Beschluss vom Landgericht Hamburg (30. Zivilkammer) - 330 T 14/19
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 26. Januar 2019 im Verfahren des Amtsgerichts Hamburg, Az. 68h IK 52/18, wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Unter dem 9. Dezember 2018 stellte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Dem Antrag beigefügt waren ein Schuldenbereinigungsplan in Form eines flexiblen Nullplans sowie eine Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO, mit der der Beschwerdeführer sein Einkommen für sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Treuhänder abtrat. Alle Unterlagen waren von dem Berufsbetreuer S. unterzeichnet.
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Das Amtsgericht forderte den Beschwerdeführer zu Händen seines Betreuers auf, die Unterlagen vom Schuldner selbst unterzeichnen oder den Schuldenbereinigungsplan und die Abtretungserklärung durch das Betreuungsgericht genehmigen zu lassen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nicht nach, wobei der Betreuer ausführte, dass der Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, die rechtlichen Konsequenzen eines Schuldenbereinigungsplans und eine Abtretungserklärung zu erfassen, und deshalb nicht unterzeichnen könne. Die Genehmigung des Betreuungsgerichts sei nicht erforderlich. Im Übrigen habe ihm das Betreuungsgericht im Hinblick auf den Schuldenbereinigungsplan mitgeteilt, Genehmigungen nur für abgeschlossene Vergleiche zu erteilen.
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Nach weiterem Schriftverkehr erklärte das Amtsgericht unter dem 24. Januar 2019, dass der Eröffnungsantrag des Beschwerdeführers nach § 305 Abs. 3 InsO als zurückgenommen gilt, weil er trotz gerichtlicher Aufforderung nicht fristgerecht ergänzt worden sei.
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Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 26. Januar 2019, wobei er seinen Vortrag wiederholt und vertieft.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.
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1. Die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 InsO tritt ipso jure ein, wenn der Schuldner der Aufforderung des Insolvenzgerichts, fehlende Bestandteile des Eröffnungsantrages zu ergänzen, binnen eines Monats nicht nachkommt. Diese Voraussetzung liegen vor. Das Amtsgericht hat den Beschwerdeführer zur Unterschriftsleistung bzw. Einholung einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht aufgefordert; dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen.
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2. Ein Rechtsmittel gegen die Rücknahmefiktion ist in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen und damit grundsätzlich nicht möglich (vgl. § 6 Abs. 1 InsO), was verfassungsrechtlich bedenkenlos ist, weil der Schuldner jederzeit einen neuen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen kann. Ob ausnahmsweise eine Anfechtbarkeit dann gegeben ist, wenn dem Schuldner Auflagen gemacht werden, die über formale Anforderungen hinausgehen und auf eine inhaltliche Überprüfung gerichtet sind oder dem Schuldner kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, braucht an dieser Stelle nicht beantwortet zu werden, denn das Amtsgericht hat den Eröffnungsantrag lediglich in formeller Hinsicht beanstandet und hierzu ausreichend rechtliches Gehör gewährt.
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3. Auch eine Anfechtbarkeit in analoger Anwendung von § 34 Abs. 1 InsO ist nicht gegeben. Eine solche könnte dann in Betracht kommen, wenn die vom Amtsgericht gestellten Anforderungen an den Eröffnungsantrag für den Schuldner nicht erfüllbar sind, denn dann kommt die Rücknahmefiktion materiell einer Ablehnung der Insolvenzeröffnung gleich.
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Das Amtsgericht hat keine unerfüllbaren Anforderungen an den Beschwerdeführer gestellt. Dabei kann dahinstehen, ob der Schuldenbereinigungsplan vom Betreuungsgericht zu genehmigen ist. Auch braucht nicht untersucht zu werden, wie es sich auswirkt, dass das Amtsgericht auch in der Nichtabhilfeentscheidung noch immer auf die Angabe der gegenwärtigen Wohnadresse des Beschwerdeführers besteht, obwohl diese, nämlich das Asklepios Klinikum Nord, bereits bekannt ist. Jedenfalls ist es Voraussetzung eines wirksamen Eröffnungsantrages, dass entweder der Schuldner selbst die Abtretungserklärung unterzeichnet oder – soweit er hierzu psychisch oder physisch nicht in der Lage ist – die vom Betreuer unterzeichnete Abtretungserklärung durch das Betreuungsgericht genehmigt wird. Diese erfüllbare Auflage hat das Amtsgericht dem Beschwerdeführer mehrfach erteilt. Er ist ihr nicht nachgekommen.
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Die Genehmigungsbedürftigkeit der Abtretungserklärung ergibt sich aus §§ 1812 Abs. 1, 2, 1918i Abs. 1 BGB. Danach unterliegen Verfügungen der Genehmigung des Gegenvormunds oder, wenn – wie im Betreuungsverfahren – ein solcher nicht existiert, der Genehmigung des Betreuungsgerichts.
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Bei der Abtretungserklärung nach § 297 Abs. 2 InsO handelt es sich um eine Verfügung, die entweder unmittelbar, jedenfalls aber entsprechend, unter diese Genehmigungspflicht fällt. Stuft man sie, wie unter anderem der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren, als eine materiell-rechtliche Erklärung ein, ist § 1812 Abs. 1, 2 BGB unmittelbar anwendbar. Soweit man die Abtretungserklärung als prozessuale Erklärung auffassen wollte, findet § 1812 Abs. 1, 2 BGB jedenfalls entsprechende Anwendung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Abtretungserklärung nicht allein prozessuale Wirkungen hat, sondern materiell-rechtlich zum Anspruchsverlust führt. Der Bundesgerichtshof hat die Abtretungserklärung in seinem Beschluss vom 13. Juli 2006, Az.: IX ZB 117/04, folgerichtig als „vorrangig“ prozessuale Erklärung bewertet. Da beim Insolvenzgericht die Abtretungserklärung nicht auf ihre Auswirkungen gegenüber dem betreuten Schuldner geprüft wird, ist nach dem Sinn und Zweck des § 1812 Abs. 1, 2 BGB, das Vermögen des Betreuten zu schützen, die Genehmigung durch das Betreuungsgericht unverzichtbar.
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Der Betreuer des Beschwerdeführers gehört auch nicht zu dem Kreis privilegierter Betreuer nach § 1857a BGB, für die die Einschränkungen des § 1812 Abs. 1, 2 BGB nicht gelten.
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Die Unerfüllbarkeit der Auflage folgt auch nicht aus der Mitteilung des Betreuungsgerichts an den Betreuer, solche Genehmigungen nicht zu erteilen, und zwar schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer keinen entsprechenden Antrag beim Betreuungsgericht gestellt hat. Seine Nachfrage, die das Betreuungsgericht offenbar nicht als Antrag aufgefasst hat, beschäftigte sich allein mit dem Schuldenbereinigungsplan.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO i.V.m. 97 Abs. 1 ZPO. Einer Wertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf die Festgebühr nach Nummer 2381 der Anlage 1 zum GKG nicht.
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5. Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 574 Abs. 2, 3 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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Referenzen
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 1x
- InsO § 297 Insolvenzstraftaten 1x
- IX ZB 117/04 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 6 Sofortige Beschwerde 1x
- InsO § 287 Antrag des Schuldners 1x
- InsO § 305 Eröffnungsantrag des Schuldners 2x
- 68h IK 52/18 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1857a Befreiung des Jugendamts und des Vereins 1x
- BGB § 2 Eintritt der Volljährigkeit 1x
- §§ 1812 Abs. 1, 2, 1918i Abs. 1 BGB 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde 1x
- BGB § 1812 Verfügungen über Forderungen und Wertpapiere 5x
- InsO § 34 Rechtsmittel 1x