Urteil vom Landgericht Krefeld - 3 O 234/12
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 5.497,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2011 sowie weitere 459,40 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu 85 % und die Klägerin zu 15 % zu tragen. Die durch die Verweisung des Rechtsstreits vom Amtsgericht Kempen an das Landgericht Krefeld entstandenen Kosten hat die Klägerin allein zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
1
Tatbestand
2Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.08.2011.
3An diesem Tag befuhr der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Fahrzeug der Klägerin, amtliches Kennzeichen XFT-FE 670, die Straße I. in Richtung E-Straße. Der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem Pkw, amtliches Kennzeichen WJF-EN 747, welcher zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, die Straße I. 1-16 und beabsichtigte nach rechts abzubiegen. Die Sicht war für ihn wie für den Fahrer des Klägerfahrzeugs durch eine Hecke eingeschränkt. In dem Einmündungsbereich der Kreuzung kollidierte das vom Beklagten zu 1) geführte Fahrzeug mit dem von rechts kommenden, geradeaus fahrenden Fahrzeug der Klägerin.
4Die Klägerin ließ den an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden begutachten. Für die Begutachtung durch den Kfz-Sachverständigen Q., der voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 10.200,65 € sowie eine verbleibende Wertminderung des Fahrzeugs von 2.200,00 € ermittelte, zahlte sie 643,00 € netto. Unter Berücksichtigung einer Kostenpauschale von 25,00 € zahlte die Beklagte zu 2) 8.625,31 € an die Klägerin, was einer Haftungsquote von 66 % entspricht. Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug reparieren und zahlte für die Reparatur 10.340,18 € netto.
5Nach dem Unfall mietete die Klägerin bei der Fa. U. GmbH & Co. KG in der Zeit von 18.08.2011 bis zum 05.09.2011 einen Ersatzwagen an. Hierfür stellte die Fa. U. GmbH & Co. KG am 05.09.2011 2.698,74 € netto in Rechnung. Die Klägerin trat ihre Ansprüche gegen die Beklagten aus dem Unfallereignis in Höhe der Ersatzwagenkosten sicherungshalber an die Firma U. GmbH & Co. KG ab. Auf die Mietwagenkosten zahlte die Beklagte zu 2) 779,46 € an die Fa. U. GmbH & Co. KG. Weitere 914,30 € zahlte die Klägerin nach Zahlungsaufforderung der Fa. U. GmbH & Co. KG.
6Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin weitere 6.502,15 € (davon weitere Mietwagenkosten in Höhe von 1.919,28 €) sowie die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung.
7Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) sei ohne auf den Verkehr zu achten nach rechts in die Straße I. 17-29 abgebogen und habe dabei das von rechts kommende und geradeaus fahrende Klägerfahrzeug übersehen. Sie ist der Ansicht, die Beklagten hätten den Schaden wegen der Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) vollumfänglich zu ersetzen; darüber hinaus seien auch die weiteren Mietwagenkosten zu erstatten.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.502,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2011 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 507,50 € zu zahlen.
10Die Beklagten beantragten,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagten treten der Klage entgegen und wenden ein, die Klägerin müsse sich zurechnen lassen, dass ihr Geschäftsführer mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Sie sind der Ansicht, die Klägerin treffe ein Mitverursachungsanteil von 1/3. Bezüglich der noch ausstehenden Mietwagenkosten sei die Klägerin sei wegen der Abtretungserklärung vom 18.08.2011 nicht mehr Anspruchsinhaberin. Im Übrigen hätte die Klägerin den Ausfall des Fahrzeugs aus ihrem Fahrzeugpool auffangen oder jedenfalls ein wesentlich günstigeres Kfz als Ersatzfahrzeug anmieten können. Für den überschießenden Restbetrag fehle es insoweit an der Erforderlichkeit und Angemessenheit.
13Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. X. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.11.2012 (Bl. 90 ff., 93 ff. GA) sowie das Gutachten von Dipl.-Ing. I. K. vom 13.05.2013 (Bl. 132 ff. GA) Bezug genommen.
14Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet.
17I.
18Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG und § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 421 BGB dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch auf Ausgleich der ihr durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 15.08.2011 entstandenen Schäden zu.
191. Die Klägerin und der Beklagte zu 1) haften für den bei dem Betrieb ihrer Fahrzeuge eingetretenen Schaden dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG.
20a) Den Parteien ist der ihnen jeweils obliegende Beweis, dass der Unfall für sie unabwendbar i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG war, nicht gelungen. Ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Vorschrift liegt nur dann vor, wenn selbst ein idealtypischer Fahrer, bei Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht den Unfall nicht hätte verhindern können. Ein Unfallbeteiligter kann sich nur auf die Unabwendbarkeit des Unfalls berufen, wenn er sich wie ein solcher „Idealfahrer“ verhalten hat (BGH, Urteil v. 13.12.2005, VI ZR 68/04, NJW 2006, 896, Rn. 21). Daran fehlt es hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen Zweifel daran, dass ein Idealfahrer anstelle des jeweiligen Fahrzeugführers den Unfall nicht hätte vermeiden können. Für den Geschäftsführer der Klägerin war der Unfall nicht i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar, da nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass dieser im Unfallzeitpunkt mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Die Möglichkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Geschäftsführer in seiner persönlichen Anhörung selbst eingeräumt und angegeben, an dem Tag vielleicht 40 km/h gefahren zu sein. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wird im Übrigen auch durch das gerichtlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Jarre bestätigt. Danach betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des Klägerfahrzeugs 40 bis 53 km/h. Auf Seiten des Beklagten zu 1) ist schon wegen dessen Vorfahrtsverletzung nicht von einem idealtypischen Fahrverhalten auszugehen.
21b) Steht somit die grundsätzliche Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einem oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung ist auf Grund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen (vgl. BGH, Urteil v. 26.04.2005, VI ZR 228/03 NJW 2005, 1940) Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH, Urteil v. 07.02.2012, VI ZR 133/11, NJW 2012, 1953; BGH, Urteil v. 20.09.2011, VI ZR 282/10, NJW-RR 2012, 157).
22Die Abwägung führt hier zu einer Alleinhaftung der Beklagten.
23aa) Zwar kann ein erhebliches Zuschnellfahren des Vorfahrtsberechtigten dessen Mithaftung begründen, allerdings nur, sofern es für den Schaden mitursächlich ist (vgl. Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 8 StVO Rn. 69a). Ob eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten führt, hängt damit entscheidend davon ab, ob sich der Vorfahrtsberechtigte durch die Geschwindigkeitsüberschreitung außerstande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren, ob also der Unfall unter Berücksichtigung einer angemessenen Reaktionszeit bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte vermieden werden können (KG, Urteil vom 29.04.2004, 12 U 140/03, juris). Dabei kann ein späterer Unfall einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht allein schon deshalb zugerechnet werden, weil das Fahrzeug bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit erst später an die Unfallstelle gelangt wäre, vielmehr muss sich in dem Unfall gerade die auf das zu schnelle Fahren zurückzuführende erhöhte Gefahrenlage aktualisieren (BGH, Urteil vom 25.03.2003, VI ZR 161/02, NJW 2003, 1929). Das lässt sich hier nicht feststellen.
24Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. vom 13.05.2013 gibt es eindeutige Zusammenhänge, ab wann eine Gefahrenerkennung vorlag, hier nicht. Der Sachverständige kommt vielmehr nachvollziehbar zu dem Schluss, dass das Beklagtenfahrzeug für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auch erst etwa 1 Sekunde vor der Kollision erkennbar gewesen sein kann, etwa wenn der Beklagte zu 1) mit 15 km/h ohne anzuhalten um die Kurve gefahren ist oder nicht bzw. zumindest weiter zurück angehalten hat. Dann wäre der Unfall nach den überzeugenden Darlegungen im Gutachten auch bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h für den Fahrer im Klägerfahrzeug nicht vermeidbar gewesen, da nach Ablauf einer üblichen Reaktionsdauer von 1 Sekunde in dem Fall keine Zeit mehr für eine erfolgreiche Abwehrhandlung verblieben wäre.
25bb) Demgegenüber spricht für einen schuldhaften Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1) angesichts des Unfallhergangs der Beweis des ersten Anscheins, den die Beklagten nicht erschüttert haben.
26Der Beklagte zu 1) hatte dem Geschäftsführer der Klägerin als Fahrer des klägerischen Fahrzeugs die Vorfahrt nach § 8 Abs. 1 S. 1 StVO zu gewähren und musste insoweit die Sorgfaltspflichten nach § 8 Abs. 2 StVO beachten. Der nach § 8 StVO geschützte Vorfahrtsbereich erstreckt sich auf die gesamte Kreuzungsfläche (vgl. etwa KG, Urteil v. 21.06.2001, 12 U 1147/00, NZV 2002, 79; weitere Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 8 StVO, Rn. 28 m.w.N.). In diesem Bereich darf der Vorfahrtberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Vorfahrtsrecht von dem Wartepflichtigen beachtet wird. Dieser Vertrauensgrundsatz gilt auch gegenüber zunächst nicht sichtbaren Verkehrsteilnehmern. Diesen Anscheinsbeweis haben die Beklagten nicht erschüttert oder widerlegt. Sie haben insbesondere den ihnen obliegenden Nachweis von Tatsachen, aus denen sich die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt, nicht zu erbringen vermocht. Zwar kann der Anscheinsbeweis dadurch erschüttert werden, dass Tatsachen nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass zum Zeitpunkt des Beginns des Abbiegevorgangs der Vorfahrtsberechtigte sich noch außerhalb der Sichtweite des Wartepflichtigen befunden hat (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil v. 12.10.2010, 4 U 110/10-34, 4 U 110/10, BeckRS 2010, 25380) oder noch so weit entfernt war, dass die glatte Durchfahrt des Bevorrechtigten nicht beeinträchtigt und dieser auch nicht etwa wegen der drohenden Möglichkeit eines Zusammenstoßes in Verwirrung gebracht, zu Ausgleichsbewegungen oder gar unsachgemäßem Verhalten genötigt wurde (vgl. BGH, Urteil v. 26.04.1957, VI ZR 88/56, NJW 1957, 1190). Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Denn es ist schon nicht mehr sicher nachzuvollziehen oder durch das eingeholte Gutachten bestätigt, dass das klägerische Fahrzeug sich zum Beginn des Abbiegens außerhalb der Sichtweite des Beklagten zu 1) oder in einer Entfernung befunden hat, die es dem Beklagten zu 1) erlaubt hätte, gefahrlos in die Vorfahrtsstraße einzubiegen.
27Der Verstoß eines Wartepflichtigen gegen § 8 StVO begründet regelmäßig - wie auch hier - die alleinige Haftung des Schädigers (vgl. etwa KG, Beschluss v. 28.01.2010, 12 U 40/09, NZV 2010, 511). Gegenüber der durch die Missachtung der Vorfahrt erheblich gesteigerten Betriebsgefahr auf Seiten des Beklagten zu 1) tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin in vollem Umfang zurück.
28II.
29Hinsichtlich der Schadensposition, die die Klägerin von den Beklagten ersetzt verlangen kann, gilt Folgendes:
301. In Bezug auf die unstreitigen Positionen ergibt sich unter Zugrundelegung der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 4.582,87 €, der sich aus den Reparaturkosten in Höhe von 10.340,18 €, der verbleibenden Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 2.200,00 € sowie den Gutachterkosten von 643,00 € netto nebst Unkostenpauschale von 25,00 € abzüglich des bereits gezahlten Betrags in Höhe von 8.625,31 € zusammensetzt.
312. Die Klägerin kann von den Beklagten zudem Mietwagenkosten in Höhe von 914,30 € verlangen.
32Die Klägerin hat ausweislich des Mietvertrags vom 05.09.2011 bei der Fa. Q. GmbH & Co. KG das Fahrzeug Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen XFT-FE 670, zum Miettarif von 1.977,58 € netto zuzüglich Haftungsbefreiung von 412,87 € netto sowie weiterer Kosten für die Zustellung und Abholung, eine Anhängerkuppelung und ein Navigationsgerät angemietet.
33a) Nachdem die Beklagte zu 2) vorprozessual eine Teilzahlung in Höhe von 779,46 € an die Fa. Q. GmbH & Co. KG erbracht hat, kann die Klägerin noch 914,30 € von den Beklagten beanspruchen. Denn nur in dieser Höhe hat sie dargetan, dass sie aktivlegimiert ist. Die Klägerin hat ihre Ansprüche an die Fa. Q. GmbH & Co. KG sicherheitshalber abgetreten. Soweit sie nunmehr nach Aufforderung des Mietwagenunternehmens selbst eine Teilzahlung von 914,30 € erbracht hat, ist der Anspruch (auch nur) insoweit wieder auf sie übergegangen.
34b) Der Anspruch auf Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von weiteren 914,30 € ist auch begründet.
35aa) Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer den Geldbetrag als Schadensersatz verlangen, der zur Wiederherstellung des Zustands erforderlich ist, der vor dem schädigenden Unfallereignis bestanden hat. Hierzu gehört auch der Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten. Objektiv erforderlich sind nur diejenigen Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. etwa BGH, Urteil v. 12.04.2011, VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947). Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Anspruch ist hier nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagten – ohnehin nur pauschal – behaupten, die Klägerin hätte den Ausfall des Fahrzeugs durch weitere Fahrzeuge aus ihrem Fahrzeugpool auffangen können, was diese in Abrede stellt. Der Geschädigte verstößt auch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die Besonderheiten der Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Dabei ist der Normaltarif der Tarif, der für den Selbstzahler Anwendung findet und unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (etwa BGH, Urteil v. 12.04.2011, VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947). Inwieweit besondere Leistungen der Unfallsituation einen höheren Preis rechtfertigen, ist gemäß § 287 ZPO im Zweifel zu schätzen. Dabei müssen die Kalkulationsgrundlagen des Autovermietungsunternehmens nicht im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachvollzogen werden; ausreichend ist die Prüfung, ob etwaige Mehrkosten und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt (BGH, Urteil v. 19.01.2010, VI ZR 112/09, NJW-RR 2010, 679, Rn. 5).
36bb) Hier liegt der von der Fa. Q. GmbH & Co. KG in Rechnung gestellte Betrag unterhalb des auf der Grundlage des für den vorliegenden Anmietzeitraum maßgebenden Schwacke-Liste 2011 ermittelten Betrages in Bezug auf den Normaltarif, der den Mindestbetrag der dem Geschädigten zu ersetzenden Mietwagenkosten darstellt (OLG Köln, Urteil v. 02.03.2007, 19 U 181/06, NZV 2007, 199; OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.05.2000, 1 U 172/99, NZV 2000, 366).
37(1) Dieser Normaltarif kann hier – in Ausübung des nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens – auf der Grundlage des gewichtigen Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels für den jeweiligen Postleitzahlbereich ermittelt werden (BGH, Urteil v. 26.06.2007, VI ZR 163/06, NJW 2007, 2916; Urteil v. 30.01.2007, VI ZR 99/06, NJW 2007, 1124). Der Schwacke-Mietpreisspiegel stellt für diese Schadensschätzung entgegen der Auffassung der Beklagten eine geeignete Grundlage dar; zuletzt ist die Geeignetheit auch erneut höchstrichterlich durch die Urteile des BGH vom 18.12.2012 (VI ZR 316/11, NJW 2013, 1539, Rn. 10) und vom 27.03.2012 (IV ZR 40/10, juris, Rn. 10) bestätigt worden (vgl. zur Praxis des OLG Düsseldorf Scholten in: DAR 2014, 72, 73).
38Das Gericht hat hier keine Veranlassung, statt des Schwacke-Mietpreisspiegels eine andere Schätzgrundlage, insbesondere die Erhebung des Frauenhofer-Instituts zu den Mietwagenpreisen, zugrunde zu legen. Denn die Eignung von Listen und Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil v. 11.03.2008, VI ZR 164/07, juris). Die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels begegnet nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (BGH, VI ZR 316/11, NJW 2013, 1539).
39Dies ist hier indes nicht erfolgt, weshalb es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bedarf. Die von den Beklagten vorgelegten Internetauszüge stellen keine geeigneten Vergleichsangebote dar. Es handelt sich vielmehr um im Nachhinein für einen späteren Zeitraum allgemein abgefragte Daten für Mietwagenverträge der Firmen F., B. und T. Dabei lässt sich den vorgelegten Angebote, darunter auch das der Fa. Q. GmbH & Co. KG, bereits nicht entnehmen, ob die dortigen Mietofferten bzw. Empfehlungen im Falle einer reellen, kurzfristigen Mietanfrage ab dem 18.08.2011 tatsächlich verfügbar gewesen wären; bei einem Angebot wird auch ausdrücklich auf die „geringe Verfügbarkeit“ hingewiesen. Des Weiteren findet bei den Internetangeboten keine Berücksichtigung, dass in dem Fall einer Anmietung nach dem Unfall das tatsächliche Mietende noch ungewiss war. Die Anmietung bei der Firma B. wäre bei einer Anmietstation in E. erfolgt, während die Klägerin tatsächlich in N. angemietet hat. Da es für die Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten auf die konkrete Anmietsituation und die konkreten örtlichen Verhältnisse ankommt, ist der eine Anmietung in E. betreffender Screenshot der Firma B. schon deshalb ungeeignet, weil er einen anderen Anmietort beinhaltet. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.08.2011 (Urteil v. 18.08.2011, 7 U 109/11, NZV 2011, 556) zu berücksichtigen, dass die Schwacke-Liste verschiedene Fahrzeuge zu Preisgruppen zusammenfasst, wobei die Eingruppierung nicht nur nach Herstellern und Fahrzeug-Modellen erfolgt, sondern auch innerhalb desselben Fahrzeugmodels nach dessen Motorisierung differiert und sich bereits von daher aus dem Fahrzeugmodell selbst noch nicht auf die jeweilige Fahrzeuggruppe schließen lässt. Die gebotene Vergleichbarkeit ist auch ferner deshalb nicht gegeben, weil es sich bei den von der Beklagten vorgelegten Internetangeboten lediglich um die beispielhafte Benennung eines Fahrzeugmodells handelt. Damit ist schon nicht sichergestellt, dass das beispielhaft angebotene Fahrzeug dem Mieter auch zur Verfügung gestellt wird und damit dem vom Mieter tatsächlich angemieteten Fahrzeug vergleichbar ist. Weiter lassen sich den vorgelegten Internet-Angeboten der Beklagten nicht die Kosten entnehmen, die sich bei Zusatzleistungen für Sonderausstattungen ergeben. Da diese Kosten aber sehr variabel sein können, kommt es für die Frage, ob diese Angebote tatsächlich günstiger sind, als die Schwacke-Liste, auf das konkrete Endergebnis des Mietpreises an. Daran fehlt es hier ebenfalls. Die vorgelegten Internetauszüge bieten damit keinen ausreichenden Anhalt dafür, dass die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten nicht erforderlich waren.
40Die beklagtenseits in Bezug genommenen Urteile des Bundesgerichtshofes geben keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 18.12.2012 (VI ZR 316/11, NJW 2013, 1539) ausdrücklich an seinen oben zitierten Grundsätzen festgehalten. Soweit er gleichwohl das Berufungsurteil aufgehoben hat, resultierte dies ausweislich der Entscheidungsgründe darauf, dass sich das Berufungsgericht mit dem Sachvortrag der Beklagten zu günstigeren Alternativangeboten nicht näher auseinandergesetzt hat. Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass allein die Vorlage allgemeiner nachträglicher Internetofferten, die die konkrete Situation des Geschädigten im Anmietungszeitpunkt nicht widerspiegeln, ausreichen würde, um die Geeignetheit der Schätzgrundlage nach Schwacke hinreichend in Zweifel zu ziehen.
41(2) Auf Grundlage der für den vorliegenden Anmietzeitraum maßgebenden Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 sind der Klägerin nach alledem zutreffend Mietwagenkosten in Höhe von weiteren 914,30 € zuzusprechen. Angesichts der Mietdauer von 19 Tagen ist von dem Mittelwert der Wochenpauschale für die Anmietung eines Fahrzeugs der Gruppe 8 für den hier zu berücksichtigenden Postleitzahlenbereich 474 auszugehen. Von dem Betrag von (950,00 € : 7 x 19 Tage =) 2.578,57 € muss sich die Klägerin ersparte Eigenaufwendungen, die hier mit 10 % zu bemessen sind, anrechnen lassen. Der so ermittelte Betrag in Höhe von 2.320,70 € liegt unter dem Betrag, den die Fa. Q. GmbH & Co. KG in Höhe von 1.977,58 € in Rechnung gestellt hat. Dasselbe gilt auch für die in der Rechnung enthaltenen Nebenkosten, die jeweils weniger betragen als in der Nebenkostentabelle von Schwacke angeben. Dabei sind hier auch die Kosten für die Haftungsbefreiung sowie die Zustellung und Abholung, nicht jedoch auch die Kosten für die Anhängerkuppelung und das Navigationsgerät erstattungsfähig, da hinsichtlich der Anhängerkuppelung und des Navigationsgeräts konkreter Vortrag der Klägerin dazu fehlt, dass sie adäquate Schadensfolgen darstellen.
423. Die Klägerin kann von den Beklagten unter dem Gesichtsunkt des Schuldnerverzugs schließlich Ersatz der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Verzugszinsen auf die Hauptforderung sowie unter Berücksichtigung eines Gegenstandswertes von (nur) 5.497,17 € anteilig vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von (338,00 € x 1,3 + 20,00 € =) 459,40 € verlangen.
43III.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, 281 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45Streitwert: 6.502,15 €
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