Beschluss vom Landgericht Kiel (18. Zivilkammer) - 18 O 420/07

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12.06.2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Einstellung der Immobiliarzwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Verfügung.

2

Der Antragsteller schloss mit der Kreissparkasse S., die im Jahre 2005 mit anderen Sparkassen zur Sparkasse S. fusionierte, verschiedene Darlehensverträge über insgesamt 2.693.229,69 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung in der Antragsschrift, Bl. 19 d.A. Bezug genommen. Als Sicherheiten wurden auf zwei Grundstücken insgesamt fünf Grundschulden über zusammen 812.531,30 € eingetragen.

3

Mit Schreiben vom 25.08.2005 (Anlage K1, Bl. 29 d.A.) kündigte die Sparkasse S. die gesamte Geschäftsverbindung aus wichtigem Grund mit der Begründung, der Antragsteller habe seine Vermögensverhältnisse falsch dargestellt. In der Folgezeit kam es zwischen dem Antragsteller und der Sparkasse zu Verhandlungen über die Umschuldung der Verbindlichkeiten mit Hilfe eines Darlehens der C.-Bank.

4

Mit Schreiben vom 11.12.2006 (Anlage K3, Bl. 33 d.A) teilte die Sparkasse mit, dass sie die Forderungen gegen den Antragsteller zum 11.12.06 an die L... Limited, ein Unternehmen der L... verkaufen werde. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die Sicherheiten auf die Antragsgegnerin übertragen worden seien, die die Forderungen treuhänderisch für die L... halte. Zahlungen seien ausschließlich an die Antragsgegnerin zu richten. Die Grundschulden waren zuvor mit Verträgen vom 25.11.2006 (Bl. 42 ff, Bl. 48 ff.) an die Antragsgegnerin abgetreten worden, die vollstreckbaren Ausfertigungen wurden auf diese umgeschrieben und dem Antragsteller zugestellt.

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Die Antragsgegnerin betreibt nunmehr die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke.

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Der Antragsteller behauptet,

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es sei kein Grund für eine Kündigung der Geschäftsverbindung aus wichtigem Grund gegeben. Die Abtretung der Grundschulden sei nicht von vertretungsberechtigten Mitarbeitern der Antragsgegnerin unterzeichnet worden.

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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 12.06.2007, eingegangen beim Amtsgericht Neumünster am 15.06.2007, eine durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe bedingte Vollstreckungsgegenklage erhoben, verbunden mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das Amtsgericht Neumünster hat sich mit Beschluss vom 25.06.2007 für sachlich unzuständig erklärt, der Antragsgegnerin rechtliches Gehör gewährt und das gesamte Verfahren auf Antrag des Antragstellers an das Landgericht Kiel verwiesen. Mit Beschluss vom 03.07.07 ist der Rechtsstreit von der Kammer übernommen worden.

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Das Hauptsacheverfahren ist bei der Kammer unter dem Aktenzeichen 18 O 426/07 anhängig.

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Der Antragsteller beantragt,

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im Wege der einstweiligen Verfügung zu beschließen,

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dass die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Urkunden - Nr. ... Urkundenrolle für 1996 des Notars J. T. mit dem Amtssitz in K., - Nr. ... Urkundenrolle für 1997 des Notars J.T. mit dem Amtssitz in K., anhängig beim Amtsgericht Neumünster zu den Geschäftszeichen ... und ... bis zum Erlass eines Urteils in der Hauptsache eingestellt wird.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Die Antragsgegnerin behauptet, ihr Mitarbeiter C. B. habe in Vollmacht der Antragsgegnerin gehabt (Anlage B 14 zum Schriftsatz vom 12.07.2007).

II.

16

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

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Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag ist insbesondere nicht wegen des laufenden Prozesskostenhilfeverfahrens unzulässig. In der Hauptsache ist derzeit wegen der noch nicht erfolgten Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung unzulässig (vgl. Zöller-Herget, 25. Aufl., § 769 ZPO, RN 4). Die Zulässigkeit dieses Antrags wird auch nicht dadurch tangiert, dass gem. § 769 Abs. 2 ZPO eine Eilzuständigkeit des Vollstreckungsgerichts gegeben ist. Hierbei handelt es sich um eine kumulative Eilzuständigkeit.

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Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

19

Der Antragsteller hat keinen Verfügungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus § 769 Abs. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Prozessgericht anordnen, dass bis zum Erlass eines Urteils in einer Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung eingestellt wird. Voraussetzung eines solchen Beschlusses ist, dass die Erfolgsaussicht in der Hauptsache nicht vollständig fehlt (Zöller-Herget, § 707 ZPO RN 9). Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

20

Das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache bietet nach derzeitigem Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Voraussetzung der vom Antragsteller erhobenen Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ist, dass ihm materiell-rechtliche Einwände gegen den titulierten Anspruch selbst zustehen, wobei diese Klageart auch auf die Vollstreckung aus notariellen Urkunden, in denen sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, Anwendung findet, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Erfolgversprechende Einwände sind nicht ersichtlich.

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Insbesondere kann der Antragsteller nicht mit seiner Ansicht durchdringen, die Antragsgegnerin sei nicht zur Vollstreckung legitimiert, da die Abtretung der Sicherungsrechte an sie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. §§ 134 BGB, § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB nichtig sei.

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Nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis , namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm als Amtsträger anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Hierbei kann unentschieden bleiben, ob die an der Abtretung der Forderung beteiligten Mitarbeiter der Sparkasse S. tatsächlich als Amtsträger einzuordnen sind oder nicht (vgl. hierzu Sester/Glos, DB 2005, 357, 375f.; Nobbe, WM 2005, 1537, 1542). Denn jedenfalls erfolgte die Weitergabe der für die Abwicklung der Forderungen notwendigen Daten und Unterlagen an die Antragsgegnerin nicht unbefugt i.S.d. § 203 Abs. 2 StGB.

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Das Tatbestandsmerkmal der unbefugten Weitergabe erfordert die Prüfung, ob das ansonsten tatbestandsmäßige Handeln nach einschlägigen gesetzlichen Regelungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen straflos ist (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 203 RN 31). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Befugnis zur Abtretung einer Forderung, die vom Kreditinstitut nach Kündigung nur noch mit Schwierigkeiten selbst beigetrieben werden kann, aus dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Ein solches Zurücktreten des Geheimhaltungsinteresses hinter dem Interesse an der Durchsetzung rechtlicher Interessen folgt aus der besonderen Interessensituation in der vorliegenden Rechtsgestaltung (vgl. Sester/Glos, aaO, S. 377ff.). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Interessenlage von der in der Rechtsprechung behandelten Abtretung von Forderungen von Rechtsanwälten und Ärzten maßgeblich unterscheidet.

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Anders als bei Forderungen dieser Berufsgruppen, bei denen in der Regel Grund für die Nichtleistung des Schuldners Einwände gegen die erbrachte Leistung sind, geht es im Rahmen notleidender Darlehensforderungen lediglich um die Zahlungsunfähigkeit und damit einen Umstand, den der Schuldner regelmäßig zu vertreten hat. In diesem Zusammenhang ist vorliegend ohne Bedeutung, dass der Antragsteller auch die Berechtigung zur Kündigung bestreitet, da dieses Bestreiten einerseits unsubstantiiert ist und andererseits nicht seine Unfähigkeit zur Bedienung der fälligen Forderungen betrifft.

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Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Vorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wonach auch z.B. Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in den Anwendungsbereich des Straftatbestandes der Verletzung von Privatgeheimnissen fallen. Maßgeblich für den Schutzbereich der Norm ist das spezifische Vertrauensverhältnis, das sich aus dem üblichen Berufsbild der aufgeführten Berufsgruppen ergibt. Auch bei Angehörigen der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe besteht ein Geheimhaltungsinteresse, das über die finanziellen Verhältnisse und die Zahlungsfähigkeit hinausgeht. Die diesen Personengruppen überlassenen Informationen betreffen vielmehr auch mit Dritten geschlossene Verträge, Bewertungsfragen, steuerlich und steuerstrafrechtlich relevante Tatsachen und damit Umstände, an deren Geheimhaltung auf Seiten des Mandanten ein erheblich höheres Interesse besteht als gegenüber einer Bank oder Sparkasse.

26

Der Geheimhaltungsschutz der Ärzte und Rechtsanwälte einerseits und der Sparkassen andererseits genießt zudem einen unterschiedlichen rechtlichen Stellenwert. Besteht bei ersteren beispielsweise im Strafprozess ein Zeugnisverweigerungsrecht, können sich Mitarbeiter der Sparkassen nur auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung nach § 54 StPO berufen. Nur ein solches Erfordernis einer Aussagegenehmigung ergibt sich auch aus den Regelungen des § 20 Sparkassengesetz Schleswig-Holstein, § 96 LVwG. Die der Sparkasse anvertrauten Umstände betreffen zudem nicht den gleichen Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

27

Zu diesen Erwägungen kommt hinzu, dass die Sparkassen ein erheblich höheres Interesse an der Veräußerung ihrer notleidenden Forderungen haben, als dies bei Ärzten und Rechtsanwälten der Fall ist. Öffentliche Sparkassen und Landesbanken stehen bei der Ausreichung von Krediten im Wettbewerb mit privaten Banken und Genossenschaftsbanken. Der Wegfall der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung (§ 4 Sparkassengesetz S.-H.) zwingt sie dazu, sich bei Kreditentscheidungen nicht anders zu verhalten, als private Banken und Genossenschaftsbanken dies auch tun, also rein erwerbswirtschaftlich. Die Verwertung und Abtretung der Forderungen ist ein wichtiges Instrument, das sich insbesondere auf die erforderliche Eigenkapitalunterlegung nach dem Kreditwesengesetz und damit auch auf den Spielraum für neue Kreditvergaben auswirkt (Nobbe, aaO, S. 1542 m.w.N.). Die Interessenabwägung hat demgemäß einerseits im Verhältnis zu den Rechtsanwälten und Ärzten und andererseits auch im Verhältnis Schuldner-Sparkasse zu Gunsten der Sparkassen zu erfolgen.

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Hinzukommt, dass die Rechtsprechung die Abtretung von notleidenden Krediten für Privat- und Genossenschaftsbanken für zulässig hält (z.B. BGH, NJW 2007, 2106 ff; abweichend lediglich OLG Frankfurt/M, NJW 2004, 224 mit nicht überzeugender Begründung, vgl. nur Rögner, NJW 2004, 3230ff.). Daher erscheint eine Ungleichbehandlung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und privater und Genossenschaftsbanken vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung unzulässig (Nobbe, aaO., S. 1543 m.w.N.). Auch der vom Antragsteller angenommene Umkehrschluss, die fehlende gesetzliche Regelung bei Privatbanken führe dazu, dass § 203 StGB zwingend auf öffentlich-rechtliche Kreditinstitute anwendbar sei, ist daher wegen der angeführten Auslegung des Tatbestandsmerkmals “unbefugt” nicht zwingend.

29

Ein aus vertraglichen Regelungen, den Datenschutzgesetzen oder dem Bankgeheimnis (vgl. hierzu Nobbe, aaO, S. 1540) herzuleitendes Abtretungsverbot ist in der vorliegenden Situation nicht gegeben (vgl. BGH aaO. S. 2108 ff.; LG Koblenz, WM 2005, 30ff.).

30

Eine Unwirksamkeit der Abtretung ergibt sich auch nicht aus den zwischen dem Antragsteller und der Sparkasse S. geführten Gesprächen über eine Umschuldung. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine solch unmittelbar bevorstehende Vereinbarung über eine Umschuldung erkennen lassen würden, dass die Abtretung der Forderung einschließlich ihrer Sicherheit als unbillig erscheinen würde.

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Unbeachtlich ist zudem das Bestreiten des Antragstellers im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis der handelnden Personen auf Seiten der Antragsgegnerin. Diese hat eine entsprechende Vollmacht für den handelnden Mitarbeiter vorgelegt.

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Unbeachtlich ist zudem die Behauptung des Antragstellers, es liege kein Kündigungsgrund vor. Ein derart pauschaler Vortrag ist nicht geeignet, den abweichenden Vortrag der Antragsgegnerin zu entkräften.

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Weitere materiell-rechtliche Einwände werden nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


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