Urteil vom Landgericht Köln - 21 O 426/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die Rückgabe der Bürgschaft über 131.000,00 € seitens Herrn N, die Freigabe der Grundschuld in Höhe von 131.000,00 € lastend auf dem Wohnungseigentum X-Straße, ##### Köln (Wohneinheit 8), eingetragen im Wohnungsgrundbuch von L, Blatt #####, sowie die Rückabtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag mit der BNr. #####/#### bei der K -Bausparkasse Zug um Zug gegen die Rückzahlung des aktuellen Darlehensbetrages aus dem Darlehen mit der Nummer #####/#### in Höhe von insgesamt 130.668,87 € zu erteilen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des vorgenannten Darlehensvertrages in Verzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 140.000,00 €. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien schlossen am 28.04.2008 einen Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 131.000 € (Darlehensnummer #####/#### – Anlage K 1).
3Zur Sicherung des Darlehens ließ die Klägerin eine Grundschuld auf das finanzierte Grundstück eintragen und trat ihre Ansprüche aus einem Bausparvertrag mit der K -Bausparkasse an die Beklagte ab. Zudem erteilte N eine Bürgschaft.
4Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung, wegen deren Inhalts auf die zur Akte gereichte Ablichtung des Darlehensvertrages Bezug genommen wird.
5Am 13.08.2014 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und wies diese darauf hin, dass die Widerrufsbelehrung nach ihrer Auffassung fehlerhaft sei. Nachdem sich die Beklagte hierzu nicht abschließend äußerte, ließ die Klägerin durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 15.08.2014 auf eine Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages hinweisen. Die Beklagte lehnte in der Folge Vergleichsverhandlungen ab, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 24.09.2014 den streitgegenständlichen Darlehensvertrag widerrufen ließ. Die Darlehensvaluta betrug zu diesem Zeitpunkt 131.000 €.
6Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei von der Beklagten nicht wirksam belehrt worden, insbesondere weil die von dieser verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot entsprochen habe. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermögliche es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Widerrufsbelehrung inhaltlich geändert und einer eigenen Bearbeitung unterzogen habe.
7Den Vortrag der Beklagten, der Klägerin gehörten noch weitere Wohnungen und sie generiere ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus den dazugehörigen Mieteinnahmen, bestreitet diese. Zutreffend sei lediglich, dass die Klägerin an einer Gesellschaft beteiligt sei, der ein Mehrfamilienhaus in der Dürener Straße in Köln gehöre. Diese befinde sich seit Jahrzehnten im Familienbesitz, werde von der Gesellschaft verwaltet und teils von Familienmitgliedern eigengenutzt.
8Im Gegenzug zur Rückzahlung der Darlehensvaluta sei die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Wertersatz für die gezogene Kapitalnutzung aus den ihr zugeflossenen Zins- und Tilgungsleistungen zu leisten. Mit dieser Forderung, welche die Klägerin in der Klageschrift mit 7.402,64 € und im Schriftsatz vom 26.05.2015 (Blatt 52 der Akte) mit 8.128,55 € beziffert, erklärt sie die Aufrechnung gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten. Die Berechnung der Nutzungsentschädigung erfolge dabei nach den sogenannten Sparkassenformeln, wobei eine jährliche Zahlung der Klägerin auf das Darlehen in Höhe von 7.729 € und ein Effektivzinssatz von 5,9 % zu berücksichtigen sei. Die Zinsmarge der Beklagten habe im Übrigen nicht 0,554 % betragen, sondern 2,25 % im Jahr 2013 bzw. 2,26 € im Jahr 2014, wie sich aus den eigenen Angaben der Beklagten auf ihrer Internetseite über Kreditvolumen und Zinsüberschluss ergebe.
9Hilfsweise erklärt die Klägerin die Aufrechnung mit Verzugszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Rückzahlungsanspruch für erbrachte Vertragszinsen; die Klägerin habe bis zum 06.10.2015 insgesamt Zinsen in Höhe von 48.306,25 € an die Beklagte gezahlt, hieraus ergebe sich bereits zum 23.06.2015 ein Zinsguthaben der Klägerin in Höhe von 2.850,34 €, welches sich jeden Tag um 10,96 € erhöhe.
10Die Klägerin beantragt,
111.
12a) die Beklagte zu verurteilen, die Rückgabe der Bürgschaft über 131.000,00 € seitens Herrn N, die Freigabe der Grundschuld in Höhe von 131.000,00 € lastend auf dem Wohnungseigentum X-Straße, ##### Köln (Wohneinheit 8), eingetragen im Wohnungsgrundbuch von L, Blatt #####, sowie die Rückabtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag mit der BNr. #####/#### bei der K -Bausparkasse Zug um Zug gegen die Rückzahlung des aktuellen Darlehensbetrages aus dem Darlehen mit der Nummer #####/#### in Höhe von insgesamt 123.597,35 € zu erteilen.
13b) die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.441,09 € zu zahlen.
142.
15festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug befindet.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie behauptet, die Klägerin sei bereits nicht Verbraucherin, weil sie bei Abschluss des Darlehensvertrages als selbständige Vermieterin tätig gewesen sei; sie habe aus der Vermietung ihren Lebensunterhalt bestritten, und die Klägerin habe eine unternehmerische Organisation benötigt, um ihre Mieteinheiten zu betreuen. Das dauerhafte Engagement der Klägerin im Immobilienmarkt habe sich erneut circa ein Jahr nach Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gezeigt, als sie weitere Darlehensverträge bei der Beklagten habe abschließen wollen.
19Die Beklagte ist der Auffassung, die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung sei nicht fehlerhaft; weil die Aushändigung der Widerrufsbelehrungen mit Vertragsunterzeichnung einhergegangen sei, habe ein Missverständnis über den Fristbeginn schon aus praktischen Gründen nicht entstehen können. Die Klägerin sei zudem mündlich auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen worden. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, sich auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung nach § 14 Abs. 1 BGB InfoV in der seinerzeit geltenden Fassung berufen zu können.
20Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durch die Klägerin. Diese habe ihr Widerrufsrecht verwirkt, weil sie über viele Jahre ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt habe. Auch der erneute Wunsch nach Abschluss eines Darlehensvertrages habe die Beklagte annehmen lassen dürfen, dass die Klägerin ihr Widerrufsrecht nicht mehr ausüben wolle. Ferner habe die Klägerin im Jahr 2014 unter Berufung auf eine angebliche Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung darauf gedrängt, den Vertrag zu neuen und günstigeren Zinskonditionen zu verlängern.
21Eine Nutzungsentschädigung schulde die Beklagte nicht, jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass dem streitgegenständlichen Kredit eine laufzeitkongruente Refinanzierung zugrunde liege, für welche die darlehensgewährende Bank einen wesentlichen Anteil der vom Darlehensnehmer erhaltenen Zinsen selbst aufwenden müsse, so dass ihr regelmäßig kaum freies Kapital zur Erwirtschaftung von Zinserträgen verbleibe. Im Streitfall habe die Nettomarge der Beklagten lediglich 0,554 % betragen, was – ausgehend von einem Vertragszins von 5,75 % und somit 627,71 € pro Monat – einem Betrag von monatlich lediglich 60,48 € entspreche. Auf Grundlage eines Zinssatzes von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergebe sich eine Nutzungsentschädigung hieraus in Höhe von allenfalls rund 20,25 €, auf Basis von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von rund 10,13 €.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
25I.
26Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gemäß den §§ 355, 357 Abs. 1, 346 a. F. BGB. Der Darlehensvertrag ist vor dem 13.06.2014 geschlossen worden. So finden gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB die Widerrufsvorschriften in der zum Zeitpunkt des Vertragsschluss geltenden Fassung Anwendung.
271.
28Der Klägerin stand bei Vertragsschluss ein Widerrufsrecht nach §§ 491, 495 BGB a.F. zu, da sie zu diesem Zeitpunkt Verbraucherin war. Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGB wird deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, zu Gunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. 9. 2009, Aktenzeichen VIII ZR 7/09). Den ihr hiernach obliegenden Beweis, dass die Klägerin den Darlehensvertrag nicht als Verbraucherin geschlossen hat, hat die Beklagte nicht erbracht, insbesondere keinen tauglichen Beweis für ihre – ohnehin unsubstantiierte – Behauptung angeboten, die Klägerin vermiete Wohnungen in einem Umfang, der eine unternehmerische Organisation erfordere. Sie ist dem substantiierten Vortrag der Klägerin, diese vermiete nur eine einzige Eigentumswohnung, auch nicht mehr erheblich entgegen getreten.
292.
30Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2014 hat die Klägerin ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen widerrufen.
313.
32Die Klägerin hat den Widerruf rechtzeitig erklärt. Das Recht zum Widerruf ist gemäß § 355 Abs. 4 S. 3 BGB mangels Vorliegens einer wirksamen Widerrufsbelehrung nicht erloschen.
33a)
34Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Darlehensnehmer nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen kann, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH, Urt. v. 9. Dezember 2009, VIII ZR 219/08, zit. n. juris, Tz. 14 ff.; BGH Urt. v. 28. Juni 2011, XI ZR 349/10, zit. n. juris, Tz. 34).
35b)
36Die Belehrung genügt auch nicht gem. § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Musterbelehrung von dem Verwender in inhaltlicher und gestalterischer Hinsicht vollständig übernommen wird (BGH Urt. v. 18.03.2014, II ZR 109/13, zit. n. juris, Tz. 18). Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Belehrung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Die Darstellung des verbundenen Geschäfts im zweiten Satz des Absatzes „Finanzierte Geschäfte“ weicht insoweit von der Musterbelehrung ab, als dort als Voraussetzung genannt wird, dass die Bank sich bei Vorbereitung „und“ (statt „oder“) Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung des Vertragspartners bedient. Jedenfalls diese Veränderung ist nicht nur eine formale, sprachliche, sondern eine inhaltliche Veränderung von nicht unerheblichem Gewicht, welche für den Darlehensnehmer eine sachliche Einschränkung seines Widerrufsrechts bzw. der - für ihn günstigen - Möglichkeit einer wirtschaftlichen Einheit bedeutet (vgl.OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013 – 13 U 69/12, zit. n. juris, Tz. 30).
37c)
38Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, aufgrund der Umstände des Einzelfalls habe keine Fehlvorstellung der Klägerin über den Fristbeginn bestehen können. Insbesondere ist ein solches Missverständnis bei Verwendung der „Frühestens-Belehrung“ auch nicht dann ausgeschlossen, wenn die Widerrufserklärungen bei der Vertragsunterzeichung ausgehändigt werden. Abzustellen ist insoweit auf einen unbefangenen, durchschnittlichen Kunden (BGH NJW 2009, 3572). Wieso ein solcher vorliegend beim Durchlesen der Widerrufsbelehrung zwingend davon ausgehen musste, dass die Widerrufsfrist bei Aushändigung der Belehrung und gleichzeitiger Vertragsunterzeichnung sofort zu laufen begann, insbesondere, warum in dieser Situation die Verwendung des Wortes „frühestens“ nicht mehr irreführend ist, legt die Beklagte schon nicht dar. Auch bei gleichzeitiger Vertragsunterzeichnung und Aushändigung der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung darf ein verständig würdigender Verbraucher davon ausgehen, dass „frühestens“ meint, es könnten möglicherweise weitere Voraussetzungen erforderlich sein, von denen der Beginn der Widerrufsfrist abhängt, beispielsweise die Auszahlung der Darlehensvaluta oder die Stellung von Sicherheiten.
39Die Beklagte kann ferner nicht einwenden, dass die Klägerin mündlich über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei, weil der Fristbeginn den Erhalt der Belehrung in Textform voraussetzt.
40d)
41Der Ausübung des Widerrufsrechts steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht der Einwand der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Verwirkung eines Rechts ist zu bejahen, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht mehr geltend gemacht hat (Zeitmoment) und sich der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dieser werde sein vermeintliches Recht nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment), sodass ihm durch die verspätete Geltendmachung ein unzumutbarer Nachteil entstünde (Grüneberg, in: Palandt, aaO, § 242 Rn. 93, 95). Bei der Beurteilung, ob ein Recht verwirkt ist, sind die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen (OLG Köln Urt. v. 25. Januar 2012, 13 U 30/11, zit. n. Juris Tz. 22). Das Umstandsmoment setzt eine konkrete vertrauensbildende Handlung des Widerrufenden voraus. Dieser muss sich selbst widersprechen, indem er die Bank in Sicherheit wiegt und sie dann doch mit seinem Recht überfällt (vgl. Schellhammer, Schuldrecht, 8. Auflage 2011, Rn. 1223).
42Jedenfalls das erforderliche Umstandsmoment ist vorliegend nicht gegeben. Eine vollständige Darlehensrückzahlung war zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht erfolgt. Wenn das Darlehen aber im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht vollständig zurückgezahlt war und damit die Vertragspflichten noch nicht endgültig erfüllt waren, ist für eine Verwirkung regelmäßig kein Raum (vgl. OLG Köln, Beschlüsse vom 21.05.und 05.08.2013, Az. 13 U 219/12, zit. n. juris, Tz. 10). So wird ein schutzwürdiges Vertrauen nicht bereits dadurch begründet, dass der Darlehensnehmer sein Darlehen jahrelang vertragskonform bedient hat. Andernfalls wäre der Darlehensnehmer gewissermaßen gezwungen, sich vertragswidrig zu verhalten. Ebenso wenig vermag die Nachfrage nach Abschluss weiterer Darlehensverträge ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu begründen. Auch die Tatsache, dass die Klägerin ihr Widerrufsrecht aus finanziellen Gründen ausgeübt hat, rechtfertigt die Annahme der Verwirkung nicht. Das Vertrauen der Bank hängt nicht davon ab, aus welchen Gründen die Klägerin den Widerruf erklärt. Zur Nennung eines Grundes für den Widerruf ist der Darlehensnehmer nicht verpflichtet. Tut er dies dennoch, so geht dies nicht zu seinen Lasten (vgl. Duchstein, in: NJW 2015, 1409, 1411). Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Will die Bank die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile verhindern, besteht für diese jederzeit die Möglichkeit, die Widerrufsbelehrung zu wiederholen und damit die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (Grüneberg, aaO, Rn. 107).
434.
44Infolge des wirksamen Widerrufs der Klägerin ist der Darlehensvertrag gemäß den §§ 355 Abs. 1, 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 a.F. BGB rückabzuwickeln. Die jeweils empfangenen Leistungen sind zurückzugewähren. Dabei ist bei Darlehensverträgen die zurückzugewährende Leistung nicht der empfangene Darlehensbetrag, sondern gem. § 488 Abs. 1 S. 1 BGB die Überlassung von Geld auf Zeit (Staudinger/Kaiser, in: Staudinger BGB, Stand 2012, § Rn. 28; Müller-Christman, in: Beck‘ scher OnlineKommentar BGB, Stand 1. November 2014, § 357 Rn. 36). Als Gegenleistung erhält die Bank vom Verbraucher den vereinbarten Vertragszins. Bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrags sind diese Leistungen nach §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 a. F. BGB zurückzugewähren.
45a)
46Die Klägerin ist zur Zahlung der noch ausstehenden Darlehensvaluta verpflichtet, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sie bislang keine Tilgungsleistungen erbracht hat und das Darlehen daher in Höhe von 131.000 € valutiert.
47b)
48Daneben hat die Klägerin Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 BGB zu leisten, da die Rückgabe der Gebrauchsüberlassung der Darlehenssumme nicht möglich ist (Staudinger/Kaiser, in: Staudinger BGB, Stand 2012, § Rn. 289). Bei der Berechnung des Wertersatzes ist gemäß § 346 Abs. 1 S. 2 BGB die vereinbarte Gegenleistung, vorliegend also der vertraglich vereinbarte Zinssatz, zugrunde zu legen. Nur wenn der Darlehensnehmer den Nachweis erbringt, dass der Wert des Gebrauchsvorteils aus dem Darlehen niedriger ist als die vereinbarte Gegenleistung, ist gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 2. Hs. BGB Nutzungsersatz nur in Höhe des marktüblichen Zinssatzes zu leisten (BGH Urt. v. 17. März 2010, XI ZR 6/04, zit. n. juris, Tz. 20; Brandenburgisches Oberlandesgericht Urt. v. 14. Juli 2010, 4 U 141/09, zit. n. juris, Tz. 61). Die Klägerin hat indes nicht vorgetragen, dass der marktübliche Zinssatz unter dem vertraglich vereinbarten Zinssatz liegt.
49Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die geleisteten Zinszahlungen zu erstatten. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Anspruch des Darlehensnehmers auf Rückzahlung der von ihnen gezahlten Zinsen und der Anspruch der Bank auf Wertersatz für die Gebrauchsüberlassung der Darlehenssumme sich in gleicher Höhe gegenüber stehen, sofern der Darlehensnehmer – wie vorliegend – einen geringeren Wert des Gebrauchsvorteils nicht nachgewiesen hat (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 9. April 2015, zit. n. juris, Tz. 94). Somit kann die Klägerin auch nicht im Wege der Hilfsaufrechnung Verzugszinsen auf den seitens der Beklagten zu leistenden Wertersatz (Erstattung der geleisteten Zinszahlungen) verlangen.
50c)
51Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus der seitens der Beklagten vorgetragenen Zinsmarge in Höhe von 0,554 Prozentpunkten.
52aa)
53Grundsätzlich besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bei Zahlungen an eine Bank eine tatsächliche Vermutung, dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (vgl. BGH Urt. v. 10.03.2009 , XI ZR 33/08, zit. nach juris, Tz. 29; OLG Köln Urt. v. 23.01.2013, 13 U 69/12, zit. nach juris, Tz. 46). Diese Vermutung gilt jedoch jedenfalls dann nicht uneingeschränkt, wenn es sich um einen grundpfandrechtlich abgesicherten Kredit handelt (vgl. BGH Urt. v. 18.02.1992, XI ZR 134/91 zit. nach juris Tz. 14; BGH Urt. v. 19.09.2006, XI ZR 242/05, zit. nach juris, Tz. 14). Grundpfandkredite sind, werden sie zu den üblichen Konditionen abgeschlossen, regelmäßig niedriger zu verzinsen als Verbraucherkredite (vgl. BGH Urt. v. 18. Februar 1992, XI ZR 134, 91, aaO). Zudem sind die Entscheidungen des BGH zur vermuteten Höhe des Nutzungsersatzes in einer Hochzinsphase ergangen und aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus nicht mehr einschlägig. Das allgemeine Zinsniveau ist aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2008/09 deutlich gesunken. Dies kommt auch in § 503 Abs. 2 BGB zum Ausdruck, der in Abweichung vom allgemeinen Verzugszinssatz bei Immobiliarkrediten einen Zinssatz von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vorsieht. Dieser Zinssatz ist auch im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrages zu Grunde zu legen. Soweit das OLG Köln in seinem Beschluss vom 06.11.2015 (Aktenzeichen 13 U 113/15) ohne nähere Begründung von einer Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten ausgeht, teilt die Kammer diese Auffassung im Lichte der vorgenannten Ausführungen nicht; gleiches gilt hinsichtlich des Beschlusses des BGH vom 22.09.2015 (Aktenzeichen XI ZR 116/15).
54bb)
55Die wie vorstehend dargelegt bestehende Vermutung, dass sie aus den klägerseits gezahlten Zinsen Nutzungen in Höhe von 2,5 % über dem Basiszinssatz gezogen hat, hat die Beklagte widerlegt, indem sie zu ihrer konkreten Zinsmarge vorgetragen und diese mit 0,554 % benannt hat. Hiergegen hat die Klägerin keine erheblichen Einwendungen mehr erhoben. Insbesondere lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass sich aus dem Vergleich von – auf der Internetseite der Beklagten angegebenem – Kreditvolumen und Zinsüberschuss eine Marge von 2,25 bzw. 2,26 % ergeben soll. Es fehlt an jeglichem Bezug der genannten Parameter zum streitgegenständlichen Darlehen, zumal die Klägerin Nutzungsersatz für die Jahre 2008 bis 2014 verlangt, das genannte Kreditvolumen bzw. der Zinsüberschuss aber nur auf die Jahre 2013 und 2014 bezieht.
56cc)
57Mangels substantiierten Gegenvortrages der Klägerin ist der Berechnung des Nutzungsersatzes daher eine Zinsmarge der Beklagten in Höhe von 0,554 Prozentpunkten zugrunde zu legen, was 60,48 € pro Monat entspricht. Die Kammer verzinst diesen Betrag monatlich, beginnend mit dem 01.08.2008, endend mit dem 31.07.2014 (diesen Zeitraum legt auch die Klägerin ihrer Berechnung zugrunde) gemäß § 287 ZPO näherungsweise mit 2,5 % p.a., was in etwa dem mittleren Verzugszins nach § 503 Abs. 2 BGB in diesem Zeitraum entspricht. Ergebnis dieser Verzinsung ist ein Nutzungsersatz in Höhe von 331,13 €.
585.
59Mit dem von der Beklagten zu leistenden Nutzungsersatz kann die Klägerin gegen die unstreitige Darlehensrückzahlungsforderung aufrechnen, so dass sie die Freigabe der Sicherheiten Zug um Zug gegen Rückzahlung von 130.668,87 € verlangen kann.
60II.
61Die Klägerin kann nicht den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangen. Sie hat insbesondere nicht dargetan, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensverhältnisses schon in Verzug befand, als ihre Bevollmächtigten erstmals mit Schreiben 15.08.2014 an diese herangetreten sind und damit die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgelöst haben.
62III.
63Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO. Die Kammer berücksichtigt dabei, dass die Klägerin teilweise unterliegt, soweit sie ohne Erfolg die Aufrechnung mit einer Forderung auf Nutzungsersatz in Höhe von 7.402,64 € erklärt hat.
64IV.
65Der Streitwert beträgt 131.000 €.
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Referenzen
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- 13 U 69/12 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 13 Verbraucher 1x
- VIII ZR 219/08 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 6/04 1x (nicht zugeordnet)
- 13 U 113/15 1x (nicht zugeordnet)
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- BGB § 14 Unternehmer 1x
- BGB § 495 Widerrufsrecht; Bedenkzeit 1x
- Beschluss vom Oberlandesgericht Köln - 13 U 219/12 1x
- II ZR 109/13 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 13 U 30/11 1x
- BGB § 346 Wirkungen des Rücktritts 2x
- XI ZR 116/15 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 134/91 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
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- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
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