Beschluss vom Landgericht Hamburg (18. Große Strafkammer) - 618 Qs 10/20

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen in H. vom 17.06.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 15.06.2020 (165 Gs 222/19) aufgehoben.

2. Gegen den Beschuldigten L. R., A. R. ... ,... H. wird in Höhe von 218.000,- € ein weiterer Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen angeordnet.

3. Durch Hinterlegung von 218.000,- € kann die Vollziehung des Arrestes abgewendet und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangt werden.

4. Zur Vollstreckung dieses Arrestes sind der Gerichtsvollzieher, die Staatsanwaltschaft und deren Hilfsbeamte befugt, die Wohn- (R. ... ,... H.), Geschäfts- und Nebenräume sowie sonstigen Betriebsräume des Beschuldigten (W. S., A. M. ... ,... H.), die ihm gehörenden Sachen, seine Person, die von ihm genutzten oder zugänglichen Schließfächer und seine Kraftfahrzeuge zu durchsuchen.

5. Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist der Entscheidung über die Verfahrenskosten im Hauptverfahren vorbehalten.

Gründe

I.

1

Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen H. ermittelt gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, § 370 Abgabenordnung (AO). Ihm wird vorgeworfen, in der Zeit vom 30.05.2017 bis 11.11.2019 durch 17 Straftaten den Finanzbehörden unrichtige beziehungsweise unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht zu haben, indem er in den für die Kalenderjahre 2015 - 2017 beim Finanzamt H.- H. eingereichten Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen die Betriebsausgaben aus Scheinrechnungen diverser Subunternehmerfirmen zu hoch erklärte sowie in den für die Kalenderjahre 2015 bis 2018 sowie die Voranmeldezeiträume Januar bis April 2019 und Juli bis September 2019 beim Finanzamt H.- H. eingereichten Umsatzsteuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen Vorsteuern aus Scheinrechnungen diverser Subunternehmerfirmen zu hoch erklärte, bzw. im Jahr 2018 auf seinem privaten Bankkonto vereinnahmte Betriebseinnahmen nicht erklärte, sodass die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer zu niedrig festgesetzt wurde (Fälle 1-13 und 15-17), bzw. die Umsatzsteuer zu niedrig festgesetzt worden wäre (Fall14).

2

Hierbei habe der Beschuldigte Rechnungen der „B. B. GmbH“, der „C. B. S. GmbH“ sowie der „S. S. und D. GmbH“ als Betriebsausgaben im Rahmen der Buchführung seines Einzelunternehmens „W. S.“ berücksichtigt und zudem daraus Vorsteuern geltend gemacht, obwohl diese - wie er gewusst habe - sog. „Servicegesellschaften“ seien, die keinerlei Geschäftstätigkeit ausübten und lediglich Scheinrechnungen ausgestellt hätten. Zudem habe er die mit seinem Einzelunternehmen erzielten Umsätze für das Jahr 2018 nicht in der tatsächlichen Höhe, sondern zu niedrig in den Umsatzsteuervoranmeldungen angegeben.

3

Mit Beschluss vom 02.05.2019 ordnete das Landgericht Hamburg auf die Beschwerde des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen in H. die Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 08.03.2019 sowie vom 02.04.2019 (165 Gs 222/19) an und ordnete gegen den Beschuldigten L. R. den Vermögensarrest in sein Vermögen in Höhe von 140.500,- € an. Dieser Vermögensarrest wurde bis zum 26.09.2019 in voller Höhe besichert, u.a. durch Arrestierung von Konten sowie Ratenzahlungen des Beschuldigten.

4

Auf Grund weiterer Ermittlungen geht die Bußgeld- und Strafsachenstelle in ihrem Vermerk vom 08.05.2020 davon aus, dass der Beschuldigte R. weitere Rechnungen der Servicegesellschaften B. B. GmbH, C. B. S. GmbH, S. S. und D. GmbH, C1 GmbH, C1 D. GmbH, F. –F. G. S.s GmbH, T. M. GmbH, T. 2. S. GmbH, S. D. & L. GmbH, S. I. GmbH, D. M. GmbH, B. S.s UG, P. UG, A. T. GmbH, C. S. & S. GmbH und B. B. C. & C. GmbH, welche nach Akten- und Beweislage Scheinfirmen sein sollen oder Scheinrechnungen gestellt haben sollen, in die Buchführung seines Einzelunternehmens, der W.. S. W.- und S. (kurz: W.), einfließen ließ, um die steuerliche Zahllast gegenüber dem zuständigen Finanzamt H.- H. durch die aus diesen Rechnungen zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge zu mindern.

5

Im Einzelnen handelt es sich mittlerweile um folgende Beträge:

6

Fall   

Steuerart

Zeitraum

Abgabe

Bescheid

Umsätze/

Betriebsausgaben

Vorsteuern

Verkürzungsbetrag

Einkünfte

1       

ESt     

2015   

30.05.2017

19.07.2017

        

74.743,90 €

        

19.734,00 €

2       

GewSt 

2015   

30.05.2017

19.07.2017

        

74.743,90 €

        

12.290,50 €

3       

USt     

2015   

30.05.2017

                          

11.933,90 €

11.933,90 €

4       

ESt     

2016   

29.08.2017

22.11.2017

        

136.956,80 €

        

38.066,00 €

5       

GewSt 

2016   

29.08.2017

22.11.2017

        

136.956,80 €

        

21.793,90 €

6       

USt     

2016   

29.08.2017

                          

21.867,05 €

21.867,05 €

7       

ESt     

2017   

08.07.2019

09.08.2019

                          

noch zu ermitteln

8       

GewSt 

2017   

08.07.2019

09.08.2019

                          

noch zu ermitteln

9       

USt     

2017   

08.07.2019

                          

77.170,88 €

77.170,88 €

10    

USt     

2018   

11.07.2019

        

160.406,00 €

        

117.900,62 €

148.377,78 €

11    

USt     

Jan 19

11.03.2019

                          

7.568,91 €

7.568,91 €

12    

USt     

Feb 19

10.04.2019

                          

10.094,70

10.094,70 €

13    

USt     

Mrz 19

13.05.2019

                          

11.347,18 €

11.347,18 €

14    

USt     

Apr 19

06.08.2019

Versuch

                 

9.329,19 €

9.329,19 €

15    

USt     

Jul 19

06.08.2019

                          

3.838,90 €

3.838,90 €

16    

USt     

Aug 19

11.10.2019

                          

3.901,08 €

3.901,08 €

17    

USt     

Sep 19

11.11.2019

                          

3.752,12 €

3.752,12 €

7

Am 14.05.2020 beantragte das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen H. die Anordnung eines weiteren Arrestes in Höhe von 218.000 € nach §§ 111e, 111j Strafprozessordnung (StPO).

8

Bei der Berechnung des zu arrestierenden Betrags summierte das Finanzamt die dargestellten Verkürzungsbeträge, wobei es die Beträge, die bereits die Grundlage für den ersten Arrestbeschluss des Landgerichts vom 02.05.2019 bildeten, nicht mit einberechnete. Außerdem berücksichtigte das Finanzamt bei seiner Berechnung, dass bereits 27.429,44 € auf die Umsatzsteuer 2018 gezahlt worden waren und nahm einen „Sicherheitsabschlag“ von 10 % vor. Den dann verbleibenden Betrag rundete es auf 218.000 € ab:

9

Fall   

Steuerart

Zeitraum

Verkürzungsbetrag

Abschlag 10 %

bereits vollzogen

aus der Tat Erlangtes

9 USt     

2017   

77.170,88 €

7.717,09 €

69.453,79 €

10    

USt     

2018   

148.377,78 €

14.837,78 €

27.429,44 €

106.110,56 €

11    

USt     

Jan 19

7.568,91 €

756,89 €

        

6.812,02 €

12    

USt     

Feb 19

10.094,70 €

1.009,47 €

        

9.085,23 €

13    

USt     

Mrz 19

11.347,18 €

1.134,72 €

        

10.212,46 €

14    

USt     

Apr 19

6.955,40 €

695,54 €

        

6.259,86 €

15    

USt     

Jul 19

3.838,90 €

383,89 €

        

3.455,01 €

16    

USt     

Aug 19

3.901,08 €

390,11 €

        

3.510,97 €

17    

USt     

Sep 19

3.752,12 €

375,21 €

        

3.376,91 €

                                            

insgesamt

218.276,82 €

                                            

abgerundet

218.000,00 €

10

Der Antrag des Finanzamts wurde mit Beschluss vom 15.06.2020 vom Amtsgericht zurückgewiesen. Hierzu führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, dass der zweite beantragte Arrest unverhältnismäßig sei, weil die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Beschuldigten in besonderer einschneidender Weise eingeschränkt bzw. gänzlich aufgehoben würde. Auch fehle es an dem erforderlichen Sicherungsbedürfnis.

11

Mit Schriftsatz vom 17.06.2020 hat das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen H. Beschwerde erhoben, welcher das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Das Finanzamt macht im Wesentlichen geltend, dass der Beschuldigte erhebliche Beträge auf Dritte verschoben habe, insbesondere habe er seiner Ehefrau seinen hälftigen Anteil an einem Grundstück übertragen und habe auch noch nach Offenlegung des Strafverfahrens weiter Scheinrechnungen dem Finanzamt gegenüber genutzt.

12

Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen H. stellte mit Schriftsatz vom 02.07.2020 klar, dass sich die Beschwerde auch gegen die unterlassene Anordnung der Durchsuchungen richte. Außerdem korrigierte es auf Bitte des Gerichts Rechen- und Übertragungsfehler, so dass sich nunmehr folgende aus der Tat erlangte Beträge ergeben:

13

Fall   

Steuerart

Zeitraum

Verkürzungsbetrag

Abschlag 10 %

        

aus der Tat Erlangtes

9     USt      2017   

77.170,88 €

7.717,09 €

69.453,79 €

10    

USt     

2018   

117.900,62 €

11.790,06 €

        

106.110,56 €

11    

USt     

Jan 19

7.568,91 €

756,89 €

        

6.812,02 €

12    

USt     

Feb 19

10.094,70 €

1.009,47 €

        

9.085,23 €

13    

USt     

Mrz 19

11.347,18 €

1.134,72 €

        

10.212,46 €

14    

USt     

Apr 19

9.329,19 €

932,92 €

        

8.396,27 €

15    

USt     

Jul 19

3.383,90 €

338,39 €

        

3.045,51 €

16    

USt     

Aug 19

3.901,08 €

390,11 €

        

3.510,97 €

17    

USt     

Sep 19

3.752,12 €

375,21 €

        

3.376,91 €

                                            

insgesamt

220.003,32 €

                                            

abgerundet

220.000,00 €

                                            

Anpassung an den ursprünglichen Betrag

218.000 €

II.

14

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

15

Das Finanzamt hat mit Vermerk vom 02.07.2020 klargestellt, dass sich die Beschwerde auch gegen die Ablehnung der beantragten Durchsuchungen richte.

16

Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Anordnung des Vermögensarrestes zur Sicherung der Wertersatzeinziehung nach § 111e StPO und die Anordnungen der Durchsuchungen zur Vollstreckung des Arrestes gem. § 111e Abs. 5 StPO abgelehnt.

1.

17

Grundsätzlich kommt vorliegend aufgrund des bestehenden Tatverdachts eine Anordnung nach § 111e StPO i.V.m. § 73c Strafgesetzbuch (StGB) zur Sicherung der Steuerforderungen in Betracht, denn es besteht der hinreichende Verdacht gegen den Beschuldigten als Steuerschuldner, aus einer Steuerhinterziehung in dem beantragten Umfang hinterzogene Steuern erlangt zu haben. Die Einziehung der durch oder für die Tat erlangten Vermögenswerte ist aufgrund der Vermischung nicht möglich, da sie nicht mehr individuell vorhanden sind. Gemäß § 73c StGB ist daher die Einziehung eines Geldbetrages anzuordnen, der dem vorhandenen Wert des Erlangten entspricht.

a)

18

Das Finanzamt hat hinreichend dargelegt, dass der Beschuldigte aufgrund der mutmaßlichen Steuerhinterziehung Steuerzahlungen erspart hat. So sind zu den o.g. Unternehmen jeweils umfangreiche Ermittlungsergebnisse niedergelegt, nach denen es sich sehr wahrscheinlich um sog. „Servicegesellschaften“ handelt, die keinerlei Geschäftstätigkeit ausübten und nach denen es sich bei den gegenüber dem Beschuldigten ausgestellten Rechnungen ebenfalls um „Scheinrechnungen“ handelte, denen keine tatsächliche Leistungserbringung zugrunde lag.

19

Die der Berechnung des Finanzamtes zugrundeliegenden Beträge (USt 2017, USt 2018, USt-VA für Januar bis April und Juli bis September 2019) lassen sich anhand der am 02.07.2020 nachgereichten Unterlagen nachvollziehen.

20

Die Umsatzsteuerhinterziehung für den Voranmeldungszeitraum April 2019 (Fall 14) wurde bislang noch nicht vollendet. Da die Steuern jedoch bislang noch nicht gezahlt wurden, sind dem Beschuldigten Vorteile aus der Tat (hier eine Ersparnis der zu zahlenden Steuern) bereits zugeflossen (OLG Schleswig, Beschl. v. 08.01.2002 – 1 Ws 407/01, OLG Celle, Beschl. v. 14.06.2019, 2 Ss 52/19).

21

Die Vornahme eines „Sicherheitsabschlags“ bei der Berechnung der verkürzten Steuer in Höhe von 10 % erscheint aus Sicht der Kammer nicht erforderlich. Da die Anordnung des Vermögensarrestes vor Erhebung der öffentlichen Klage jedoch eines Antrags bedarf, war der Umfang des Arrestes auf den beantragten Betrag begrenzt.

b)

22

Im Übrigen sind die Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrestes nach § 111e StPO erfüllt.

23

Vorliegend ist ein Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 111e Abs. 1 StPO gegeben. Die Kammer geht hierbei - an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhaltend - davon aus, dass anders als bei der bisherigen Regelung des § 111d StPO a.F. die Voraussetzungen des § 917 ZPO nicht mehr vorliegen müssen, sondern nunmehr eine bloß finale Verknüpfung des Vermögensarrests zur Sicherung der Vollstreckung ausreicht (Beschluss der Kammer vom 02.05.2019, 618 Qs 9/19, (juris) m.w.N.).

24

Im Rahmen der erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, also bei der Frage, ob der Vermögensarrest geeignet und erforderlich ist, kann an die Rechtsprechung zu § 111d StPO a.F. angeknüpft werden, die zu der Frage des bei § 111d StPO a.F. erforderlichen hinreichenden Arrestgrundes ergangen ist (Beschluss vom Kammer vom 02.05.2019, 618 Qs 9/19, (juris) m.w.N.).

25

Die Anordnung des Vermögensarrestes ist in dem vorliegenden Fall in diesem Sinne geeignet und erforderlich. Zwar ist umstritten, ob ein Arrest bereits dann erforderlich ist, wenn der Beschuldigte des Tatbestandes eines vermögensbezogenen Strafgesetzes, wie vorliegend einer Steuerhinterziehung, verdächtig ist oder ob allein dieser Umstand nicht ausreicht. Dieser Streit kann jedoch dahinstehen, da in dem vorliegenden Fall auch nach beiden Ansichten eine Sicherung der Vollstreckung erforderlich ist. Dies ergibt sich nicht allein aus dem Verdacht der Steuerhinterziehung, sondern aus den konkreten Umständen der Tatbegehung.

26

Denn es liegen konkrete Verhaltensweisen vor, mit denen der Beschuldigte ersichtlich Vorkehrungen zur Verschiebung von Vermögenswerten getroffen hat. Dabei ist es nicht erheblich, ob dies nach der Tatentdeckung oder davor geschehen ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 09.07.2019, 2 Ws 68/19 (juris) Rz. 5).

27

Nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte (weitere) Vermögenswerte in erheblichem Umfang verschleiern oder verstecken wird.

28

Der Beschuldigte ist nicht (nur) einer „einfachen Steuerhinterziehung“ verdächtig, sondern erbrachte eine erhebliche kriminelle Energie zur Bereicherung, indem er über einen längeren Zeitraum durch die systematische Nutzung von Scheinrechnungen unter Einbezug verschiedener „Servicegesellschaften“ und ggf. weiterer Personen Vorsteuern und Betriebsausgaben gegenüber der Finanzbehörde geltend machte, um sein Vermögen (im sechsstelligen Bereich) zu mehren. Zudem wurden mehrere Zahlungseingänge durch Verwendung des privaten Kontos des Beschuldigten verschleiert. Darüber hinaus ergibt sich aus der Akte, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit hohe Bargeldverfügungen (diverse Barzahlungen und Barentnahmen von dem betrieblichen Konto im fünfstelligen Bereich) vorgenommen hat, wodurch der Beschuldigte zu erkennen gab, über betroffenes Vermögen kurzfristig und in erheblichem Umfang zu verfügen.

29

Zwar weiß der Beschuldigte bereits seit 18.05.2019 von den Ermittlungen gegen ihn, auch wurde bereits im Mai 2019 ein Arrest gegen den Beschuldigten angeordnet und in voller Höhe besichert. Trotzdem hat der Beschuldigte auch anschließend weiter Scheinrechnungen, auch von zusätzlichen Gesellschaften, eingesetzt, um zu Unrecht Vorsteuern gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April bis September 2019 hat der Beschuldigte auch erst nach der Mitteilung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abgegeben.

30

Maßgeblich für die Verschiebung von Vermögenswerten spricht die Übertragung seines hälftigen Anteils an dem Grundstück A. M. ... am 27.01.2020 an seine Ehefrau. Dieses Grundstück hatten die Ehegatten 2017 für ca. 175.000 € erworben und sich als Miteigentümer ins Grundbuch eintragen lassen. Für eine Gefährdung spricht außerdem, dass der Beschuldigte mindestens drei Überweisungen an Familienangehörige insgesamt in Höhe von 26.000 € innerhalb eines Monats (vom 8.7.2019 bis 5.8.2019) getätigt hat und damit innerhalb des Zeitraums, in dem der erste Arrest noch vollzogen wurde.

31

Angesichts der vorliegenden dringenden Gründe für die Annahme einer späteren Wertersatzeinziehung und dem daraus folgenden intendierten Ermessen - gem. § 111e StPO „soll“ in diesem Fall der Vermögensarrest angeordnet werden - war ein Vermögensarrest zur Sicherung anzuordnen; Umstände für eine davon abweichende Entscheidung sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Anordnung des Vermögensarrestes verhältnismäßig.

32

Gegen diesen zweiten Arrest spricht nicht, dass bereits in 2019 ein Arrest in Höhe von 140.500 € angeordnet wurde, denn bei dem hier beantragten Betrag in Höhe von 218.000 € sind die Steuerbeträge, die bereits dem ersten Arrestantrag zu Grunde lagen, nicht mehr einbezogen worden. Der bereits gezahlte Betrag in Höhe von 27.429,44 € für die Umsatzsteuer 2018 wurde ebenfalls berücksichtigt, so dass eine Doppelberücksichtigung zu Lasten des Beschuldigten ausscheidet.

33

Es ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen, dass im selben Ermittlungsverfahren mehrere Arrestbeschlüsse gegen denselben Beschuldigten erlassen werden. Insbesondere muss ein weiterer Arrest möglich sein, wenn durch spätere Ermittlungen weitere Erkenntnisse über das höhere Taterlangte entstehen, wie es hier der Fall ist.

34

Der Verhältnismäßigkeit steht auch nicht entgegen, dass der zweite Arrestbetrag mehr als 200.000,- € beträgt und damit insgesamt ein Arrest in Höhe von 358.500 € angeordnet wird, denn aus den vorliegenden Akten ergibt sich in dieser Höhe ein dringender Tatverdacht der Steuerhinterziehung.

35

Die Annahme des Amtsgerichtes, bei einem zusätzlich zu vollstreckenden Arrestbetrag von 218.000,- € liege es nahe, dass die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Beschuldigten in besonders einschneidender Weise eingeschränkt bzw. aufgehoben würde, ist nicht zwingend. Der Kammer liegen keine Unterlagen vor, aus denen sich die aktuelle wirtschaftliche Situation des Beschuldigten entnehmen ließe. Insbesondere hat der Beschuldigte für die Jahre ab 2017 noch keine Einkommensteuererklärungen abgegeben und hat so dazu beigetragen, dass über seine wirtschaftlichen Verhältnisse wenig bekannt ist.

36

Es steht jedoch fest, dass der Beschuldigte Vermögen übertragen hat, auch wenn es der Kammer nicht bekannt ist, wieso der Beschuldigte seinen Anteil an dem Grundstück an seine Ehefrau übertragen hat oder warum er Überweisungen an S., H. und F. R. in Höhe von 26.000 € getätigt hat.

37

Aus Art. 14 GG ergibt sich nicht das Recht, eine Beteiligung an Steuerhinterziehungen dauerhaft fortzusetzen zu können. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Rechnungen der D. M. GmbH, die diese an den Beschuldigten erstellt hat, zum Nachteil des Beschuldigten zu werten, da diese Rechnungen erst nach der Kenntnis des Beschuldigten vom Ermittlungsverfahren erstellt worden sind. Die D. M. GmbH hat nach den Ermittlungen der Steuerfahndung H. seit Gründung keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht. Arbeitgeber-Signale waren hier nicht gesetzt. Dieses spricht für das Vorliegen eines inaktiven Scheinunternehmens. Darüber hinaus sind die Rechnungen auffällig und deuten auf Scheinrechnungen hin. Insbesondere enthalten einige der Rechnungen keine Steuernummer und die Leistungsbeschreibungen sind zu ungenau, um eine Überprüfung zu ermöglichen. Auch die B. B. C. & C. GmbH hat weder Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht, noch wurde bei ihr ein Arbeitgeber-Signal gesetzt. Die Rechnungen an den Beschuldigten enthalten keine Steuernummer. Es ist lediglich der Zusatz „Steuernummer folgt“ enthalten. Ein Unternehmer, der „Geschäfte“ mit solchen Gesellschaften durchführt, ist nicht schutzbedürftig bzw. es überwiegt das Sicherungsbedürfnis des Staates.

38

Nach Abwägung der gesamten dargestellten Umstände erscheint ein Arrest auch bei Anwendung eines strengen Maßstabs verhältnismäßig.

39

Allerdings darf der Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung (§ 111e StPO) als vorläufig wirkende Maßnahme die Eigentumspositionen des hiervon Betroffenen nicht unbefristet beeinträchtigen. Vielmehr ist seine Dauer durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt. Die Anforderungen an die Rechtfertigung der Anspruchssicherung wachsen mit der den Eigentumseingriff intensivierenden Fortdauer der Maßnahme (vgl. z.B. auch LG Bremen, Beschluss vom 22.11.2019, 4 Qs 425/18 (juris)). Hieraus ergeben sich für die Anordnung jedoch noch keine Beschränkungen, da die Ermittlungen des Finanzamts für Prüfungsdienste und Steuererhebung H. erst im Januar 2019 eingeleitet worden sind.

40

2. Gem. § 111e Abs. 5 StPO ist die Durchsuchung zur Vollziehung des Arrestes zulässig. Die entsprechende Durchsuchungsanordnung kann mit der Arrestanordnung verbunden werden (Meyer-Goßner/Schmitt-Köhler, StPO, 63. Auflage, § 111e StPO Rn. 20).

III.

41

Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen in H. sind Teil der Verfahrenskosten, über die nach Maßgabe der §§ 464ff. StPO im Urteil nach Abschluss des Hauptverfahrens zu entscheiden sein wird (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 08.06.2017, 1 Ws 259/17).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen