Teilurteil vom Landgericht Köln - 12 O 52/21
Tenor
Die Klage wird hinsichtlich des Auskunftsantrages zu 1) abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger nach Widerspruch gegen das Zustandekommen von drei Versicherungsverträgen zustehenden Ansprüche. Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft, ggf. Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und ggf. Zahlung, sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
3Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ab dem 01.11.2000 die Kapitallebensversicherung mit der Nummer ######## (vgl. Anlage DB3a), ebenfalls ab dem 01.11.2000 die Kapitallebensversicherung mit der Nummer ######## (vgl. Anlage DB3b) und ab dem 01.11.1996 die Lebensversicherung mit der Nummer #### (vgl. Anlage DB3c). Zu allen drei Verträgen erhielt der Kläger keine ordnungsgemäße Belehrung über sein jeweiliges Widerspruchsrecht. Mit Schreiben vom 13.05.2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen aller drei Verträge (vgl. Anlage DB4). Mit Schreiben vom 15. und 23.06.2020 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem mit, dass die Verträge ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgerechnet werden und die jeweilige Berechnung des Widerspruchswertes in Auftrag gegeben sei (vgl. Anlagen DB5a, 5b, 5c). Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 18.09.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Bestätigung des Widerspruchs und zur Erteilung von Auskünften auf (vgl. Anlage DB6). Mit Schreiben vom 20.11.2020 berechnete die Beklagte den Widerspruchswert der Verträge zum 15.05.2020 (Eingang des Widerspruchs) unter Nennung der jeweils eingezahlten Beiträge, abzüglich des Wertes der Aktien aus der Demutualisierung, abzüglich Risikokosten, zuzüglich Nutzungen und Gewinnmarge aus der Kapitalanlage sowie zuzüglich Verzugszinsen (vgl. Anlagen DB 7a, 7b, 7c). Die sich daraus ergebenden Beträge von 00.000,00 € für den Vertrag Nummer ########, 00.000,00 € für den Vertrag Nummer ######## und 00.000,00 € für den Vertrag Nummer #### zahlte die Beklagte in der Folge an den Kläger aus.
4Mit Klageerwiderung vom 19.04.2021 teilte die Beklagte zu jedem Vertrag die eingezahlten Beiträge, die jeweiligen Risikokosten, die Werte der Aktien, die der Kläger im Rahmen der Versicherungsvertragsverhältnisse erhalten hat, und die ihrerseits erwirtschafteten Nutzungen mit (vgl. Bl. 297 ff. d.A.). Auf Hinweis des Gerichts vom 01.10.2021 teilte die Beklagte darüber hinaus mit Schriftsatz vom 22.10.2021 zu allen drei Verträgen die jeweiligen Abschluss- und Verwaltungskosten sowie die jeweiligen Sparanteile mit (vgl. Bl. 365 f. d.A.).
5Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Angaben der Beklagten. Insbesondere die Verwaltungs- und Abschlusskosten seien überhöht angesetzt. Er behauptet, ihm stünde ein weiterer Nutzungsersatz hinsichtlich aller drei Verträge gegen die Beklagte zu.
6Der Kläger hat mit Klageschrift vom 28.01.2021 zunächst in Aussicht gestellt, zusätzlich zu den unten genannten Anträgen zu beantragen, festzustellen (als Zwischenfeststellungsklage), dass dem Zustandekommen des Verträge mit den Nummern #######, ######## und #### zwischen dem Kläger und der Beklagten wirksam widersprochen wurde. Mit Schriftsatz vom 18.05.2021 hat der Kläger diesen Feststellungsantrag zurückgenommen und beantragt nunmehr im Rahmen einer Stufenklage,
71. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger bezüglich der unter 1. genannten Versicherungsverträge geordnet Auskunft darüber zu erteilen:
8a) auf welche einzelnen Bestandteile (wie z.B. Verwaltungskosten, Abschlusskosten, Risikokosten, Sparbetrag der für den Kläger angelegt wurde) die von dem Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile (absolut oder prozentual) sind,
9b) soweit die Aufteilung auf die einzelnen Bestandteile nicht über die gesamte Prämienzahlungszeitraum gleich blieben, mitzuteilen, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung (absolut oder prozentual) stattfand,
10c) wann welche Anteile der gezahlten Prämien (Kosten) abgeflossen – also nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden waren – sind und wohin diese abflossen,
11d) wie die nicht oder noch nicht abgeflossenen Anteile der gezahlten Prämien in der gesamten Zeit in welcher diese Anteile im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beiträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete,
12e) welche eigenen Gelder aufgrund des Erhalts der Prämien eingespart wurden in der gesamten Zeit, in welcher die Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen – nach Zeitraum aufgeschlüsselt – erwirtschaftete;
132. die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern;
143. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger alle gezahlten Prämien abzüglich bereits ausgezahlter Beträge und abzüglich der tatsächlich angefallenen Risikokosten und zuzüglich tatsächlich gezogener Nutzungen (deren Höhe erst nach erfolgter Auskunft berechnet werden kann) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
154. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.069,21 € freizustellen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Stufenklage ist zulässig (§ 254 ZPO), der Auskunftsanspruch auf der ersten Stufe ist aber unbegründet.
21Soweit der Auskunftsanspruch bestand, ist dieser durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
22Damit ein Versicherungsnehmer seinen Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB nach erfolgreichem Widerspruch durchzusetzen vermag, kann sich für ihn ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB ergeben. Hiernach trifft den Schuldner ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.
23Umfang und Inhalt der zu erteilenden Auskunft richten sich danach, welche Informationen der Berechtigte benötigt, um seinen Anspruch geltend machen zu können, soweit dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder andere Grenzen entgegenstehen. Der Auskunftsanspruch umfasst hierbei grundsätzlich nicht die Verpflichtung zur Vorlage der fiktiven versicherungstechnischen Bilanzen oder anderer Geschäftsunterlagen und auch kein Einsichtsrecht. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dabei sind sowohl die Art und Schwere der Rechtsverletzung als auch die beiderseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten angemessen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 11.02.2015 - IV ZR 213/14, juris Rn. 24; BGH, Urt. v. 24.03.2010 - IV ZR 296/07, VersR 2010, 656 Rn. 29 f. m.w.N.). Die Auskunftsansprüche dürfen dabei inhaltlich nicht auf eine vom Versicherer nicht geschuldete Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB hinauslaufen.
24Der Kläger verlangt hier zur Berechnung seiner Ansprüche Auskunft in Form zahlreicher Einzelangaben, die inhaltlich weitgehend auf eine vom Versicherer nicht geschuldete Rechnungslegung hinauslaufen. Er verlangt unter Anderem monatsgenaue Auskünfte hinsichtlich der Verwendung der von ihm gezahlten Versicherungsbeiträge über den gesamten Vertragszeitraum. Außerdem verlangt er Auskunft darüber, welche ersparten Aufwendungen die Beklagte dadurch hatte, dass sich die Versicherungsprämien des Klägers im Vermögen der Beklagten befanden. Auch hier fordert er Auskunft über die konkrete Verwendung über den gesamten Vertragszeitraum. Auch die jeweils gezogene Nutzungen der Beklagten aus den einzelnen Beträgen soll nach Zeitraum aufgeschlüsselt dargestellt werden. Das geht weit über die Angaben hinaus, die der Kläger nach der Rechtsprechung der Kammer, der Obergerichte und des Bundesgerichtshofs zur Berechnung und Bezifferung seiner Ansprüche benötigt. Gleichzeitig würden die Auskünfte dem Kläger einen detaillierten Einblick in die Geschäftsabläufe, die Versicherungsberechnung und die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten über den gesamten Versicherungszeitraum ermöglichen. Die Beklagte hat, auch als im Wettbewerb mit anderen Versicherungsunternehmen stehende Unternehmerin, ein berechtigtes Interesse daran, dass diese Informationen außerhalb der internen Organisation der Beklagten unbekannt bleiben. Es handelt sich teilweise um Geschäftsgeheimnisse und teilweise um Informationen, aus denen auf Geschäftsgeheimnisse geschlossen werden könnte.
25Die hier notwendige Interessenabwägung zwischen den Parteien führt deshalb jedenfalls nach den zuletzt erteilten Auskünften der Beklagten dazu, dass von einem über die erteilten Auskünfte hinausgehenden Auskunftsanspruch des Klägers nicht ausgegangen werden kann. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, weshalb er mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen, namentlich der Höhe der gezahlten Prämien, der von der Beklagten vorgenommenen Risikoabschläge, der Aktienwerte, der Abschluss- und Verwaltungskosten, der Sparanteile, der von der Beklagten gezogenen Nutzungen aus den Sparanteilen und der Gewinnmargen nicht in der Lage sein soll, seinen auf dritter Stufe der streitgegenständlichen Stufenklage angekündigten Leistungsantrag zu berechnen und zu beziffern.
26Soweit der Kläger die inhaltliche Richtigkeit der erteilten Auskünfte bezweifelt, rügt er damit etwaige materielle Mängel der Auskunft, die auf die Erfüllung des Auskunftsanspruchs an sich keine Auswirkungen haben. Ist die erteilte Auskunft nach Ansicht des Anspruchsberechtigten unvollständig oder unrichtig, so kann er grundsätzlich nicht Ergänzung verlangen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen die Versicherung an Eides statt.
27Eine Entscheidung über die weiteren Anträge der Stufenklage kommt vorliegend noch nicht in Betracht. Im Falle einer Stufenklage darf das Gericht grundsätzlich zunächst nur über den Auskunftsanspruch (hier: Klageantrag Ziff. 1) verhandeln und durch Teilurteil hierüber entscheiden. Eine Entscheidung über den auf der letzten Stufe der Klage verfolgten Anspruch ist grundsätzlich nicht zulässig (BGH NJW-RR 2011, 189, 191). Eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge kommt nur dann in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 2002, 1042, 1043; BGH NJW 1985, 2405, 2407). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
28Der Kläger hat bezüglich der streitgegenständlichen Versicherungsverträge dem Grunde nach einen Anspruch auf Rückabwicklung. Vorliegend ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger nach Abweisung des Auskunftsanspruchs den Zahlungsantrag beziffern wird. Sein Auskunftsbegehren diente nicht dem Zweck, den Anspruch überhaupt erst zu begründen, sondern lediglich der Gewinnung zusätzlicher Anhaltspunkte für seine Bemessung (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.1981 - I ZR 34/79 -, NJW 1982, 235, juris-Rz. 49), um den bislang unbezifferten Leistungsantrag zu beziffern. Bei dieser Sachlage musste und muss dem Kläger vorbehalten bleiben, nach Abweisung der Auskunftsklage seinen Leistungsantrag mit Hilfe der ihm zugänglichen Erkenntnisse zu begründen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.08.1999 - 1 U 1004/98 -, NJW-RR 2000, 229, juris-Rz. 39). Darüber hinaus muss ihm - sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen - auch die Möglichkeit eröffnet sein, die Richtigkeit der Auskunft überprüfen zu lassen, wozu der Antrag zu 2), der auf die Versicherung der Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides Statt gerichtet ist, dienen kann (vgl. OLG Köln, Urteil vom 11.02.2022 – 20 U 107/21 –, Rn. 71 - 75, juris).
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Referenzen
- IV ZR 213/14 1x (nicht zugeordnet)
- 1 U 1004/98 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 812 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- 20 U 107/21 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 296/07 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 254 Stufenklage 1x
- I ZR 34/79 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 259 Umfang der Rechenschaftspflicht 1x
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x