Beschluss vom Landgericht Hamburg (26. Zivilkammer) - 326 T 83/16

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde vom 29.4.2016 gegen den Beschluss des Amtsgericht Hamburg vom 12.04.2016, Az. 67c IN 390/15, wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Durchsuchung einer von ihm untervermieteten Wohnung im ..., ...

2

Die vom Amtsgericht angeordnete Durchsuchung galt dem Schuldner S. M.. Über dessen Vermögen war unter dem 9.10.2015 wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden. Da der Schuldner auf gerichtliche Aufforderungen zur Mitwirkung nicht reagierte, ordnete das Amtsgericht Hamburg - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 17.11.2015 Sicherungsmaßnahmen an und bestellte Rechtsanwalt Dr. D. zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Auch diesem gegenüber reagierte der Schuldner nicht auf Nachrichten und Anrufe und war bei einem Ortstermin unter seiner Anschrift im ... nicht anzutreffen. Am 30.11.2015 erließ das Amtsgericht Haftbefehl gegen den Schuldner, der nicht vollstreckt werden konnte. Der vorläufige Insolvenzverwalter regte überdies die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners im ... an, da dieser nach wie vor nicht erreichbar sei und nicht am Verfahren mitwirke. Dieser Anregung kam das Amtsgericht mit Beschluss vom 9.12.2015 nach. Bis einschließlich 7.12.2015 konnten dem Schuldner Schriftstücke im ..., ... zugestellt werden.

3

Nachdem die zuständige Obergerichtsvollzieherin den Schuldner unter der genannten Anschrift nicht ermitteln konnte und dieser laut Auskunft der Post und des Einwohnermeldeamtes am 1.11.2015 unbekannt verzogen sei, ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.2.2016 an, dass die ehemalige Wohnung des Schuldners im ... zu durchsuchen sei. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner sich unter seiner ehemaligen Meldeanschrift bei seiner dortigen Lebensgefährtin verborgen halte.

4

Mit Schreiben vom 11.4.2016 lehnte die Obergerichtsvollzieherin die Durchführung dieses Beschlusses ab, da nicht angegeben sei, welche Wohnung in dem Mehrfamilienhaus ... zu durchsuchen sei. Dies stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 12.4.2016 klar: ehemalige Wohnung des Schuldners, ..., ..., bei T. im 5. Stock.

5

Am 19.4.2016 erfolgte die fruchtlose Durchsuchung der Wohnung durch die Obergerichtsvollzieherin.

6

Mit Schriftsatz vom 29.4.2016 meldete sich der Verfahrensbevollmächtigte für den Beschwerdeführer, Herrn M. T., und legte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 12.4.2016 ein. Ziel der Beschwerde sei die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom Gericht an die Gerichtsvollzieherin getroffenen Anweisungen. Der Beschwerdeführer sei Hauptmieter der im Hause ... im 4. Stock links belegenen Wohnung. Er habe die Wohnung komplett untervermietet, zunächst an den Schuldner S. M.. Als dieser verschwunden sei, ohne mitzuteilen, wohin, habe Herr T. die Wohnung an S. A. mit Wirkung ab 1.9.2013 untervermietet. Als dieses Mietverhältnis geendet habe, habe er die Wohnung mit Vertrag vom 25.3.2016 und Wirkung ab 1.4.2016 an R. M. M. untervermietet. Da sich der Schuldner offensichtlich aus der Wohnung nicht abgemeldet habe, habe dies der Beschwerdeführer getan. Die rechtswidrige Durchsuchung der neu untervermieteten Wohnung stelle eine erhebliche Störung im Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Untermieter dar. Das Gebäude ... habe überdies lediglich vier Stockwerke einschließlich Erdgeschoss. Die Gerichtsvollzieherin habe deshalb im 5. Stock keine Vollstreckungshandlungen durchführen können.

7

Mit Beschluss vom 26.5.2016 half das Amtsgericht Hamburg der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landgericht Hamburg zur Entscheidung vor. Der Beschwerde fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Sie sei auch unbegründet. Das Gericht habe Anhaltspunkte dafür gehabt, dass der Schuldner nur „zum Schein“ aus seiner bisher zustellfähigen Wohnung ausgezogen sei. Wenn der Schuldner bereits zum 1.9.2013 ausgezogen sein sollte, hätte der Beschwerdeführer den Rechtsschein des dortigen Wohnsitzes bereits viel früher beenden müssen. Mitbewohner des Schuldners müssten die Durchsuchung gemäß § 758 a Abs. 3 ZPO dulden.

II.

8

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Dem hiesigen Beschwerdeführer, der weder Schuldner noch als Mieter unmittelbarer Besitzer der durchsuchten Wohnung ist, steht ein Rechtsmittel gegen die erfolgte Durchsuchung der Wohnung nicht zu.

9

Bei dem angeordneten Einsatz der Gerichtsvollzieherin handelt es sich um eine nach § 4 InsO in Verbindung mit § 758 Abs. 1, § 883 Abs. 1 ZPO zulässige Hilfstätigkeit, mit der die Sicherungsaufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO gefördert wurde.

10

Bereits vor der Durchführung der Durchsuchung hätte der Beschwerdeführer gegen den Anordnungsbeschluss keine insolvenzrechtliche sofortige Beschwerde erheben können, weil eine solche, was § 6 InsO voraussetzt, in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen ist. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO steht gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nur dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - IX ZB 41/07 -, Rn. 9, juris).

11

Dem Beschwerdeführer kommt auch kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gerichtlichen Anweisungen zu. Ein solcher ist weder in der Zivilprozessordnung noch in der Insolvenzordnung allgemein vorgesehen, so dass er gemäß § 6 InsO nicht statthaft ist. Vorliegend ist eine Beschwerdemöglichkeit auch nicht zur Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise geboten, weil etwa eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil des Beschwerdeführers oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung ausnahmsweise erfordert, möglich erscheinen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 4, juris; BGHZ 158, 212, 214 ff).

12

Durch die Durchsuchung der ehemaligen Wohnung des Schuldners im ..., ..., bei T. (wobei es nicht darauf ankommt, ob die Wohnung im 4. oder 5. Stockwerk liegt, da es ersichtlich nur eine Wohnung „bei T.“ in diesem Haus gab und nur diese gemeint war), ist der Beschwerdeführer nicht in eigenen Grundrechten verletzt worden. Wie er selbst vorgetragen und durch Unterlagen belegt hat, lebt er bereits seit einigen Jahren nicht mehr selbst in der betroffenen Wohnung, sondern hat sie untervermietet, zunächst an den Schuldner, dann an S. A. und zuletzt an R. M. M.. Damit ist der Beschwerdeführer aber selbst nicht Grundrechtsträger in Bezug auf die durchsuchte Wohnung. Denn Art. 13 Abs. 1 GG stellt allein auf den tatsächlichen Besitz der Räumlichkeiten ab. Geschützt ist also die in der Wohnung lebende Person, mithin der jeweilige Untermieter. Der nur mittelbare Besitz des Vermieters wird nicht erfasst (vgl. BeckOK GG/Fink GG Art. 13 Rn. 4-5, beck-online).

13

Mangels Statthaftigkeit der eingelegten Beschwerde kann damit dahinstehen, ob die amtsgerichtlichen Anordnungen in den Beschlüssen vom 9.12.2015, 25.2.2016 und 12.4.2016 zu Recht getroffen worden sind.

14

Ergänzend sei hierzu lediglich angemerkt, dass das Amtsgericht zutreffend darauf abgestellt hat, dass dem Schuldner im Laufe des Eröffnungsverfahrens verschiedentlich Schriftstücke unter der Anschrift ... zugestellt werden konnten. Da der Schuldner ausweislich der Einwohnermeldeamtsauskunft erst am 1.11.2015 ausgezogen sein soll, ihm tatsächlich noch im Dezember 2015 Briefe zugestellt werden konnten und ein anderer Aufenthaltsort des Schuldners nicht ersichtlich war, durfte das Amtsgericht berechtigter Weise annehmen, dass er tatsächlich seinen Wohnsitz noch im S. hatte und erfolgversprechende Maßnahmen dort erfolgen konnten.

15

Wenn die gerichtlichen Schreiben demgegenüber nicht dem Schuldner selbst zugegangen sind, weil dieser, wie der Beschwerdeführer vorträgt, bereits 2013 ausgezogen ist, so hätte Anlass des aktuellen Mieters der Wohnung bestanden, den Beschwerdeführer als Vermieter und Hauptmieter zu informieren. Dieser hätte sodann ohne Weiteres das als Absender erkennbare Insolvenzgericht über den - angeblich schon vor Jahren erfolgten - Wegzug des Schuldners informieren und damit die Durchsuchung der Wohnung vermeiden können.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

17

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

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