Urteil vom Landgericht Hamburg (35. Zivilkammer) - 335 O 113/17
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 15.717,45 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung, dass eine Forderung aus dem Insolvenzverfahren nicht aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt.
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Bei den Parteien handelt es sich um geschiedene Eheleute. Am Geburtstag der Beklagten – noch während intakter Ehe – schenkten die Eltern der Beklagten Euro 10.000,-. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich hierbei, um eine Schenkung an beide Parteien oder eine Schenkung alleine an die Beklagte gehandelt hatte.
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Die Ehe der Parteien scheiterte Ende 2013, als der Beklagte lebensgefährlich erkrankt im Krankenhaus war und die Klägerin entdeckte, dass er ein langjähriges Doppelleben geführt hatte.
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Mit Datum vom 02.05.2014 unterschrieb der Kläger ein Schuldanerkenntnis, nach dem er der Beklagten € 10.000,- schulde und diese so schnell wie möglich zurückzahlen wolle (Anlage B1). Das Motiv für die Ausfertigung der Schuldurkunde ist zwischen den Parteien streitig. Eine Zahlung erfolgte nicht.
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Mit Anerkenntnisurteil vom 02.03.2016 (Anlage K 3) verurteilte das Landgericht Hamburg den hiesigen Kläger zur Zahlung von € 10.000,-. In der zugrundeliegenden Klageschrift (Anlage K4) wurde die Forderung auf die Schuldurkunde vom 02.05.2014 gestützt. Eine weitere Begründung, insbesondere zum Hintergrund der Unterzeichnung der Schuldurkunde enthält die Klageschrift nicht. Auch auf das Anerkenntnisurteil hin zahlte der Kläger nicht.
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Inzwischen wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet (Az.: ...). Die Beklagte hat hierzu ihre Forderung über € 10.000,- mit der laufenden Nummer 6 zur Insolvenztabelle angemeldet mit dem Antrag, dass diese als ausgenommene Forderungen gemäß § 302 Nr. 1 InsO einzuordnen sei (Anlage K1), weil es sich um eine Forderung aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung, namentlich einer Unterschlagung, handele.
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Der Kläger bestreitet, das Geld abredewidrig unterschlagen zu haben. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Schenkung hat er im Laufe des Verfahrens verschiedene Angaben gemacht. In der Klageschrift und in seiner mündlichen Anhörung in der ersten mündlichen Verhandlung hat er eine Schenkung im Jahr 2012 behauptet. Im Rahmen der 2. mündlichen Verhandlung im Anschluss an die Anhörung der Beklagten hat er mit dieser übereinstimmend erklärt, dass die Schenkung am Geburtstag der Beklagten am ...10.2013 erfolgte (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2019, Seite 3). Des Weiteren behauptet er folgenden Sachverhalt:
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Die Parteien hätten den Betrag von € 10.000,- noch als Eheleute von den Schwiegereltern des Klägers geschenkt bekommen. Ein Teil dieser Summe sei für einen gemeinsamen Urlaub, ein anderer für die Lebenshaltungskosten im Februar 2013 verbraucht worden. Ein Restbetrag von € 7.000,- sei zunächst in einem Umschlag im Safe der Familie verblieben. Von diesem Geld hätte er im gegenseitigen Einverständnis mit der Beklagten weitere insgesamt € 6.500,- in kleineren Beträgen für den laufenden Lebensunterhalt entnommen.
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Ende 2013 hätten sie weitere € 50.000,- von den Eltern der Beklagten erhalten. Mit diesem Geld habe man den Umschlag im Safe um € 6.500,- wieder auf insgesamt € 7.000,- aufgefüllt. Zudem wurden weitere € 3.500,- zum Ausgleich eines Girokontos genutzt.
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Nach der Trennung im Jahre 2014 hätten sich die Eheleute dann darauf verständigt, dass der Kläger der Beklagten € 10.000,- schulde, weswegen die Schuldurkunde verfasst wurde. Hierbei hätte es sich um eine typische güterrechtliche Auseinandersetzung im Rahmen des Scheidungsverfahrens gehandelt. Keinesfalls sei eine Unterschlagung Grund für die Unterzeichnung gewesen.
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Der Kläger beantragt,
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es wird festgestellt, dass die Forderung aus dem Insolvenzverfahren, Aktenzeichen: ..., zur laufenden Nr. 6 nicht aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, stammt und es sich somit nicht um eine ausgenommene Forderung gemäß § 302 Nr. 1 InsO handelt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, dass es sich bei der Schenkung um ein Geburtstagsgeschenk ihrer Eltern für sie allein anlässlich ihres Geburtstags am ...10.2013 gehandelt habe. Noch im Oktober 2013 habe sie dem Kläger den Umschlag mit dem Geld übergeben mit dem Auftrag, das Geld auf das Konto der Beklagten bei der A.- und Ä. Bank einzuzahlen, da sich die Bank in der Nähe der Arbeitsstelle des Klägers in der H. Str. befand. Von der prekären finanziellen Situation des Klägers habe sie zum damaligen Zeitpunkt noch nichts geahnt. Die Motivation des Klägers für die Abfassung sei Schuldurkunde sei gewesen, dass er ein Strafverfahren wegen Unterschlagung vermeiden wollte.
- 16
Die Kammer hat in den mündlichen Verhandlung vom 22.07.2019 und 09.09.2017 die Parteien gemäß § 141 ZPO persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H.. Auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der begehrte Feststellungsanspruch des Klägers besteht nicht. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 I ZPO kommt das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung zu der Überzeugung, dass die Behauptung der Beklagten zur Unterschlagung der € 10.000,- durch den Kläger wahr ist.
I.
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Für die vorliegende sog. negative Feststellungklage gilt hinsichtlich der Beweislast, dass der Kläger darlegen und beweisen muss, dass sich die Beklagte ihm gegenüber des im Antrags näher bezeichneten Rechtes berühmt. Unstreitig ist dies der Fall. Die Beklagte macht hinsichtlich der zu Ziffer 6 der Insolvenztabelle angemeldeten Forderung geltend, dass die unstreitig bestehende Forderung über € 10.000,- aus einer - was streitig ist - vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Klägers, namentlich einer Unterschlagung stammt.
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Die Beklagte hingegen ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass das behauptete Recht aus der unerlaubten Handlung tatsächlich besteht. Die Beklagte hat dargelegt, dass es sich bei der Schenkung um ein Geburtstagsgeschenk ihrer Eltern für sie allein anlässlich ihres Geburtstags am ...10.2013 gehandelt habe. Noch im Oktober 2013 habe sie dem Kläger den Umschlag mit dem Geld übergeben mit dem Auftrag, das Geld auf das Konto der Beklagten bei der A.- und Ä. Bank einzuzahlen, da sich die Bank in der Nähe der Arbeitsstelle des Klägers in der H. Str. befand. Von der prekären finanziellen Situation des Klägers habe sie zum damaligen Zeitpunkt noch nichts geahnt. Der Kläger hat diese Darstellung der Beklagten seinerseits substantiiert bestritten, indem er den im Tatbestand dargestellten Geschehensablauf vorgetragen hat.
1.
- 20
Die Beklagte hat die € 10.000,- von ihren Eltern anlässlich ihres Geburtstags am ...10.2013 geschenkt bekommen. Das steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Zeuge H. hat den dahingehenden Vortrag der Beklagten bestätigt. Seine Aussage ist glaubhaft. Er hat geschildert, dass er seiner Tochter, der Beklagten, zu ihrem Geburtstag am ...10.2013 das Geld in einem Umschlag persönlich übergeben hatte. Der Zeuge konnte sich noch gut an die Schenkung und die Übergabe des Umschlages erinnern, weil es sich aufgrund der Höhe des verschenkten Betrages um ein besonderes Geburtstagsgeschenk gehandelt habe. Der Zeuge ist auch persönlich glaubwürdig. Zwar steht er als Vater der Beklagten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu dieser, doch ergeben sich allein daraus in Ermangelung anderer Anhaltspunkte noch keine durchgreifenden Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussage.
- 21
Da nach dem Vorstehenden feststeht, dass es sich bei der Schenkung um ein Geburtstagsgeschenk für die Beklagte gehandelt hat, ist die Behauptung des Klägers, das Geld sei beiden Ehepartnern geschenkt worden, widerlegt. Im Übrigen wäre eine Unterschlagung durch den Kläger auch dann möglich, wenn es sich um eine Schenkung an beide Ehepartner gehandelt hätte. Denn um eine fremde Sache handelt es sich Rahmen von Eigentumsdelikten immer schon dann, wenn noch zumindest ein anderer als der Täter Eigentum an der Sache hat.
2.
- 22
Für ihre Behauptung, dass die Beklagte dem Kläger den Umschlag mit der Bitte übergeben habe, diesen auf dem Weg zur Arbeit bei ihrer Bank einzuzahlen, hat die Beklagte kein Beweismittel, da es sich um eine Situation handelt, in der sie mit dem Kläger alleine war. Stehen sich wie hier zwei Parteibehauptungen gänzlich beweislos gegenüber, ist § 448 ZPO unanwendbar (BeckOK ZPO/Bechteler ZPO § 448 Rn. 8). In dieser Situation ist es dem Gericht grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Der Tatrichter kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben einer Partei auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht - auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt - beweisen kann (BGH NJW-RR 2018, 249).
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Nach Anhörung beider Parteien nach § 141 ZPO steht für das Gericht die Wahrhaftigkeit der Behauptung der Beklagten, dass der Kläger das ihm übergebene Geld abredewidrig nicht zur Bank gebracht, sondern für sich vereinnahmt hat, mit einem Grad an Gewissheit fest, der Zweifeln Einheit gebietet, ohne diese gänzlich auszuschließen.
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Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Anhörung glaubhafte Angaben zu der Übergabe des Geldes und dem Auftrag an den Kläger, dieses zur Bank zu bringen gemacht. Sie hat ihre Erinnerungen dabei detailreich und emotional gefärbt geschildert, so dass für das Gericht der Eindruck entstanden ist, dass es sich um tatsächlich Erlebtes gehandelt hat. Dabei ist gleichwohl offensichtlich gewesen, dass die Gesamtumstände für sie - insbesondere der für sie aus heiterem Himmel kommende Vertrauensverlust zum Kläger - extrem belastend waren. Dennoch ist sie äußerlich ruhig geblieben und hat einen offenen Blickkontakt zum Gericht gehalten. Nachfragen des Gerichts hat sie ruhig, spontan ohne Anzeichen von Unwohlsein beantwortet.
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Nach der persönlichen Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO und des dadurch gewonnen Eindrucks, hält das Gericht seine Angaben nicht für glaubhaft. Erste Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers sind bereits aufgrund seiner gewählten Formulierungen gerechtfertigt. Auffallend ist, dass er für die Beschreibung der streitentscheidenden Umstände der Schenkung und der angeblich mit der Beklagten abgesprochenen Verwendung des Geldes im Anschluss unpersönliche Formulierungen gewählt hat, die den Verdacht begründen, dass die Schilderungen nicht auf einem tatsächlichen Erleben beruht haben („Es gab einen Umschlag mit € 10.000,.“ ... „Der ist im Safe gelandet. Aus diesem Umschlag wurde immer wieder Geld entnommen.“ ... „Als der erste Umschlag verbraucht war, hat man sich entschieden, diesen wieder aufzufüllen.“). Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2019 Bezug genommen. Insgesamt ist die Schilderung des Klägers detailarm gewesen.
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Letzten Zweifeln, welche der Parteien nun die Wahrheit berichtet hat, ist jedoch vor allem deshalb Einhalt geboten, weil der Kläger bei der Anhörung der Beklagten in der mündlichen Anhörung vom 09.09.2013, offenbar die Chronologie seiner Geschichte nicht mehr parat hatte. Im Rahmen der Glaubhaftigkeitsanalyse gilt es als Wahrheitsanzeichen, wenn die Aussageperson in der Chronologie springen kann, ohne dass die zeitliche Einordnung dadurch inkorrekt wird. Bei der Anhörung der Beklagten in der 2. mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Parteien beide gebeten, den genauen zeitlichen Zusammenhang klarzustellen. Daraufhin haben sie übereinstimmend erklärt, dass die Schenkung am ...10.2013 stattgefunden habe und der Kläger am 14.11.2013 in das Krankenhaus gekommen sei. Damit hat sich der Kläger in Widerspruch zu seinem schriftsätzlichen Vortrag zu einer Schenkung 2012 und dem Verbrauch des Geldes Anfang 2013 gesetzt. Erst nach dieser Erklärung der Parteien hat das Gericht den Zeugen H. vernommen. Auch dieser hat als Zeitpunkt der Schenkung den Oktober 2013 angegeben. Eine klarstellende Stellungnahme des Klägers zum Zeitablauf ist nicht erfolgt.
II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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