Urteil vom Landgericht Hamburg (11. Zivilkammer) - 311 S 78/19
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 15.10.2019, Az. 43b C 127/19, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten werden für das Berufungsverfahren nicht erhoben. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Amtsgericht Hamburg vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Von der Fertigung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
- 2
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO) hat in der Sache zunächst nur vorläufig Erfolg.
- 3
Wird ein Urteil gem. § 310 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO in einem anzuberaumenden Termin verkündet, ist dies nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO in einem Protokoll festzustellen, welches von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben ist (§ 163 Abs. 1 ZPO). Die Beachtung der für die Verkündung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann gem. § 165 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden. Ohne ein entsprechendes Verkündungsprotokoll liegt kein Urteil, sondern lediglich ein unverbindlicher Urteilsentwurf vor (vgl. OLG München, Urt. v. 21.01.2011 – 10 U 3446/10 –, Rn. 14, juris; OLG Zweibrücken Urt. v. 25.3.1992 – 2 UF 112/91, BeckRS 2011, 3574, beck-online m. w. N.; Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 310 ZPO, Rn. 7 m. w. N.; Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 311 Rn. 7, beck-online).
- 4
Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht Hamburg kein die Instanz abschließendes Urteil erlassen (sog. Scheinurteil). Denn in der Akte findet sich kein unterschriebenes Verkündungsprotokoll für das Urteil vom 15.10.2019 und der auf dem Urteil angebrachte Verkündungsvermerk genügt nicht für den Nachweis der Verkündung (OLG Zweibrücken, a. a. O.). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Zustellung des Urteils für die Parteien erkennbar an Stelle der Verkündung durchgeführt worden wäre, was zu einer fehlerhaften, aber jedenfalls existenten Entscheidung führen würde. Vielmehr spricht der Verkündungsvermerk auf dem Urteil dafür, dass das Urteil irrtümlich in der Annahme, es sei bereits verkündet worden, zugestellt wurde (vgl. OLG München Urt. v. 15.4.2011 – 10 U 5655/10, BeckRS 2011, 10021, beck-online).
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Die fehlende Protokollierung der Verkündung könnte vorliegend auch nicht mehr nachgeholt werden. Denn äußerste Grenze für die Erstellung eines beweiskräftigen Protokolls ist die 5-Monatsfrist des § 517 ZPO (BGH, Beschluss v. 21.04.2015 – VI ZR 132/13 –, Rn. 14, juris).
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Als Folge der Nichtverkündung war die Kammer gehalten, die Nichtexistenz des erstinstanzlichen Teilurteils durch Aufhebung der den Parteien zugestellten Entscheidung klarzustellen und die Sache zwecks Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss v. 03.11.1994 – LwZB 5/94 –, Rn. 5, juris; OLG München Urt. v. 15.4.2011 – 10 U 5655/10, BeckRS 2011, 10021, beck-online).
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Die Kammer weist aber darauf hin, dass die Berufung Erfolg gehabt hätte. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer ist nicht per se der untere Drittelwert bei der hier streitgegenständlichen Lage anzusetzen. Vielmehr ist eine Einzelfallabwägung sämtlicher Umstände vorzunehmen, wobei aus Sicht der Kammer bei der hier in Rede stehenden I.str. im Grundsatz von einer leicht überdurchschnittlichen Wohnlage auszugehen ist. Die Kammer weist weiter darauf hin, dass sich die Zuständigkeit für Verfahren betreffend die Zustimmung zu Mieterhöhungsverlangen nach Straßennamen richtet und damit die Zivilkammer 11 auch in Zukunft über Mieterhöhungsverlangen betreffend die I.str. zu entscheiden haben wird.
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Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren waren gem. § 21 GKG niederzuschlagen, da diese Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Im Übrigen war die Kostenentscheidung dem Amtsgericht vorzubehalten, weil der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann.
- 9
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
- 10
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- ZPO § 165 Beweiskraft des Protokolls 1x
- 10 U 5655/10 2x (nicht zugeordnet)
- 43b C 127/19 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 520 Berufungsbegründung 1x
- ZPO § 160 Inhalt des Protokolls 1x
- VI ZR 132/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 21 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 UF 112/91 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 310 Termin der Urteilsverkündung 2x
- 10 U 3446/10 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen 1x
- ZPO § 517 Berufungsfrist 2x
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- ZPO § 163 Unterschreiben des Protokolls 1x