Urteil vom Landgericht Hamburg (9. Zivilkammer) - 309 O 197/14

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 16.03.2015 wird aufrecht erhalten.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, weitere 362,82 EUR an die Klägerin zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus

3.

101,82 EUR

 seit dem 16.11.2014

71,05 EUR

 seit dem 16.12.2014

53,40 EUR

 seit dem 16.01.2015

66,53 EUR

 seit dem 16.02.2015

35,50 EUR

 seit dem 16.03.2015

34,52 EUR

 seit dem 16.04.2015.

4. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 16.03.2015 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht Provisionsansprüche aus einem sog. Affiliate-Partnerprogramm des Online-Portals der Beklagten geltend.

2

Die Beklagte betreibt über www. b..com ein Amateur-Erotikportal. Unter http:// c.. b..com bietet die Beklagte sog. Affiliate-Partnerprogramme an. Dabei handelt es sich nach § 2 der AGB der Beklagten um eine internetbasierte Vertriebslösung, bei der ein kommerzieller Anbieter (hier die Beklagte) verschiedene Vertriebspartner (sog. Affiliates) erfolgsabhängig durch eine Provision vergütet. Dabei bewerben die sog. Affiliates die Angebote und Produkte der Beklagten auf ihrer jeweiligen Webseite und erhalten bei einer erfolgreichen Vermittlung der Angebote bzw. Produkte der Beklagten eine vordefinierte Provision.

3

Die Klägerin registrierte sich am 03.04.2014 zunächst unter Angabe der Daten „C. L., G. G. X, N.“ als ein solcher Affiliate auf der genannten Webseite der Beklagten. Auf den Hinweis der Beklagten, dass diese Daten zur Teilnahme an dem Affiliate-Programm nicht ausreichend seien, ergänzte die Klägerin ihre Angaben am 09.05.2014 um die Daten „Fa. B. S. H. INC, M. B., G. G. X, P. M., S.“ und die Angabe eines Schweizer Bankkontos. Provisionspflichtige Vermittlungen konnte die Klägerin bereits seit dem 03.04.2014 durchführen und erwarb seitdem die folgenden Provisionsansprüche:

4

April 2014:

5.612,37 €

Mai 2014:

246,89 €

Juni 2014:

127,32 €

Juli 2014:

58,65 €

August 2014:

45,23 €

September 2014:

116,38 €

Oktober 2014:

101,82 €

November 2014:

71,05 €

Dezember 2014:

53,40 €

Januar 2015:

66,53 €

Februar 2015:

35,50 €

März 2015:

34,52 €

5

Das Gericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 16.08.2015 verurteilt, an die Klägerin 6.206,84 € (Provisionsansprüche April bis September 2014) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zum 28. Juli 2014 und Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29. Juli 2014 aus

6

5.612,37 €

 seit dem 16. Mai 2014,

246,89 €

 seit dem 16. Juni 2014,

127,32 €

 seit dem 16. Juli 2014,

58,65 €

 seit dem 16. August 2014,

45,23 €

 seit dem 16. September 2014 und

116,38 €

 seit dem 16. Oktober 2014 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.04.2015 zugestellte Versäumnisurteil mit Schriftsatz vom 05.05.2015 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

8

Die Klägerin beantragt nunmehr,

9

das Versäumnisurteil vom 16.03.2015 aufrechtzuerhalten und die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, weitere 362,82 EUR an die Klägerin zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus

10

101,82 EUR

 seit dem 16.11.2014

71,05 EUR

 seit dem 16.12.2014

53,40 EUR

 seit dem 16.01.2015

66,53 EUR

 seit dem 16.02.2015

35,50 EUR

 seit dem 16.03.2015

34,52 EUR

 seit dem 16.04.2015.

11

Die Beklagte beantragt,

12

das Versäumnisurteil dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin den geltend gemachten Betrag Zug-um-Zug gegen Bezeichnung des wirtschaftlich Berechtigten und Herausgabe eines Nachweises darüber zu zahlen.

13

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB zustehe. Aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Affiliate-Partnerprogramm-Vertrages sei diese verpflichtet, Auskunft darüber zu erteilen, wer der wirtschaftlich berechtigte Empfänger der zu zahlenden Provisionsansprüche sei. Diese Nebenpflicht der Klägerin ergebe sich aus dem Umstand, dass die Beklagte ihrerseits gemäß § 160 Abs. 1 AO verpflichtet sei, die Empfänger der Provisionszahlungen zu benennen. Die Beklagte meint, dass es sich bei der Klägerin mit Sitz auf den S. um eine Domizilgesellschaft handele. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass die an die Klägerin zu leistenden Provisionszahlungen gemäß § 160 Abs. 1 AO nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn die Beklagte nicht die tatsächlichen Empfänger der Zahlungen benennen könne. Insbesondere obliege ihr aufgrund des hier vorliegenden Auslandsbezuges die erweiterte Mitwirkungspflicht des § 90 Abs. 2 AO. Die zwischenzeitlich durch die Klägerin erteilte Auskunft, der zyprische Staatsangehörige A. C. B. sei als Hauptgesellschafter der Empfänger der Provisionszahlungen, ist nach Ansicht der Beklagten nicht ausreichend, da es sich bei Herrn B. offensichtlich um einen bloßen Treuhänder handele, der genauso wie die Klägerin selbst zwischengeschaltet und daher nicht der tatsächliche Empfänger der Provisionszahlungen im Sinne des § 160 Abs. 1 AO sei.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Das Versäumnisurteil vom 16.03.2015 war aufrechtzuerhalten. Der zulässige Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist – auch in dem mit Schriftsatz vom 19.05.2015 in gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise erweiterten Umfang – begründet.

16

Der Anspruch auf Zahlung der verdienten Provision ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag, der zum Teil als Dienstvertrag mit einer erfolgsbezogenen Vergütung (“Pay-per-lead“), zum Teil als Mäklervertrag (“Pay-per-sale“) einzuordnen ist. Der Anspruch ist dem Grund und der Höhe nach unstreitig.

17

Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten im Sinne von § 273 Abs. 1 BGB entgegen. Insbesondere ist die Klägerin nicht verpflichtet, Auskunft über die tatsächlichen Empfänger der Provisionszahlungen zu geben. Zwar bestehen aufgrund der Firmenstruktur der Klägerin hier hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Provisionszahlungen der Beklagten an die Klägerin nicht ohne Weiteres als Betriebsausgaben anerkannt werden. Doch weder aus den steuerrechtlichen Pflichten selbst, den (wahren) Empfänger von Betriebsausgaben zu benennen (§ 160 Abs. 1 AO) und bei der Ermittlung von Auslandssachverhalten mitzuwirken (§ 90 Abs. 2 AO), noch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Affiliate-Partnerprogramm-Vertrag folgt ein entsprechender zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen die Klägerin.

18

Zwar werden vertragliche Hauptleistungspflichten regelmäßig durch Nebenpflichten (insbesondere auch: Auskunftspflichten) zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners ergänzt. Diese sind aber grundsätzlich der Hauptpflicht untergeordnet, sichern die Hauptpflicht und die Abwicklung des Schuldverhältnisses und schützen das spezifische Integritäts- und Leistungsinteresse der Vertragspartei. Um eine solche Nebenpflicht handelt es sich bei dem hier von der Beklagten geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht. Die Klägerin war hier nicht verpflichtet, auf eine etwaige steuerliche Mitwirkungs- und Benennungspflicht der Beklagten gemäß §§ 90 Abs. 2, 160 Abs. 1 AO Rücksicht zu nehmen. Denn zur Abwicklung des Affiliate-Partnerprogramms ist eine Auskunft über die Frage, ob hinter der Klägerin weitere Personen stehen, denen die Provisionszahlungen zugutekommen, nicht erforderlich.

19

Mit der Freischaltung der Klägerin als Affiliate-Partnerin hatte die Beklagte zudem den Zeitpunkt, ab dem die Klägerin Provisionsansprüche generieren konnte, selbst in der Hand. Es gehört zum alleinigen Verantwortungsbereich der Beklagten, ihre Rechtsgeschäfte so durchzuführen, dass sie (auch) ihre steuerlichen Pflichten erfüllen kann. Dazu hätte die Beklagte sich beispielsweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Identität ihres Geschäftspartners vergewissern und sich gegebenenfalls bereits bei Vertragsschluss für den Fall eines entsprechenden Auskunftsersuchens des Finanzamts nach §§ 90 Abs. 2, 160 Abs. 1 AO einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Offenlegung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Klägerin einräumen lassen müssen (vgl. auch FG Hamburg, Urt. v. 28.09.2007 – 6 K 202/04, zitiert nach juris). Diese Pflicht ergibt sich im Übrigen auch aus § 90 Abs. 2 Satz 4 AO selbst, wonach sich ein Beteiligter nicht darauf berufen kann, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

20

Dies hat die Beklagte versäumt. Obwohl die erste Anmeldung der Klägerin am 03.04.2014 unter dem Namen „C. L.“ den Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht entsprach, konnte die Klägerin bereits wirksam Provisionsansprüche erwerben. Die Beklagte bemühte sich erst nach Vertragsschluss darum, die erforderlichen Daten der Klägerin zu erhalten. Dieses Versäumnis hat die Beklagte selbst zu verantworten. Dass im Geschäftsbereich der Beklagten („internetbasierte Vertriebslösung“) ein Vertragsschluss, der an die Bedingung geknüpft wird, die wahren wirtschaftlich Berechtigten zu benennen, mitunter scheitern könnte, steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

21

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 2, 291 BGB. Gemäß § 4 Ziff. 5 AGB der Beklagten sind die monatlich verdienten Provisionen jeweils am 15. des Folgemonats fällig geworden.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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