Beschluss vom Landgericht Magdeburg (7. Zivilkammer) - 7 O 1468/14

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 22.10.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf die Stufe bis 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin macht gegenüber der Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch im Rahmen eines Konzessionsvergabeverfahrens für die Wegebenutzung und Gasversorgung der Ortschaft Gr. R. geltend.

2

Die Antragstellerin hat in den vergangenen 20 Jahren die Gasversorgung mit Flüssiggas über ein Leitungssystem, das an ein zentrales Tanklager angebunden ist, in Gr. R. übernommen. Der Antragstellerin war dafür unter anderem das ausschließliche Recht eingeräumt, die öffentlichen Wege im Versorgungsgebiet zu nutzen. Vertragsende ist der 31.10.2014.

3

Mit Schreiben vom 29.10.2012, auf das als Anlage AST5 Bezug genommen wird, informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass sie analog § 46 Abs. 3 Satz 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) für die Ortschaft Gr. R. die Beendigung des Gasversorgungsvertrages und des Wegebenutzungsvertrages im Bundesanzeiger veröffentlichen werde. Gleichzeitig forderte sie die Antragstellerin auf, Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Gasversorgungsnetzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen der Neuvergabe der Konzession erforderlich seien.

4

Die entsprechende Vorschrift in § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG lautet wie folgt:

5

"Der bisherige Nutzungsberechtigte ist verpflichtet, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung der Gemeinde nach Absatz 3 diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Verfahrens nach Satz 1 erforderlich sind."

6

Mit Schreiben vom 27.11.2012 (Anlage AST6) lehnte die Antragstellerin die Auskunftserteilung ab. Zur Begründung teilte sie mit, dass § 46 EnWG ihrer Meinung auf Flüssiggasleitungsnetze nicht anwendbar sei. Auf der anderen Seite war die Antragstellerin weiterhin an dem Betrieb des Leitungsnetzes interessiert und verhandelte diesbezüglich mit der Antragsgegnerin. In der Folgezeit stritten die Parteien auch außergerichtlich über eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Informationserteilung. Die Antragstellerin ließ sich jedoch nicht von ihrer Auffassung abbringen, dass sie zur Informationserteilung nicht verpflichtet sei und teilte der Antragsgegnerin die Netzdaten bis zum heutigen Tag nicht mit.

7

Im April 2014 leitete die Antragsgegnerin ein Verfahren zur Neuvergabe des Wegenutzungsvertrages und der Gasversorgung für die Ortschaft Gr. R. ein und veröffentlichte die Informationen im Elektronischen Bundesanzeiger. In dem Informations- und Vergabeverfahren fehlten jegliche Informationen zur technischen und wirtschaftlichen Situation der Gasversorgungsanlage.

8

In der Folgezeit bewarb sich die Antragstellerin für den Abschluss eines neuen Wegenutzungs- und Gasversorgungsvertrages und gab am 04.09.2014 ein verbindliches Angebot ab. Mit Schreiben vom 07.10.2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Angebot des Konkurrenten E. M. GmbH die höchste Punktzahl in der Bewertung der Angebote erreicht habe und der Stadtrat am 02.10.2014 beschlossen habe, mit der E. M. GmbH den Vertrag abzuschließen.

9

Mit Schreiben vom 17.10.2014 wies die Antragstellerin die Antragsgegnerin darauf hin, dass ihrer Meinung nach das Verfahren zur Neuvergabe fehlerhaft und damit der beabsichtigte Vertragsabschluss mit der E. M. GmbH rechtswidrig und nichtig wäre. Die Antragstellerin ist insoweit der Rechtsauffassung, dass das Vergabeverfahren deshalb fehlerhaft sei, weil die Antragsgegnerin den Bewerbern die erforderlichen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes nicht zur Verfügung gestellt habe. Damit sei kein diskriminierungsfreies und transparentes Verfahren gewährleistet. Die Antragsgegnerin habe sich insbesondere nicht an die Vorschriften des § 46 Abs. 2 EnWG gehalten.

10

Mit Schriftsatz vom 22.10.2014, eingegangen bei Gericht am 23.10.2014, stellte die Antragstellerin deswegen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit folgendem Inhalt:

11

Der Antragsgegnerin wird es bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, dem Bürgermeister J. St., untersagt,

12

das Angebot der E. M. GmbH über die Gasversorgung der Stadt B., Ortsteil Gr. R. zu bezuschlagen und einen neuen Wegebenutzungsvertrag für die Gasversorgung mit der E. M. GmbH abzuschließen, wie dies der Stadtrat der Antragsgegnerin am 2. Oktober 2014 auf Basis der Bekanntmachungen vom 13. November 2012 und 29. April 2012 im Elektronischen Bundesanzeiger beschlossen hat.

13

Hilfsweise wird beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, einen mit der E. M. GmbH bereits geschlossenen Vertrag zu vollziehen.

II.

14

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

15

Der Antragstellerin ist es (nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die Antragsgegnerin im Verfahren keine Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG den Bewerbern zur Verfügung gestellt hat.

16

Der von der Antragstellerin verfolgte Verfügungsantrag stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar, da sie sich widersprüchlich verhält und selbst ihre eigenen Verpflichtungen zur Mitwirkung im Verfahren verletzt hat.

17

Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, hat sie auf mehrfache Schreiben der Antragsgegnerin dieser nicht die benötigten Informationen nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG zur Verfügung gestellt. Die Antragstellerin hat die Rechtsansicht vertreten, dass § 46 Abs. 2 EnWG auf das streitgegenständliche Verfahren überhaupt nicht anwendbar sei. Mit ihrem Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren vertritt sie nun die gegenteilige Rechtsauffassung. Die Antragstellerin meint nun, dass für die Ausschreibung es sehr wohl erforderlich sei, dass die Antragsgegnerin die entsprechenden Informationen nach § 46 Abs. 2 EnWG liefert.

18

Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Antragstellerin auf der einen Seite davon ausgeht, dass § 46 Abs. 2 EnWG nicht anwendbar sei und sie daher nicht verpflichtet sei, die entsprechenden Informationen zu liefern, auf der anderen Seite aber im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin müsse die in § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG aufgeführten technischen Informationen den Bewerbern des Verfahrens zur Verfügung stellen, da anderenfalls eine Diskriminierung der Wettbewerber vorliege.

19

Im Ergebnis verhält sich die Antragstellerin daher hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 46 EnWG widersprüchlich.

20

Weiterhin hat sie ihre Verpflichtung zur Mitwirkung dadurch verletzt, dass sie die benötigten Informationen nach § 46 Abs. 2 Satz 4 EnWG nicht zur Verfügung stellt. Obwohl es ihr daher zuzurechnen ist, dass die Antragsgegnerin nicht über die benötigten Informationen verfügt, beruft sie sich nunmehr im einstweiligen Verfügungsverfahren darauf, dass die Antragsgegnerin die Informationen nicht mitveröffentlicht hat. Dies ist im unredlich.

III.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

22

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach den §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO, wobei die Kammer der vorläufigen Schätzung der Antragstellerin bei der Streitwertfestsetzung gefolgt ist.


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