Beschluss vom Landgericht Hamburg (20. Große Strafkammer) - 620 Qs 1/20

Tenor

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 27. März 2020 wird verworfen.

Der Beschuldigte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg führt gegen den Beschuldigten Ermittlungen wegen des Verdachts, als Geschäftsführer der … GmbH durch die Abgabe unrichtiger Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2014 bis 2016 gegenüber dem Finanzamt Hamburg-Nord über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch zu Gunsten der … Steuern in noch festzustellender Höhe verkürzt sowie durch eine noch zu ermittelnde Anzahl weiterer Straftaten vorsätzlich einem anderen zu dessen rechtswidrig begangener Steuerhinterziehung Hilfe geleistet zu haben und sich deshalb gemäß §§ 370 AO, 27, 53 StGB strafbar gemacht zu haben.

2

Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens kam es am 20. Februar 2020 auf der Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Februar 2020 zu einer Durchsuchung der Geschäftsräume der … im Rahmen derer Bargeld in Höhe von insgesamt 18.870,— € von den Ermittlungsbeamten beschlagnahmt wurde. Auf den mit Verteidigerschreiben vom 4. März 2020 „namens und im Auftrag des Beschuldigten“ gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27. März 2020 die Beschlagnahme der aufgefundenen und beschlagnahmten Barmittel in Gesamthöhe von 18.870,— € richterlich bestätigt. Mit weiterem Schreiben vom 3. April 2020 hat die Verteidigerin des Beschuldigten namens und im Auftrag des Beschuldigten Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt sowie beantragt, die beschlagnahmten Geldscheine bzw. den Geldwert „an den letzten Gewahrsamsinhaber, nämlich die … herauszugeben bzw. auszuzahlen.

3

Die Staatsanwaltschaft hatte rechtliches Gehör.

4

Das Amtsgericht Hamburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

5

Die Beschwerde ist bereits unzulässig (hierzu 1.); im Übrigen müsste der Beschwerde auch in der Sache der Erfolg versagt bleiben (hierzu 2.).

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1. Die ausdrücklich namens und im Auftrag des Beschuldigten … eingelegte Beschwerde ist bereits unzulässig, da es dem Beschuldigten an der Beschwerdebefugnis fehlt.

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Beschwerdeberechtigt im Sinne von § 304 StPO sind zwar grundsätzlich die Verfahrensbeteiligte; andere Personen nur, sofern sie von Beschlüssen oder Verfügungen betroffen sind (§ 304 Abs. 2 StPO). Etwaige Verfahrensrechte erwachsen einem Dritten im Rahmen von Beschlagnahmen insbesondere dann, wenn eine Sache beschlagnahmt wird, die nicht dem Beschuldigten, sondern dem Dritten gehört. Der Beschuldigte als solcher aber kann sich gegen Ermittlungshandlungen, die lediglich Rechte Dritter berühren, nicht wenden.

8

Ebenso wie es dem Beschuldigten bereits für den lediglich „namens und im Auftrag des Beschuldigten“ gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO an der erforderlichen Antragsbefugnis gefehlt hat, so fehlt es ihm nunmehr an der erforderlichen Beschwerdebefugnis, da er weder unmittelbar noch (erkennbar) mittelbar als natürliche Person in eigenen Rechten betroffen war. Es ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass das beschlagnahmte Bargeld aus seinem eigenen Gewahrsam heraus beschlagnahmt wurde. Vielmehr wird sowohl in dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung als auch in der Beschwerde die Herausgabe bzw. Auszahlung der Geldscheine „an den letzten Gewahrsamsinhaber, nämlich die… gefordert. Etwaige Eigentumsrechte an den beschlagnahmten Geldscheinen macht der Beschuldigte ebenfalls nicht geltend. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal der bei der Durchsuchung am 20. Februar 2020 anwesende … mitgeteilt hat, es handele sich um „Geld der Firma“.

9

Zur Geltendmachung der Rechte der von ihm als alleinigem Gesellschafter vertretenen … hätte es sowohl eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung als auch einer Beschwerde im Namen der von der Maßnahme betroffenen Gesellschaft bedurft.

10

2. Der Beschwerde müsste im Übrigen auch in der Sache der Erfolg versagt bleiben.

11

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, welche die Kammer sich nach eigener Sachprüfung zu Eigen macht, hat das Amtsgericht die Beschlagnahme der Barmittel angeordnet.

12

a. Gegen den Beschuldigten besteht der erforderliche Tatverdacht, gegen dessen Vorliegen auch das Beschwerdevorbringen nichts erinnert.

13

Der Beschuldigte ist namentlich der Steuerhinterziehung sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einer Mehrzahl von Fällen verdächtig. Der Beschuldigte hat nach vorläufiger Würdigung der aktenkundigen Beweismittel, insbesondere der vorliegenden Steuererklärungen und -bescheide sowie der Ausgangsrechnungen und Lieferscheine der … als deren Geschäftsführer wahrscheinlich Warenlieferungen an im Einzelnen noch zu ermittelnde Kunden der Gesellschaft in einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil gesplittet und nur über den offiziellen Teil eine zutreffende Rechnung gestellt und sodann lediglich die gemäß den offiziellen Rechnungen erzielten Einnahmen der Jahre 2014 bis 2016 gegenüber dem Finanzamt erklärt und dadurch zum einen bewirkt, dass zu Gunsten der Gesellschaft jeweils unzutreffend niedrige Festsetzungen von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer erfolgten, und zum anderen den Kunden die Möglichkeit eröffnet, nur einen Teil der Warenlieferungen und in der Folge nur Teile der erzielten Erlöse buchhalterisch zu erfassen, was die Kunden in die Lage versetzte, dem Finanzamt gegenüber unrichtige und unvollständige Angaben zu machen und dadurch Steuern in noch zu ermittelnder Höhe zu verkürzen.

14

b. Die weiteren Voraussetzungen der Beschlagnahme von Beweisgegenständen liegen hier in Bezug auf das Bargeld in Höhe von insgesamt 18.870,— € vor.

15

Gemäß § 94 Abs. 1, Abs. 2 StPO sind Gegenstände zu beschlagnahmen, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können und die vom Gewahrsamsinhaber nicht freiwillig herausgegeben werden.

16

Die von dem Beschuldigten mit seiner Beschwerde angezweifelte Beweiseignung des beschlagnahmten Bargeldes ist vorliegend gegeben. Hierzu genügt die Möglichkeit, dass es als Untersuchungsgegenstand verendet werden kann; für welche Beweisführung es im Einzelnen in Betracht kommt, braucht noch nicht festzustehen (Gerhold, in: BeckOK StPO, Stand 1.1.2020, § 94 Rn. 11).

17

Zu Recht führt das Amtsgericht aus, dass das beschlagnahmte Bargeld voraussichtlich nicht aus den bislang lediglich vorgeworfenen Taten aus dem Zeitraum bis zum 2. Dezember 2017 stammen dürfte, sich aber dennoch die potentielle Beweisbedeutung hier etwa bereits aus der Existenz von größeren Barmitteln und auch der Auffindesituation, insbesondere dem Ort und der Art der Aufbewahrung, ergibt. Die Art der Aufbewahrung wird möglicherweise durch eine Inaugenscheinnahme der beschlagnahmten Gegenstände zur Rekonstruktion der Aufbewahrungssituation zum Gegenstand einer späteren Beweisaufnahme. Das Bargeld ist vorliegend dem Durchsuchungsvermerk der Steuerfahnderin … zufolge in der Schublade eines unverschlossenen Schubladencontainers in vier jeweils mit Gummiband zusammengehaltenen Geldbündeln aufgefunden worden, wobei auf dem obersten Geldschein jeweils die Summe des Geldbündels (1.970,— €, 6.940,— €, 4.400,— € und 5.560,— €) notiert war. Die Höhe der einzelnen zu Bündeln zusammengefassten Bargeldbeträge in Zusammenschau mit dem Auffindeort sowie dem Verhalten und den Angaben des … und gegebenenfalls auch die - soweit ersichtlich nicht dokumentierte - Stückelung der Geldscheine können durchaus Rückschlüsse für die bei der … praktizierte Vereinnahmung von Geldern sowie zu der Einkommens- und Umsatzsituation der GmbH erlauben, zumal etwa ein Abgleich der Bargeldbeträge mit der aktuellen offiziellen Buchhaltung erfolgen könnte, in die wahrscheinlich weiterhin gesplittete Rechnungen Eingang gefunden haben dürften (vgl. die die Jahre 2019 und 2020 betreffenden Auswertungen (BI. 3f. d.A.) sowie Rechnungen und Lieferscheinen BI. 41 ff. d.A.), was im Falle von Divergenzen durchaus indizielle Rückschlüsse auf vorherliegende Zeiträume erlauben könnte.

18

Ob es tatsächlich - wie von dem Beschuldigten vorgetragen wird - „branchenüblich“ ist, den Großteil der Rechnungsbeträge unmittelbar bei der Lieferung in bar zu vereinnahmen und es aufgrund dessen „branchenüblich“ ist, hohe Bargeldbeträge in den Geschäftsräumen aufzubewahren, lässt sich nicht ohne Weiteres nachvollziehen und wird gegebenenfalls im Rahmen des weiteren Verfahrens zu ermitteln und zu berücksichtigen sein.

19

Die Maßnahme ist mit Blick auf das Gewicht der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten und den Grad des gegen ihn bestehenden Tatverdachts auch verhältnismäßig.

III.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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