Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 11 S 34/14

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2014 - 9 C 275/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Gründe

 
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagten verurteilt, das Sonnensegel auf ihrer Dachterrasse und die Sichtschutzmatten am Terrassengeländer zu beseitigen.
Denn es handelt sich um bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen und infolge der dadurch bewirkten Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Gebäudes einen Nachteil für die Kläger darstellt, der von ihnen nur mit ihrer Zustimmung hingenommen werden muss. Unstreitig haben die Kläger den baulichen Veränderungen aber nicht zugestimmt.
Unter Nachteil im Sinne von § 14 Nummer 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete Beeinträchtigung zu verstehen. Ein nicht hinzunehmender optischer Nachteil liegt bei solchen Veränderungen vor, die sich objektiv nachteilig auf das äußere Bild der Wohnanlage auswirken; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1991 - V ZB 27/90 -, BGHZ 116, 392; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. Februar 2004 - 3 W 251/03 - ZMR 2004, 465). Bei der Beurteilung, ob ein Nachteil im Sinn von § 14 Nummer 1 WEG vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen und die Schwelle zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung durch eine Veränderung des Erscheinungsbildes niedrig anzusetzen, um die grundrechtlich aus Artikel 14 des Grundgesetzes geschützten Interessen aller Eigentümer an der Beibehaltung des äußeren Erscheinungsbildes angemessen zu berücksichtigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Dezember 2004 - 1 BvR 1806/04 - NZM 2005, 182 mit einer Übersicht der Rechtsprechung). Infolgedessen ist eine erhebliche Beeinträchtigung regelmäßig schon dann anzunehmen, wenn eine erhebliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes vorliegt. Denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11 -, BGHZ 196, 45).
Ausgehend von diesen Maßstäben, die auch die Kammer in ständiger Rechtsprechung anwendet (vgl. Urteil der Kammer vom 16. Januar 2014 - 11 S 170/12), ist bei der Würdigung der vorgelegten Lichtbilder und des Ergebnisses des Augenscheins, der im Berufungsverfahren genommen wurde, sowohl durch das Sonnensegel als auch durch die Sichtschutzmatten eine optisch nachteilige Veränderung gegeben. Dabei verkennt das Gericht insbesondere hinsichtlich des Sonnensegels nicht die Besonderheiten des Einzelfalls, dass nämlich das Segel nur zeitweilig ausgefahren ist, nur von der rückwärtigen Seite des Hauses aus zu sehen ist, in ausgefahrenem Zustand einem unstreitig zulässigen Ampelschirm ähnelt und in Bauart und Ausführung durchaus hochwertig zu bezeichnen ist Gleichwohl überschreitet das Sonnensegel die - niedrige - Schwelle zur nicht unerheblichen Beeinträchtigung. Es ist in eingefahrenem Zustand, anders als ein oder zwei Sonnenschirme, als über der Terrasse hängender "Balken" deutlich zu erkennen. Zutreffend hat das Amtsgericht es als schräg verlaufendes Element beurteilt, dass sich aufgrund seiner Gestaltung und Anbringung nicht in die Fassade bzw. die äußere Gestaltung einfügt, sondern im Gegenteil auffällt. Das Segel ist vom Parkplatz des Supermarkts und auch von den umliegenden Häusern der rückwärtigen Seite des Hauses aus gut zu erkennen.
Entsprechendes gilt für die außen angebrachten Balkonbespannungen. Zutreffend hat das Amtsgericht die Erkenntnisse aus den Lichtbilder gewürdigt und erkannt, dass durch den Faltenwurf der Bespannungen eine erhebliche Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes gegeben ist. Dies hat der Augenschein, den das Gericht genommen hat, bestätigt Die Kläger müssen eine solche Beeinträchtigung nicht ohne ihre Zustimmung hinnehmen. Dass auch weitere Eigentümer im Verlauf des Berufungsverfahrens solche Bespannungen an ihren Balkongeländern außen aufgehängt haben, bewirkt keine Duldungspflicht für die Kläger, sondern begründet allenfalls weitere Beseitigungsansprüche.
Die Kläger können daher gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit den §§ 22 Absatz 1, 14 Nummer 1 WEG die Beseitigung beider baulichen Veränderungen verlangen. Dieses Verlangen ist auch nicht schikanös im Sinne von § 226 BGB. Das Schikaneverbot setzt voraus, dass nach Lage der gesamten Umstände ein anderer Zweck als die Schadenszufügung ausgeschlossen ist (Palandt/Ellenberger BGB 73. Auflage 2014 § 226 Rn. 2). Das ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Hinblick auf § 62 Absatz 2 WEG entbehrlich.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

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