Beschluss vom Landgericht Kiel (13. Zivilkammer) - 13 T 39/17

Tenor

Der weiteren Beschwerde des Beschwerdeführers vom 10.05.2017 wird abgeholfen. Der Beschluss vom 25.04.2017 unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 19.05.2017 wird wie folgt neu gefasst:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 28.03.2017, Az. 21 M 479/17, aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

3. Die weitere Beschwerde bleibt zugelassen.

Gründe

1

Der Einwand des Beschwerdeführers mit Beschwerdeschreiben vom 10.05.2017 greift durch, so dass - nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage - die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 1 GKG zulässige Beschwerde auch begründet ist und der Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 28.03.2017, Az. 21 M 479/17, aufzuheben ist.

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Der im Rahmen des Zwangsvollstreckungsauftrages seitens des Gläubigers erklärte Ausschluss der Zahlungsvereinbarung führt nicht zu einem vollständigen Ausschluss hinsichtlich des Versuchs einer gütlichen Erledigung im Sinne des § 802b Abs. 1 ZPO mit der Folge, dass die Gebühr gemäß Nr. 208 KV-GvKostG bei einem solchen Ausschluss nie anfallen könnte.

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Gemäß § 802b Abs. 1 ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. In Absatz 2 der Vorschrift sind die Vollstreckungsbefugnisse des Gerichtsvollziehers für den Fall geregelt, dass der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen hat.

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Die in § 802b Abs. 2 S. 1 ZPO aufgeführte Zahlungsvereinbarung stellt nach Auslegung der Vorschrift, sowohl nach dem Sinn und Zweck der Regelung als auch nach der Systematik des Gesetzes lediglich eine Erledigungsart der gütlichen Erledigung dar und umfasst nicht erschöpfend alle erdenklichen Arten der gütlichen Erledigung.

5

Nach Auffassung der Kammer entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, dass der Begriff der gütlichen Erledigung (Abs. 1) weiter ist als der der Zahlungsvereinbarung (Abs. 2). Nach der Begründung des Gesetzgebers fasst § 802b Abs. 1 ZPO entsprechend der großen praktischen Bedeutung gütlicher Erledigungsformen in der Mobiliarvollstreckung die bisherigen Regelungen in den §§ 806b, 813a und 900 Abs. 3 ZPO zusammen und stellt diesen Gedanken als Leitlinie voran (vgl. auch § 278 Abs. 1 ZPO für das Erkenntnisverfahren). Die Vorschrift gilt für alle Abschnitte der Zwangsvollstreckung, mithin von der Beantragung der Abnahme der Vermögensauskunft bis zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis (BT-Drs. 16/10069, 24). Hinsichtlich des Absatzes 2 der Vorschrift wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass der Satz 1 die Voraussetzungen für eine Stundungsbewilligung bestimme und diese Stundungsbewilligung das Einverständnis des Gläubigers voraussetze, das nach § 802a Abs. 2 S. 1 ZPO vermutet werde (BT-Drs. 16/10069, 24). Der Gesetzgeber unterscheidet danach sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik nach zwischen der gütlichen Erledigung und der Zahlungsvereinbarung. Durch die konkrete Bezeichnung „Zahlungsvereinbarung“ in dem zweiten Absatz der Vorschrift, wird verdeutlicht, dass es sich bei der Zahlungsvereinbarung um eine Art der gütlichen Erledigung, welche im ersten Absatz umfassend bedacht wird, handelt und hinsichtlich dieser Art besondere Regelungen getroffen werden. Dies führt zu dem Rückschluss, dass gerade aufgrund der expliziten Regelung dieser einen Form, hinsichtlich der anderen Möglichkeiten der gütlichen Erledigung das Einverständnis des Gläubigers vermutet wird und auch nicht durch diesen ausgeschlossen werden kann. Dies wird durch die ausdrückliche Formulierung im Zwangsvollstreckungsauftrag, in welchem ausdrücklich unter Verweis auf § 802b Abs. 2 ZPO der Gesetzeswortlaut „Zahlungsvereinbarung“ und gerade nicht „die gütliche Erledigung“ angeführt ist, bestätigt.

6

Zudem kann aus der Gesetzesbegründung entnommen werden, welche erhebliche Relevanz der gütlichen Erledigung zukommt und diese daher in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist. Das an den Gerichtsvollzieher gerichtete Gebot, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, hat unter anderem den Zweck, Justizressourcen zu schonen; es steht insoweit daher nicht zur Disposition des Gläubigers (Fleck in: BeckOK, 24. Ed., § 802b Rn. 1; Voit in: Musielak, 14. Aufl. 2017, § 802a Rn. 3 und § 802b Rn. 2).

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Zwar ist anzuerkennen, dass faktisch durch den Ausschluss einer Zahlungsvereinbarung der Spielraum für eine gütliche Erledigung sehr gering sein wird (Voit in: Musielak, 14. Aufl. 2017, § 802a Rn. 3 und § 802b Rn. 2; Wagner in MüKo, 5. Aufl. 2016, § 802b Rn. 9). Allerdings sind neben der Möglichkeit der Zahlungsvereinbarung auch andere Formen der gütlichen Erledigung ersichtlich, sowohl im Bereich der Mobiliarvollstreckung als auch im Hinblick auf gütliche Einigungsformen in den verschiedenen zeitlichen Phasen des Verfahrens.

8

In der Folge kann auch das Argument, aufgrund des Versuchs einer gütlichen Einigung werde faktisch eine weitere „Grundgebühr“ erhoben, zu keinem anderen Ergebnis führen. Zum einen stellt § 802b Abs.1 ZPO eine sog. „Soll-Vorschrift“ dar, so dass der Versuch einer gütlichen Erledigung unter - zwar denkbar besonderen - Umständen gänzlich entfallen könnte. Zum anderen dürfte die Tatsache, dass gewisse Gebühren aufgrund der Relevanz der ihr zugrundeliegenden Handlung fast immer anfallen, nicht dazu führen, dass diese nicht angesetzt werden dürfen.

9

Die Voraussetzungen der Erhebung der Gebühr nach Nr. 208 KV-GvKostG in Höhe von 8,00 € liegen - nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Einwandes des Beschwerdeführers - im konkreten Fall auch vor, da die Gerichtsvollzieherin den Schuldner mit Schreiben vom 02.02.2017 zur Zahlung der Forderung binnen einer 2-Wochen-Frist aufgefordert hat.

10

Die Gerichtsvollzieherin hat im angeführten Schreiben die Eintragungsanordnung gemäß § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO - und nicht wie im Beschluss vom 25.04.2017 angenommen gemäß § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO - angeordnet. Nach den Feststellungen der Gerichtsvollzieherin ließ eine Verwertung der im Vermögensverzeichnis genannten Gegenstände keinen Erlös in Höhe der Forderung der Gläubigerin erwarten, so dass die Voraussetzungen der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO vorlagen.

11

Eine Fristsetzung zur Zahlung oder zum Nachweis der vollständigen Befriedigung des Gläubigers setzt § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO im Gegensatz zu § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht voraus. Auch einer Fristsetzung nach § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO bedurfte es hier nicht, da der Schuldner die Vermögensauskunft bereits geleistet hatte. Darüber hinaus ist auch keine weitere gesetzliche Grundlage ersichtlich, wonach eine Fristsetzung zur Zahlung in dem vorliegend streitigen Zeitpunkt - im Rahmen des Eintragungsanordnungsverfahrens - vorausgesetzt ist.

12

Demnach ist die Gerichtsvollzieherin durch die Aufforderung des Schuldners zur Zahlung der Forderung nicht einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Pflicht nachgegangen, sondern hat im Hinblick auf den Versuch einer gütlichen Erledigung einen Mehraufwand geleistet, welcher die Gebühr nach Nr. 208 KV-GvKostG auslöst. Insoweit stellt das vollständige Begleichen der Forderung nach Aufforderung des Schuldners zur Zahlung durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auch eine gütliche Erledigung im Sinne von § 802b Abs. 1 ZPO und nicht lediglich die erfolgreiche Beitreibung dar, da eine Zahlung hierbei gerade ohne den - der Zwangsvollstreckung immanenten - Zwang erreicht wird.

13

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Entscheidung gerichtsgebührenfrei ergeht, § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG.

14

Die weitere Beschwerde ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG.


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