Urteil vom Landgericht Hamburg (4. Kammer für Handelssachen) - 404 HKO 6/14

Tenor

1. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 11.03.2015, verurteilt, an die Klägerin € 6.348.400,-- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 26.05.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben, jedoch mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Diese fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der H. AG und somit Teil eines international tätigen Baukonzerns mit Sitz in E..

2

Die Klägerin ist eine Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft. Ihr Hauptgesellschafter und früherer Geschäftsführer ist Herr Dr. T. M., der langjährige Niederlassungsleiter des H. Konzerns in H..

3

Die H. H. GmbH war ein am 09.06.2011 gegründetes mittelständisches Bauunternehmen mit Sitz in H.. Gesellschafter waren die Beklagte mit 70 % sowie die a. GmbH mit 30 % der Geschäftsanteile. Hintergrund für die Gründung der Gesellschaft war das sog. „Mittelstandmodell“ der H. AG, wonach die rechtlich unselbständigen, regionalen Niederlassungen des Konzerns in rechtlich unabhängige und nicht durch Ergebnisabführungsverträge beherrschte Gesellschaften ausgegliedert werden sollten. An diesen sollten sich die bisherigen Niederlassungsleitungen jeweils beteiligen, so dass unternehmerisch selbstbestimmte, regional verwurzelte mittelständische Unternehmen entstünden. Pilotprojekt war die H.er Niederlassung der Beklagten. Herr Dr. M. wurde zusammen mit Herrn M. K. Geschäftsführer der neu gegründeten H. H. GmbH, an der er sich mittelbar über die a. GmbH beteiligte, deren Geschäftsanteile er zu 90 % hält.

4

Zwischen der Beklagten und der a. GmbH wurde eine Gesellschaftervereinbarung geschlossen, in dem das „Mittelstandsmodell“ umschrieben wurde (Anl. K 3) . Deren § 14 Abs. 7 beinhaltete eine sog. „Put-Option“, nach der die a. GmbH den Ankauf sämtlicher Geschäftsanteile durch die H. S. AG verlangen konnte, wenn der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der H. H. GmbH wäre. Dazu unterbreitete die Beklagte – wie unter § 14 Abs. 7 lit.b) – vereinbart, der Klägerin ein notarielles Angebot für einen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrag (Anl. K 4), in dem in „§ 2 Kaufpreis“ folgendes bestimmt ist:

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(1) Der Kaufpreis für den Vertragsgegenstand ist dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Beurkundung der Annahmeerklärung nach IDW-Standard S 1 i.d.F. 2008 (Stand: 02.04.2008/Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen).

6

(2) A. und HT. verpflichten sich, unverzüglich nach Beurkundung der Annahmeerklärung die Handelskammer Hamburg zu bitten, einen Sachverständigen zu benennen, der innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab seiner Benennung den Verkehrswert nach IDW-Standard S 1 i.d.F. 2008 (Stand: 02.04.2008/Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen) für beide Seiten verbindlich feststellt. Die Kosten des Sachverständigengutachtens tragen HT. und a. im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile an der Gesellschaft.

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(3) Der Kaufpreis ist wie folgt zur Zahlung fällig:

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a. Innerhalb von sieben Kalendertagen nach Beurkundung der Annahmeerklärung ist ein Betrag in Höhe der prozentualen Beteiligung der a. am Eigenkapital der Gesellschaft, welches im letzten Jahresabschluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahre ausgewiesen ist, abzüglich des noch offenen Darlehensbetrages und offener Zinsen aus dem Darlehensvertrag zwischen HT. und a. (nachstehend auch Abschlagszahlung genannt), an a. auf deren in nachtstehender Ziffer (4) genanntes Konto zu zahlen (eingehend).

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b. Ergibt das Sachverständigengutachten über den verbindlichen Verkehrswert gemäß vorstehender Ziffer (2) einen höheren Kaufpreis als die bereits nach vorstehend lit. a) geleistete Abschlagszahlung, so hat HT. den Differenzbetrag innerhalb von sieben Kalendertagen nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens an a. auf deren in nachstehender Ziffer (4) genanntes Konto zu zahlen (eingehend).

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c. Ergibt das Sachverständigengutachten über den verbindlichen Verkehrswert gemäß vorstehender Ziffer (2) einen niedrigeren Kaufpreis als die bereits nach vorstehend lit. a) geleistete Abschlagszahlung, so hat a. den Differenzbetrag innerhalb von sieben Kalendertagen nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens an HT. auf ein von HT. unverzüglich nach Beurkundung der Annahmeerklärung noch schriftlich aufzugebendes Konto zu erstatten (eingehend).

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Spätestens seit Januar 2013 wollte die H. AG das „Mittelstandsmodell“ aufgrund einer Änderung der Konzernstrategie nicht weiter verfolgen und beabsichtigte daher dessen Rückabwicklung. Dabei war es erklärtes Ziel, dass die H. H. GmbH wieder eine unselbständige Niederlassung innerhalb des Konzerns werden sollte. Über die Modalitäten dieser Rückübertragung konnte zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt werden. Mit Schreiben vom 16.08.2013 (Anl. K 7) legte Herr Dr. M. sein Geschäftsführeramt nieder und berief sich diesbezüglich auf einen wichtigen Grund. Die Klägerin übte infolge der Amtsniederlegung mit notariell beurkundeter Erklärung vom 19.08.2013 (Anl. K 8) die „Put-Option“ aus, indem sie das notarielle Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrages (im folgenden: Kaufvertrag) vom 09.06.2011 annahm.

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Mit Schreiben vom selben Tage bat die Klägerin unter Bezug auf § 2 Abs. 2 S. 1 des Kaufvertrages die Handelskammer Hamburg, einen Sachverständigen zu benennen (Anl. K 12). Die Handelskammer teilte daraufhin am 20.08.2013 mit (Anl. K 13), dieser Bitte nur zu entsprechen, wenn die Beklagte sich ihr anschließen würde. Der Aufforderung der Klägerin vom 28.08.2013 (Anl. K 14) an die Beklagte, ebenfalls die Handelskammer um Benennung eines Sachverständigen zu bitten, kam die Beklagte zunächst nicht nach.

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Die Klägerin beauftragte daraufhin den im Sachverständigenverzeichnis der Handelskammer Hamburg für den Bereich Unternehmensbewertungen geführten Sachverständigen Wirtschaftsprüfer Dr. W. mit der Erstellung eines Gutachtens, das im November 2015 vorlag (Anl. K 15). Der Sachverständige Dr. W. kam darin zu einem nach IDW Standard S 1 (2008) ermittelten Verkehrswert der H. H. GmbH von € 44,7 Mio, so dass sich ein Kaufpreis für den Geschäftsanteil der Klägerin von € 13,41 Mio ergab. Unter Berücksichtigung eines von der Beklagten der Klägerin gewährten Darlehens, das noch mit € 1.200.000,-- valutierte, sowie Darlehenszinsen in Höhe von € 36.901,41 errechnete die Klägerin einen ihr zustehenden Kaufpreis in Höhe von € 12.173.098,59.

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Diese Forderung war u.a. Gegenstand des mit der vorliegenden Klage vom 06.02.2014 zunächst verfolgten Hauptantrags, nämlich in Höhe von € 1.628.698,59 (der nach § 2 Abs. 3 a) des Kaufvertrages zu leistenden Abschlagszahlung) nebst Zinsen seit dem 27.08.2013 und in Höhe des Restbetrages von € 10.544.400,-- nebst Zinsen seit dem 04.12.2013. Hilfsweise machte die Klägerin u.a. geltend, die Beklagte zur Zahlung von € 1.628.698,59 nebst Zinsen und ferner zur Mitwirkung bei der Benennung eines von der Handelskammer zu benennenden Sachverständigen zu verurteilen. Nachdem die Beklagte die Abschlagszahlung von € 1.628.698,59 am 20.03.2014 gezahlt und im April 2014 die Handelskammer um die Benennung eines Schiedsgutachters gebeten hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2014 den weitergehenden Zahlungsantrag hinsichtlich des Anteilskaufpreises mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und die Klage nur noch wegen des (durch Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 25.03.2014) in das Verfahren nachträglich eingeführten Anspruchs auf Zahlung des Gewinnanteils für das Jahr 2013 in Höhe von € 526.200,-- sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten infolge der nach Ansicht der Klägerin verspäteten Zahlung und der deswegen vorprozessual entstandenen Anwaltskosten weiterverfolgt.

15

Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.03.2015 ausgeblieben. Auf Antrag der Beklagten hat das Gericht ein klagabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.03.2015 - rechtzeitig - Einspruch eingelegt. Nachdem der von den Parteien mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Wirtschaftsprüfer S. am 14.05.2015 sein Gutachten vorgelegt hat, verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach Maßgabe der sachverständigen Feststellungen weiter, nämlich nach Maßgabe ihres Schreibens vom 19.05.2015 (Anl. K 36).

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Sie beantragt,

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das Versäumnisurteil vom 11.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

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4. an die Klägerin € 6.348.400,-- nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 4.12.2013 zu zahlen,

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5. an die Klägerin weitere € 8.681,09 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 18.02.2014 zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

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das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte hält die von der Klägerin – nach Klagerücknahme – vorgenommene Klageänderung durch Erhöhung der Klage, mit der die Beklagte nicht einverstanden sei, für unzulässig. Zudem sei die auf das Ergebnis das Schiedsgutachtens des Sachverständigen S. gestützte Klage unbegründet, weil das Gutachten offenbar unrichtig und damit offenbar unbillig im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB sei. Das Schiedsgutachten weise schwerwiegende Begründungsmängel auf, die in der Verletzung allgemein anerkannter Regeln der Unternehmensbewertung bestünden. So habe der Sachverständige nicht beachtet, dass bei der Unternehmensplanung die Planung der Geschäftsführung maßgeblich sei. Der Sachverständige habe zudem, obwohl kein Jurist, in mehreren rechtlich strittigen Fragen seine eigene rechtliche Würdigung anstelle der rechtlichen Würdigung erfahrener Juristen gesetzt und sei zudem dadurch von allgemein anerkannten Bewertungsregeln abgewichen, dass er erst zukünftig fällig werdende Forderungen bei der Unternehmensplanung angesetzt habe, obwohl der Schuldner dieser Forderungen ihr Bestehen bestritten habe. Tatsächlich liege der Unternehmenswert mehr als 30 % unter dem vom Sachverständigen ermittelten Ergebnis. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.08.2015 (S. 3 ff; Bl. 249 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und hat – in dem noch zur Entscheidung stehenden Umfang - auch in Sache Erfolg.

24

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 2.06.2015 vorgenommene Klageerweiterung stellt eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar und bedarf nicht der Zustimmung der Beklagten.

25

Die Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 3 b) des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäftsanteilskauf- und -übertragungsvertrages verpflichtet, der Klägerin den höheren Kaufpreis nach dem vorliegenden Schiedsgutachten in Höhe der Klageforderung zu zahlen. Die von der Beklagten dagegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

26

Die Beklagte hält das Gutachten des Sachverständigen S. der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A. C. & P. zu Unrecht wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 BGB nicht für verbindlich.

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Vom Ausgangpunkt her zutreffend, geht die Beklagte (wie auch die Klägerin) davon aus, dass es sich bei dem eingeholten Sachverständigengutachten um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne handelt, auf das §§ 317 ff. BGB analog angewendet werden, wobei die Entscheidung des Schiedsgutachters nicht auf „offenbare Unbilligkeit“, sondern auf eine „offenbare Unrichtigkeit“ hin kontrolliert wird.

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Nach Auffassung des Gerichts scheidet aber auch eine solche eingeschränkte Überprüfung der Richtigkeit der sachverständigen Feststellungen vorliegend deswegen aus, weil die Parteien in § 2 Abs. 2 des vorgenannten Vertrages festgelegt haben, dass das einzuholende Gutachten den Verkehrswert des Anteils „für beide Seiten verbindlich feststellt“ und § 2 Abs. 3 a) und b) bestimmt, das ein danach resultierender Kaufpreisrest oder -überschuss binnen 7 Tagen an die andere Vertragspartei zu zahlen ist. In dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass die Parteien die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens anerkennen wollten, ohne das Ergebnis einer weiteren Überprüfung zu unterziehen. Ansonsten würde nämlich die Verpflichtung zur Zahlung des sich aus dem Schiedsgutachten ergebenden Kaufpreises bis zur Rechtskraft der Entscheidung in einem nachfolgenden Prozess aufgeschoben. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 04. Juli 2013 – III ZR 52/12 –, Rn. 33 ff., juris) ausgeführt:

29

(1) Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im weiteren Sinne, auf welche die §§ 317 bis 319 BGB unmittelbar anzuwenden sind und bei denen der Schiedsgutachter den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen hat, ist es allgemein anerkannt, dass die Forderung im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht (§ 319 Abs. 1 Satz 2 BGB) erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig wird, so dass Zinsen - vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen - vorher nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urteile vom 10. März 1993 - VIII ZR 238/92, BGHZ 122, 32, 45 f; vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; vom 30. Mai 2003 - V ZR 216/02, NJW-RR 2003, 1355, 1357 f; vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2920 und vom 4. April 2006 - X ZR 122/05, BGHZ 167, 139, 149 f Rn. 22 f; vgl. auch Urteil vom 16. April 1999 - V ZR 37/98, NZM 1999, 677, 678). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen.

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(2) Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im engeren Sinne, auf welche die §§ 317 bis 319 BGB, wie ausgeführt, entsprechende Anwendung finden, gilt im Ergebnis nichts anderes.

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In der vertraglich getroffenen Abrede, das eingeholte Gutachten als für beide Seiten verbindlich anzusehen und die Fälligkeit der Zahlung bereits bei Vorliegen des Gutachtens eintreten zu lassen, liegt eine konkludente Abbedingung von § 319 BGB Abs. 1 BGB, was zulässig ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26. November 2009 – 18 U 43/09 –, Rn. 29, juris Staudinger – Rieble, BGB, 2015, § 319 Rdnr. 4). Eine der Überprüfung durch die Gerichte entzogene Feststellung des Abfindungsguthabens durch einen Schiedsgutachter ist mit der Interessenlage der Parteien vereinbar. Der Schiedsgutachter wird nicht einseitig bestellt, sondern auf beiderseitigen Antrag von einer neutralen Institution, der Handelskammer Hamburg, berufen. Beide Seiten haben - ex ante - ein gleich hohes Interesse an einer möglichst schnellen abschließenden Regelung des Streits über die Höhe des Abfindungsanspruchs. In einem solchen Fall ist das Schiedsgutachten bis zur Grenze der Willkür für beide bindend (OLG Köln, aaO).

32

Eine Willkürlichkeit des Schiedsgutachtens liegt auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht vor. Schon deswegen ist die Forderung der Klägerin auf Zahlung des vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes (nach Verrechnung der bereits geleisteten Zahlungen) begründet.

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Die Einwendungen der Beklagten tragen aber darüber hinaus auch nicht den Vorwurf einer groben Unrichtigkeit im Sinne von § 319 Abs. 1 BGB (analog). Ein Schiedsgutachter verfehlt seinen Auftrag (nur) dann, wenn er ein offenbar unrichtiges und damit entsprechend § 319 BGB unverbindliches Gutachten erstellt. Offenbare Unrichtigkeit ist anzunehmen, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten offenbar unrichtig erst dann ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (BGH, Urteil vom 17. Januar 2013 – III ZR 10/12 –, Rn. 16, juris).

34

Soweit die Beklagte rügt, dass der Sachverständige bei der Bestimmung der Höhe der Mehrerlösbeteiligung in Bezug auf die Einzelbetrachtung oder Saldierung der einzelnen Projekte eine Rechtsfrage entschieden habe, ohne – als Nichtjurist – hinreichende eigene Sachkunde zu besitzen, trägt der Vorwurf nicht. Es ist einem Schiedsgutachter nicht verwehrt, die für die Bewertung entscheidenden rechtlichen Fragestellungen selbst zu beurteilen. Zwar kann sich die Feststellungsmacht eines Gutachtens auf die tatsächlichen Voraussetzungen beschränken, sie kann aber auch, und dies gilt insbesondere bei Gutachten, die den Vertragsinhalt verbindlich feststellen, die Subsumtion und Beurteilung rechtlicher Vorfragen mit umfassen (Palandt- Grüneberg, BGB, 75. Aufl, § 319 Rdnr. 6). Da die Höhe der Mehrerlösbeteiligung, auf die es entscheidend für den Verkehrswert der Hochtief GmbH ankam, von der Frage abhing, ob die einzelnen Projekte hinsichtlich der Erlöse isoliert zu betrachten oder zu saldieren waren, musste der Sachverständige eine Entscheidung treffen. Diese hat er auf den Seiten 50 – 58 seines Gutachtens unter Berücksichtigung aller für die Entscheidungsfindung maßgeblichen Gesichtspunkte eingehend begründet. Eine offenbare Unrichtigkeit bei der Beantwortung der vorgenannten Frage hält die Kammer schon deswegen nicht für gegeben, weil sie die Rechtsfrage ebenso entschieden hätte. Auch nach Auffassung des Gerichts sprechen die vom Sachverständigen aus dem Wortlaut von Ziffer 4.4 des Geschäftsbesorgungsvertrages abgeleiteten Auslegungskriterien (S. 56 des Gutachtens) dafür, den Mehrgewinn aus dem Projekt Skyliving ohne Saldierung mit den anderen – verlustträchtigen – Einzelprojekten bei der Bemessung der zu erwartenden Erträge zu berücksichtigen.

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Zu folgen ist dem Gutachter auch darin, bei der Bemessung der Höhe der Mehrgewinnbeteiligung keinen Abschlag im Hinblick auf mangelnde Bereitschaft der Beklagten zum Ausgleich der Forderung vorzunehmen. Wie der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme schon zutreffend ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob die Berechtigung einer Forderung überhaupt in Frage gestellt wird, sondern ob das Bestreiten auf einer berechtigten Begründung beruht. Soweit der zu bewertenden Gesellschaft nach materiellem Recht eine begründete Forderung gegenüber ihrer Mit- und Mehrheitsgesellschafterin zusteht, kann diese bei der Bemessung des Unternehmenswertes nicht deswegen außer Betracht bleiben oder mit einem geringeren Wert angesetzt werden, weil seitens der Mehrheitsgesellschafterin keine Bereitschaft zum Ausgleich besteht und die Durchsetzung zweifelhaft erscheint. Ansonsten hätte die Mehrheitsgesellschafterin die Möglichkeit, den Unternehmens- und Anteilswert eines Minderheitsgesellschafters allein durch bloßes Bestreiten einer Forderung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

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Nicht nachzuvollziehen vermag das Gericht auch den Einwand der Beklagten, dass der Sachverständige bei der Ermittlung des zu erwartenden Erlöses des Projektes Skyliving nicht allein die damalige Einschätzung der Geschäftsführung der H. H. GmbH zugrunde gelegt, sondern das - von Klägerseite eingeholte Gutachten – des Sachverständigen L. berücksichtigt hat. Der Ausgangspunkt der Kritik der Beklagten, nämlich dass es für die Unternehmensbewertung allein auf die Einschätzung der Geschäftsleitung ankomme, trifft nicht zu. Dies gilt dann nicht, wenn der Gutachter, wie hier, zum Ergebnis kommt, dass die Annahmen der Geschäftsführung nicht plausibel sind. Auch insoweit ist in dem Schiedsgutachten eine umfassende Überprüfung und Analyse der Planungen der von der Geschäftsführung erstellten Prognose für das Geschäftsjahr 2013 und der weitergehenden Unternehmensplanung für die Jahre 2014 bis 2017 enthalten (S. 35 ff. des Gutachtens). Darin hat der Schiedsgutachter sich auch ausführlich mit dem Ansatz der von der Geschäftsleitung erwarteten Mehrgewinnbeteiligung aus dem Projekt Skyliving in Höhe von 6,4 Millionen € befasst (S. 56 des Gutachtens) und im Einzelnen begründet, warum nach seiner Ansicht die Wertermittlung der in der Elbphilharmonie errichteten Wohnungen durch den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen L. eine geeignetere Grundlage für die Schätzung der erwarteten Gewinne aus dem Projekt Skyliving darstellt. Unrichtigkeiten vermag das Gericht nicht zu erkennen.

37

Gleiches gilt aus den genannten Gründen für die von Beklagtenseite weiter erhobenen Rügen, die sich gegen Bewertungsannahmen des Sachverständigen richten, die die Beklagte für unzutreffend hält, etwa, was die Konkretisierung des Planungsstands zur Rückführung der H. H. GmbH in eine Niederlassung der Beklagten angeht, die Bewertung der Bauleistungen, die Höhe der Geschäftsbesorgungsvergütung und die Kosten für den erforderlich werdenden Abbau von Mitarbeitern. Überwiegend beanstandet die Beklagte auch insoweit, dass der Sachverständige die Planungsannahmen der Geschäftsführung (Planungsstand, Wert der Bauleistungen, Höhe der Geschäftsführungsvergütung) nicht übernommen oder eine rechtliche unzutreffende Einschätzung (von der Beklagten zu tragender Personalaufwand) vorgenommen hat. Dass der Sachverständige bei seiner Bewertung dadurch zu unrichtigen, bzw. so grob unrichtigen Annahmen gelangt ist, dass die Bewertung gegen Treu und Glauben verstößt, ist nicht dargetan.

38

Auch was die Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes, insbesondere die Ableitung des für die individuelle Risikostruktur des Unternehmens maßgeblichen beta- Faktors angeht, lässt die Begründung das Gutachten aus Sicht der Kammer keine Unrichtigkeit erkennen. Die Orientierung des beta- Faktors der nicht börsennotierten H. H. GmbH an den verfügbaren Kapitalmarktdaten der Hochtief AG ist überzeugend begründet und wird nicht deswegen in Frage gestellt, weil die Beklagte einen anderen beta – Faktor für zutreffend erachtet.

39

Der geltend gemachte Zinsanspruch steht der Klägerin erst ab dem 26.05.2015 zu. Die Zahlung ist 7 Tage nach Vorliegen des Gutachtens am 18.05.2015, also am 25.05.2015 fällig geworden. Die Beklagte befindet sich daher ab dem 26.05.2015 im Verzug. Die Klägerin kann die Zahlung weiterer Verzugszinsen für einen früheren Zeitraum nicht darauf stützen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Bestellung eines Schiedsgutachters nicht innerhalb der vertraglich bestimmten Frist von sechs Wochen nachgekommen ist. Verzug mit der Verletzung dieser Verpflichtung ist nicht gleichbedeutend mit dem Zahlungsverzug der erst mit Vorlage des Schiedsgutachtens fällig gewordenen Kaufpreisforderung. Eine Leistung in Höhe der Verzugszinsen wegen der eingetretenen Verzögerung könnte die die Klägerin nur ersetzt verlangen, wenn ihr dadurch – wegen Inanspruchnahme eines entsprechend hoch verzinslichen Darlehens oder wegen entgangenen Gewinns- ein entsprechender Schaden entstanden wäre. Dazu fehlt es an entsprechendem Vortrag. Auch der Klageantrag zu 2., der abzielt auf Ersatz der für die vorgerichtliche Tätigkeit der vormaligen Prozessbevollmächtigten entstandenen Anwaltskosten für das Aufforderungsschreiben vom 28.01.2014 (Anl. K 17), ist unbegründet. Auch wenn dafür – nach RVG – der in der Klage berechnete Gebührenansatz einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr (€ 49.806,90) entstanden wäre, könnte die Klägerin diese Kosten als Verzugsschaden (quotal) nur dann ersetzt verlangen, wenn bereits vorprozessual die Fälligkeit des geltend gemachten Kaufpreisanspruchs gegeben gewesen wäre. Dies war aus den oben bereits genannten Gründen nicht der Fall.

40

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO. Bei der Kostenverteilung war auf Seiten der Beklagten neben dem Unterliegen hinsichtlich der im Tenor genannten Forderung von € 6.348.400,-- zu berücksichtigen die durch Zahlung der Beklagten von € 1.628.698,59 und Mitwirkung bei der Benennung des Schiedsgutachters (Wert: € 50.000,-) eingetretene Teilerledigung des Verfahrens, also insgesamt ein Betrag € 8.027.098,50 . Trotz des Gesamtstreitwerts von € 21.545.632,-- hält die Kammer es für gerechtfertigt, die Kosten gegeneinander aufzuheben, da die mit der Klage zunächst erhobene Forderung lediglich mangels Fälligkeit zunächst zurückgenommen wurde, sich aber zum Teil im Ergebnis als berechtigt erwiesen hat.

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