Urteil vom Landgericht Hamburg - 318 S 100/17

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 02.10.2017, Az. 22 a C 89/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten zu 3) und 4) haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind Mitglieder der aus 3 Einfamilienhäusern bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft  B. … in … H.. Sie streiten in der Berufung noch über einen auf der Eigentümerversammlung vom 07.03.2016 zu TOP 14 gefassten Negativbeschluss, durch den die Errichtung einer Müllstandsfläche abgelehnt wurde (Anlage K 1 = Bl. 7 d.A.). Zwischen den Parteien gilt die Teilungserklärung vom 05.11.1993 (Anlage K 2 = Bl. 20 ff.). Darin heißt es in § 1 Ziff. 3 a.E.:

2

„Die grün gekennzeichnete Grundstücksfläche dient allen Eigentümern als gemeinsame Zufahrt und Zuwegung sowie Müllstandsfläche und verbleibt im uneingeschränkten Gemeinschaftseigentum.“

3

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Zi8ff. 1 ZPO.)

4

Das Amtsgericht hat den auf der Eigentümerversammlung vom 07.03.2016 zu TOP 14 gefassten (Negativ-)Beschluss mit Urteil vom 02.10.2017 für ungültig erklärt und durch einen gerichtlichen Beschluss ersetzt, wonach die in der Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 05.11.1993 unter dem dortigen Abschnitt I § 1.3 Abs. 3 sowie im Aufteilungsplan vorgesehene Müllstandsfläche durch die Gemeinschaft und auf deren Kosten hergestellt wird und die Kosten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilt werden, so dass jedes Sondereigentum mit einem Drittel belastet wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ermessen der Wohnungseigentümer sei hier auf null reduziert. Es entspreche allein ordnungsgemäßer Verwaltung, die in der Teilungserklärung getroffene Vereinbarung umzusetzen. Hierauf bestehe ein Rechtsanspruch. Für ihre Behauptung, die Wohnungseigentümer hätten sich auf eine andere Handhabung als in der Teilungserklärung vorgesehen verständigt, fehle ein Beweisangebot der Beklagten zu 3) und 4). Dies wäre jedoch erforderlich gewesen.

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Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten zu 3) und 4) mit einem am 06.11.2017 über E-Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.01.2018 mit einem an diesem Tag über E-Fax eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

6

Die Beklagten zu 3) und 4) tragen vor, das Amtsgericht sei ihrer Behauptung, es habe eine von den Regelungen der Teilungserklärung abweichende Vereinbarung zwischen den Wohnungseigentümern gegeben, nicht hinreichend nachgegangen. Insbesondere wäre eine Anhörung gemäß § 141 ZPO in Betracht gekommen. Schließlich sei es 20 Jahre lang so gehandhabt worden, dass ein Standplatz für Mülltonnen bei den jeweiligen einzelnen Einfamilienhäusern errichtet worden sei. Sofern sich aufgrund einer Anhörung der Parteien eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten zu 3) und 4) ergeben hätte, wäre auch eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO in Betracht gekommen.

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Sie beantragen,

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das Schlussurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 02.10.2017 abzuändern und die gegen die Beschlussfassung zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 07.03.2016 gerichtete Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen die amtsgerichtliche Entscheidung und tragen vor, das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten zu 3) und 4) beweisfällig geblieben seien.

12

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

13

Die Berufung der Beklagten zu 3) und 4) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1.

14

Zutreffend ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass ein den Vorgaben der Teilungserklärung entsprechender Zustand (erstmalig) hergestellt wird. Gemäß § 21 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, dass das gemeinschaftliche Eigentum plangerecht hergestellt wird. Vergleichsmaßstab für den planmäßigen Zustand sind die Teilungserklärung, die Gemeinschaftsordnung, der Aufteilungsplan und die Baupläne (Vandenhouten in: Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 101; zu einem an einer bestimmten Stelle vorgesehenen Müllplatz vgl. auch LG Berlin, ZWE 2014, 40, zitiert nach juris). Danach ist gemäß § 1 Ziff. 3 der Teilungserklärung eine bestimmte grün gekennzeichnete Grundstücksfläche als Müllstandsfläche vorgesehen. Dies ist auch in dem in der Teilungserklärung in Bezug genommenen Aufteilungsplan (Bl. 38 d.A.) zeichnerisch dargestellt. Dort findet sich an der linken Grundstücksseite rechts neben der gemeinsamen Zufahrt/Zuwegung ein abgegrenztes Kästchen mit dem Zusatz „3 Müllbehälter“.

2.

15

Soweit die Beklagten zu 3) und 4) geltend machen, es seien schuldrechtliche Vereinbarungen über den Standort von Müllbehältern getroffen worden, die von den Regelungen in der Teilungserklärung abgewichen hätten, wäre dies zwar grundsätzlich von Bedeutung. Zwischen den Wohnungseigentümern können rechtsverbindlich schuldrechtliche Vereinbarungen getroffen werden, die auch ohne Eintragung im Grundbuch zwischen den am Abschluss der Vereinbarung beteiligten Wohnungseigentümern gelten und in diesem Verhältnis den Regelungen der Teilungserklärung vorgehen. Erst nach einem - hier nicht eingetretenen - Eigentümerwechsel kommen wieder die in der Teilungserklärung enthaltenen Regelungen zum Tragen (Kümmel/Niedenführ, a.a.O., § 10 Rn. 68). Zutreffend hat das Amtsgericht jedoch zugrunde gelegt, dass die Beklagten zu 3) und 4) für ihre Behauptung einer Vereinbarung darlegungs- und beweisbelastet sind und einen Beweis nicht angetreten haben.

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So ist schon fraglich, ob die Beklagten zu 3) und 4) eine mit Rechtsbindungswillen zustande gekommene schuldrechtliche Vereinbarung substantiiert dargetan haben. Allein aus der Tatsache einer langjährigen Praxis folgt nicht zwingend, dass sich die Parteien auch darüber einig waren, die praktizierte Handhabung auch künftig als rechtlich verbindlich anzusehen. Selbst wenn man dies anders sähe, würde es an einem Beweisangebot fehlen. Einer erneuten Parteianhörung gemäß § 141 ZPO bedarf es nicht, nachdem der Kläger zu 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 29.06.2016 bereits erklärt hat, die behauptete Vereinbarung gebe es nicht. Anlass für eine Parteivernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO bestand ebenso wenig, weil es bereits an Anhaltspunkten fehlt, die den streitigen Tatsachenvortrag der Beklagten zu 3) und 4) stützen und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für dessen Richtigkeit erbringen (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 448 Rn. 4).

3.

17

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht den abgelehnten (Grund-)Beschluss zu TOP 14 der Eigentümerversammlung vom 07.03.2016 gemäß § 21 Abs. 8 WEG ersetzt hat. Dies ist insbesondere dann zulässig, wenn der Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer auf null reduziert ist. Dies ist hier, wie das Amtsgericht zu Recht zugrunde gelegt hat, jedenfalls für die Frage des „ob“ der Maßnahme der Fall. Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der „Müllstandsfläche“ bleibt dabei nach wie vor der primär zuständigen Wohnungseigentümerversammlung vorbehalten.

4.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

19

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

20

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

21

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gemäß § 49a GKG erfolgt.

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