Urteil vom Landgericht Hamburg (24. Zivilkammer) - 324 O 653/15
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 09.12.2015 wird bestätigt.
2. Die Antragsgegner haben auch die weiteren Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen, und zwar nach einem Wert von € 20.000,-.
Tatbestand
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Der Antragsteller zu 1. und die Antragsgegner streiten um den Bestand einer einstweiligen Verfügung, mit der den Antragsgegnern unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
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und zwar auf Antrag des Antragstellers zu 1)
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durch Verbreiten oder Verbreitenlassen folgender Äußerungen aus dem Artikel „Umweltskandal? Hat K. A. krebserregende Baustoffe verarbeitet?“:
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„Umweltskandal? Hat K. A. krebserregende Baustoffe verarbeitet? [...]
G.. Droht dem Bayerischen Wald ein Umweltskandal? Wie das A.-Magazin „ E. i. E.“ ( ... Juli; 22.20 Uhr) berichtete, hat das G.er Unternehmen K. A. im Rahmen der Herstellung seiner Deckenplatten auch krebserregendes Material der W.-Tochterfirma G. verwendet [...]“
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Wie die A. berichtet, soll auch das G.er Unternehmen K. A. das krebserregende Woolit auf dem Firmengelände gelagert und verwendet haben.
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Am Firmengelände in G.- E. [...] ein Mann [...] erklärt [...] „Der A.-Bericht ist zusammengeschustert. Wir haben dieses Woolit nicht verarbeitet [...]
[...]
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Auch E. O. d. H. hätte gerne mehr darüber erfahren, inwiefern die Behauptung, die G.er Firma K. A. habe im Rahmen der Herstellung seiner Deckenplatten krebserregendes Material der W.-Tochterfirma G. verwendet, zutreffend sei [...]“
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den Verdacht zu erwecken, das Unternehmen K. A. habe Woolit, das es von der Antragstellerin zu 2) erhalten habe, gelagert und verwendet und/oder in Deckenplatten verarbeitet,
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wie im Beitrag „Umweltskandal? Hat K. A. krebserregende Baustoffe verarbeitet?“, veröffentlicht am 2015/07/ ... auf www. h..de geschehen.
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Der Antragsteller zu 1) ist geschäftsführender Gesellschafter der Antragstellerin zu 2). Er ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer der W. GmbH, die eine Verwertungsanlage für künstliche Mineralfasern betrieben hat.
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Die Antragsgegner betreiben die Internetseite www. h..de. Dort erschien unter dem ...07.2015 ein Beitrag mit der Überschrift „Umweltskandal? Hat K. A. krebserregende Baustoffe verarbeitet?“, der die streitgegenständlichen Äußerungen enthält. Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage ASt 2 Bezug genommen.
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Der Antragsteller zu 1) hat eine eidesstattliche Versicherung vom 02.12.2015 zu seiner Kenntnisnahme von dem Beitrag als Anlage ASt 3 vorgelegt. Er hat zudem eine eidesstattliche Versicherung vom 16.07.2015 als Anlage ASt 4 vorgelegt.
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Die Antragsteller ließen die Antragsgegner unter dem 16.11.2015 abmahnen, Anlage ASt 5. Die Antragsgegner antworteten mit Schreiben vom 20.11.2015 und gaben gegenüber der Antragstellerin zu 2) eine Teilunterlassungsverpflichtungserklärung ab, Anlage ASt 8, die die Antragsteller annahmen, Anlage ASt 9.
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Auf den Antrag der Antragsteller erließ die Kammer sodann – nur hinsichtlich des Antragstellers zu 1) – unter dem 09.12.2015 die vorstehend wiedergegebene einstweilige Verfügung. Den Antrag der Antragstellerin zu 2. wies die Kammer zurück.
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Gegen den Beschluß wenden sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch.
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Sie haben Berichterstattungen im G.er Anzeiger vom 17.11.2015 als Anlage AG 2 und in der W... N... Zeitung vom 18.11.2015 als Anlage AG 3 vorgelegt.
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Sie tragen vor,
die Dringlichkeit sei nicht belegt, es sei zwei Wochen nach der behaupteten Kenntnis erst abgemahnt worden, in der Abmahnung sei eine sehr kurze Frist gesetzt worden, eine Fristverlängerung sei nicht gewährt worden. Sodann hätten sich die Antragsteller zwei weitere Wochen Zeit gelassen, bis ein Antrag gestellt worden sei.
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Die Wiederholungsgefahr sei entfallen, weil ein Fall der Drittunterwerfung gegenüber der Antragstellerin zu 2) vorliege. Es sei zu berücksichtigen, dass die Drittunterwerfung an die gleichen Bevollmächtigten erfolgt sei.
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Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zu 1) überhaupt in irgendwelchen Rechten verletzt worden sei. Er werde mit keiner Silbe erwähnt. Im Übrigen wäre allein seine Sozialsphäre betroffen, die „Messlatte“ sei sehr hoch bei der Abwägung mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit der Antragsgegner.
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Die journalistische Sorgfaltspflicht sei beachtet worden. Die Antragsgegner hätten sich nachhaltig und erfolglos um eine Stellungnahme bei den Antragstellern bemüht. Es seien insgesamt sieben erfolglose Kontaktanfragen am 29.07., 30.07., 03.08. (2x), 10.08., 19.08. und 21.09.2015 erfolgt.
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Es handele sich um eine zulässige Berichterstattung. Der Verdacht ergebe sich aus dem Artikel im G.er Anzeiger vom 17.11.2015 und zudem aus dem Artikel in der W... N... Zeitung vom 18.11.2015. Die Antragsteller könnten nicht einfach pauschal bestreiten, dass das Unternehmen K. A. Woolit von der Antragstellerin zu 2) erhalten habe.
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Die Antragsgegner beantragen
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die einstweilige Verfügung der Kammer vom 09.12.2015 aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.
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Der Antragsteller zu 1) beantragt,
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die einstweilige Verfügung zu bestätigen,
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deren Bestand er verteidigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung war die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Dem Antragsteller zu 1) steht der Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.
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Der Antragsteller ist als Geschäftsführer der Firma G. betroffen. Gegenüber dieser werden im Beitrag Vorwürfe erhoben, die sich auf den Antragsteller als deren Geschäftsführer als Verantwortlicher der Unternehmenspolitik auswirken (vgl. hierzu näher Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Auflage, Kapitel 11, Rn 77). Die von den Antragsgegnern zur Verteidigung ihrer abweichenden Rechtsansicht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 259/05) ist im vorliegenden Fall unbehelflich, denn in jener Entscheidung war umstritten, ob der Geschäftsführer sich auf Anonymitätsschutz berufen kann. Darum geht es im vorliegenden Fall nicht.
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Durch die angegriffenen Passagen wird der untersagte Verdacht erweckt, dies nehmen auch die Antragsgegner nicht in Abrede. Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt; dass keine Vorverurteilung stattfindet; dass die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden; eine Stellungnahme des Betroffenen eingeholt wurde und dass es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handelt, dessen Mitteilung durch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist (BGH NJW 2000, 1036 (1036/1037 mwN) - Korruptionsverdacht).
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Es kann dahinstehen, ob die aus der Anlage AG 1 ersichtlichen, an die Firma K. gerichteten Anfragen bereits unzureichend sind, da eine allgemeine Anfrage regelmäßig nicht ausreicht, sondern zu einem konkreten Sachverhalt, der näher geschildert werden muss, Fragen zu stellen sind. Dass die Antragsgegner versucht hätten, eine Stellungnahme der Antragsteller einzuholen, ist aus dem Vortrag der Antragsgegner weder ersichtlich, noch den von ihnen vorgelegten Anlagen zu entnehmen. Die wiederholten Kontaktversuche, die Anlagenkonvolut AG 1 belegt, richteten sich allein an die Firma K. A.. Da die Antragsteller von der angegriffenen Berichterstattung betroffen sind, weil sie als Lieferant des kritisierten Materials Woolit genannt werden, hätte ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen. Dies ist nicht geschehen.
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Prozessual ist von der Unwahrheit des in Rede stehenden Verdachtes auszugehen. Der Antragsteller zu 1) hat die Unwahrheit an Eides Statt versichert, Anlage ASt 4. Eine Gegenglaubhaftmachung der Antragsgegner fehlt. Es kann daher dahinstehen, ob aufgrund des Umstands, dass die Lieferung krebserregender Materialien behauptet wird, der fragliche Verdacht ehrenrührig ist mit der Folge, dass die Glaubhaftmachungslast bei den Antragsgegnern liegen würde. Bei einer ehrenrührigen Äußerung trägt nach der in das Zivilrecht transformierten Beweislastregel des § 186 StGB der Antragsgegner die Glaubhaftmachungslast. Soweit sich die Antragsgegner auf Berichterstattungen in anderen Zeitungsberichten berufen, ist dies als Glaubhaftmachungsmittel ungeeignet. Ein Vertrauen auf die Richtigkeit anderer Medienberichte ersetzt die eigene Recherche nicht.
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Die Wiederholungsgefahr besteht fort, die Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber der Antragstellerin zu 2) hat keine Wirkung gegenüber dem Antragsteller zu 1). Dem Antragsteller zu 1) steht aufgrund seiner Betroffenheit ein eigenständiger und von der Antragstellerin zu 2) unabhängiger Unterlassungsanspruch gegenüber den Antragsgegnern zu. Die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts, bei dem eine Drittunterwerfung den Verletzer vor einer unüberschaubaren Vielzahl von Anspruchsinhabern schützen soll (vgl. dazu Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 12 Rn. 1.167 m.w.N.), kommt im Presse- und Äußerungsrecht nicht zum Tragen. Denn anders als im Wettbewerbsrecht wird bei der Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten regelmäßig nur der Betroffene verletzt. Da diesem allein das Verfügungsrecht über den Unterlassungsanspruch zusteht, kann es nicht dem Ermessen des Unterlassungsschuldners überlassen werden, wem die Sicherung des Anspruchs obliegen bzw. wer für dessen Durchsetzung Sorge tragen soll (Meyer in: Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage, Kapitel 40 Rn. 19 m.w.N.).
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Auch der Einwand der fehlenden Eilbedürftigkeit greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung der in Hamburg mit Pressesachen befassten Gericht ist regelmäßig die Eilbedürftigkeit zu bejahen, wenn innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Kenntnis ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht wird (vgl. Hamburger Kommentar zum Medienrecht, 3. Auflage, Kapitel 40, Rn 39). Prozessual ist aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers (Anlage ASt 3) von der Einhaltung dieser Frist auszugehen, er hat den Zeitpunkt seiner Kenntnisnahme glaubhaft gemacht. Es ist auch nicht erkennbar, dass hier ausnahmsweise von dieser Regel abzuweichen wäre. Der Antragsteller darf Fristen ausschöpfen, so dass ihm nicht mit Erfolg vorgehalten werden kann, dass nicht gleich nach der Abmahnung ein Antrag gestellt wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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