbarung zwischen den Parteien abgerechnet wurde.

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4. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Klägerin aus dem Beschluss der Kammer vom 22.06.2011. in welchem diese in ihrer Funktion als Beschwerdekammer über den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden hatte, keine für sie günstigen Wirkungen herleiten kann. Die Kammer ist an die Rechtsausführungen eines solchen Beschlusses in einem späteren Berufungsverfahren nicht gebunden. Die Sach- und Rechtslage wird einer neuen Prüfung unterworfen und von drei Kammermitgliedern - anstelle des im Beschwerde verfahren allein tätigen Einzelrichters - beraten und entschieden. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Verlaufe dieses Verfahrens ein Sachverhalt auch unter rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt werden kann, die zuvor womöglich übersehen wurden oder keine Rolle gespielt haben.

III.

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1 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit - hier lediglich der weiteren Kosten des Berufungsverfahrens nach Erlass des Versäumnisurteils - folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Weder der Bundesgerichtshof noch das Oberlandesgericht Naumburg bzw. andere Oberlandesgerichte haben Entscheidungen über die hier zugrunde liegenden Rechtsfrage der Darlegungslast bei call-by-call-Verbindungen getroffen, von der eine Abweichung der Kammer in Betracht käme. Bei der Frage der im Prozess an den jeweiligen Vortrag zu stellenden Anforderungen, insbesondere wie weit sich ein Gericht auf Anlagenkonvolute verweisen lässt, handelt es sich im Übrigen um eine Frage, die dem Kernbereich des richterlichen Ermessens unterfällt und - nach entsprechendem Hinweis - unterschiedlich ausgeübt werden kann.

IV.

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Die Rechtsausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 01.06.2012 wurden berücksichtigt; im Übrigen bietet der Schriftsatz keinen Anlass, gemäß § 156 ZPO wieder in die Verhandlung einzutreten.


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