Beschluss vom Landgericht Kiel - 4 T 34/18

Tenor

Auf die Beschwerde des Gläubigervertreters vom 21.03.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 22.01.2018 aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, von der Erhebung einer Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG und der anteiligen Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG abzusehen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Der Gläubiger erteilte im Mai 2017 zur Beitreibung seiner Forderung gegen die Schuldnerin Zwangsvollstreckungsauftrag und beantragte die Abnahme der Vermögensauskunft. Unter Punkt F des Antragsformulars „keine Zahlungsvereinbarung“ war angekreuzt: „Mit einer Zahlungsvereinbarung bin ich nicht einverstanden (§ 802 b Absatz 2 Satz 1 ZPO).“ Mit Schreiben vom 13.06.2017 lud der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin auf den 05.07.2017 zur Abgabe der Vermögensauskunft. Vorangestellt ist der Terminsbestimmung in diesem Schreiben eine Zahlungsaufforderung mit dem Wortlaut: „Wegen eines Anspruchs in Höhe von 941,30 € wird Ihnen eine Frist von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eingeräumt.“ Im letzten Absatz dieses Schreibens heißt es: „Der Gerichtsvollzieher kann Vollstreckungsaufschub gewähren und eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Ratenzahlung gestatten, sofern Sie glaubhaft machen können ... Ist der Gläubiger mit einem Tilgungsplan nicht einverstanden, ... so endet der Vollstreckungsaufschub. Hat der Gläubiger eine Ratenzahlung nicht ausgeschlossen ... setzen Sie sich mit mir vor Ablauf der zweiwöchigen Frist, die mit Zustellung dieses Schreibens beginnt, in Verbindung. ... Ist der Gläubiger mit einer Ratenzahlung nicht einverstanden, so kann sie auch vom Gerichtsvollzieher nicht gewährt werden.“

2

Nach Abnahme der Vermögensauskunft berechnete der Gerichtsvollzieher unter dem 05.07.2017 für den Versuch einer gütlichen Einigung dem Gläubiger gemäß Nummer 208 KV GvKostG eine Gebühr von 8,00 €. Die Erinnerung des Gläubigers hat das Amtsgericht nach Anhörung des Gerichtsvollziehers und des Bezirksrevisors mit dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 26.07.2017 (9 W 103/17) zurückgewiesen mit der Begründung, als Anknüpfungstatbestand für diese Gebühr genüge die Einräumung der Möglichkeit, die Forderung binnen 2 Wochen durch Zahlung begleichen zu können.

3

Mit seiner Beschwerde macht der Gläubiger geltend, eine Zahlungsvereinbarung und damit jede Form der gütlichen Einigung ausdrücklich ausgeschlossen zu haben. Dass dies möglich sei, ergebe sich aus § 802 b Abs. 2 ZPO. Faktisch denkbar seien insoweit lediglich die in derselben Vorschrift aufgeführten Möglichkeiten, nämlich die Einräumung einer Zahlungsfrist oder die Gewährung einer Ratenzahlung. Dass der Gerichtsvollzieher der Schuldnerin eine zweiwöchige Zahlungsfrist gesetzt habe, sei mit keinem zu vergütenden zusätzlichen Aufwand verbunden gewesen und stelle auch keinen Versuch einer gütlichen Einigung nach § 802 b Abs. 2 ZPO dar. Vielmehr sei der Gerichtsvollzieher lediglich seiner Verpflichtung aus § 802 f Abs. 1 ZPO nachgekommen. Darüber hinaus habe er zu keiner Zeit erkennbar auf eine gütliche Einigung hingewirkt.

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Der Gerichtsvollzieher und der Bezirksrevisor vertreten unter Bezugnahme auf den o. a. Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in ihren Stellungnahmen die Ansicht, der Gläubiger habe keine Möglichkeit, eine gütliche Erledigung auszuschließen. Vielmehr sei der Gerichtsvollzieher unabhängig von den Formulierungen des Vollstreckungsantrages angehalten, in jeder Lage des Verfahrens hierauf hinzuwirken. Der Versuch einer gütlichen Erledigung liege vorliegend in dem Hinweis des Gerichtsvollziehers auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung.

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Die Beschwerde des Gläubigers ist gem. §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, da sie das Amtsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat.

6

Sie ist auch in der Sache erfolgreich.

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Zwar hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in dem vom Amtsgericht und den Beteiligten angeführten Beschluss vom 26.07.2017 (9 W 103/17) ausgeführt, die ausdrückliche Erklärung des Gläubigers, mit einer Zahlungsvereinbarung gem. § 802 b Abs. 2 S. 1 ZPO nicht einverstanden zu sein, stehe der Entstehung der Gebühr gemäß Nr. 208 KV GvKostG nicht entgegen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es diese Erklärung des Gläubigers entgegen § 802 b Abs. 2 S. 1 ZPO als unbeachtlich ansähe, es geht jedoch davon aus, dass der in § 802 a Abs. 2 Nr. 1 ZPO und in § 802 b Abs. 1 ZPO verwendete Begriff der „gütlichen Erledigung“ weitere Möglichkeiten umfasst als derjenige der „Zahlungsvereinbarung“ in § 802 b Abs. 2 S. 1 ZPO mit den dort aufgeführten beiden Varianten, und dass die Einräumung einer Zahlungsfrist nur dann unter den Begriff der (nach § 802 b Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausschließbaren) Zahlungsvereinbarung fällt, wenn sie mit einem Vollstreckungsaufschub einhergeht.

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Die Erhebung einer Gebühr nach Nr. 208 KVGvKostG kommt jedoch auch nach dieser Entscheidung nur für einen Mehraufwand des Gerichtsvollziehers in Betracht. Ein solcher ist vorliegend durch die Gewährung der zweiwöchigen Zahlungsfrist in dem Ladungsschreiben vom 13.06.2017 nicht entstanden.

9

Im Gegensatz zum vorliegenden Fall ging es in dem Beschluss des Oberlandesgerichts um eine Fristsetzung nach Abnahme der Vermögensauskunft (in einem anderen Verfahren gegen den Schuldner), die gleichzeitig mit der Übersendung des vorhandenen Vermögensverzeichnisses an den Gläubiger und mit der Eintragungsanordnung, d. h. mit Erledigung des Vollstreckungsauftrages, erfolgte und mit der Widerspruchsfrist des Schuldners gegen die Eintragungsanordnung (§ 882 d Abs. 1 S. 1 ZPO) zusammenfiel. In jenem Falle handelte es sich damit um ein von dem Gerichtsvollzieher gewähltes Angebot an den Schuldner.

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Vorliegend war der Gerichtsvollzieher jedoch zur Gewährung einer zweiwöchigen Zahlungsfrist verpflichtet, denn nach § 802 f Abs. 1 S. 1, 2 ZPO ist diese Frist zugleich mit der Terminsbestimmung und Ladung zu setzen. Etwas anderes würde lediglich im Falle eines vorausgegangenen Pfändungsversuchs gelten, in welchem gemäß § 807 ZPO eine derartige Fristsetzung unter bestimmten Voraussetzungen entbehrlich ist. Ein solcher „Kombiauftrag“ des Gläubigers liegt hier jedoch nicht vor, insoweit hatte der Gerichtsvollzieher kein Ermessen. Seine Formulierungen in dem Schreiben vom 13.06.2017 entsprechen vielmehr lediglich den gesetzlichen Anforderungen.

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Das weitere Vorbringen des Gerichtsvollziehers und des Bezirksrevisors über einen „Hinweis auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung“ kann sich ersichtlich nur auf den letzten Absatz des Ladungsschreibens vom 13.06.2017 beziehen. Dieser Hinweis stellt jedoch im Gegensatz zu der konkret eingeräumten Zahlungsfrist lediglich - unter Benutzung und teilweiser Umformulierung des Gesetzestextes - eine Belehrung über die theoretischen Befugnisse des Gerichtsvollziehers dar. Diese bezieht sich gerade auf diejenigen Maßnahmen, die nach § 802 b Abs. 2 ZPO von dem Gläubiger ausgeschlossen werden können und vorliegend mit dessen schriftlicher Erklärung im Vollstreckungsantragsformular auch ausgeschlossen worden sind, nämlich auf die Einräumung einer Zahlungsfrist und die Gewährung von Ratenzahlungen mit Vollstreckungsaufschub. In Anbetracht der bereits vorliegenden Gläubigererklärung war eine derartige Belehrung mit einem nur abstrakten Hinweis auf das erforderliche Einverständnis des Gläubigers überflüssig und würde bei Einordnung als Versuch einer gütlichen Erledigung gem. § 7 Abs. 1 GvKostG zur Nichterhebung der Gebühr nach Nr. 208 KVGvKostG wegen unrichtiger Sachbehandlung führen.

12

Die weitere Beschwerde war gem. §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 4 S. 1 GKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage zuzulassen.


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