Urteil vom Landgericht Itzehoe (6. Zivilkammer) - 6 O 82/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die am 28.02.1928 geborene Klägerin ist die Mutter des Beklagten.
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Durch Überlassungsvertrag des Notars S. vom 09.04.2003 (Urkundenrolle …/2003) übertrug die Klägerin dem Beklagten ihr Eigentum an dem im Grundbuch von W. Blatt … eingetragenen Hausgrundstück - Flurstück …/19 der Flur 12 Gemarkung W. Hof- und Gebäudefläche, J.-Straße in W. in einer Größe von 752 m². Der Beklagte räumte der Klägerin in § 2 des Vertrages ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnrecht an dem gesamten Haus nebst Garage und Stall ein, das dinglich gesichert wurde.
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Eine Ausübungsüberlassung wurde der Klägerin nicht eingeräumt.
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Mit Wissen und auf Wunsch der Klägerin zog der Beklagte im August 2003 zu ihr in das Haus.
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Für die Klägerin wurde im September 2004 auf Grund einer dementiellen Erkrankung eine Betreuung eingerichtet. Sie wohnt seitdem in dem ca. 100 m von ihrem ehemaligen Haus entfernten DRK-Seniorenzentrum W.
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Die Klägerin bezieht monatlich Renten in Höhe von 824,28 € sowie Leistungen aus der Pflegeversicherung in Höhe von 1.023,00 €. Die Kosten ihrer Unterbringung im Pflegezentrum betragen monatlich 2.268,72 €. Damit besteht eine monatliche Unterdeckung von 421,44 €.
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Die Klägerin macht mit der Klage einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 450,00 € geltend.
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Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte nach Treu und Glauben und in ergänzender Vertragsauslegung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet sei, nachdem sie selbst das Wohnrecht nicht mehr ausüben könne. Anderenfalls habe der Beklagte jedenfalls die anderweitige Nutzung durch Dritte zu dulden. Sie sei Not leidend geworden, denn sie könne die Kosten für die Unterbringung im Seniorenzentrum nicht aufbringen und müsse mit einer Kündigung des Heimvertrages rechnen.
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Bei Abschluss des Übertragungsvertrages seien beide Parteien davon ausgegangen, dass sie bis an ihr Lebensende in ihrem Haus verbleiben könne. Die Parteien hätten den Fall einer notwendigen anderen Unterbringung der Klägerin damals nicht in Betracht gezogen. Wenn das geschehen wäre, dann wäre im Vertrag die Zahlung einer Nutzungsentschädigung oder die Möglichkeit der anderweitigen entgeltlichen Überlassung an Dritte geregelt worden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.05 zu zahlen,
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an die Klägerin eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 450,00 €, beginnend mit dem Monat März 2005, jeweils bis zum dritten Werktag eines Monats zu zahlen,
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hilfsweise
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der Klägerin zu gestatten, das Anwesen J.-Straße in W. zu vermieten bzw. anderweitig zu nutzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, die Klägerin übe ihr Wohnrecht tatsächlich noch aus. Sie sei täglich bei ihm im Haus und nehme nur die Mahlzeiten im Seniorenzentrum ein. Die Klägerin wolle wieder ganz in das Haus zurückziehen, er könne und wolle die Betreuung seiner Mutter übernehmen.
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Soweit die Klägerin Nutzungsentschädigung seit Oktober 2004 verlange, sei ihr Anspruch schon deshalb nicht begründet, weil die Ersparnisse der Klägerin bis Februar ausreichend gewesen seien, die Unterbringungskosten zu zahlen.
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Im Übrigen sei das Haus in einem so schlechtem Zustand, dass es sich an Dritte nicht vermieten oder sonst verwerten lasse.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auch auf das im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Itzehoe zum Aktenzeichen 81 XVII 462/04 erstattete vertrauensärztliche Gutachten der Dr. med. Sch. vom 9.6.2005 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet, denn der Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen den Beklagten oder der hilfsweise Anspruch auf Duldung der entgeltlichen Überlassung an Dritte zu.
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Der Klägerin ist im notariellen Vertrag vom 09. April 2003 ein dingliches Wohnungsrecht eingeräumt worden. Nach § 1092 Abs. 1 S.2 BGB kann allerdings die Ausübung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit einem anderen nur überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist. Eine solche Gestattung ist vorliegend nicht eingeräumt worden. Damit trägt die Klägerin das Risiko, infolge späterer Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit die Wohnung nicht mehr persönlich nutzen zu können (OLG Köln, 2. ZS, Beschluss vom 17.05.1991 - 2 W 76/91). Dieses von der Klägerin zu tragende Risiko kann nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung auf den Beklagten als Eigentümer verlagert werden. Der notarielle Vertrag, der unter Berücksichtigung des Parteiwillens gemäß §§ 133,157 BGB auszulegen ist, enthält keinen Anhaltspunkt für die Risikoverlagerung in dem Falle, dass die Klägerin aus persönlichen Umständen gehindert sein würde, das Wohnrecht auszuüben (anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem zusätzlich eine Pflegevereinbarung enthalten war, in NJW 2002, 440). Eine solche über den Vertragstext hinausgehende Auslegung würde zu einer wesentlich über den Vertragsinhalt hinaus gehenden Bindung des Beklagten und zu einer inhaltlichen Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen; sie ist damit unzulässig (OLG Köln Urteil vom 08.01.1997, Az.: 17 ZS U 8/96).
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Soweit das OLG Köln (Beschluss vom 02.02.1995, Az.: 2 W 21/95) und das OLG Celle (Beschluss vom 13.07.1998, Az.: 4 W 129/98) aus dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vertreten haben, dass ein nicht mehr ausübbares Wohnungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für den Eigentümer Geldansprüche auslösen kann, tritt das Gericht dieser Auffassung nicht bei.
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Der Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt voraus, dass unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände den Vertragszweck vereiteln. Bei der Vereinbarung des Wohnungsrechts irren die Parteien sich aber grundsätzlich nicht über die Rechtslage - dazu werden sie vom Notar belehrt - noch über die mögliche künftige Entwicklung. Die Klägerin war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 75 Jahre alt. Damit ist beiden vertragsschließenden Parteien bewusst, dass gerade dann, wenn der Wohnungsberechtigte ein sehr hohes Alter erreicht, Pflegebedürftigkeit oder die Notwendigkeit eines Heimaufenthaltes eintreten können. Treten diese Umstände dann tatsächlich ein, kann nicht davon ausgegangen werden, dass unvorhergesehene oder unvorhersehbare Umstände den Vertragszweck vereiteln (OLG Köln Beschluss vom 17.05.1991 -2 W 76/91; OLG Oldenburg Urteil vom 03.05.1994 Az: 12 U 16/94; Anm. Schneider zu OLG Celle vom 13.07.1998 in MDR 1999 S. 87).
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Die Vorstellung des Beklagten, er hätte die Klägerin im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit im Hause selbst pflegen können, ist angesichts der sich aus dem Gutachten der Frau Dr. Sch. im Betreuungsverfahren dargelegten Tatsachen und Schlussfolgerungen völlig unrealistisch. Sie taugt deshalb nicht als Entscheidungsgrundlage für die Annahme des Wegfalls einer Geschäftsgrundlage.
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Der Klägerin steht nach allem weder gegen den Beklagten als Eigentümer des Hauses ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zu, noch ist der Beklagte verpflichtet, die mietweise Verwertung des Hauses an Dritte zu dulden.
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Auf die Frage, ob der Überlassungsvertrag teilweise ein Schenkungsvertrag ist und der Beklagte wegen der eingetretenen Bedürftigkeit zur Herausgabe der Schenkung verpflichtet sein könnte, kam es nicht an, denn einen solchen Antrag hat die Klägerin nicht gestellt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 1092 Unübertragbarkeit; Überlassung der Ausübung 1x
- 81 XVII 462/04 1x (nicht zugeordnet)
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- 17 ZS U 8/96 1x (nicht zugeordnet)
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- 4 W 129/98 1x (nicht zugeordnet)
- 12 U 16/94 1x (nicht zugeordnet)