Urteil vom Landgericht Hamburg (6. Zivilkammer) - 306 O 379/14

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.443,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.10.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 546,50 € freizuhalten.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

2

Am 01.04.2014 gegen 16.30 Uhr kam es in der B... Straße in H.., Höhe Hausnr. ... zu einem Verkehrsunfall zwischen dem von dem Zeugen H. gefahrenen LKW der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen und dem von dem Beklagten zu 1. gefahrenen und bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten LKW Opel mit dem amtlichen Kennzeichen.

3

Die Klägerin ließ ihren beschädigten LKW nach dem Unfall in einer eigenen Werkstatt in R.. nach den Vorgaben des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens der D. reparieren. Ein Ersatzteilrabatt wurde ihr nicht gewährt. Die Netto-Reparaturkosten wurden im Gutachten mit 5.118,74 € ausgewiesen. Des Weiteren wurden Notreparaturkosten in Höhe von 200,00 € und Verbringungskosten in Höhe von 99,60 € kalkuliert. Der am klägerischen Fahrzeug durch den Unfall eingetretene merkantile Minderwert beträgt nach dem Sachverständigengutachten - im Übrigen unstreitig - 500,00 €. Der Klägerin sind Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von 704,83 netto entstanden.

4

Die Klägervertreter forderten die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom 22.09.2014 unter Fristsetzung bis zum 02.10.2014 zum Schadensersatz auf (Netto-Reparaturkosten einschließlich Notreparaturkosten und Verbringungskosten in Höhe von insgesamt 5.418,34 €, Ersatz des merkantilen Minderwerts, der Sachverständigenkosten und einer Auslagenpauschale). Der Klägerin sind für die außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,50 € in Rechnung gestellt worden.

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Die Klägerin behauptet, der Zeuge H. sei mit dem klägerischen LKW hinter dem von dem Beklagten zu 1. geführten LKW auf der B... Straße aus Richtung G... Straße kommend gefahren. Auf Höhe der Hausnr. ... habe der von dem Beklagten zu 1. geführte LKW angehalten ohne zu blinken. Der Zeuge H. sei davon ausgegangen, dass der Fahrer am Fahrbahnrand anhalten wolle und habe links überholt. Während der Vorbeifahrt sei der von dem Beklagten zu 1. geführte LKW plötzlich nach links ausgeschert, um in das Grundstück der Hausnr. ... abzubiegen, wobei es zur Kollision gekommen sei. Die Klägerin könne neben dem Ersatz für die eingetretene Wertminderung und einer Auslagenpauschale auch Netto-Reparaturkosten einschließlich Verbringungskosten in Höhe von 5.218,34 € sowie die ihr für die Einholung des Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten beanspruchen. Diese seien der Höhe nach angemessen.

6

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 6.643,17 € nebst Verzugszinsen seit 03.10.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 546,50 € zu zahlen, hat sie die Klage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung in Höhe von 200,00 € (Kosten der Notreparatur) zurückgenommen und den Zahlungsantrag bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren auf einen Freihalteantrag umgestellt. Die Klägerin beantragt nunmehr,

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wie tenoriert.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1. habe die B... Straße aus Richtung G... Straße kommend mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h befahren. Ca. 100 m vor der Grundstückseinfahrt zur Hausnr. ... habe er seine Geschwindigkeit reduziert, links geblinkt und sich zur Fahrbahnmitte hin orientiert. Auf der Grundstückshöhe habe er sich durch einen Blick in den linken Außenspiegel und durch einen Schulterblick vergewissert, dass die Fahrbahn frei sei und habe zum Abbiegen angesetzt. Er habe den klägerischen LKW hinter sich fahren sehen. Dieser sei schnell gefahren, bestimmt mit 60 km/h. Dieser habe dann stark beschleunigt und ihn links überholt, wodurch es zur Kollision gekommen sei. Die geltend gemachten Reparaturkosten seien nicht geschuldet, weil bei den im Sachverständigengutachten zugrunde gelegten Ersatz- und Kleinteilpreisen der marktübliche Großabnehmernachlass in Höhe von 10% nicht berücksichtigt worden sei. Da die Klägerin den LKW habe reparieren lassen, könne sie Verbringungskosten nur verlangen, soweit diese tatsächlich angefallen seien. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht. Im Übrigen könne der Sachverständige keinen höheren Betrag als 588,50 € für seine Begutachtung nach den zugrunde zu legenden Sätzen der BVSK-Honorarbefragung 2013 in Ansatz bringen.

11

Über den Unfallhergang ist Beweis erhoben worden durch uneidliche Vernehmung des J.H. und des K.G. als Zeugen. Außerdem ist der Beklagte zu 1. persönlich gehört worden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Juli 2015 wird verwiesen.

12

Die anlässlich des Unfalls erstellte Akte der Polizei H.., Aktenzeichen: 0...4 ist als Beiakte herangezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Im allseitigen Einverständnis ist die in der Akte befindliche Aussage des Zeugen F.S. verlesen worden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erweist sich nach teilweiser Klagrücknahme in Höhe von 200,00 € als begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu. Zwar hat sich der Unfall beim Betrieb des vom Zeugen H. geführten LKW der Klägerin ereignet. Dieser hat aber nur für die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs einzustehen. Diese fällt bei der Ursachenabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG nicht ins Gewicht, denn der Verursachungsbeitrag, den sich die Beklagten nach §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zurechnen lassen müssen, überwiegt bei Weitem.

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Der Beklagte zu 1. hat den Verkehrsunfall schuldhaft durch Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO herbeigeführt. Nach dieser besonders strengen Vorschrift hätte er sich beim Abbiegen in ein Grundstück so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wer sich so verhalten muss, hat die Pflicht, erheblich gesteigerte Vorsicht und Sorgfalt walten zu lassen, und trägt nahezu die alleinige Verantwortung dafür, dass es bei seinem - vom Gesetzgeber zu Recht als besonders gefährlich eingestuftem - Fahrmanöver nicht zu einem Unfall kommt. Nachdem sich hier gleichwohl der Unfall ereignet hat, spricht bereits der erste Anschein dafür, dass der Beklagte zu 1. diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist und damit schuldhaft die entscheidende Unfallursache gesetzt hat.

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Nach den Angaben des Beklagten zu 1. ereignete sich der Unfall, während er dabei war, nach links in ein Grundstück abzubiegen, wobei er sich mit seinem Fahrzeug schon teilweise auf der Gegenfahrbahn befand.

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Den somit gegen den Beklagten zu 1. sprechenden Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht erschüttern können.

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Die Behauptung, der Zeuge H. sei „schnell gefahren", "bestimmt mit 60 km/h“, ist nicht hinreichend substantiiert. Der Zeuge H. hat die Geschwindigkeit der LKWs auf ca. 30 oder 40 km/h geschätzt. Selbst bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h des klägerischen LKW käme auf Grund der geringen Überschreitung eine Mithaftung des Zeugen H. aber nicht in Betracht, unabhängig von der Frage, ob diese - unterstellte - Geschwindigkeitsüberschreitung überhaupt unfallkausal war.

18

Es lag auch kein Überholen in unklarer Verkehrslage durch den Zeugen H. vor. Dieser musste nicht mit einem Abbiegevorgang des Beklagten zu 1. rechnen. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Zeuge H. hat in sich schlüssig und plausibel bekundet, der vor ihm fahrende Beklagte zu 1. habe gebremst und sich mit seinem Fahrzeug zum rechten Fahrbahnrand hin orientiert; er habe nicht links geblinkt. Aufgrund dessen sei er davon ausgegangen, dass dieser rechts am Fahrbahnrand anhalten wolle und er ihn überholen könne. Der Beklagte zu 1. und auch der Zeuge G. - dessen Kollege und Beifahrer - haben zwar bekundet, der Beklagte zu 1. habe links geblinkt. Diese Angaben können die glaubhafte Aussage des Zeugen H. aber nicht widerlegen. Das Gericht hält diese Angaben für unglaubhaft. Die Angaben des Beklagten zu 1. erschöpften sich insoweit in der bloßen Behauptung, links geblinkt zu haben. Der Zeuge G. war ersichtlich darum bemüht, seinem Kollegen mit seiner Aussage zu "helfen", indem er auffällig betont hat, dieser habe ohne jeden Zweifel links geblinkt. Dies erinnere er deshalb so genau, weil er als Beifahrer seinen Kollegen stets unterstütze und das Verkehrsgeschehen im Auge behalte. Darüber hinaus will er vor dem Abbiegevorgang den rückwärtigen Verkehr durch den linken Außenspiegel beobachtet, das klägerische Fahrzeug dort aber nicht wahrgenommen haben. Hierbei erschließt sich zum einen nicht, wie der Zeuge vom Beifahrersitz durch den linken Außenspiegel, der auf den Fahrer ausgerichtet ist, uneingeschränkten Blick auf den rückwärtigen Verkehr gehabt haben will. Zum anderen steht seine Aussage in diesem Punkt auch im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten zu 1. Dieser hatte nämlich angegeben, das klägerische Fahrzeug vor dem Abbiegen durchaus im Außenspiegel hinter sich gesehen zu haben.

19

Die im allseitigen Einverständnis verlesene Aussage des Zeugen S. ist letztlich unergiebig. Dieser hat den Unfall nach seinen Angaben erst beobachten können, als der Beklagte zu 1. schon nach links abbog. Zu der Frage, ob der Beklagte zu 1. links geblinkt hat, verhält sich seine Aussage überdies nicht.

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Somit bleibt es dabei, dass auf Seiten der Klägerin nur die einfache Betriebsgefahr in die Abwägung einzustellen ist, die gegenüber dem schweren Verschulden des Beklagten zu 1. vollständig zurücktritt.

21

Die Klägerin hat der Höhe nach Anspruch auf die geltend gemachten Netto-Reparaturkosten nach dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten in Höhe von 5.118,74 € einschließlich der kalkulierten Verbringungskosten in Höhe von 99,60 €, Ersatz für den unstreitig eingetretenen merkantilen Minderwert in Höhe von 500,00 € und die ihr entstandenen Kosten für das Sachverständigengutachten in Höhe von 704, 83 € netto sowie die geltend gemachte allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 €.

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Die Klägerin muss sich im Hinblick auf die geltend gemachten fiktiven Netto-Reparaturkosten keinen marktüblichen Großabnehmernachlass in Höhe von 10% auf die kalkulierten Ersatz- und Kleinteilpreise anrechnen lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zum Kreis der Unternehmer gehört, die einen solchen Nachlass regelmäßig erhalten. Im Übrigen hat die Klägerin unbestritten dargelegt, dass ihr ein Ersatzteilrabatt tatsächlich nicht gewährt worden ist. Die Klägerin kann überdies fiktiv Verbringungskosten abrechnen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Hamburger Verkehrsgerichte.

23

Die Klägerin hat überdies Anspruch auf die geltend gemachten Sachverständigenkosten. Nachdem die Beklagten zunächst mit Nichtwissen bestritten hatten, dass zugunsten der D. keine Sicherungsabtretung besteht, wovon aufgrund der diesbezüglich üblichen Praxis auszugehen sei, hat die Klägerin vorgetragen, dass sie die Sachverständigenrechnung der D. am 30.04.2014 beglichen habe. Falls dies weiterhin bestritten werde, würde sie einen entsprechenden Zahlungsnachweis vorlegen. Ein weiteres Bestreiten ist durch die Beklagten nicht erfolgt, so dass dies letztlich unstreitig gestellt wurde. Die Klägerin kann die Sachverständigenkosten auch in der gelten gemachten Höhe beanspruchen. Es war für die Klägerin nicht ersichtlich, dass diese möglicherweise überhöht sind. Sollte der Sachverständige überhöhte Gebühren abgerechnet haben, kann dies nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

24

Die Klägerin hat schließlich Anspruch auf die tenorierten Verzugszinsen gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB sowie einen Schadensersatzanspruch auf Freihaltung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 709 Satz 1, 2 ZPO.

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